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§ 1 StVO - Grundregeln

Inhaltsverzeichnis:

01.0 Allgemeines
02.0 Grundregel 1
02.1 Ständige Vorsicht
02.2 Gegenseitige Rücksicht
03.0 Grundregel 2
03.1 Wer
03.2 Anderer
03.3 Schädigung
03.4 Unbedeutender Sachschaden
03.5 Bagatellschäden
03.6 Leichte Personenschäden
03.7 Gefährdung
03.8 Behinderung
03.9 Belästigung
04.0 Vertrauensgrundsatz –
defensives Fahren
05.0 Negativbeispiele zu § 1 StVO
05.1 Alleinrennen auf Autobahnen
05.2 Belästigung/Behinderung der Polizei
06.0 Positivbeispiele zu § 1 StVO
06.1 Ständige Vorsicht und Rücksichtnahme
06.2 Langsamfahren als Behinderung
06.3 Verkehrsunfall mit Einkaufswagen
07.0 Ordnungswidrigkeiten
08.0 Schlüsselwörter

01.0 Allgemeines

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Der § 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) normiert zwei Grundregeln, die sich an jeden Verkehrsteilnehmer richten, der sich im öffentlichen Straßenverkehr befindet.

§ 1 StVO (Grundregeln)

Dabei handelt es sich, in Anlehnung an ein Urteil der Richter des Bundesgerichtshofs vom 15.05.2018 - VI ZR 231/17, um Personen, die sich verkehrserheblich verhalten und somit unmittelbar durch ihr Tun oder Unterlassen auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirken.

02.0 Grundregel 1

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§ 1 StVO (Grundregeln)
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

Bei dieser Grundregel handelt es sich um eine zu beachtende allgemeine Verhaltensregelung im Straßenverkehr, denn es fehlt ihr erkennbar an der Bestimmtheit. Das ist auch der Grund dafür, dass § 1 Abs. 1 StVO nicht bußgeldbewehrt ist. Gleichwohl begründet diese Norm eine Rechtspflicht, besser gesagt geht von dieser allgemeinen Verhaltensregelung eine mittelbare Rechtswirkung aus, auf die rechtsprechende Gerichte zurückgreifen, wenn es darum gilt, verkehrsrechtliches Fehlverhalten nachvollziehbar zu begründen. Dazu mehr an anderer Stelle in diesem Kapitel.

02.1 Ständige Vorsicht

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Diese Verhaltensweise setzt Bedachtsamkeit, Besonnenheit, Geduld, Respekt, Sorgfalt, Umsicht, Vernunft und natürlich auch Wachsamkeit voraus, das gilt auch im Hinblick auf unvorhergesehene und unerwartete Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften.

Mit anderen Worten: Vorsicht setzt sozusagen nicht nur eine stete Bremsbereitschaft, sondern auch Geistesgegenwart voraus. Auch kopfloses Handeln entspricht nicht der gebotenen Vorsicht. Ausgenommen davon ist lediglich die so genannte Schrecksekunde, also eine sehr kurze Zeitspanne, die der Körper benötigt, um überhaupt angemessen auf gefahrenträchtige Situationen reagieren zu können.

02.2 Gegenseitige Rücksicht

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Gegenseitige Rücksichtnahme setzt die Bereitschaft voraus, sich nicht nur sozialverträglich, sondern insgesamt gesehen angemessen zu verhalten. Dazu gehört die Bereitschaft, für andere Verkehrsteilnehmer Verständnis aufzubringen, sich nicht durchsetzen zu wollen, sondern sich tendenziell defensiv zu verhalten. Kurzum: Rücksicht setzt Besonnenheit und Geistesgegenwart voraus.

Hinweis: Bevor an Beispielen erörtert wird, in welchen Zusammenhängen bei der Begründung von Verkehrsverstößen die Grundregel 1 des § 1 Abs. 1 StVO bedeutsam ist, dürfte es zielführender sein, sich zuerst einmal der Grundregel 2 zuzusenden, denn erst wenn die beiden Grundregeln des § 1 StVO erörtert wurden, ist es sinnvoll, sie im Einzelnen sachverhaltsbezogen anzuwenden.

03.0 Grundregel 2

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Im Gegensatz zur Grundregel 1, die nicht mit einem Bußgeld geahndet werden kann, handelt es sich bei tatbestandlichem Handeln im Sinne der Grundregel 2, also bei Verstößen gegen den § 1 Abs. 2 StVO, um bußgeldbewehrtes Handeln.

§ 1 StVO (Grundregeln)

Zuerst einmal ist festzustellen, dass es sich bei den bußgeldbewehrten Verstößen gegen die Grundregel 2 des § 1 StVO ebenfalls um die Verletzung von Sorgfaltspflichten handelt. Darüber hinausgehend enthält der § 1 Abs. 2 StVO Tatbestandsmerkmale, die es zuerst einmal zu erörtern gilt, um diese Grundregel in Gänze richtig zur Anwendung kommen zu lassen.

03.1 Wer

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Bei diesem „Wer“ handelt es sich um Teilnehmerinnen oder Teilnehmer des Straßenverkehrs, dh, dass alle sich im öffentlichen Verkehrsraum befindlichen, sich dort bewegenden oder sich dort aufhaltenden aktiven Verkehrsteilnehmer gemeint sind. Gemeint sind nicht nur die Führer von Kraftfahrzeugen, sondern auch Radfahrer, Fußgänger, Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen, Führer von Pferdegespannen, Reiter etc. und natürlich auch Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer. Am Verkehr nimmt sogar derjenige teil, wer in Fahrabsicht Maßnahmen trifft, um sein Fahrzeug in Bewegung zu setzen. Der Begriff des Verkehrsteilnehmers geht somit weit über das Führen von Fahrzeugen hinaus. 

Beispiele:

  • Ein Mitfahrer in einem Pkw wird zum Verkehrsteilnehmer, wenn er entweder in das Verkehrsgeschehen eingreift, oder den Fahrer vorsätzlich ablenkt.

  • Der Sozius auf einem Krad wirkt durch abrupte Körperbewegungen auf das Fahrverhalten des Krades ein.

Ob auch eine Person als ein Verkehrsteilnehmer anzusehen ist, die von außen her – außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums – also zum Beispiel aus dem eigenen Garten aktiv in das Verkehrsgeschehen eingreift, ist eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Dass solch einer Person besondere Pflichten obliegen, das kann dennoch dem § 32 StVG (Verkehrshindernisse) entnommen werden, in dem es u.a. heißt, dass es verboten ist, die Straße zu beschmutzen oder anderweitig Gegenstände auf die Straße zu bringen, die den Verkehr gefährden oder erschweren können. Wer für solche verkehrswidrigen Zustände verantwortlich ist, hat diese unverzüglich zu beseitigen und diese bis dahin ausreichend kenntlich zu machen.

§ 32 StVO (Verkehrshindernisse)

Dennoch: Wenn in einem Garten Fußball gespielt wird und ein Ball dabei in den öffentlichen Verkehrsraum geschossen und von diesem Ball dann ein Kradfahrer so unglücklich getroffen wird, dass dieser verunfallt und mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert werden muss, weil er dadurch die Kontrolle über sein Krad verloren hat, dann handelt es sich bei demjenigen, der den Ball geschossen hat, sicherlich um einen Unfallbeteiligten, nicht aber um einen Verkehrsteilnehmer, denn diese Sprachfigur setzt voraus, dass sich eine Person im öffentlichen Straßenverkehr befinden muss.

Das bedeutet aber nicht, dass derjenige, der den Ball in den öffentlichen Verkehrsraum geschossen, und dadurch einen folgenschweren Verkehrsunfall verursacht hat, für den von ihm angerichteten Schaden nicht aufkommen muss. Selbstverständlich kann der geschädigte Kradfahrer auf der Grundlage von § 823 BGB (Schadensersatzpflicht) den Verursacher sowohl für entstandene Sachschäden als auch für die erlittenen Schmerzen (Schmerzensgeld) in Anspruch nehmen.

§ 823 BGB (Schadenersatzpflicht)

Für Lars und Mia, die den oben skizzierten Verkehrsunfall aufnehmen, bedeutet das, dafür Sorge zu tragen, dass nicht nur die zivilen Rechtsansprüche des Geschädigten gesichert werden, sondern auch gegen denjenigen, der den Ball geschossen hat, auf der Grundlage von § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) ein Strafverfahren eingeleitet wird.

§ 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung)

Sollte ein Kind oder ein Minderjähriger den Ball getreten haben, werden wohl Gerichte darüber zu entscheiden haben, wer für den Schaden aufzukommen hat.

Wie dem auch immer sei. Auch nicht gewollte Kausalverläufe können für Verkehrsunfälle ursächlich sein, insbesondere auch solche, die durch Unachtsamkeit verursacht werden, sei es durch einen wegrollenden Einkaufswagen oder durch einen unachtsam geschobenen Kinderwagen oder durch unbeabsichtigtes Verhalten eines Fußgängers, der einen plötzlichen Schritt auf die Fahrbahn einen Fahrer zu einem riskanten Ausweichmanöver „zwingt“, was ebenfalls einen Verkehrsunfall zur Folge haben kann. Neben dem unbestimmten Rechtsbegriff des „Verkehrsteilnehmers“, verstecken hinter dem Wort „Wer“ des § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) auch noch andere ausfüllungsbedürftige Sprachfiguren, zum Beispiel die des „Anderen“.

03.2 Anderer

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Die Anwendung von § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) setzt einen Anderen voraus. Anderer im Sinne der Norm ist jeder beliebige Mensch, bei dem es sich nicht um einen Verkehrsteilnehmer handeln muss. Dieser Andere kann sich auch außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums befinden. Anderer im hier zu verstehenden Sinne ist jeder, der durch einen Verkehrsteilnehmer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Anderer im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO kann somit auch der Halter/Eigentümer eines Fahrzeuges sein, dessen geparkter Pkw durch den Fahrer eines anderen Pkw beschädigt wird. Anderer im Sinne der Norm sind auch die Eigentümer von Gebäuden, die anlässlich von Verkehrsunfällen beschädigt werden. Gleiches gilt für Lichtsignalanlagen, Verkehrszeichen und andere Objekte, die keine Verkehrsteilnehmer sind, sehrwohl aber beschädigt werden können. Geschädigter ist dann die Straßenbaubehörde.

Als Andere kommen aber wohl kaum zwei „Unfallpartner“ in Betracht, die sich trefflich darüber streiten, wer für was verantwortlich ist.

Beispiel: Lars und Mia nehmen auf einem Kundenparkplatz eines großen Supermarktes einen Verkehrsunfall mit relativ geringem Sachschaden auf. An beiden Pkw beläuft sich der Schaden auf etwa 300 Euro. Ursache für den Zusammenstoß waren Unaufmerksamkeiten beim Ausparken aus den jeweiligen Parkbuchten, denn beim Rückwärtsfahren stießen die beiden Fahrzeuge auf der Fahrspur, die die beiden Parkbuchten voneinander trennt, zusammen. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich beide gegenseitig beschuldigen, losgefahren zu sein, als der jeweils andere bereits den Ausparkvorgang sozusagen fast schon abgeschlossen hatte. Jeder gibt an, Geschädigter zu sein. Rechtslage?

In einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2018, dem ein durchaus vergleichbarer Unfall zugrunde lag, heißt es unter anderem:

BGH 2018: Nach § 9 Abs. 5 StVO hat sich der Führer eines Fahrzeugs beim Rückwärtsfahren und nach § 10 Satz 1 StVO derjenige, der von einem Straßenteil - hier einem Parkplatz - auf die Fahrbahn einfährt, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. „Anderer Verkehrsteilnehmer“ ist jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt.

BGH, Urteil vom 15.05.2018 - VI ZR 231/17

Und was hat das mit der Grundregel 2 des § 1 StVO zu tun?

Die beiden nachfolgenden Verkehrsregeln setzen voraus, dass bei der Teilnahme am Straßenverkehr Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden müssen.

§ 9 StVO (Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren)
§ 10 StVO (Einfahren und Anfahren)

Das bedeutet: Kommt es zu Beschädigungen, dann tritt damit ein Erfolg ein, der in den beiden oben genannten Normen der StVO nicht enthalten ist. Das hat zur Folge, dass zur Schließung dieser Lücke nunmehr auf die Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO zurückgegriffen werden muss, denn dort heißt es, dass „kein Anderer geschädigt“ werden darf.

Beispiel: Lars und Mia stellen am Einsatzort fest, dass ein Pkw so verkehrsbehindernd vor einer Zufahrt zu einem Innenhofparkplatz abgestellt ist, dass Personen, die mit ihren Pkw auf den Innenhofparkplatz auffahren, oder diesen verlassen wollen, das nicht mehr möglich ist. Den Beamten gelingt es nicht, den Fahrer ausfindig zu machen, der den Pkw verkehrsbehindernd abgestellt hat. Nach 10 Minuten erfolgloser Bemühungen ersucht Lars die Einsatzleitstelle der Polizei, einen Abschleppdienst damit zu beauftragen, den Pkw sicherzustellen, da in der Nähe des Einsatzortes kein geeigneter Abstellplatz zur Verfügung steht. Rechtslage?

Da von dem verkehrsbehindernd abgestellten Pkw eine gegenwärtige Gefahr für die Rechtsordnung ausgeht, liegen die Voraussetzungen vor, um auf der Grundlage von § 43 Nr. 1 PolG NRW (Sicherstellung) den Pkw sicherstellen zu lassen. Danach kann eine Sache zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr sichergestellt werden. Diese Gefahr besteht darin, dass ein verkehrsbehindernd abgestellter Pkw die Rechtsordnung gegenwärtig gefährdet.

§ 43 PolG NRW (Sicherstellung)

Sachverhaltsbezogen ist zuerst einmal festzustellen, dass die Straßenverkehrsordnung Teil der Rechtsordnung ist. Diese Rechtsordnung ist gegenwärtig gefährdet, wenn ein zu erwartender Schaden unmittelbar bevorsteht, oder aber bereits eingetreten ist und von diesem eingetretenen Schaden weitere Gefahren für die Rechtsordnung oder auch gegen andere Rechtsgüter ausgehen, wovon in diesem Beispiel ausgegangen werden kann, denn die Schädigung der Rechtsordnung besteht erst dann nicht mehr, wenn die „Behinderung“ beseitigt ist. Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Normen der StVO durch das verkehrswidrige Verhalten des Fahrzeugführers verletzt worden sind, der seinen Pkw verkehrsbehindernd von einer Einfahrt/Ausfahrt geparkt hat.

Einschlägige Norm, die das Halten und Parken betrifft, ist der § 12 der Straßenverkehrsordnung.

§ 12 StVO (Halten und Parken)

Danach ist, siehe § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, das Parken vor Grundstücksein- und
Grundstücksausfahrten unzulässig. Soweit Fahrzeuge dort so abgestellt sind, dass ein Ein- und Ausfahren trotzdem noch möglich ist, wird wohl kaum eine Polizeibeamtin oder ein Polizeibeamter auf den Gedanken kommen, den Pkw abschleppen zu lassen. Solch eine kostenpflichtige Maßnahme dürfte wohl nur dann verhältnismäßig sein, wenn von dem verbotswidrig abgestellten Pkw ein wirklich unzumutbare Behinderung ausgeht. Da § 12 StVO diesbezüglich keine Hinweise enthält, kann diese Lücke nur durch Rückgriff auf die Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO geschlossen werden.

Nur zur Erinnerung:

Behinderung: Darunter ist eine im Einzelnen festzustellende Beeinträchtigung des zulässigen, beabsichtigten Verhaltens eines anderen zu verstehen, ohne diesen zu gefährden oder zu schädigen. Das setzt voraus, dass der andere Verkehrsteilnehmer zu einem nicht von ihm beabsichtigten Verkehrsverhalten gezwungen wird.
BayObLG VRS 25, 224.

Bezogen auf das Ausgangsbeispiel ist festzustellen, dass es den von der Behinderung betroffenen ANDEREN nicht zugemutet werden kann, diese Störung hinzunehmen. Aus diesem Grunde hat Lars die Einsatzleitstelle nach erfolglosem Bemühen, den Verursacher der Verkehrsbehinderung ausfindig zu machen ersucht, einen Abschleppdienst mit der Sicherstellung des verkehrsbehindernd abgestellten Pkws zu beauftragen.

Hinweis: Die damit verbundenen Kosten werden dem Fahrer/Halter des abgeschleppten Pkws in Rechnung gestellt. Das gilt auch für die von Lars und Mia zu erstellende Ordnungswidrigkeitenanzeige, in der die nachfolgend genannten Vorwürfe aufgeführt sind:

§ 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln)
§ 12 StVO (Halten und Parken)

03.3 Schädigung

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Eine „Schädigung im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO“ ist gegeben, wenn:

  • Eine Person verletzt wird

  • Eine Person einen Gesundheitsschaden erleidet, oder:

  • Ein wägbarer vermögenswirksamer Nachteil festzustellen ist.

Für alle drei Schädigungsalternativen gilt, dass mehr als unbedeutende Schädigungen durch verkehrswidriges Verhalten verursacht worden sein müssen. Die Auseinandersetzung mit dieser Sprachfigur macht es somit erforderlich, sich zuerst einmal ein Bild darüber zu verschaffen, was eine Schädigung im Sinne des Verkehrsrechts ist.

03.4 Unbedeutender Sachschaden

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Davon kann bei einem völlig belanglosen Schaden (also weniger als 30 bis 50 €) ausgegangen werden.

AG Nürnberg 2019: Von unbedeutenden Sachschäden kann nur dann ausgegangen werden, wenn offensichtlich nur oberflächliche Schäden, (an Blech oder Zierrat beispielsweise) entstanden sind. Jedwede nach dem Unfallhergang oder dem Schadensbild vertretbare Zweifel, ob nicht verborgene Schäden (Verformungen beispielsweise) entstanden sind, gehen insoweit zu Lasten des Schädigers, der die Beweisnot des Geschädigten zu verantworten hat.

AG Nürnberg, Urteil vom 6. Juni 2019 - 18 C 2692/19

Welche Bedeutung unbedeutende Sachschäden im Zusammenhang mit polizeilich aufzunehmenden Unfällen haben, wird später an einem Beispiel erörtert, zumal anlässlich von Verkehrsunfällen der angerichtete Sachschaden eine breite Spannweite umfasst. Dazu gehören auch die so genannten Bagatellschäden, zu denen auch die gerade erörterten „unbedeutenden Sachschäden“ gehören.

03.5 Bagatellschäden

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Grundsätzlich kann immer dann von einem Bagatellschaden ausgegangen werden, wenn beispielsweise infolge eines Rangierunfalls oberflächliche Lackschäden an einem Kfz verursacht wurden. In der Regel sind dies Kratzer, Dellen oder Schrammen an der Karosserie. Im Unterschied zu einem gravierenden Sachschaden wird bei einem Bagatellschaden der Verkaufswert des beschädigten Fahrzeuges nicht nachhaltig beeinflusst. Andererseits macht es einen Unterschied aus, ob ein Kratzer an einem älteren Fahrzeug oder an einem Luxusfahrzeug verursacht wird. Eine feste Bagatellschadensgrenze, also eine gewisse Höhe der notwendigen Reparaturkosten zur Behebung des Schadens, ist gesetzlich nicht fixiert. Allerdings geht der BGH von einem Betrag von 700 Euro aus. Die Folge davon ist, dass alle Reparaturen, die über dieser Spanne hinausgehen, üblicherweise nicht mehr als Bagatellschaden bezeichnet werden, siehe BGH, Urteil vom 30.11.2004 - VI ZR 365/03.

03.6 Leichte Personenschäden

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Solche Schäden fallen nicht unter die Bezeichnung „Bagatellschaden“, denn diese Sprachfigur lässt sich nur auf Sachschäden anwenden. Personenschäden sind anderer Art. Sie sind meist mit Behandlungskosten verbunden und können darüber hinausgehend auch Schadenersatzansprüche in Form von Schmerzensgeld auslösen. Allerdings dürfen auch erlittene Verletzungen eine gewisse Geringfügigkeitsgrenze nicht unterschreiten.

Hinsichtlich der Erheblichkeitsgrenze dürfte es zielführend sein, sich diesbezüglich an der Erheblichkeitsgrenze des § 223 StGB (Körperverletzung) zu orientieren, denn um eine Körperverletzung zu begehen, muss die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit mehr als nur unerheblich sein.

§ 223 StGB (Körperverletzung)

Die Erheblichkeit wird aus Sicht eines objektiven Betrachters bestimmt. Lediglich unerhebliche Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens sind nicht als Körperverletzungen iSv § 223 StGB anzusehen, zum Beispiel:

  • Leichte Druckstellen am Oberarm

  • Kleinere Rempler

  • Ein leichter Stoß vor die Brust etc.

  • Befindlichkeitsstörungen.

Auch die Verursachung von Angst, Schrecken und Erregung reichen für sich allein gesehen nicht aus, vielmehr muss bei psychischen Beeinträchtigungen ein medizinisch relevanter Krankheitszustand in einem nicht nur unerheblichen Umfang eingetreten sein. Diese Ausführungen lassen sich durchaus auch auf das Tetbestandsmerkmal „kein anderer geschädigt“ übertragen, soweit es sich bei dem eingetretenen Schaden um einen Personenschaden handelt. Da Polizeibeamtinnen und auch Polizeibeamte keine Ärzte sind, werden sie sich an der Einstufung eines Verkehrsunfalls hinsichtlich des eingetretenen „Unfallschadens“ an den Angaben der Unfallbeteiligten richten. Wenn einer der Unfallbeteiligten sagt, dass bei ihm ein Schleudertrauma durch den Zusammenstoß herbeigeführt wurde, haben das unfallaufnehmende Polizeibeamte nicht nur zur Kenntnis, sondern auch zu Protokoll zu nehmen.

03.7 Gefährdung

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Eine Gefährdung setzt eine Gefahr voraus. Dabei handelt es sich um eine Situation, in der ein Schaden einzutreten droht bzw. eine Lebenssituation besteht, in der mit der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadensereignisses zu rechnen ist, wenn diese Situation nicht sofort durch geeignete Maßnahmen beendet bzw. abgewendet wird. Der Verwaltungswissenschaftler Hans Julius Wolff (1898 bis 1976) hat eine Gefahr wie folgt definiert:

Hans Julius Wolff: Nach allgemeiner Auffassung liegt eine »Gefahr« vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird.

Wolff, Verwaltungsrecht III

Die Frage, die sich nunmehr stellt, lautet: Lässt sich dieser Gefahrenbegriff auch auf den unbestimmten Rechtsbegriff der „Gefährdung“ iSv § 1 Abs. 2 StVO übertragen. Davon kann ausgegangen werden, denn eine Gefahr im Sinne der Grundregel 2 der StVO setzt einen „Beinahe-Unfall“ voraus, also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass „es in dieser Situation gerade noch einmal gut gegangen ist“. Diese Umschreibung einer konkreten Gefahr entspricht der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG).

BVerwG 1970: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann.

BVerwG, Urteil vom 26.06.1970 - 4 C 99.67

03.8 Behinderung

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Behinderung iSv § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) müssen vermeidbar sein. Was aber ist unter einer Behinderung im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO zu verstehen?

Behinderung: Darunter ist eine im Einzelnen festzustellende Beeinträchtigung des zulässigen, beabsichtigten Verhaltens eines anderen zu verstehen, ohne diesen zu gefährden oder zu schädigen. Das setzt voraus, dass der andere Verkehrsteilnehmer zu einem nicht von ihm beabsichtigten Verkehrsverhalten gezwungen wird. Es reicht aus, dass der Andere dadurch unsicher wird.

BayObLG VRS 25, 224.

Diese Behinderungen müssen vermeidbar sein. Was aber sind vermeidbare Behinderungen im fließenden Verkehr?

Als vermeidbare Behinderungen kommen nur solche Behinderungen in Betracht, die aufgrund von Fehlverhalten oder mangelhafter Planung entstehen.

Beispiele:

  • Langsamfahren ohne triftigen Grund, denn solch ein Fahrverhalten stört nicht nur den Verkehrsfluss, solch ein Verhalten hält auch andere Verkehrsteilnehmer auf. Natürlich sind auch langsam fahrende Traktoren oder Mähdrescher eine Behinderung. Diese sind jedoch nicht in der Lage, schneller zu fahren.

  • Liegenbleiben wegen Kraftstoffmangels. Wem der Sprit ausgeht, dem ist vorzuwerfen, nach dem Aufleuchten der Reservetankleuchte ein Auftanken versäumt zu haben.

  • Abwürgen des Motors. Auch solche unnötigen Behinderungen lassen sich vermeiden.

Wie dem auch immer sei: Im Folgenden werden Verstöße aus dem Bußgeldkatalog 2023 zitiert, bei denen es sich um bußgeldbewehrte Behinderungen iSd § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) handelt.

20 €:
Fahrzeug falsch abgestellt, so dass ein anderes Fahrzeug nicht wegfahren konnte
20 €:
Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers, indem ihm das Einordnen im Reißverschlussverfahren nicht ermöglicht wurde
20 €:
Parken auf einer Fußgängerfurt einer Ampel mit Behinderung anderer
20 €:
Behinderung anderer durch Parken
20 €:
Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer durch außer Acht lassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt
30 €:
Einfahren in den Kreuzungs- bzw. Einmündungsbereich, ohne einem verkehrsbedingt wartenden Fahrzeug die Möglichkeit zu geben, diesen zu verlassen

03.9 Belästigung

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Eine Belästigung muss durch Tatsachenfeststellung möglich sein. Es reicht nicht aus, wenn sie lediglich nicht ausgeschlossen werden kann. Belästigungen können auch darin bestehen, indem durch Lärm oder Abgase sowohl körperlicher als auch seelischer Unmut bei anderen erzeugt wird. Davon kann zumindest dann ausgegangen werden, wenn die Belästigung auch nach dem objektiven Urteil eines so genannten „objektiven Beobachters“ dazu geeignet ist, als Belästigung empfunden zu werden.

Anders ausgedrückt: Eine Belästigung ist gegeben, wenn mehr als unvermeidbar anderen entweder ein körperliches oder seelisches Unbehagen bereitet wird. Wird durch ein Verhalten lediglich Unmut erzeugt, ist das nicht ausreichend.

Als Belästigungen kommen in Betracht durch:

  • Provozierenden Hupen und Blinken.

  • Provozierendes Langsamfahren

  • Provozierendes Gasgeben bei der Benutzung getunter Kräder

  • Rücksichtsloses Durchfahren von Pfützen

  • Störungen der Nachtruhe

  • Belästigungen von Polizeibeamten bei Geschwindigkeitsmessungen.

Im Gegensatz dazu fällt das Warmlaufenlassen von Motoren nicht unter den Belästigungstatbestand der Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO, denn diesbezüglich ist die Regelung im § 30 Abs. 1 StVO einschlägig, denn dort heißt es, dass bei der Benutzung von Fahrzeugen sowohl unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen als auch ein unnötiges Laufenlassen von Fahrzeugmotoren, sowie das laute Zuschlagen von Fahrzeugtüren und auch das unnütze Hin- und Herfahren innerhalb geschlossener Ortschaften verboten ist, wenn Andere dadurch belästigt werden.

§ 30 StVO (Umweltschutz, Sonn- und Feiertagsfahrverbot)

Hinweis: Belästigungen sind nur dann nicht erlaubt, wenn sie unvermeidbar und mehr als geringfügig sind. Eine bußgeldbewehrte Belästigung setzt eine Intensität voraus, die nach den konkreten Umständen bzw. der Systematik der StVO vermeidbar ist. Die nachfolgenden Beispiele ordnungswidrigen Verhaltens wurden dem Bußgeldkatalog 2023 entnommen:

130612
Sie verursachten bei der Benutzung des Fahrzeugs unnötigen Lärm. 80,00 Euro Bußgeld – § 30 Abs. 1, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG

130618
Sie verursachten bei der Benutzung des Fahrzeuges vermeidbare Abgas-Belästigungen. 80 Euro Bußgeld – § 30 Abs. 1, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG

130624
Sie belästigten Andere durch unnützes Hin- und Herfahren mit dem Fahrzeug innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. 100 Euro Bußgeld. § 30 Abs. 1, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG

04.0 Vertrauensgrundsatz – defensives Fahren

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Bei dem Vertrauensgrundsatz, der im § 1 der StVO enthalten ist, handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm, die es ermöglichst, sich auf einen Verbotsirrtum berufen zu können.

§ 16 StGB (Irrtum über Tatumstände)
§ 17 StGB (Verbotsirrtum)

Der Vertrauensgrundsatz ist so zu verstehen, dass sich der auf diesen Grundsatz vertrauende Verkehrsteilnehmer sich nur in gewissem Umfang darauf verlassen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer sich situationsgerecht verhalten. Das gilt aber nur so lange, wie keine besonderen Umstände eintreten, die dazu geeignet sind, dieses Vertrauen sozusagen zu erschüttern. Der Vertrauensgrundsatz entfällt somit dann, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer erkennbar verkehrswidrig verhält und natürlich auch in unklaren und unübersichtlichen Verkehrslagen. Auch gegenüber verkehrsschwachen Personen (Kinder, aber auch hochbetagte, gebrechliche Personen und erkennbar betrunkene Personen) greift der Vertrauensgrundsatz nicht.

Vielmehr greift in solchen Situationen der Grundsatz des defensiven Fahrens, der sozusagen den Gegenentwurf zum Vertrauen auf verkehrsgerechtes Verhalten anderer bildet. Defensive Fahrweise ist insbesondere durch die Bereitschaft gekennzeichnet, weitgehend darauf zu verzichten, vom richtigen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer auszugehen.

Die Forderung nach defensiverem Fahren fordert somit eine größere Sorgfaltspflicht ein. Der Grundsatz des defensiven Fahrens bewirkt aber keine erhöhte Schuldbeurteilung, auch wenn dieser Grundsatz eine Sorgfalt einfordert, die zumindest teilweise über die gesetzliche Sorgfaltspflicht hinausgeht, die Bestandteil aller Ge- und Verbotsnormen der StVO ist.

05.0 Negativbeispiele zu § 1 StVO

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Auf banale Beispiele zum Regelungsinhalt des § 1 StVO (Grundregeln) wird hier verzichtet. Zielführender dürfte es sein, sich mit Beispielen zu beschäftigen, die sowohl praxistauglich als ein einprägsam sind und die zu Ergebnissen führen, die einfach nicht vergessen werden können. Dazu gehören auch Beispiele, die, wie sich zeigen wird, mit den Grundregeln des § 1 StVO nichts zu tun haben, obwohl es in diesen Beispielen um Begrifflichkeiten gehen wird, die zu den Tatbestandsmerkmalen auch von § 1 StVO gehören.

05.1 Alleinrennen auf Autobahn

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Das folgende Beispiel hat sich auf der A2 tatsächlich ereignet. Dem Fahrer, der mit 420 km/h geblitzt wurde, war es sogar noch möglich, von dieser „Blitzfahrt“ ein Video zu drehen.

Beispiel: Im Januar 2022 wurde auf der A2 der Fahrer eines Bugattis mit 420 km/h von einer Radaranlage gemessen. Zunächst blieb dieses Verhalten juristisch folgenlos, da auf dem betreffenden Abschnitt kein Tempolimit galt und auch niemand zu Schaden kam. Rechtslage?

Verstoß gegen § 1 Abs. 1 StVO?

Danach erfordert die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. Da eine Missachtung dieser Grundregel aber nicht bußgeldbewehrt ist, lässt sich daraus kein Vorwurf ableiten, die die Verhängung eines Bußgeldes rechtfertigen würde.

Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO:

Danach haben sich Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Dem Beispiel kann aber entnommen werden, dass auf dem betreffenden Abschnitt niemand behindert, belästigt, gefährdet oder zu Schaden gekommen ist. Grund dafür dürfte sein, dass der Fahrer des Bugatti die gesamte Breite der Richtungsfahrbahn der A2 für sich in Anspruch nehmen konnte, weil sonst niemand da war.

Die Folge davon ist, dass auch auf der Grundlage dieser bußgeldbewehrten Grundregel kein Bußgeldbescheid erlassen werden konnte.

Verstoß gegen § 3 StVO (Geschwindigkeit)

Danach darf der Fahrer eines Fahrzeuges nur so schnell fahren, dass er das Fahrzeug ständig beherrschen kann. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Vorgegebene Höchstgeschwindigkeiten sind zu beachten.

§ 3 StVO (Geschwindigkeit)

Geschwindigkeitsregelung auf Autobahnen.

Soweit keine Höchstgeschwindigkeiten vorgegeben sind, gilt auf Autobahnen und Kraftfahrtstraßen (Verkehrszeichen 330.1) seit 1978 die so genannte Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, soweit keine anderen Höchstgeschwindigkeiten vorgegeben sind.

Verkehrszeichen 330.1

Die Richtgeschwindigkeit ist jedoch eine reine Verhaltensempfehlung und keine einzuhaltende Pflicht. Sie gilt in dem Augenblick nicht mehr, in dem eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit angeordnet wird.

Fazit: Festzustellen ist, dass sich der Fahrer des Bugatti vollumfänglich an die Regeln der StVO gehalten, und somit sozusagen alles richtig gemacht hat. Zumindest kann ihm kein ordnungswidriges Verhalten iSv von § 49 StVO (Ordnungswidrigkeiten) vorgeworfen werden.

§ 49 StVO (Ordnungswidrigkeiten)

Straftat im Sinne von § 315d StGB?

Das würde voraussetzen, dass der Fahrer des Bugatti sozusagen ein Rennen gegen sich selbst geführt hat, siehe § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen).

§ 315d StGB (Verbotene Kraftfahrzeugrennen)

Danach wird bestraft, wer im Straßenverkehr 3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Die aber wird durch § 3 Abs. 3 Straßenverkehrsordnung (StVO) normiert, was erneut zu der Feststellung führt, davon nicht ausgehen zu können, weil auf dem betreffenden Autobahnabschnitt kein Tempolimit bestand. Die auf Autobahnen einzuhaltenden Höchstgeschwindigkeiten können jedoch nur einen Orientierungsrahmen geben, denn in Anlehnung an die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) verstehen die dort tätigen Richter unter den Begriff einer nicht angepassten Geschwindigkeit jede der konkreten Verkehrssituation nicht mehr angepassten Geschwindigkeit.

BGH 2021: Objektive Tathandlung ist das Sich-Fortbewegen als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit. Mit dem Erfordernis der nicht angepassten Geschwindigkeit hat sich der Gesetzgeber begrifflich an die straßenverkehrsrechtliche Regelung in § 3 Abs. 1 StVO angelehnt, ohne indes gesetzestechnisch auf diese Norm zu verweisen. Das Merkmal der unangepassten Geschwindigkeit ist daher maßgeblich durch Auslegung des Regelungsgehalts der Strafnorm zu bestimmen. Ausgehend von der Wortbedeutung meint unangepasste Geschwindigkeit jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit.

BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 4 StR 225/20

Festzustellen bleibt, dass mit der Einfügung eines § 315d Absatz 1 Nummer 3 StGB in das Strafgesetzbuch auch diejenigen Fälle erfasst worden sind, in denen nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt, vgl. Drucksache 18/12936 vom 27. Juni 2017.

05.2 Belästigung/Behinderung an einer Laser-/Radarmessstelle

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Es kommt immer wieder vor, dass „Weltverbesserer und Menschenfreunde“ konkrete Versuche unternehmen, Verkehrsteilnehmer vor Geschwindigkeitsmessungen der Polizei zu warnen und auch zu schützen.

Beispiel: Lars und Mia führen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft eine Geschwindigkeitsüberwachung mit einem Laser durch. Dabei wird Lars von einem Mann gestört, der ihn abzulenken versucht und sich immer dann vor das Lasergerät stellt, wenn Lars gerade einen Geschwindigkeitssünder ausgemacht hat. Handelt es sich dabei um eine Belästigung oder gar um eine Behinderung im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln)?

Offensichtlich ist, dass die von Lars eingerichtete Lasermessstelle sich im öffentlichen Verkehrsraum befindet und offenkundig ist auch, dass es sich sowohl bei Lars als auch bei dem penetrant störenden Mann um Verkehrsteilnehmer handelt.

Fraglich ist nur, ob die Belästigung und die Behinderung polizeilicher Arbeit als ein ordnungswidriges Verhalten iSv § 1 Abs. 2 StVO angesehen werden kann, denn danach sind vermeidbare Behinderungen und Belästigungen bußgeldbewehrt.

Dagegen spricht, dass es sich bei den Aktionen des Mannes nicht um belästigendes bzw. behinderndes Verhalten handelt, das dem Schutzzweck der StVO widerspricht, denn der Normzweck der StVO besteht darin, durch einzuhaltende Regeln Unfallrisiken zu minimieren.

Das ist zwar auch das Ziel von Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen durch die Polizei, deren Zulässigkeit sich aber nicht aus der StVO, sondern aus der polizeilichen Aufgabe der „Überwachung des Straßenverkehrs“ und von Befugnissen ergibt, die es der Polizei erlauben, Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen. Auch spezielle Verbots- oder Gebortnormen der StVO, die angewendet werden könnten, um dem störenden Mann sein Verhalten zu verbieten, enthält die StVO nicht. Insoweit ist es Lars auch nicht möglich, ihm auf der Grundlage von § 36 StVO, bei der es sich um eine bußgeldbewehrte Norm der StVO handelt, Weisungen zu erteilen, die wirklich nicht typischen Belästigungen und Behinderungen zu unterlassen, die den Ablauf des Straßenverkehrs betreffen.

§ 36 StVO (Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten)

Macht sich der Mann strafbar?

Diese Frage ist nicht abwegig, denn sie wurde, wenn auch in einem etwas anderen Sachzusammenhang, bereits vom BGH abschließend geprüft.

Anlass: Anlass war die wütende Reaktion eines Pkw-Fahrers, der sein Fahrzeug im Anschluss an eine Radarmessung so vor der Radarmessanlage parkte, dass keine Messungen mehr durchgeführt werden konnten. Dieses Verhalten hatte zur Folge, dass gegen den Mann ein Strafverfahren auf der Grundlage von § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB (Störung öffentlicher Betriebe).

§ 316b StGB (Störung öffentlicher Betriebe)

Danach macht sich ua strafbar, wer den Betrieb 3. einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Einrichtung oder Anlage verhindert oder stört. Um solch eine Anlage handelt es sich sowohl bei einer stationären als auch bei einer mobilen Radarmessanlage und wohl auch bei einem Lasergerät. Wie dem auch immer sei. Ein Blick in die Urteilsfindung des BGH bringt uns „verkehrsrechtlich“ zumindest ein kleines Stück weiter:

BGH 2014: Vorliegend hat der Angeklagte die beabsichtigten Geschwindigkeitsmessungen allein dadurch verhindert, dass er mit seinen jeweils in Richtung des Messstrahls geparkten Fahrzeugen Messungen anderer vorbeifahrender Fahrzeuge verhinderte. Dabei wirkte er jedoch [...] nicht einmal äußerlich durch Beschmieren oder bspw. Bekleben auf die Substanz der Sache ein. Es lag mithin keine Manipulation an dem Messgerät selbst oder einem wesentlichen Teil davon vor, die zu einer tatsächlichen Funktionsminderung geführt haben könnte, was aber Voraussetzung einer Tatbestandsmäßigkeit wäre.

An anderer Stelle heißt es:

Mit dem Parken seiner Fahrzeuge vor dem Sensor der Messeinheit hat der Angeklagte zwar weitere Messungen anderer Fahrzeuge verhindert, an einem direkten Einwirken auf die Sachsubstanz fehlte es aber. Dies erweist sich schon daraus, dass bereits ein leichtes Versetzen des Messfahrzeuges oder (je nach Gerät) auch nur der Messeinrichtung Messungen wieder möglich gemacht hätte.

BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 1 StR 469/13

Insbesondere der letzte Satz des Zitates weist auf eine vernünftige Regelung auch der Situation hin, in der Lars sich zurzeit befindet.

Zwar mag es seinen beruflichen Stolz verletzen, wenn er und seine Kollegin Mia, die gemeinsam an der Lasermessstelle festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitungen ahnden wollen, sich wohl eine andere geeignete Messstelle suchen „müssen“, um diese Sitiaton sozialverträglich lösen zu können. Dennoch: Zumindest mir scheint das in diesem Fall die einfachste Lösung zu sein, obwohl es mehrere Urteile gibt, die polizeiliche Platzverweise oder andere polizeirechtliche Maßnahmen für zulässig hielten, um solche Störungen der öffentlichen Sicherheit, zu der auch die Funktionsfähigkeit der Polizei gehört, zu unterbinden, und zwar unabhängig davon, ob durch die Störungen Straf- oder Bußgeldtatbestände erfüllt sind.

OVG NRW 1997: Leitsatz: Warnungen unbefugter Dritter vor verdeckten Geschwindigkeitskontrollen beeinträchtigen die ordnungsgemäße Durchführung präventiv-polizeilicher Aufgaben auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung und stellen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 8 Abs 1 PolG NW dar.

OVG NRW 17.01.1997 - 5 B 2601/96

Das bedeutet, dass auf der Grundlage der Generalklausel des Polizeigesetzes NRW Maßnahmen verfügt werden können, um die Störung zu beenden.

§ 8 PolG NRW (Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung)

So auch die Rechtsauffassung des VG Saarland.

VG Saarland 2004: Rechtliche Grundlage für die Anordnung, jegliche Handlungen zu unterlassen, die die Geschwindigkeitsmessungen [...] stören ist [die Generalklausel des Polizeigesetzes, auf deren Grundlage] die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen [kann], um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist u.a. die aufgabengemäße Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Die Erhaltung der aufgabengemäßen Funktionsfähigkeit bedeutet vor allem die Verhinderung und Abwehr äußerer Störungen. Die Aufforderung, jegliche Handlungen zu unterlassen, die die Geschwindigkeitsmessungen der zuständigen Ordnungsbehörde stören, ist hinreichend klar und verständlich.

Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist u.a. die aufgabengemäße Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Die Erhaltung der aufgabengemäßen Funktionsfähigkeit bedeutet vor allem die Verhinderung und Abwehr äußerer Störungen.

VG Saarland, Beschluss vom 17. Februar 2004 – 6 F 6/04

Wie dem auch immer sei. Im Fall von Lars und Mia nimmt die Staatsräson keinen Schaden, wenn die beiden sich einen anderen Messort suchen, von denen es in jedem Kreispolizeibezirk eine Vielzahl gibt.

06.0 Positivbeispiele zu § 1 StVO

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Die nachfolgenden Beispiele wurden dem Bußgeldkatalog 2023 entnommen. In allen Fällen handelt es sich dabei um Verkehrsunfälle ohne Personenschaden, die nur deshalb spezialgesetzlichen Bestimmungen der StVO nicht zugeordnet werden können, weil die das Tatbestandsmerkmal der „Schädigung“ nicht enthalten.

101000
Von der Fahrbahn abgekommen und Unfall verursacht
§ 1 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5
StVG; - 35

101­012
Kfz beim Vorbeifahren gestreift und Sachschaden
verursacht
§ 1 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG – 35 €

101­118
Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr verletzt und Andere
geschädigt

§ 1 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5
StVG; 1.4 - 35 €

101­130

Einen Auffahrunfall verursacht oder auf ein stehendes Kfz
aufgefahren
§ 1 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 1.4 - 35 €

101­136
Beim Fahren in eine (oder aus einer) Parklücke ein stehendes Auto
beschädigt

§ 1 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 1.5 - 30 €

Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog 2023

Beispiel: Lars und Mia überwachen zurzeit eine Vorfahrtsstraße, deren Straßeneinmündungen durch Stop-Zeichen (Zeichen 206 StVO) beschildert sind. Gerade fährt ein Pkw-Fahrer, ohne an der Haltelinie anzuhalten, in die Vorfahrtsstraße ein. Ein sich auf der Vorfahrtsstraße befindlicher Pkw-Fahrer muss stark abbremsen und einen Schlenker auf die Gegenfahrbahn machen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Lars und Mia halten den Fahrer an, der einem anderen die Vorfahrt genommen hat. Rechtslage?

Zweck des Anhaltens ist es, gegen den Fahrer ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten zu können. Dafür müssen die beiden Beamten zuständig und ermächtigt sein. Von der örtlichen Zuständigkeit wird hier ausgegangen, denn Lars und Mia überwachen im örtlichen Zuständigkeitsbereich ihrer Polizeibehörde den Straßenverkehr auf der Grundlage von:

§ 11 POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden)
§ 53 OWiG (Aufgaben der Polizei)

§ 44 StVO (Sachliche Zuständigkeit)

Zuständigkeit reicht für sich allein gesehen aber nicht aus, die festgestellte Verkehrsordnungswidrigkeit verfolgen zu können. Dazu bedarf es auch einer Befugnis.

Dafür wird die Identität des Pkw-Fahrers benötigt, der sich ordnungswidrig verhalten hat. Gestützt werden kann diese polizeiliche Maßnahme auf § 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung).

§ 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung)

Diese Befugnis greift auch dann, wenn zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Identität einer Person festgestellt werden muss.

§ 46 OWiG (Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren)

Offenkundig hat der angehaltene Fahrer sich ordnungswidrig verhalten, denn er hat einem anderen die Vorfahrt genommen, siehe § 8 StVO (Vorfahrt). Danach verhält sich ordnungswidrig, wer die Vorfahrt zu beachten hat und nicht durch mäßige Geschwindigkeit erkennen lässt, dass er warten wird.

§ 8 StVO (Vorfahrt)

Wenn die Vorfahrt durch Vorschriftszeichen geregelt ist, was im Beispiel der Fall ist, dann ist das entsprechende Ge- oder Verbot zu beachten, siehe § 41 StVO (Vorschriftszeichen). Danach haben Fahrzeugführer, die durch Vorschriftszeichen angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.

§ 41 StVO (Vorschriftzeichen)

In diesem Beispiel ist die Vorfahrt durch das Zeichen 206 StVO (Halt. Vorfahrt gewähren) beschildert.

Das bedeutet:

  • Wer ein Fahrzeug führt, muss anhalten und Vorfahrt gewähren.

  • Ist keine Haltlinie (Zeichen 294) vorhanden, ist dort anzuhalten, wo die andere Straße zu übersehen ist.

Der von Lars und Mia angehaltene Pkw-Fahrer hat durch sein ordnungswidriges Handeln einem anderen Verkehrsteilnehmer nicht nur die Vorfahrt genommen, sondern diesen dabei auch gefährdet, denn der Fahrer, der sich auf der Vorfahrtsstraße befand, musste stark abbremsen und einen Schlenker fahren, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Hinsichtlich der Festlegung der Höhe des Bußgeldbescheides wird in diesem Fall § 1 Abs. 2 StVO nicht benötigt, weil der „Gefährdungstatbestand“ bereits spezialgesetzlich, siehe § 8 StVO (Vorfahrt), geregelt ist.

Beispielfortschreibung: Der sich auf der Vorfahrtsstraße befindliche Fahrzeugführer konnte es trotz der oben beschriebenen Sofortreaktionen nicht vermeiden, dass sich die beiden Fahrzeuge streifen. Glücklicherweise hat sich dabei keiner der Fahrer verletzt. Der entstandene Schaden dürfte aber wohl kaum noch als ein Bagatellschaden einzustufen sein. Lars und Mia nehmen den Unfall auf. Welche Bedeutung hat im Zusammenhang mit dem zu formulierenden Tatvorwurf nunmehr der § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln).

Da § 8 StVO das Tatbestandsmerkmal „Schädigung“ nicht enthält, muss diesbezüglich § 1 Abs. 2 StVO als ergänzende Regelungen mit in den Tatvorwurf integriert werden, denn nur dort heißt es, dass sich Verkehrsteilnehmer, die am Verkehr teilnehmen, sich so zu verhalten haben, dass „kein Anderer geschädigt“ wird.

Hinweis: Diese Übersicht dürfte ausreichen, um erkennen zu können, was für ein bußgeldbewehrtes Verhalten von § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) erfasst wird und in welchen Zusammenhängen beim Erlass von Bußgeldbescheiden § 1 Abs. 2 StVO iVm anderen Spezialvorschriften Verwendung findet.

06.1 Ständige Vorsicht und Rücksichtnahme

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Diese Grundregel, die sich aus § 1 Abs. 1 StVO ergibt, lässt sich insgesamt als einzuforderndes defensives Fahrverhalten definieren, denn sowohl Vorsicht als auch Rücksichtnahme setzen voraus, sich nicht unbedingt durchsetzen zu wollen, sondern sich defensiv zu verhalten, einschließlich der Bereitschaft zum verständnisvollen Nachgeben. Was das bedeutet, lässt sich am besten an einem Beispiel illustrieren.

Beispiel: Lars und Mia nehmen zurzeit auf einem Parkplatz einen Verkehrsunfall mit geringem Sachschaden auf, der darauf zurückzuführen ist, dass sich die beiden Fahrer nicht einigen konnten, wer „Vorfahrt“ hatte. Der eine beruft sich auf den Grundsatz „Rechts vor links“ und trägt außerdem vor, auf einer erkennbaren „Vorfahrtsstraße“ gefahren zu sein, während der Andere den Standpunkt vertritt, dass auf einem Parkplatz der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme gilt und er, weil er darauf vertraut hat, dass der sehr langsam fahrende Unfallgegner ihn vorbeifahren lassen würde, weitergefahren ist, bis es krachte. Rechtslage?

Es wäre mehr als erstaunlich, wenn solch ein Vorfall nicht bereits Gegenstand von Gerichtsurteilen gewesen wäre. So ist es auch im oben genannten Beispiel. Die Argumentation der Richter macht deutlich, dass bei der Bewertung des beidseitigen Fehlverhaltens auch die nicht bußgeldbewehrte Grundregel 1 der StVO, siehe § 1 Abs. 1 StVO, Anwendung findet.

Warum?

Die beiden einleitenden Sätze des Zitates aus einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2022 geben darauf eine nachvollziehbare Antwort.

BGH 2022: Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor links“) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.

An anderer Stelle heißt es:

Die Regeln der StVO sind auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz allerdings grundsätzlich anwendbar, so dass etwa von den Nutzern des Parkplatzes das sich aus § 1 StVO ergebende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme zu beachten ist. [...].

Nach überwiegender Meinung gilt die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf einem öffentlichen Parkplatzgelände - unmittelbar oder in entsprechender Anwendung - nur dann, wenn die dort aufeinanderstoßenden Fahrspuren einen eindeutigen Straßencharakter aufweisen. Ansonsten müssen sich die Kraftfahrer über die Vorfahrt verständigen. Ob einer Fahrspur Straßencharakter zukommt, wird dabei danach beurteilt, ob die baulichen Verhältnisse für den Verkehrsteilnehmer vertraute typische Straßenmerkmale erkennen lassen, wobei Unterschiede in der Gewichtung einzelner baulicher Merkmale, wie etwa Fahrbahnmarkierungen, Fahrspurbreite oder Asphaltierung bestehen. In der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung rückt dabei die Bedeutung der für den Verkehrsteilnehmer erkennbaren Funktion der Fahrspuren in den Vordergrund, wobei der Straßencharakter verneint wird, wenn die Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs zumindest auch zweckbestimmend ist.

Nach anderer Ansicht ist die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ auf öffentlichen Parkplätzen weitgehend unabhängig vom Straßencharakter der aufeinander zulaufenden Fahrspuren direkt oder entsprechend anwendbar. Schließlich wird vertreten, die Wertung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO sei auf öffentlichen Parkplätzen stets im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen.

Der Senat [also die urteilenden Richter des BGH] ist der Auffassung, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung findet, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt. Dies ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand und dem Zweck der Vorschrift.

BGH, Urteil vom 22.11.2022 - VI ZR 344/21

Mit anderen Worten: Ursache für den Verkehrsunfall im Ausgangsbeispiel war, vorausgesetzt dass die Örtlichkeit keine andere Bewertung zulässt, mangelnde Vorsicht und fehlende Rücksichtnahme im Sinne der Grundregel 1 des § 1 Abs. 1 StVO.

Anders ausgedrückt: Unfallursache war menschliche Dummheit, mit Folgen für beide „Unfallpartner“.

Warum?

Da die Grundregel 1 des § 1 der StVO nicht bußgeldbewehrt ist, kann die Unfallaufnahme der Polizei nur dem Zweck dienen, zivilrechtliche Ansprüche vor Gericht geltend machen zu können. Das heißt: Die „Unfallaufnahme“ ist abgeschlossen, wenn Lars und Mia die Identitäten der beiden Pkw-Fahrer festgestellt und den Kontrahenten mitgeteilt haben, dass sie sich entweder im Hinblick auf die Schadensregulierung selbst einigen müssen, oder aber die Gerichte bemühen müssen, um diese Frage abschließend zu klären. Dennoch werden die beiden Beamten den Unfall aufnehmen und dort die von ihnen getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Unfallhergangs protokollieren.

Beispiel: Lars und Mia nehmen zurzeit im Bereich einer „Fahrbahnverengung von zwei auf eine Fahrspur“, die durch das Gefahrenzeichen 120 (Verengte Fahrbahn) beschildert ist, einen Verkehrsunfall auf. Vor Ort begründet einer der Unfallbeteiligten sein Vorrecht damit, dass er sich auf der rechten Fahrspur befand. Diesen Standpunkt vertritt auch der andere Unfallbeteiligte. Rechtslage?

Auch in diesem Beispiel kann auf höchstrichterliche Rechtssprechung zurückgegriffen werden:

BGH 2022: Im Falle der Verengung von zuvor zwei auf nunmehr nur noch einen Fahrstreifen gibt es - anders als beim Zeichen 121 („Einseitig verengte Fahrbahn“) - nicht einen durchgehenden und einen endenden Fahrstreifen, sondern beide Fahrstreifen werden in einen Fahrstreifen überführt. Das Durchfahren der Engstelle ist daher für sich genommen nicht mit einem Fahrstreifenwechsel im Sinne des § 7 Abs. 5 StVO verbunden; auch greift das Reißverschlussverfahren des § 7 Abs. 4 StVO nicht unmittelbar.

Die in der Verengung liegende und durch das Zeichen 120 signalisierte Gefahr führt jedoch zu einer erhöhten Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht der auf beiden Fahrstreifen auf die Engstelle zufahrenden Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1, § 3 Abs. 1 StVO.

Nichts anderes gilt auch dann, wenn beide Fahrzeuge gleichauf und mit gleicher Geschwindigkeit an die Engstelle gelangen. Auch in diesem Fall gebührt dem rechts fahrenden Fahrzeug nicht regelhaft der Vortritt.

Das Gefahrenzeichen 120 enthält eine derartige Vorrangregelung nicht. [...]. Bei Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen in eine Richtung ist dieses Rechtsfahrgebot [...] unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 3 StVO aufgehoben, so dass sich auch der auf dem linken Fahrstreifen der Engstelle nähernde Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verkehrsgerecht verhält. Die Situation einer Kreuzung oder Einmündung, in der die Vorfahrt hat, wer von rechts kommt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO), ist nicht vergleichbar.

Im Ergebnis hat daher keines der beiden Fahrzeuge den Vorrang und sind die Fahrzeugführer gehalten, sich unter gegenseitiger Rücksichtnahme (§ 1 StVO) darüber zu verständigen, wer als erster in die Engstelle einfahren darf. Gelingt die Verständigung nicht, sind sie dazu verpflichtet, im Zweifel jeweils dem anderen den Vortritt zu lassen.

BGH, Urteil vom 08.03.2022 - VI ZR 47/21

Auch dieser Argumentation der Richter des BGH kann nachvollziehbar entnommen werden, welche Bedeutung der erste Grundsatz des § 1 Abs. 1 StVO (Grundregeln) für ein vernunftbetontes Verhalten im öffentlichen Straßenverkehr hat.

06.2 Langsamfahren

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Durch vermeidbares Langsamfahren kann der nachfolgende Verkehr durchaus genervt werden. Insoweit vermag es nicht zu verwundern, dass auch solche Ärger verursachenden Verhaltensweisen im öffentlichen Straßenverkehr letztendlich vor Gericht entschieden wurden.

Der nachfolgend sinngemäß wiedergegebenen Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) aus dem Jahr 1967 lag folgender Anlass zugrunde:

Anlass: Um eine gute Stelle für ein Foto zu finden, fuhr ein Autofahrer auf einer Strecke von etwa 100-150 m auf einer stark befahrenen Ortsdurchfahrtsstraße mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h. Dies führte dazu, dass sich 14 Fahrzeuge hinter ihm stauten. Einer war so genervt, dass er Anzeige bei der Polizei erstattete. Rechtslage?

In dem Beschluss des BayObLG heißt es sinngemäß:

Das BayObLG sah in dem Verhalten des Autofahrers sowohl einen Verstoß gegen die allgemeine Rücksichtspflicht als auch einen Verstoß gegen die Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO, denn nach dieser Vorschrift darf ein Verkehrsteilnehmer einen anderen nicht mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindern. Zwar schreibe die StVO keine bestimmte Mindestgeschwindigkeit vor, so die urteilenden Richter. Dennoch müsse sich jeder Autofahrer dem jeweiligen Verkehr durch Einhaltung einer sachgemäßen Geschwindigkeit anpassen. Allzu langsames Fahren auf verkehrsreichen Straßen sei zu vermeiden. Kommt es daher durch langsames Fahren zu einer erheblichen Verkehrsbehinderung, so liege ein Verkehrsverstoß vor, wenn dem Autofahrer eine höhere Geschwindigkeit zuzumuten sei und die anderen Verkehrsteilnehmer nicht risikolos überholen können.

Vgl. BayObLG, Beschluss vom 30.05.1967 – 1 a St 75/67

06.3 Verkehrsunfall mit Einkaufswagen

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Verkehrsunfälle dieser Art ereignen sich auf den Parkplätzen von Supermärkten, Baumärkten und anderen Einkaufszentren sozusagen täglich.

Beispiel: Lars und Mia befinden sich zurzeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes, auf dem sich ein Einkaufswagen selbständig gemacht hat, als der Einkäufer den Kofferraum seines Pkw öffnen wollte und trotz sofortigen Reagierens nicht verhindern konnte, dass der Einkaufswagen in die Seite eines geparkten Pkws rollte, und dort eine dicke Schramme verursachte. Rechtslage?

Eine spezielle Verhaltensnorm beim Umgang mit Einkaufswagen gibt es in der StVO nicht. Dennoch dürfte unbestreitbar sein, dass es sich bei einem Einkaufswagen um ein Fahrzeug handelt, das im öffentlichen Verkehrsraum einen Schaden verursacht hat.

Es gibt zwar nachvollziehbare Gründe dafür, dass Schäden, die durch Einkaufswagen verursacht werden, nicht als Verkehrsunfälle und somit auch nicht als Schadensereignisse im öffentlichen Straßenverkehr anzusehen sind, wie dies das Landgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 06.05.2011 - 29 Ns 3/11 herausgearbeitet hat, dennoch sind die Ausführungen des OLG Düsseldorf, das als Revisionsinstanz über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hatte, überzeugender.

Da in dieser Entscheidung das Urteil des LG Düsseldorf aufgehoben wurde, werden hier nur die Gründe mitgeteilt, warum es sich bei Schäden, die von Einkaufswagen verursacht werden, um Verkehrsunfälle handelt.

Auch wenn den oben genannten Urteilen eine Verkehrsunfallflucht zugrunde lag (der Benutzer des Einkaufswagens hatte sich vom Unfallort entfernt), lassen sich die folgenden Ausführungen auf alle Verkehrsunfälle dieser Art anwenden.

OLG Düsseldorf 2011: § 142 StGB schützt als abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche und schützt überdies vor unberechtigter Inanspruchnahme. Dabei knüpft die Strafbarkeit an einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang an, was in dem Tatbestandsmerkmal „Unfall im Straßenverkehr“ zum Ausdruck kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich ein verkehrstypisches Unfallrisiko verwirklicht haben. Dies ist - unter Zugrundelegung der natürlichen Verkehrsauffassung - in den „Einkaufswagenfällen“ nach gefestigter Rechtsprechung der Fall. [...]. Fahrzeuge auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz, auf dem auch Einkaufswagen bewegt werden, sind dort einer erhöhten Gefährdung durch wegrollende Einkaufswagen ausgesetzt. Es handelt sich um eine typische Situation des Straßenverkehrs, dem auch parkende Fahrzeuge zuzurechnen sind. Das spezifische Gefahrenpotential eines Einkaufswagens besteht nur in dieser typischen Verkehrssituation, so dass sich letztlich im Schadensfall ein typisches Verkehrsrisiko realisiert. Die zivilrechtliche Fragestellung, ob in den Einkaufswagenfällen der Schaden durch den „Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ verursacht wurde (dann: Kfz-Haftpflicht) oder nicht (dann: Privathaftpflicht), ist nicht weiterführend, da ein „Unfall im Straßenverkehr“ nicht den „Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ voraussetzt. Auch ein Fußgänger kann sich gemäß § 142 StGB strafbar machen, wenn sein Einkaufswagen auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ein Fahrzeug beschädigt.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2011 - III-1 RVs 62/11

Sollte der Benutzer des Einkaufswagens nicht einsehen wollen, dass er sich verkehrswidrig verhalten hat, dann kann er dahingehend belehrt werden, dass er die Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO verletzt hat, bei der es sich um eine bußgeldbewehrte Verkehrsordnungswidrigkeit handelt, die auch verwirkt werden kann, wenn sie nicht vorwerfbar begangen wurde, siehe § 1 Abs. 2 OWiG (Begriffsbestimmung).

§ 1 OWiG (Begriffsbestimmung)

07.0 Ordnungswidrigkeiten

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Die Erforschung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten gehört zur täglichen Berufserfahrung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die im Wach- und Wechseldienst der Polizei verwendet werden.

Die nachfolgenden kurzen Ausführungen sollen nur einen ersten Eindruck darüber vermitteln, welche Rechtsfragen sich auch im Zusammenhang mit Verkehrsordnungswidrigkeiten stellen, die im öffentlichen Straßenverkehr begangen wurden.

§ 1 OWiG (Begriffsbestimmung)

Wird von Polizeibeamten eine Verkehrsordnungswidrigkeit festgestellt, dann ist zu klären, ob die Polizei zuständig ist.

Zuständigkeit

Im Polizeiorganisationsgesetz des Landes NRW (POG NRW) heißt es unter anderem: Die Kreispolizeibehörden sind zuständig 2. für die Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.

§ 11 POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden)

Auch eine Anwendung der Zuständigkeitsregelung aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz kommt in Betracht.

§ 53 OWiG (Aufgaben der Polizei)

Ergänzend dazu heißt es in einem Erlass, der die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten betrifft wie folgt:

Erlass
1.1.2.1
Sachliche Zuständigkeit

Die Kreisordnungsbehörden sind zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten nach den §§ 23, 24, 24 a und 24 c des StVG; abweichend hiervon sind die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Straßenverkehr nach § 24 StVG.

Hinweis: Der § 23 StVG ist weggefallen.

Hinsichtlich der Erforschung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind die drei nachfolgenden Begrifflichkeiten von Bedeutung.

Behörde: Erforschungsbehörde

Die Behörden und die Beamten des Polizeidienstes sind Ermittlungsorgane bei der Erforschung von Ordnungswidrigkeiten, soweit sie nicht selbst als Verwaltungsbehörden iSv § 36 OWiG (Sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde) anzusehen sind.

§ 36 OWiG (Sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde)

Hinweis: Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Gesetzgebers, zu bestimmen, welche Verwaltungsbehörde in erster Linie zuständig sein soll.

Behörde: Verfolgungsbehörde

Eine Verfolgungsbehörde ist eine Behörde, deren Aufgabe und Verpflichtung es im hier zu erörternden Sachzusammenhang ist, Verkehrsordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Das betrifft auch Polizeibehörden, obwohl die anlässlich festgestellter Verkehrsordnungswidrigkeiten keine Bußgeldbescheide erlässt. Das ist Aufgabe der Bußgeldstelle. Die Sprachfigur „Verfolgungsbehörde“ ist somit durch die Sprachfigur „Ahndungsbehörde“ zu ergänzen.

Behörde: Ahndungsbehörde

Die Zuständigkeit zur Ahndung enthält die Befugnis, festgestelltes ordnungswidriges Verhalten auch ahnden zu können. Anders ausgedrückt: Die Ahndungsbehörde ist dazu befugt, Bußgeldbescheide zu erlassen, sowie über die dem Betroffenen zur Last gelegte Handlung zu entscheiden, soweit das Verfahren nach Abschluss der Ermittlungen nicht eingestellt wird.

Diese Zuständigkeit fehlt der Polizei bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Das bedeutet, dass die Polizei den Vorgang an die zuständige Straßenverkehrsbehörde abgibt, sobald ihre Ermittlungen abgeschlossen sind, denn dort werden Bußgeldbescheide erlassen. Ahndungsbehörde ist die Polizei dennoch, wenn auch nur im eingeschränkten Umfang, den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind dazu befugt, geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden.

§ 56 OWiG (Verwarnung durch die Verwaltungsbehörde)
§ 57 OWiG (Verwarnung durch Beamte des Außen- und Polizeidienstes)

08.0 Schlüsselwörter

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Die nachfolgend aufgelisteten Schlüsselwörter stehen auch im Ordner ABC-VR zur Verfügung. Die Ananzahl der dort alphabetisch geordneten Fachbegriffe wird dort kontinuierlich fortgeschrieben.

Anderer iSd StVO
Bagatellschaden
Bagatellschaden - unbedeutend
Behinderung iSv § 1 StVO
Behinderung - Langsamfahren
Behörde - Ahndungsbehörde
Behörde - Erforschungsbehörde
Behörde - Verfolgungsbehörde
Belästigung iSv § 1 StVO
Gefahr - Beinaheunfall
Gefahr - gegenwärtig
Gefahr - konkret
Gefahr - Rechtsordnung
Geschwindigkeit - unangemessen - BGH
Geschwindigkeitsmessung - Warnung
Kinder
Minderjährige
Personenschaden - unerheblich
Verkehrsteilnehmer
Verkehrsunfall
Straßenverkehr - öffentlich
Verkehrsunfall - Einkaufswagen
Vertrauensgrundsatz iSv § 1 StVO
Vorfahrtsregelung - Parkplätze
Vorfahrtsregelung - Fahrbahnverengung


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