Handlungsfeld des
Verkehrsrechts
Inhaltsverzeichnis:
01 Polizeiliche
Zuständigkeiten 02 Öffentlicher Straßenverkehr 03
Kein
öffentlicher Straßenverkehr 04 Baustellen 05
Verkehrsteilnehmer 06 Rechtlich handelnde Personen 07
Andere
Verkehrsteilnehmer 08 Verantwortung für
angerichtete Schäden
09 Haftung von Kindern und Minderjährigen 10
Vorsätzliches
Handeln 11 Typische Überforderungssituation 12
Haftung der
Eltern/Aufsichtspersonen 13 Schäden durch Tiere 14
Haustiere
15 Wildschäden 16 Polizeiliches Verkehrsrecht im Überblick
17 Schlüsselwörter
01 Polizeiliche Zuständigkeiten
TOP
Polizeiliche Zuständigkeiten
im Zusammenhang mit verkehrsrechtlichen Aufgaben umfassen ein
breites Spektrum, das im Folgenden nur kurz skizziert wird. Zu den
so genannten Kernaufgaben der Polizei gehören im Handlungsfeld des
Verkehrsrechts folgende Aufgaben:
-
Überwachung des
Straßenverkehrs
-
Aufnahme und Bearbeitung
von Verkehrsunfällen
-
Erforschung und Verfolgung
von Verkehrsordnungswidrigkeiten
-
Erforschung und Verfolgung
von Verkehrsstraftaten
-
Abwehr von Gefahren, die
sich im Zusammenhang mit den oben genannten Aufgaben anlassbezogen ergeben
-
Schutz privater Rechte.
Natürlich berührt auch die
präventive "Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei" zum Handlungsfeld des
Verkehrsrechts. Im Gegensatz zu den oben aufgelisteten Aufgaben
handelt es sich bei der Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei aber
ausschließlich um Tätigkeiten, die in
Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen oder an anderen Orten
stattfinden und deshalb in diesem Kurs nicht thematisiert werden, weil
der Schwerpunkt verkehrspolizeilicher Aufgaben sich im öffentlichen
Straßenverkehr ereignet.
Überwachung des Straßenverkehrs:
Diesbezüglich heißt es im § 11 des Polizeiorganisationsgesetzes NRW (POG NRW)
wie folgt:
§ 11 Abs. 1
Nr. 3 POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden)
(1) Die Kreispolizeibehörden sind
zuständig 3. für
die Überwachung des Straßenverkehrs.
Aufnahme und Bearbeitung von Verkehrsunfällen:
Diese Zuständigkeit setzt einen
Verkehrsunfall voraus, der sich im
öffentlichen Straßenverkehr ereignet hat. Im Runderlass des Innenministeriums NRW „Aufgaben der
Polizei bei Verkehrsunfällen“ heißt es:
Bei
Verkehrsunfällen hat die Polizei folgende Aufgaben:
Die Polizei
nimmt jeden
ihr bekannt gewordenen
Verkehrsunfall
auf. In Zweifelsfällen ist zunächst nach diesem Erlass vorzugehen.
Dabei gilt der Grundsatz, dass die Sachverhaltsprüfung vor Ort
vorzunehmen ist.
Art und Umfang
der Maßnahmen haben sich im Wesentlichen an der Schwere der
Unfallfolgen, der Komplexität der Unfallsituation und den
Erfordernissen der Beweissicherung auszurichten. Je nach Lage ist
über die Einrichtung einer „Besonderen Aufbauorganisation“ (Anlage
1) zu entscheiden.
Aufgaben der Polizei bei Verkehrsunfällen
RdErl. des Innenministeriums - 41 - 61.05.01 - 3 - vom 25.8.2008.
Erforschung und Verfolgung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten:
Diesbezüglich muss es zuerst einmal ausreichen, auf den § 53 des
Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) und auf den § 11 POG NRW
(Sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden) sowie auf den §
44 StVO (Sachliche Zuständigkeit) zu verweisen.
§ 53 OWiG
(Aufgaben der Polizei)
§ 11 POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der
Kreispolizeibehörden)
§
44 StVO (Sachliche Zuständigkeit)
Zu den zu
erforschenden und zu verfolgenden Ordnungswidrigkeiten gehören
natürlich auch
die Verkehrsordnungswidrigkeiten, nicht nur die, die im OWiG aufgeführt sind.
Erforschung und Verfolgung von
Verkehrsstraftaten:
Diesbezüglich ist die Generaleingriffsermächtigung der StPO, bei der
es sich auch um eine Zuständigkeitsregelung handelt, einschlägig,
siehe § 163 StPO.
§ 163 StPO
(Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren)
Im
Strafgesetzbuch gibt es eine Vielzahl von Straftatbeständen, die
entweder nur oder auch im öffentlichen Verkehrsraum begangen werden
können.
§ 142 StGB (Unerlaubtes
Entfernen vom Unfallort) § 227 StGB (Körperverletzung mit
Todesfolge) § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) § 240
StGB (Nötigung) § 248b StGB (Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs)
§ 315 StGB (Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und
Luftverkehr) § 315b StGB (Gefährliche Eingriffe in den
Straßenverkehr) § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) §
315d StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen).
Zu den polizeilich zu verfolgenden Straftaten
gehört auch das Fahren
ohne Fahrerlaubnis, siehe § 21 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis).
§ 21 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis)
Gefahrenabwehr:
Natürlich gehört es auch zu den
Aufgaben der Polizei, Gefahren abzuwehren, die sich im Handlungsfeld
des Verkehrsrechts ereignen. Dazu gehören zum Beispiel die Abwehr
von Gefahren an Unfallstellen oder das Abschleppen von Fahrzeugen,
die verbotswidrig und behindernd im öffentlichen Straßenverkehr
abgestellt sind und dadurch die öffentliche Sicherheit gegenwärtig
gefährden oder auch das Unterbinden der Weiterfahrt, wenn zum
Beispiel anlässlich von allgemeinen
Verkehrskontrollen der
festgestellte verkehrswidrige Zustand eines kontrollierten Fahrzeuges eine
Weiterfahrt nicht mehr zulässt, oder im Rahmen einer Datenabfrage
in Erfahrung gebracht wird, dass der Fahrer nicht oder nicht mehr im Besitz einer gültigen
Fahrerlaubnis ist.
Wie dem auch immer sei. Nachzutragen ist, dass
sich die Zuständigkeiten der Polizei im
Handlungsfeld des Verkehrsrechts sich sowohl
aus dem Polizeigesetz als auch aus dem Polizeiorganisationsgesetz
des Landes NRW ergeben, denn diese Gesetze verweisen auch auf
Zuständigkeiten, die sich aus dem OWiG oder aus der StPO ergeben,
denn das sind Zuständigkeiten, die sich "aus Gesetz oder
Rechtsverordnungen" ableiten lassen.
§ 1
PolG
NRW (Aufgaben der Polizei)
§ 10 POG NRW (Allgemeine
sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden)
In den
weitaus meisten Fällen sind die Kreispolizeibehörden zuständig, siehe § 11 POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der
Kreispolizeibehörden).
§ 11 POG NRW
(Sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden)
Ich denke,
dass damit das Handlungsfeld polizeilicher Zuständigkeiten im
Bereich des polizeilichen Verkehrsrechts zuerst
einmal hinreichend umschrieben ist, so dass nunmehr der Ortsbereich
definiert werden kann, in dem Verkehrsrecht zur Anwendung kommt.
Kurzum:
Verkehrsrecht im hier zu erörternden Sinne setzt öffentlichen
Verkehrsraum, also
öffentlichen Straßenverkehr voraus.
Schutz privater Rechte: In diesem Sachzusammenhang
gesehen muss es zuerst einmal ausreichen, festzustellen, dass es
auch Aufgabe der Polizei ist, den Geschädigten eines Verkehrsunfalls
die Möglichkeit zu geben, Schadenersatzansprüche beim jeweiligen
Gegenüber vor Gericht geltend machen zu können. Das setzt voraus,
dass die Identitäten der Unfallbeteiligten auch zu diesem Zweck von der Polizei
festzustellen sind.
Diese Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 2
PolG NRW (Aufgaben der Polizei).
§ 1 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei)
02 Öffentlicher Straßenverkehr
TOP
Bundesgerichtshof (BGH)
definiert öffentlichen Verkehrsraum
wie folgt:
BGH 2004:
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum dann öffentlich,
wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des
Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine
allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen
ist und auch so benutzt wird. Umfasst werden demnach nicht nur
Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder
dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche,
deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte
größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse
am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch
den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird.
BGH, Urteil
vom 4. März 2004 4 StR 377/03
Diese
Voraussetzungen sind zum Beispiel nicht gegeben, wenn es sich um
den privaten Parkplatz eines Unternehmens handelt, der nur
Bediensteten und anderen Personen zugänglich ist, denen Zugang
gewährt wird (Einlasskontrolle). Davon kann
zB ausgegangen werden, wenn die Zufahrt erst nach Prüfung der
Zufahrtsberechtigung oder aber durch die Benutzung eines Chips bzw.
einer Magnetkarte freigegeben wird.
Beispiel:
Anlässlich einer Beförderung findet in der Kantine des Werksgeländes
eine Feier statt. Das Werksgelände kann nur von Personen befahren oder betreten
werden, wenn durch Verwendung eines Chips die Zufahrt bzw. der Zugang zum Betriebsgelände
freigegeben wird. Alpha hat dem Alkohol reichlich zugesprochen. Als er
mit seinem Pkw das Werksgelände wieder verlassen will, streift er
dabei beim Ausparken einen Pkw und beschädigt diesen erheblich. Als der Halter des
Pkw den Schaden feststellt, ruft er die Polizei. Als Lars und Mia am
Einsatzort eintreffen, nachdem ihnen am Tor der Zugang gewährt wurde, zeigt
der Geschädigte eine Verkehrsunfallflucht an. Rechtslage?
Unerlaubtes
Entfernen vom Unfallort iSv § 142 StGB setzt einen Unfall im
Straßenverkehr voraus. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben,
denn es handelt sich bei dem Werksgelände nicht um öffentlichen
Verkehrsraum, sondern um Privatgelände, weil Zugang nur einem
ausgewählten Personenkreis gewährt wird. Aus diesem Grunde können
Lars und Mia nur die am Tatort festgestellte Sachbeschädigung
erforschen und verfolgen.
OVG NRW 1999:
Der Kreis der Benutzer war damit nicht so eng und genau umschrieben,
dass er jederzeit ermittelbar war. Da Kunden verschiedener
Unternehmen Zufahrt zu den Parkplätzen hatten und die Parkplätze
nicht gekennzeichnet oder in sonstiger Weise nach außen ersichtlich
bestimmten Benutzerkreisen zugeordnet waren, konnte auch keine
Einzelkontrolle von Nichtberechtigten stattfinden. Der Kreis der
Parkplatzbenutzer war mithin zu unbestimmt und wechselnd, um die
Hoffläche als nichtöffentlich im Sinne des Verkehrsrechts anzusehen.
OVG NRW,
Beschluss vom 4. August 1999 - 5 A 1321/97
Im
Umkehrschluss heißt das: Findet eine Einlasskontrolle statt, oder
ist die Zufahrt zum Gelände an andere Voraussetzungen gebunden, dann
handelt es sich bei solchen Flächen nicht um öffentlichen
Verkehrsraum.
Bei den
nachfolgend aufgelisteten Verkehrsflächen handelt es sich
unstrittigerweise um
öffentlichen Verkehrsraum:
Aber auch bei Parkplätzen für die Gäste von Gaststätten, sowie bei
den Parkplätzen von Warenhäusern oder Großmärkten oder bei den
Betriebsflächen von Tankstellen, handelt es sich um öffentliche
Verkehrsräume, weil deren Benutzerkreis nicht festgelegt ist. Auch
die Entrichtung einer Benutzungsgebühr schließt öffentlichen
Verkehrsraum nicht aus, so dass auch Parkhäuser als öffentliche
Verkehrsräume anzusehen sind.
BGH 2004:
Dabei nimmt es der Verkehrsfläche nicht den Charakter der
Öffentlichkeit, wenn für die Zufahrt mit Fahrzeugen eine
Parkerlaubnis oder für die Nutzung ein Entgelt verlangt wird. Für
die Beurteilung, ob eine auf einem Betriebsgelände gelegene
Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen ist, kommt
den äußeren Gegebenheiten, die einen Rückschluss auf das
Vorhandensein und den Umfang der Gestattung bzw. Duldung des
allgemeinen Verkehrs durch den Verfügungsberechtigten zulassen,
maßgebliche Bedeutung zu. So kann sich etwa aus einer entsprechenden
Beschilderung als „Privat-/Werksgelände“, einer Einfriedung des
Geländes und einer Zugangsbeschränkung in Gestalt einer
Einlasskontrolle ergeben, das der Verfügungsberechtigte die
Allgemeinheit von der Benutzung des Geländes ausschließen will. Wenn
aufgrund solcher Maßnahmen nur einem beschränkten Personenkreis wie
den Betriebsangehörigen Zutritt zu dem Betriebsgelände gewährt wird,
handelt es sich um eine nicht öffentliche Verkehrsfläche. In diesen
Fällen ist der Kreis der Berechtigten so eng umschrieben, dass er
„deutlich aus einer unbestimmten Vielheit möglicher Benutzer
ausgesondert ist“. Ist dagegen ein Betriebsgelände der
Allgemeinheit, dh einem nicht durch persönliche Beziehungen
miteinander verbundenen Personenkreis, zugänglich, sind die darauf
befindlichen Verkehrsflächen öffentlicher Verkehrsraum im Sinne des
§ 315 b StGB.
BGH, Urteil
vom 4. März 2004 4 StR 377/03
Im Übrigen
wäre es in diesem Rechtsstaat mehr als verwunderlich, wenn der
unbestimmte Rechtsbegriff „Öffentliche Straße“ nicht auch gesetzlich
definiert wäre, siehe zum Beispiel den § 2 im Straßen- und
Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW).
§ 2 StrWG
NRW (Öffentliche Straße)
03 Kein öffentlicher Straßenverkehr
TOP
Nicht zum
öffentlichen Straßenverkehr gehören folgende Flächen:
-
Straßen, die noch nicht für
den öffentlichen Straßenverkehr freigegeben sind bzw. noch keine
Widmung erfahren haben. Das ist zum Beispiel bei im Bau
befindlichen Bundesautobahnen der Fall. Weil dort kein
öffentlicher Straßenverkehr stattfindet, können dort auch
Baufahrzeuge verwendet werden, die für den öffentlichen
Straßenverkehr nicht zugelassen sind.
-
Baustellen, wenn bestimmte
Bereiche nicht befahren werden dürfen. Das sind die durch
Absperrmittel gekennzeichneten Flächen.
-
Verkehrsflächen in
Unternehmen, wenn das Befahren der Verkehrsflächen
nur nach erfolgter Einfahrterlaubnis möglich ist. Dabei kann es
sich durchaus um großflächige, dem allgemeinen Straßenverkehr
nicht zur Verfügung stehende Areale handeln.
04 Baustellen
TOP
Der Verkehr auf
öffentlichen Straßen ist nicht öffentlich, solange diese wegen
Bauarbeiten, durch
Absperrschranken
oder ähnlich wirksame Mittel für alle Verkehrsarten gesperrt sind.
Bei der Einrichtung von Baustellen hat jedoch die
Straßenverkehrsbehörde Maßnahmen zur Verkehrslenkung bzw.
Verkehrssicherung zu ergreifen, um die Leichtigkeit und Flüssigkeit
des verbleibenden öffentlichen Straßenverkehrs zu gewährleisten.
Dazu gehören insbesondere die Vorgaben, die vom Betreiber (zB ein beauftragter
Bauunternehmer) im Hinblick auf
Beschilderungen, Markierungen und zu verwendenden
Verkehrseinrichtungen wie Baken, Pfosten, Schranken, Blinkluchten etc.
zu beachten sind. Für die
dazu einzuholenden Genehmigungen sind in der Regel die örtlichen
Straßenverkehrsbehörden zuständig, siehe § 45 StVO. Unternehmer
müssen
zB
vor Einrichtung einer Straßensperrung von der zuständigen Behörde
eine entsprechende Anordnung einholen (§ 45 Absatz 6 StVO).
Damit Sie
eine Vorstellung darüber bekommen, wie filigran verkehrsrechtliche
Fragen geregelt sind, öffnen Sie bitte den folgenden Link, nur um
sich einen Eindruck davon verschaffen zu können, wie schnell
Verkehrsrecht in „Schräubchenkunde“ ausarten kann.
§ 45 StVO
(Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen)
Kommt es
innerhalb von abgesperrten und dem allgemeinen Verkehr nicht
zugänglichen Bereichen zu Unfällen, dann handelt es sich dabei nicht
um Verkehrsunfälle im Rechtssinn, auch wenn das naheliegend zu sein scheint.
Beispiel:
In ein paar Tagen soll ein etwa 20
km langes Autobahnteilstück für den öffentlichen Verkehrsraum
freigegeben werden. Diese Gelegenheit wollen sechs Heranwachsende
dazu nutzen, um dort noch schnell ein Autorennen auszutragen.
Nachdem die Heranwachsenden mit ihren Pkw die Absperrung
umfahren haben, erfolgt der Start. Was die
Heranwachsenden nicht wissen ist, dass auf der Trasse noch zu
beseitigende Stahlträger liegen, die zur Befestigung der Leitplanken
dienen und in die die Rennfahrer mit hoher
Geschwindigkeit hineinrasen. Dabei kommt es zu einem folgenschweren
Verkehrsunfall, den Lars und Mia aufnehmen. Rechtslage?
Bei dem
abgesperrten Autobahnteilstück handelt es sich nicht um öffentlichen
Verkehrsraum, zumal erst in ein paar Tagen dieses Teilstück für den
öffentlichen Straßenverkehr freigegeben werden soll.
Kraftfahrzeugrennen iSv § 315d StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen)
setzt aber voraus, dass die Tathandlung im Straßenverkehr begangen
wird, siehe § 315d Abs. 1 Nr. 1 StG.
§ 315d Abs.
1 Nr. 1 StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen)
So auch die
Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021:
BVerfG 2021:
Während die abstrakte Gefährlichkeit für das Rechtsgut der
Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs bei Rennen mit mehreren
Kraftfahrzeugen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB maßgeblich aus
dem Wettbewerb unter den Teilnehmern resultiere, ergebe sie sich in
den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB aus dem unbedingten Willen
des Täters, sein Fahrzeug bis zur relativen Grenzgeschwindigkeit zu
beschleunigen.
BVerfG,
Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 BvL 1/20
Auch ein Blick
in die
Allgemeine
Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (Vwv) macht
deutlich, dass diese Rechtsauffassung zutreffend ist.
Vwv zu § 1 Grundregel:
Öffentlicher Verkehr findet auch
auf nicht gewidmeten Straßen statt, wenn diese mit Zustimmung oder
unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich allgemein
benutzt werden. Dagegen ist der Verkehr auf öffentlichen Straßen
nicht öffentlich, solange diese, zum Beispiel wegen Bauarbeiten,
durch
Absperrschranken
oder ähnlich wirksame Mittel für alle Verkehrsarten gesperrt sind.
Im
Ausgangsbeispiel kann somit davon ausgegangen werden, dass kein
tatbestandliches Handeln iSv § 315d StGB gegeben sein kann, weil die
Tat nicht im öffentlichen Straßenverkehr begangen wurde.
Dass dieser
„Unfall“ dennoch von der Polizei aufzunehmen ist, dürfte in der
Natur der Sache liegen, denn ursächlich für diesen Unfall dürfte
zumindest die Missachtung des Zeichens 250 (Verbot für Fahrzeuge
aller Art) oder die Missachtung des Zeichens 251 (Verbot für Kraftwagen und sonstige
mehrspurige Kraftfahrzeuge) der Anlage zur StVO sein, die iVm Baken
und anderen
Absperrmitteln
bzw. aufgestellten Leitbarken und leuchtenden Blinklichtern die
gemäß § 43 StVO zu den Verkehrseinrichtungen zählen, von den
Teilnehmern des „Autorennens“ missachtet wurden.
§ 43 StVO
(Verkehrseinrichtungen)
Im Übrigen haben
sich bei diesem Autorennen die Beteiligten möglicherweise sogar schwer
verletzt, so dass die Polizei zumindest auch im Sinne von § 229 StGB
(Fahrlässige Körperverletzung) zu ermitteln hat.
§ 229 StGB
(Fahrlässige Körperverletzung)
05 Verkehrsteilnehmer
TOP
Die im
öffentlichen Straßenverkehr handelnden oder unterlassenden Akteure
werden als Verkehrsteilnehmer bezeichnet. Dies ist ein
Sammelbegriff, der viele unterschiedliche Personen umfasst. Zu den
aktiven Verkehrsteilnehmern gehören:
-
Pkw-Fahrer
-
Lkw-Fahrer
-
Kradfahrer
-
Fahrer von E-Scootern
-
Fahrer von E-Bikes
-
Radfahrer
-
Fußgänger
-
Kinder
Definition:
Verkehrsteilnehmer ist jeder, der sich verkehrserheblich verhält, d.
h., wer körperlich und unmittelbar durch Handeln oder
pflichtwidriges Unterlassen auf den Ablauf eines Verkehrsvorganges
einwirkt. Dabei ist es unerheblich, ob er sich selbst im
öffentlichen Verkehrsraum befindet oder nicht oder ob er durch seine
Anwesenheit oder durch sein Fahrzeug auf einen Verkehrsvorgang
einwirkt.
Folglich
könnten
auch
-
Halter von Fahrzeugen sowie
-
Eigentümer von Gegenständen, die in den
öffentlichen Straßenverkehr hineinragen oder dorthin gelangen
als
Verkehrsteilnehmer angesehen werden.
Sinnvoller
aber ist es, von Verkehrsteilnehmern nur dann zu sprechen, wenn
diese im öffentlichen Verkehrsraum tatsächlich präsent sind. Ist das
nicht der Fall, ist es angemessener, sie als Andere im Sinne des § 1
StVO anzusehen. Dazu gleich mehr.
Verkehrsteilnehmer ist zuerst einmal jeder, der aktiv am
Verkehrsgeschehen teilnimmt (Fußgänger, Radfahrer, Fahrzeugführer,
Bauarbeiter im öffentlichen Verkehrsraum). Die Verkehrsteilnahme
beginnt mit dem räumlichen Betreten des öffentlichen Verkehrsraumes
und endet mit dessen Verlassen.
Zu den
passiven Verkehrsteilnehmern gehören:
06 Rechtlich handelnde Personen
TOP
Als
Verkehrsteilnehmer kommt eine Vielzahl von Personen in Betracht, die
in dieser Eigenschaft zugleich auch:
-
Betroffene von Verkehrsordnungswidrigkeiten
-
Verdächtige von Verkehrsstraftaten
-
Beschuldigte
-
Halter
-
Täter
-
Beteiligte oder auch
-
Unfallopfer
-
Geschädigte oder
-
Anstifter und Teilnehmer von Straftaten sein können.
Da das
Ordnungswidrigkeitenrecht die Begriffe „Täter, Teilnehmer und
Anstifter“ nicht kennt, sondern diese dem Strafrecht zugehörenden
Begrifflichkeiten alle unter dem unbestimmten Rechtsbegriff der
„Beteiligung“ zusammenfasst, können sich Beifahrer dennoch
ordnungswidrig verhalten, wenn sie den Fahrer zu ordnungswidrigem
Verhalten „anstiften“.
Als
Beteiligung im Sinne des § 14 Abs. 1 OWiG kommen aber nur solche
Beteiligungsformen in Betracht, die im Bereich des Strafrechts als
(Mit-)Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zu werten wären, siehe §
14 OWiG (Beteiligung).
§ 14 OWiG
(Beteiligung)
Die
Beteiligung an der Ordnungswidrigkeit eines anderen setzt voraus,
dass dieser andere vorsätzlich handelt.
Beispiel:
Der unter Alkoholeinwirkung stehende Halter eines Pkw hat seine
Begleiterin, die ebenfalls Alkohol getrunken hat, gebeten, an seiner
Stelle den Pkw zu fahren. Anlässlich einer Verkehrskontrolle stellen
Lars und Mia fest, dass der Fahrerin eine Verkehrsordnungswidrigkeit
im Sinne von § 24a
StVG
(0,5-Promille-Grenze) vorgeworfen werden kann, denn ein mit dem
Einverständnis der Fahrerin durchgeführter Alcotest ergibt einen
Wert in Höhe von 0,9 Promille. Daraufhin macht die Fahrerin dem
Beifahrer, der Halter des Pkw ist, am Kontrollort mehrfach den
Vorwurf, dass er es doch war, der sie überhaupt erst dazu überredet
hat, sich hinters Steuer zu setzen. Wenn es nach ihr gegangen wäre,
dann würde der Pkw jetzt noch auf dem Parkplatz der Disco stehen und
sie würden gemeinsam mit einem Taxi nach Hause fahren. Können beide
für die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld
belegt werden?
Fahrerin:
Die Fahrerin selbst begeht die festgestellte
Verkehrsordnungswidrigkeit durch aktives Tun. Sie hat auch
vorsätzlich gehandelt, denn die Fahrerin hat sich hinter das Steuer
des Pkw gesetzt, obwohl ihr bewusst war, dass sie Alkohol getrunken
hatte. Insoweit scheidet Fahrlässigkeit aus.
§ 24a StVG
(0,5-Promille-Grenze)
Beifahrer:
Der Beifahrer/Halter des Pkw kann ebenfalls mit einer Geldbuße
belegt werden, weil er die neben ihm sitzende Fahrerin dazu
überredet hat, eine Verkehrsordnungswidrigkeit zu begehen. Er hat
die Frau sozusagen zu ordnungswidrigem Verhalten iSv § 14 OWiG
(Beteiligung) „angestiftet“, obwohl es diesen Begriff des
Strafrechts im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht gibt. Dort wird unter
dieser Form der Einflussnahme auf erwünschtes verkehrswidriges
Verhalten anderer immer der unbestimmte Rechtsbegriff „Beteiligung“
verwendet. Außerdem darf ein Halter die Inbetriebnahme eines seiner
Fahrzeuge nicht zulassen, wenn ihm bekannt sein muss, dass der
Fahrer dazu nicht geeignet ist, siehe § 31 StVZO (Verantwortung für
den Betrieb der Fahrzeuge.
§ 31 StVZO
(Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge)
07 Andere Verkehrsteilnehmer
TOP
Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2018 wie
folgt:
BGH 2018:
Anderer
Verkehrsteilnehmer [...]
ist
jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, dh
körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs
einwirkt. Darunter fällt nicht nur der fließende Durchgangsverkehr
auf der Straße, sondern jedenfalls auch derjenige, der auf der
anderen Straßenseite vom Fahrbahnrand anfährt.
BGH, Urteil
vom 15. Mai 2018 - VI ZR 231/17 - LG Heilbronn
Verkehrsteilnehmer können auch Kinder, Jugendliche, Erwachsene
und natürlich auch hilflose Personen sein.
Kinder:
Personen unter 14 Jahren können keine Verkehrsordnungswidrigkeiten
und auch keine Straftaten begehen. Anders ausgedrückt: Kinder können
für ihre verbotswidrigen Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden. Eine ganz
andere Frage ist die ihrer Haftbarkeit. Dazu gleich mehr.
Jugendliche:
Hinsichtlich der Verantwortlichkeit für verkehrswidriges Verhalten
von Jugendlichen und Heranwachsenden heißt es in dem Erlass des
MIK NRW 43.8 – 57.04.16 - v. 2.11.2010 wie folgt:
Jugendliche,
d. h. Personen, die zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht
achtzehn Jahre alt sind, können vorwerfbar handeln, wenn sie nach
ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das
Unrecht ihres Verhaltens einzusehen und nach dieser Einsicht zu
handeln; bei Verkehrsordnungswidrigkeiten kann das im Allgemeinen
angenommen werden, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände
dagegen sprechen.
Heranwachsende:
Für Heranwachsende, dh Personen, die zur Zeit der Tat achtzehn,
aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt sind, gelten keine
Besonderheiten. Sie stehen nach dem materiellen
Ordnungswidrigkeitenrecht den Erwachsenen gleich.
§ 823 BGB
(Schadenersatzpflicht)
Erwachsene:
Erwachsene sind für ihr Tun und damit verbundene Folgen
grundsätzlich uneingeschränkt verantwortlich.
§ 823 BGB
(Schadenersatzpflicht)
08 Verantwortung für angerichtete chäden
TOP
Die Halter
von Kraftfahrzeugen müssen vor deren Inbetriebnahme entsprechende
Pflichtversicherungen abschließen, siehe § 1
Pflichtversicherungsgesetz.
§ 1
Pflichtversicherungsgesetz
Tun sie das
nicht, machen sie sich strafbar iSv § 6 des
Pflichtversicherungsgesetzes..
§ 6
Pflichtversicherungsgesetz
Heranwachsende und Erwachsene haften für die Folgen ihrer Handlungen
uneingeschränkt, soweit die Schäden nicht durch Fahrzeuge verursacht
werden, für die eine Pflichtversicherung abgeschlossen sein muss,
die dann durch die jeweiligen Haftpflichtversicherer beglichen
werden.
09
Haftung von Kindern und
Minderjährigen
TOP
Diesbezüglich sind die Regelungen im § 828 BGB (Minderjährige)
einschlägig.
§ 828 BGB
(Minderjährige)
Wer nicht
das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den
ein Kind
einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
7- bis
10-Jährige können haftungsrechtlich verantwortlich sein, wenn sie
vorsätzlich:
-
Kraftfahrzeuge
-
Schienenbahnen oder
-
Schwebebahnen
beschädigen.
Bis zur
Vollendung des 18. Lebensjahres haftet eine Person dann nicht für
angerichtete Schäden, wenn ihr die zur Erkenntnis der
Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht fehlt.
10
Vorsätzliches Handeln
TOP
Kinder im
Alter von 7 bis 10 Jahren können dennoch trotz § 828 Absatz 2 BGB haften,
wenn sie vorsätzlich gehandelt haben. Das ist zum Beispiel der Fall,
wenn Sie von Brücken Steine auf Autos werfen. Der Haftungsausschluss
greift bei Unfällen im Straßenverkehr nur dann, wenn sie im
Zusammenhang mit typischen Verkehrssituationen stehen, die Kinder
überfordern oder in denen sie nicht angemessen oder unüberlegt
reagieren können.
§ 828 BGB
(Minderjährige)
Ob § 828 Absatz 2 BGB greift, hängt davon
ab, wo und wie sich der Unfall ereignet hat. Hierzu existiert eine
Vielzahl von gerichtlichen Einzelfallentscheidungen, die sich auf
die spezielle Gefahrensituation im motorisierten Straßenverkehr
beziehen.
11
Typische
Überforderungssituation
TOP
Eine solche
Situation kann angenommen werden, wenn aufgrund der Komplexität und
wegen des unübersichtlichen Ablaufs einer Verkehrssituation von
einer Überforderung des Kindes auszugehen ist. Ist solch eine
Überforderungssituation gegeben, ist das Kind von der Haftung gemäß
§ 828 Absatz 2 BGB freigestellt.
Eine solche Überforderung kann auch
im „ruhenden Verkehr“ gegeben sein.
Hinweis:
Eine Deliktfähigkeit bei Kindern wird angenommen, wenn sie das
siebte Lebensjahr vollendet haben. Vorher kommt grundsätzlich keine
Haftung von Kindern in Betracht.
12
Haftung der
Eltern/Aufsichtspersonen
TOP
Verursacht
ein Kind einen Schaden, können die Eltern des Kindes bzw.
Aufsichtspersonen unter Umständen wegen Verletzung ihrer
Aufsichtspflicht in Anspruch genommen werden.
§ 831 BGB (Haftung für den
Verrichtungsgehilfen)
§ 832 BGB (Haftung
des Aufsichtspflichtigen)
Dabei wird
grundsätzlich davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter des
Kindes die Eigenverantwortung steigt, während die Pflicht zur
Beaufsichtigung immer weiter sinkt. Generell gilt aber, dass jemand,
der kraft Gesetzes oder vertraglich zur Aufsicht verpflichtet ist,
den von angerichteten Schaden ersetzen muss, den das Kind einem
Dritten widerrechtlich zugefügt hat.
Die Haftung
wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht bestimmt sich unabhängig
von der Haftung des Kindes.
Der
Umfang der Aufsichtspflicht richtet sich:
Von Eltern
und Aufsichtspersonen wird erwartet, dass sie sich angemessen
verhalten und ihrer Aufsichtspflicht ausreichend nachkommen.
13
Schäden durch Tiere
TOP
Auch Tiere
können im Straßenverkehr schwerwiegende Schäden herbeiführen.
Beispiel:
Eine Kuh hat während der Dunkelheit einen Weidezaun überwinden
können und einen Verkehrsunfall verursacht. Dabei entstand schwerer
Personen- und Sachschaden in Höhe von etwa 50 000 Euro. Lars und Mia
nehmen diesen Unfall auf. Handelt es sich bei der Kuh um einen
Verkehrsteilnehmer?
Tiere können
keine Verkehrsteilnehmer sein. Geschädigte können sich aber in einem
solchen Fall an den Tierhalter wenden.
Haftet
der Landwirt für den Schaden, den seine Kuh angerichtet
hat?
Ein Landwirt
muss zumindest einen Teil der Unfallschäden bezahlen, die seine
entlaufenen Tiere anrichten, so zumindest die Sichtweise der Richter
des Oberlandesgerichts Hamm. Im zu entscheidenden Fall war eine Kuh
von ihrer Weide auf eine benachbarte Straße und vor ein Auto
gelaufen. Dabei war ein Schaden von rund 11.000 Euro entstanden, den
der Llandwirt, dem die Kuh gehörte, zur Hälfte bezahlen musste. Im Beschluss heißt es
sinngemäß, dass der Landwirt nicht habe nachweisen können, dass er
die Weide sorgfältig gesichert hat.
OLG Hamm 2005:
Seine Behauptung, die Weide
durchgängig mit einem 1,30 m hohen, vierfachen Stacheldraht
eingezäunt zu haben, reiche nicht aus. Schließlich sei die Kuh ja
ausgebrochen. Der Bauer hätte einen unverschuldeten Ausbruch nur
dann nachweisen können, wenn die von ihm unternommenen
Sicherungsmaßnahmen geeignet gewesen wären, alle vernünftigerweise
denkbaren Anspruchsmöglichkeiten auszuschließen.
OLG Hamm,
Beschluss vom 27. September 2005 - 9 W 45/05
14 Haustiere
TOP
Wenn von
Tierliebhabern an der Leine geführte oder frei laufende Hunde im öffentlichen
Straßenverkehr Verkehrsunfälle verursachen, richtet sich
polizeiliches Vorgehen immer gegen den Hundehalter als dem
handelnden und verantwortlichen Verkehrsteilnehmer. Gleiches gilt
für Schäden, die von Reitpferden verursacht werden. Bei Hühnern und
Katzen ist die Rechtslage anders geregelt.
LG Krefeld 2020: Wird
der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier verursacht, kommen
die Vorschriften des § 17 Abs.1 bis 3 StVG entsprechend zur
Anwendung. Ist der Unfall für den Kfz-Halter unvermeidbar, trägt der
Tierhalter den Schaden allein.
An anderer Stelle heißt
es:
Bei einem Unfall unter
Beteiligung eines Kfz und eines Tieres ordnet § 17 Abs. 4 StVG für
die Haftungsverteilung [...] eine Abwägung der Betriebsgefahr des
Kfz gegen die Tiergefahr an. Tierhalter und Tierhüter müssen nach §§
833, 834 BGB - mit unterschiedlicher Entlastungsmöglichkeit - für
die Tiergefahr einstehen. Auch im Anwendungsbereich von Abs. 4 wird
durch die Regelung kein Anspruch begründet, vielmehr setzt die auf
den Umfang bezogene Bestimmung einen Anspruch voraus. [...].
Hinsichtlich der Haftung nach § 7 Abs. 1 ist zu prüfen, ob der
Unfall dem Betrieb des Kfz zuzurechnen ist. Der Zusammenhang zum
Betrieb des Kfz ist grundsätzlich weit zu fassen und kann auch
Tierreaktionen aufgrund bestimmter Fahrmanöver einschließen, sofern
sich nicht nur ein eigenständiger Gefahrenkreis realisiert. Zur
Begründung einer Haftung nach §§ 833, 834 BGB muss sich die sog.
Tiergefahr verwirklicht haben, d.h. der Unfall muss auf ein
selbstständiges und nicht etwa vom Mensch gesteuertes Verhalten des
Tiers zurückzuführen sein. Bei der Abwägung der Gefahren ist deren
unterschiedlicher Charakter zu berücksichtigen. Häufig wird die
Tiergefahr die Betriebsgefahr des Kfz überwiegen, da in den meisten
Konstellationen zu berücksichtigen ist, dass sich Kfz
bestimmungsgemäß auf einer Fahrbahn aufhalten, während Tiere von
dieser zur Vermeidung von Gefahren fernzuhalten sind. Allerdings
kommt es auch hier auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei
insbesondere die Erkennbarkeit der gefahrträchtigen Nähe von Tieren
bzw. Verkehrsverstöße des Kfz-Halters sowie die Unberechenbarkeit
der Verhaltensweise von Tieren zu berücksichtigen sind.
LG Krefeld,
Urteil vom 20. Februar 2020 - 3 S 8/19
Dem Urteil lag
ein Haftungsanspruch einer Katzenhalterin zugrunde, deren Katze auf
der Straße von einem Pkw-Fahrer angefahren und verletzt worden war
und von dem die Katzenhalterin die Behandlungskosten ihrer Katze
einforderte.
Diesbezüglich heißt es im oben bereits zitierten Urteil wie folgt:
Die Klägerin haftet selbst als Tierhalterin gem. § 833 BGB.
Unbestritten handelte es sich um ihre Katze, wodurch sie als
Tierhalterin zu betrachten ist.
Nach § 833 BGB
haftet der Tierhalter grundsätzlich für jeden Schaden, den sein Tier
verursacht, beziehungsweise mit verursacht hat.
Dies gilt sowohl für
Personenschäden, als auch für Sachschäden. Tierhalter ist, wer die
Bestimmungsmacht über das Tier übernimmt, für die Kosten des Tieres
aufkommt und den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in
Anspruch nimmt. Nach dieser Definition können grundsätzlich auch
Minderjährige
Tierhalter im Sinne des Gesetzes sein. § 833 BGB enthält eine
Gefährdungshaftung.
§ 833 BGB
(Haftung des Tierhalters)
In der StVO
gibt es ebenfalls eine Norm, die die Verantwortlichkeiten beim
Umgang mit Tieren im öffentlichen Straßenverkehr regelt.
§ 28 StVO
(Tiere)
15 Wildschäden
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Bei Wild
handelt es sich, wie der Name bereits sagt, um wild lebende Tiere,
für die niemand in Regress genommen werden kann, wenn sie einen
Verkehrsunfall verursachen. Wildunfälle sind
dennoch der Polizei zu melden, damit der Jagdausübungsberechtigte
aufgefordert werden kann, das Wild zu beseitigen oder anderweitig zu
nutzen. An der polizeilichen Unfallaufnahme hat aber auch der
Geschädigte selbst ein Interesse, denn wenn der Geschädigte gegen
Wildunfälle versichert ist, wird er das seiner Versicherung
glaubhaft nachweisen müssen.
Im Jahr 2022 gab es in Deutschland rund 2.300 Wildunfällen mit
Personenschaden (Statista.com).
16
Polizeiliches
Verkehrsrecht im Überblick
TOP
Die
nachfolgende Auflistung macht deutlich, wie umfangreich die
Gesetzesmaterie ist, auf deren Grundlage die Polizei im Rahmen ihrer
Aufgaben und Befugnisse sowohl den Straßenverkehr zu überwachen, als
auch dort festgestellte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu
erforschen und zu verfolgen, Verkehrsunfälle aufzunehmen und verkehrstypische Gefahren
abzuwehren hat.
-
Straßenverkehrsgesetz (StVG)
-
Straßenverkehrsordnung (StVO)
-
Straßenverkehrs-Zulassungsordnung
(StVZO)
-
Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)
-
Fahrzeugteile-Verordnung (FzTV)
-
Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV)
-
Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)
-
Verkehrsstraftaten (StGB)
-
Pflichtversicherungsgesetz (PflVG)
-
Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB)
-
ARD-Abkommen (Internationale Beförderung gefährlicher Güter a.d.
Straße
-
Fahrpersonalgesetz
-
VO (EG)
Nr. 561/2006 und natürlich auch die
-
Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung –
eKFV.
Im Rahmen
dieses Kurses werden Sie in alle oben genannten Gesetze und
Vorschriften zumindest einen punktuellen Einblick nehmen können, der
es Ihnen erlaubt, polizeibezogenes Verkehrsrecht zumindest in der
Tehorie sachgerecht
anwenden zu können.
Hinweis: Kein
Skript und auch kein Kurs am Monitor kann das Lernen in einer Lerngruppe
oder praktische Berufserfahrung vor Ort ersetzen. Darauf möchte
ich an dieser Stelle ausdrücklich hinweisen. Es liegt aber in Ihrem
Interesse, sich mit den Inhalten dieses Kurses vertraut zu machen,
um im Unterrichtsgespräch auf bereits angelesenem Wissen aufbauen,
das Unterrichtsgespräch mitgestalten
und dadurch bereits erworbenes Wissen nicht nur weiter vertiefen,
sondern im Unterrichtsgespräch auch für mehr "Zuhörerbeteiligung"
sorgen können.
17 Schlüsselwörter
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Die folgenden Schlüsselwörter stehen auch im Ordner
ABC-VR
zur Verfügung. Die Anzahl der Fachbegriffe wird dort kontinuierlich
fortgeschrieben.
Amtshandlung
Amtswalter
Ermittlungsperson der StA
Haftung
Erwachsene
Haftung Heranwachsende
Haftung Jugendliche
Haftung Kinder
Haftung Tierhalter
Halterverantwortlichkeit
Hauptunfallursachen
Straßenverkehr - öffentlich
Straßenverkehr -
nicht öffentlich
Verkehrskontrollen
Verkehrskontrollen Erlassregelung NRW
Verkehrsteilnehmer - Andere
Verkehrsteilnehmer
Verkehrsunfall
Verkehrsunfall - Haustiere
Wildschäden
Zuständigkeit - Bedeutung
Zuständigkeit - örtliche
Zuständigkeit - sachliche
Fehler, Verbesserungsvorschläge und Fragen richten Sie bitte an:
info@rodorf.de
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diesem Grunde können die anderen Kurse, die das polizeiliche
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gestellt werden.
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