§ 1 StVO - Grundregeln
Inhaltsverzeichnis:
01.0
Allgemeines 02.0 Grundregel 1 02.1
Ständige Vorsicht 02.2
Gegenseitige Rücksicht 03.0 Grundregel 2
03.1 Wer 03.2 Anderer
03.3 Schädigung 03.4
Unbedeutender Sachschaden 03.5
Bagatellschäden 03.6 Leichte
Personenschäden 03.7 Gefährdung
03.8 Behinderung 03.9
Belästigung
04.0 Vertrauensgrundsatz –
defensives
Fahren
05.0 Negativbeispiele
zu § 1 StVO 05.1 Alleinrennen auf
Autobahnen 05.2 Belästigung/Behinderung
der Polizei 06.0 Positivbeispiele zu § 1
StVO 06.1 Ständige Vorsicht und
Rücksichtnahme 06.2 Langsamfahren als
Behinderung 06.3 Verkehrsunfall mit
Einkaufswagen 07.0 Ordnungswidrigkeiten
08.0 Schlüsselwörter
01.0 Allgemeines
TOP
Der § 1 der
Straßenverkehrsordnung (StVO) normiert zwei Grundregeln, die
sich an jeden
Verkehrsteilnehmer
richten, der sich im
öffentlichen Straßenverkehr
befindet.
§ 1 StVO (Grundregeln)
Dabei handelt es sich, in
Anlehnung an ein Urteil der Richter des Bundesgerichtshofs vom
15.05.2018 - VI ZR 231/17, um Personen, die sich
verkehrserheblich verhalten und somit unmittelbar durch ihr Tun
oder Unterlassen auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs
einwirken.
02.0
Grundregel 1
TOP
§ 1 StVO (Grundregeln)
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr
erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
Bei dieser Grundregel handelt es
sich um eine zu beachtende allgemeine Verhaltensregelung im
Straßenverkehr, denn es fehlt ihr erkennbar an der Bestimmtheit.
Das ist auch der Grund dafür, dass § 1 Abs. 1 StVO nicht
bußgeldbewehrt ist. Gleichwohl begründet diese Norm eine
Rechtspflicht, besser gesagt geht von dieser allgemeinen
Verhaltensregelung eine mittelbare Rechtswirkung aus, auf die
rechtsprechende Gerichte zurückgreifen, wenn es darum gilt,
verkehrsrechtliches Fehlverhalten nachvollziehbar zu begründen.
Dazu mehr an anderer Stelle in diesem Kapitel.
02.1 Ständige Vorsicht
TOP
Diese Verhaltensweise setzt
Bedachtsamkeit, Besonnenheit, Geduld, Respekt, Sorgfalt,
Umsicht, Vernunft und natürlich auch Wachsamkeit voraus, das
gilt auch im Hinblick auf unvorhergesehene und unerwartete
Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere
innerhalb geschlossener Ortschaften.
Mit anderen
Worten: Vorsicht setzt
sozusagen nicht nur eine stete Bremsbereitschaft, sondern auch
Geistesgegenwart voraus. Auch kopfloses Handeln entspricht nicht
der gebotenen Vorsicht. Ausgenommen davon ist lediglich die so
genannte Schrecksekunde, also eine sehr kurze Zeitspanne, die
der Körper benötigt, um überhaupt angemessen auf
gefahrenträchtige Situationen reagieren zu können.
02.2
Gegenseitige Rücksicht
TOP
Gegenseitige Rücksichtnahme setzt
die Bereitschaft voraus, sich nicht nur sozialverträglich,
sondern insgesamt gesehen angemessen zu verhalten. Dazu gehört
die Bereitschaft, für andere Verkehrsteilnehmer Verständnis
aufzubringen, sich nicht durchsetzen zu wollen, sondern sich
tendenziell defensiv zu verhalten. Kurzum: Rücksicht setzt Besonnenheit und
Geistesgegenwart voraus.
Hinweis:
Bevor an Beispielen erörtert wird, in welchen Zusammenhängen bei
der Begründung von Verkehrsverstößen die Grundregel 1 des § 1
Abs. 1 StVO bedeutsam ist, dürfte es zielführender sein, sich
zuerst einmal der Grundregel 2 zuzusenden, denn erst wenn die
beiden Grundregeln des § 1 StVO erörtert wurden, ist es
sinnvoll, sie im Einzelnen sachverhaltsbezogen anzuwenden.
03.0
Grundregel 2
TOP
Im Gegensatz zur Grundregel 1,
die nicht mit einem Bußgeld geahndet werden kann, handelt es
sich bei tatbestandlichem Handeln im Sinne der Grundregel 2,
also bei Verstößen gegen den § 1 Abs. 2
StVO, um bußgeldbewehrtes
Handeln.
§ 1 StVO (Grundregeln)
Zuerst einmal ist festzustellen,
dass es sich bei den bußgeldbewehrten Verstößen gegen die
Grundregel 2 des § 1 StVO ebenfalls um die Verletzung
von Sorgfaltspflichten handelt. Darüber hinausgehend enthält der
§ 1 Abs. 2 StVO Tatbestandsmerkmale, die es zuerst einmal zu
erörtern gilt, um diese Grundregel in Gänze richtig zur
Anwendung kommen zu lassen.
03.1 Wer
TOP
Bei diesem „Wer“ handelt es
sich um Teilnehmerinnen oder Teilnehmer des Straßenverkehrs, dh,
dass alle sich im öffentlichen Verkehrsraum befindlichen, sich
dort bewegenden oder sich dort aufhaltenden aktiven
Verkehrsteilnehmer gemeint sind. Gemeint sind nicht nur die
Führer von Kraftfahrzeugen, sondern auch Radfahrer, Fußgänger,
Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen, Führer von Pferdegespannen, Reiter etc.
und natürlich auch Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer. Am Verkehr
nimmt sogar derjenige
teil,
wer in Fahrabsicht Maßnahmen trifft, um sein Fahrzeug in
Bewegung zu setzen. Der Begriff des Verkehrsteilnehmers geht
somit weit über das Führen von Fahrzeugen hinaus.
Beispiele:
-
Ein Mitfahrer in einem
Pkw wird zum Verkehrsteilnehmer, wenn er entweder in das
Verkehrsgeschehen eingreift, oder den Fahrer vorsätzlich
ablenkt.
-
Der Sozius auf einem
Krad wirkt durch abrupte Körperbewegungen auf das
Fahrverhalten des Krades ein.
Ob auch eine Person als ein
Verkehrsteilnehmer anzusehen ist, die von außen her – außerhalb
des öffentlichen Verkehrsraums – also zum Beispiel aus dem
eigenen Garten aktiv in das Verkehrsgeschehen eingreift, ist
eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Dass solch
einer Person besondere Pflichten obliegen, das kann dennoch dem
§ 32 StVG (Verkehrshindernisse) entnommen werden, in dem es u.a.
heißt, dass es verboten ist, die Straße zu beschmutzen oder
anderweitig Gegenstände auf die Straße zu bringen, die den
Verkehr gefährden oder erschweren können. Wer für solche
verkehrswidrigen Zustände verantwortlich ist, hat diese
unverzüglich zu beseitigen und diese bis dahin ausreichend
kenntlich zu machen.
§ 32 StVO (Verkehrshindernisse)
Dennoch:
Wenn in einem Garten Fußball gespielt wird und ein Ball dabei in
den öffentlichen Verkehrsraum geschossen und von diesem Ball
dann ein Kradfahrer so unglücklich getroffen wird, dass dieser
verunfallt und mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus
eingeliefert werden muss, weil er dadurch die Kontrolle über sein Krad
verloren hat, dann handelt es sich bei demjenigen, der den Ball
geschossen hat, sicherlich um einen Unfallbeteiligten, nicht
aber um einen Verkehrsteilnehmer, denn diese Sprachfigur setzt
voraus, dass sich eine Person im öffentlichen Straßenverkehr
befinden muss.
Das bedeutet aber nicht, dass
derjenige, der den Ball in den öffentlichen Verkehrsraum
geschossen, und dadurch einen folgenschweren Verkehrsunfall
verursacht hat, für den von ihm angerichteten Schaden nicht
aufkommen muss. Selbstverständlich kann der geschädigte
Kradfahrer auf der Grundlage von § 823 BGB
(Schadensersatzpflicht) den Verursacher sowohl für entstandene
Sachschäden als auch für die erlittenen Schmerzen
(Schmerzensgeld) in Anspruch nehmen.
§ 823 BGB (Schadenersatzpflicht)
Für Lars und Mia, die den oben
skizzierten Verkehrsunfall aufnehmen, bedeutet das, dafür Sorge
zu tragen, dass nicht nur die zivilen Rechtsansprüche des
Geschädigten gesichert werden, sondern auch gegen denjenigen,
der den Ball geschossen hat, auf der Grundlage von § 229 StGB
(Fahrlässige Körperverletzung) ein Strafverfahren eingeleitet
wird.
§ 229 StGB (Fahrlässige
Körperverletzung)
Sollte ein
Kind oder ein
Minderjähriger den Ball getreten haben,
werden wohl Gerichte darüber zu entscheiden haben, wer für den
Schaden aufzukommen hat.
Wie dem
auch immer sei. Auch nicht
gewollte Kausalverläufe können für Verkehrsunfälle ursächlich
sein, insbesondere auch solche, die durch Unachtsamkeit
verursacht werden, sei es durch einen wegrollenden Einkaufswagen
oder durch einen unachtsam geschobenen Kinderwagen oder durch unbeabsichtigtes Verhalten eines
Fußgängers, der einen plötzlichen Schritt auf die Fahrbahn einen Fahrer zu
einem riskanten Ausweichmanöver „zwingt“, was ebenfalls einen
Verkehrsunfall zur Folge haben kann. Neben dem unbestimmten
Rechtsbegriff des „Verkehrsteilnehmers“, verstecken hinter dem
Wort „Wer“ des § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) auch noch andere
ausfüllungsbedürftige Sprachfiguren, zum Beispiel die des
„Anderen“.
03.2 Anderer
TOP
Die Anwendung von § 1 Abs. 2 StVO
(Grundregeln) setzt einen Anderen voraus. Anderer im Sinne der
Norm ist jeder beliebige Mensch, bei dem es sich nicht um
einen Verkehrsteilnehmer handeln muss. Dieser Andere kann sich
auch außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums befinden. Anderer
im hier zu verstehenden Sinne ist jeder, der durch einen
Verkehrsteilnehmer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den
Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Anderer im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO kann
somit auch der
Halter/Eigentümer eines Fahrzeuges sein, dessen geparkter Pkw
durch den Fahrer eines anderen Pkw beschädigt wird. Anderer im
Sinne der Norm sind auch die Eigentümer von Gebäuden, die
anlässlich von Verkehrsunfällen beschädigt werden. Gleiches gilt
für Lichtsignalanlagen, Verkehrszeichen und andere Objekte, die
keine Verkehrsteilnehmer sind, sehrwohl aber beschädigt werden
können. Geschädigter ist dann die Straßenbaubehörde.
Als Andere kommen aber wohl kaum zwei „Unfallpartner“ in
Betracht, die sich trefflich darüber streiten, wer für was
verantwortlich ist.
Beispiel:
Lars und Mia nehmen auf einem Kundenparkplatz eines großen
Supermarktes einen Verkehrsunfall mit relativ geringem
Sachschaden auf. An beiden Pkw beläuft sich der Schaden auf etwa
300 Euro. Ursache für den Zusammenstoß waren Unaufmerksamkeiten
beim Ausparken aus den jeweiligen Parkbuchten, denn beim
Rückwärtsfahren stießen die beiden Fahrzeuge auf der Fahrspur,
die die beiden Parkbuchten voneinander trennt, zusammen. Es
liegt in der Natur der Sache, dass sich beide gegenseitig
beschuldigen, losgefahren zu sein, als der jeweils andere
bereits den Ausparkvorgang sozusagen fast schon abgeschlossen
hatte. Jeder gibt an, Geschädigter zu sein. Rechtslage?
In einem Urteil des BGH aus dem
Jahr 2018, dem ein durchaus vergleichbarer Unfall zugrunde lag,
heißt es unter anderem:
BGH 2018:
Nach § 9 Abs. 5 StVO hat sich der Führer eines Fahrzeugs beim
Rückwärtsfahren und nach § 10 Satz 1 StVO derjenige, der von
einem Straßenteil - hier einem Parkplatz - auf die Fahrbahn
einfährt, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. „Anderer
Verkehrsteilnehmer“ ist jede Person, die sich selbst
verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf
den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt.
BGH, Urteil vom 15.05.2018 - VI
ZR 231/17
Und was hat das mit der
Grundregel 2 des § 1 StVO zu tun?
Die beiden nachfolgenden
Verkehrsregeln setzen voraus, dass bei der Teilnahme am
Straßenverkehr Gefährdungen
anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden müssen.
§ 9 StVO
(Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren)
§ 10 StVO (Einfahren
und Anfahren)
Das bedeutet: Kommt es zu
Beschädigungen, dann tritt damit ein Erfolg ein, der in den
beiden oben genannten Normen der StVO nicht enthalten ist. Das
hat zur Folge, dass zur Schließung dieser Lücke nunmehr auf die
Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO zurückgegriffen werden muss,
denn dort heißt es, dass „kein Anderer geschädigt“ werden darf.
Beispiel:
Lars und Mia stellen am Einsatzort fest, dass ein Pkw so
verkehrsbehindernd vor einer Zufahrt zu einem Innenhofparkplatz
abgestellt ist, dass Personen, die mit ihren Pkw auf den
Innenhofparkplatz auffahren, oder diesen verlassen wollen, das
nicht mehr möglich ist. Den Beamten gelingt es nicht, den Fahrer
ausfindig zu machen, der den Pkw verkehrsbehindernd abgestellt
hat. Nach 10 Minuten erfolgloser Bemühungen ersucht Lars die
Einsatzleitstelle der Polizei, einen Abschleppdienst damit zu
beauftragen, den Pkw sicherzustellen, da in der Nähe des
Einsatzortes kein geeigneter Abstellplatz zur Verfügung steht.
Rechtslage?
Da von dem verkehrsbehindernd
abgestellten Pkw eine gegenwärtige Gefahr für die Rechtsordnung
ausgeht, liegen die Voraussetzungen vor, um auf der Grundlage
von § 43 Nr. 1 PolG NRW (Sicherstellung) den Pkw sicherstellen
zu lassen. Danach kann eine Sache zur Abwehr einer
gegenwärtigen Gefahr
sichergestellt werden. Diese
Gefahr besteht darin, dass ein verkehrsbehindernd abgestellter
Pkw die Rechtsordnung gegenwärtig gefährdet.
§ 43 PolG NRW (Sicherstellung)
Sachverhaltsbezogen ist zuerst
einmal festzustellen, dass die Straßenverkehrsordnung Teil der
Rechtsordnung ist. Diese Rechtsordnung ist gegenwärtig
gefährdet, wenn ein zu erwartender Schaden unmittelbar
bevorsteht, oder aber bereits eingetreten ist und von diesem
eingetretenen Schaden weitere Gefahren für die Rechtsordnung
oder auch gegen andere Rechtsgüter ausgehen, wovon in diesem
Beispiel ausgegangen werden kann, denn die Schädigung der
Rechtsordnung besteht erst dann nicht mehr, wenn die
„Behinderung“ beseitigt ist. Im Folgenden wird aufgezeigt,
welche Normen der StVO durch das verkehrswidrige Verhalten des
Fahrzeugführers verletzt worden sind, der seinen Pkw
verkehrsbehindernd von einer Einfahrt/Ausfahrt geparkt hat.
Einschlägige Norm, die das Halten
und Parken betrifft, ist der § 12 der Straßenverkehrsordnung.
§ 12 StVO (Halten und Parken)
Danach ist, siehe § 12 Abs. 3 Nr.
3 StVO, das Parken vor Grundstücksein- und Grundstücksausfahrten
unzulässig. Soweit Fahrzeuge dort so abgestellt sind, dass ein
Ein- und Ausfahren trotzdem noch möglich ist, wird wohl kaum
eine Polizeibeamtin oder ein Polizeibeamter auf den Gedanken
kommen, den Pkw abschleppen zu lassen. Solch eine
kostenpflichtige Maßnahme dürfte wohl nur dann verhältnismäßig
sein, wenn von dem verbotswidrig abgestellten Pkw ein wirklich
unzumutbare
Behinderung ausgeht. Da § 12 StVO diesbezüglich keine Hinweise
enthält, kann diese Lücke nur durch Rückgriff auf die Grundregel
2 des § 1 Abs. 2 StVO geschlossen werden.
Nur zur Erinnerung:
Behinderung:
Darunter ist eine im Einzelnen festzustellende Beeinträchtigung
des zulässigen, beabsichtigten Verhaltens eines anderen zu
verstehen, ohne diesen zu gefährden oder zu schädigen. Das setzt
voraus, dass der andere Verkehrsteilnehmer zu einem nicht von
ihm beabsichtigten Verkehrsverhalten gezwungen wird. BayObLG
VRS 25, 224.
Bezogen auf das Ausgangsbeispiel
ist festzustellen, dass es den von der Behinderung betroffenen
ANDEREN nicht zugemutet werden kann, diese Störung hinzunehmen.
Aus diesem Grunde hat Lars die Einsatzleitstelle nach
erfolglosem Bemühen, den Verursacher der Verkehrsbehinderung
ausfindig zu machen ersucht, einen Abschleppdienst mit der
Sicherstellung des verkehrsbehindernd abgestellten Pkws zu
beauftragen.
Hinweis:
Die damit verbundenen
Kosten werden dem Fahrer/Halter des abgeschleppten Pkws in
Rechnung gestellt. Das gilt auch für die von Lars und Mia zu
erstellende Ordnungswidrigkeitenanzeige, in der die nachfolgend
genannten Vorwürfe aufgeführt sind:
§ 1 Abs. 2
StVO (Grundregeln)
§ 12 StVO (Halten und Parken)
03.3
Schädigung
TOP
Eine „Schädigung im Sinne von § 1
Abs. 2 StVO“ ist gegeben, wenn:
-
Eine Person verletzt wird
-
Eine Person einen
Gesundheitsschaden erleidet, oder:
-
Ein wägbarer
vermögenswirksamer Nachteil festzustellen ist.
Für alle drei
Schädigungsalternativen gilt, dass mehr als unbedeutende
Schädigungen durch verkehrswidriges Verhalten verursacht worden
sein müssen. Die Auseinandersetzung mit dieser Sprachfigur macht
es somit erforderlich, sich zuerst einmal ein Bild darüber zu
verschaffen, was eine Schädigung im Sinne des Verkehrsrechts
ist.
03.4
Unbedeutender
Sachschaden
TOP
Davon kann bei einem völlig
belanglosen Schaden (also weniger als 30 bis 50 €) ausgegangen
werden.
AG Nürnberg
2019: Von unbedeutenden
Sachschäden kann nur dann ausgegangen werden, wenn
offensichtlich nur oberflächliche Schäden, (an Blech oder
Zierrat beispielsweise) entstanden sind. Jedwede nach dem
Unfallhergang oder dem Schadensbild vertretbare Zweifel, ob
nicht verborgene Schäden (Verformungen beispielsweise)
entstanden sind, gehen insoweit zu Lasten des Schädigers, der
die Beweisnot des Geschädigten zu verantworten hat.
AG Nürnberg, Urteil vom 6. Juni
2019 - 18 C 2692/19
Welche Bedeutung unbedeutende
Sachschäden im Zusammenhang mit polizeilich aufzunehmenden
Unfällen haben, wird später an einem Beispiel erörtert, zumal
anlässlich von Verkehrsunfällen der angerichtete Sachschaden
eine breite Spannweite umfasst. Dazu gehören auch die so
genannten Bagatellschäden, zu denen auch die gerade erörterten
„unbedeutenden Sachschäden“ gehören.
03.5
Bagatellschäden
TOP
Grundsätzlich kann immer dann von
einem Bagatellschaden ausgegangen werden, wenn beispielsweise
infolge eines Rangierunfalls oberflächliche Lackschäden an einem
Kfz verursacht wurden. In der Regel sind dies Kratzer, Dellen
oder Schrammen an der Karosserie. Im Unterschied zu einem
gravierenden Sachschaden wird bei einem Bagatellschaden der
Verkaufswert des beschädigten Fahrzeuges nicht nachhaltig
beeinflusst. Andererseits macht es einen Unterschied aus, ob ein
Kratzer an einem älteren Fahrzeug oder an einem Luxusfahrzeug
verursacht wird. Eine feste Bagatellschadensgrenze, also eine
gewisse Höhe der notwendigen Reparaturkosten zur Behebung des
Schadens, ist gesetzlich nicht fixiert. Allerdings geht der BGH
von einem Betrag von 700 Euro aus. Die Folge davon ist, dass
alle Reparaturen, die über dieser Spanne hinausgehen,
üblicherweise nicht mehr als Bagatellschaden bezeichnet werden,
siehe BGH, Urteil vom 30.11.2004 - VI ZR 365/03.
03.6
Leichte
Personenschäden
TOP
Solche Schäden fallen nicht unter
die Bezeichnung „Bagatellschaden“, denn diese Sprachfigur lässt
sich nur auf Sachschäden anwenden. Personenschäden sind anderer
Art. Sie sind meist mit Behandlungskosten verbunden und können
darüber hinausgehend auch
Schadenersatzansprüche in Form von Schmerzensgeld auslösen. Allerdings dürfen auch erlittene Verletzungen eine
gewisse Geringfügigkeitsgrenze nicht unterschreiten.
Hinsichtlich der
Erheblichkeitsgrenze dürfte es zielführend sein, sich
diesbezüglich an der Erheblichkeitsgrenze des § 223 StGB
(Körperverletzung) zu orientieren, denn um eine Körperverletzung
zu begehen, muss die Beeinträchtigung der körperlichen
Unversehrtheit mehr als nur unerheblich sein.
§ 223 StGB (Körperverletzung)
Die Erheblichkeit wird aus Sicht
eines objektiven Betrachters bestimmt. Lediglich unerhebliche
Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens sind nicht als
Körperverletzungen iSv § 223 StGB anzusehen, zum Beispiel:
-
Leichte Druckstellen am
Oberarm
-
Kleinere Rempler
-
Ein leichter Stoß vor die
Brust etc.
-
Befindlichkeitsstörungen.
Auch die Verursachung von
Angst, Schrecken und Erregung reichen für sich allein gesehen
nicht aus, vielmehr muss bei psychischen Beeinträchtigungen ein
medizinisch relevanter Krankheitszustand in einem nicht nur
unerheblichen Umfang eingetreten sein. Diese Ausführungen lassen
sich durchaus auch auf das
Tetbestandsmerkmal
„kein anderer geschädigt“ übertragen, soweit es sich bei dem
eingetretenen Schaden um einen Personenschaden handelt. Da
Polizeibeamtinnen und auch Polizeibeamte keine Ärzte sind,
werden sie sich an der Einstufung eines Verkehrsunfalls
hinsichtlich des eingetretenen „Unfallschadens“ an den Angaben
der Unfallbeteiligten richten. Wenn einer der Unfallbeteiligten
sagt, dass bei ihm ein Schleudertrauma durch den Zusammenstoß
herbeigeführt wurde, haben das unfallaufnehmende Polizeibeamte
nicht nur zur Kenntnis, sondern auch zu Protokoll zu nehmen.
03.7
Gefährdung
TOP
Eine Gefährdung setzt eine Gefahr
voraus. Dabei handelt es sich um eine Situation, in der ein
Schaden einzutreten droht bzw. eine Lebenssituation besteht, in
der mit der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines
Schadensereignisses zu rechnen ist, wenn diese Situation nicht
sofort durch geeignete Maßnahmen beendet bzw. abgewendet wird.
Der Verwaltungswissenschaftler Hans Julius Wolff (1898 bis 1976)
hat eine Gefahr wie folgt definiert:
Hans Julius
Wolff: Nach allgemeiner
Auffassung liegt eine »Gefahr« vor, wenn eine Sachlage oder ein
Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden
Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes
Rechtsgut schädigen wird.
Wolff, Verwaltungsrecht III
Die Frage, die sich nunmehr
stellt, lautet: Lässt sich dieser Gefahrenbegriff auch auf den
unbestimmten Rechtsbegriff der „Gefährdung“ iSv § 1 Abs. 2 StVO
übertragen. Davon kann ausgegangen werden, denn eine Gefahr im
Sinne der Grundregel 2 der StVO setzt einen „Beinahe-Unfall“
voraus, also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter
zu der Einschätzung gelangt, dass „es in dieser Situation gerade
noch einmal gut gegangen ist“. Diese Umschreibung einer
konkreten Gefahr entspricht der Rechtsauffassung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG).
BVerwG
1970: Eine konkrete Gefahr
liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in
überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend
wahrscheinlich gerechnet werden kann.
BVerwG,
Urteil vom 26.06.1970 - 4 C 99.67
03.8
Behinderung
TOP
Behinderung iSv § 1 Abs. 2 StVO
(Grundregeln) müssen vermeidbar sein. Was aber ist unter einer
Behinderung im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO zu verstehen?
Behinderung: Darunter ist
eine im Einzelnen festzustellende Beeinträchtigung des
zulässigen, beabsichtigten Verhaltens eines anderen zu
verstehen, ohne diesen zu gefährden oder zu schädigen. Das setzt
voraus, dass der andere Verkehrsteilnehmer zu einem nicht von
ihm beabsichtigten Verkehrsverhalten gezwungen wird. Es reicht
aus, dass der Andere dadurch unsicher wird.
BayObLG VRS 25, 224.
Diese Behinderungen müssen
vermeidbar sein. Was aber sind vermeidbare Behinderungen im
fließenden Verkehr?
Als vermeidbare Behinderungen
kommen nur solche Behinderungen in Betracht, die aufgrund von
Fehlverhalten oder mangelhafter Planung entstehen.
Beispiele:
-
Langsamfahren ohne triftigen
Grund, denn solch ein Fahrverhalten stört nicht nur den
Verkehrsfluss, solch ein Verhalten hält auch andere
Verkehrsteilnehmer auf. Natürlich sind auch langsam fahrende
Traktoren oder Mähdrescher eine Behinderung. Diese sind
jedoch nicht in der Lage, schneller zu fahren.
-
Liegenbleiben wegen
Kraftstoffmangels. Wem der Sprit ausgeht, dem ist
vorzuwerfen, nach dem Aufleuchten der Reservetankleuchte ein
Auftanken versäumt zu haben.
-
Abwürgen des Motors. Auch solche
unnötigen Behinderungen lassen sich vermeiden.
Wie dem
auch immer sei: Im
Folgenden werden Verstöße aus dem Bußgeldkatalog
2023 zitiert, bei denen es sich um bußgeldbewehrte Behinderungen
iSd
§ 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) handelt.
20 €:
Fahrzeug
falsch abgestellt, so dass ein anderes Fahrzeug nicht wegfahren
konnte
20 €:
Behinderung
eines anderen Verkehrsteilnehmers, indem ihm das Einordnen im
Reißverschlussverfahren nicht ermöglicht wurde
20 €:
Parken auf
einer Fußgängerfurt einer Ampel mit Behinderung anderer
20
€:
Behinderung anderer durch Parken
20 €:
Behinderung
anderer Verkehrsteilnehmer durch außer Acht lassen der im
Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt
30 €:
Einfahren in
den Kreuzungs- bzw. Einmündungsbereich, ohne einem
verkehrsbedingt wartenden Fahrzeug die Möglichkeit zu geben,
diesen zu verlassen
03.9
Belästigung
TOP
Eine Belästigung muss durch
Tatsachenfeststellung möglich sein. Es reicht nicht aus, wenn
sie lediglich nicht ausgeschlossen werden kann. Belästigungen
können auch darin bestehen, indem durch Lärm oder Abgase sowohl
körperlicher als auch seelischer Unmut bei anderen erzeugt wird.
Davon kann zumindest dann ausgegangen werden, wenn die
Belästigung auch nach dem objektiven Urteil eines so genannten
„objektiven Beobachters“ dazu geeignet ist, als Belästigung
empfunden zu werden.
Anders
ausgedrückt: Eine
Belästigung ist gegeben, wenn mehr als unvermeidbar anderen
entweder ein körperliches oder seelisches Unbehagen bereitet
wird. Wird durch ein Verhalten lediglich Unmut erzeugt, ist das
nicht ausreichend.
Als Belästigungen kommen in
Betracht durch:
-
Provozierenden Hupen und
Blinken.
-
Provozierendes Langsamfahren
-
Provozierendes Gasgeben bei
der Benutzung getunter Kräder
-
Rücksichtsloses Durchfahren
von Pfützen
-
Störungen der Nachtruhe
-
Belästigungen von
Polizeibeamten bei Geschwindigkeitsmessungen.
Im Gegensatz dazu fällt das
Warmlaufenlassen von Motoren nicht unter den
Belästigungstatbestand der Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO,
denn diesbezüglich ist die Regelung im § 30 Abs. 1 StVO
einschlägig, denn dort heißt es, dass bei der Benutzung von
Fahrzeugen sowohl unnötiger Lärm und vermeidbare
Abgasbelästigungen als auch ein unnötiges Laufenlassen von
Fahrzeugmotoren, sowie das laute Zuschlagen von Fahrzeugtüren
und auch das unnütze Hin- und Herfahren innerhalb geschlossener
Ortschaften verboten ist, wenn Andere dadurch belästigt werden.
§ 30 StVO (Umweltschutz, Sonn-
und Feiertagsfahrverbot)
Hinweis:
Belästigungen sind nur dann nicht erlaubt, wenn sie unvermeidbar
und mehr als geringfügig sind. Eine bußgeldbewehrte Belästigung
setzt eine Intensität voraus, die nach den konkreten Umständen
bzw. der Systematik der StVO vermeidbar ist. Die nachfolgenden
Beispiele ordnungswidrigen Verhaltens wurden dem
Bußgeldkatalog 2023
entnommen:
130612
Sie
verursachten bei der Benutzung des Fahrzeugs unnötigen Lärm.
80,00 Euro Bußgeld – § 30 Abs. 1, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr.
5 StVG
130618
Sie
verursachten bei der Benutzung des Fahrzeuges vermeidbare
Abgas-Belästigungen. 80 Euro Bußgeld – § 30 Abs. 1, § 49 StVO; §
24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG
130624 Sie belästigten
Andere durch unnützes Hin- und Herfahren mit dem Fahrzeug
innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. 100 Euro Bußgeld. § 30
Abs. 1, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG
04.0
Vertrauensgrundsatz – defensives Fahren
TOP
Bei dem Vertrauensgrundsatz, der
im § 1 der StVO enthalten ist, handelt es sich nicht um eine
Rechtsnorm, die es ermöglichst, sich auf einen Verbotsirrtum
berufen zu können.
§ 16 StGB (Irrtum über
Tatumstände)
§ 17 StGB (Verbotsirrtum)
Der Vertrauensgrundsatz ist so
zu verstehen, dass sich der auf diesen Grundsatz vertrauende
Verkehrsteilnehmer sich nur in gewissem Umfang darauf verlassen
darf,
dass andere Verkehrsteilnehmer
sich situationsgerecht verhalten. Das gilt aber nur so lange,
wie keine besonderen Umstände eintreten, die dazu geeignet sind,
dieses Vertrauen sozusagen zu erschüttern. Der
Vertrauensgrundsatz entfällt somit dann, wenn sich ein
Verkehrsteilnehmer erkennbar verkehrswidrig verhält und
natürlich auch in unklaren und unübersichtlichen Verkehrslagen.
Auch gegenüber verkehrsschwachen Personen (Kinder, aber auch
hochbetagte, gebrechliche Personen und erkennbar betrunkene
Personen) greift der Vertrauensgrundsatz nicht.
Vielmehr greift in solchen Situationen der Grundsatz des
defensiven Fahrens, der sozusagen den Gegenentwurf zum Vertrauen
auf verkehrsgerechtes Verhalten anderer bildet. Defensive
Fahrweise ist insbesondere durch die Bereitschaft
gekennzeichnet, weitgehend darauf zu verzichten, vom richtigen
Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer auszugehen.
Die
Forderung nach defensiverem Fahren fordert somit eine größere
Sorgfaltspflicht ein. Der Grundsatz des defensiven Fahrens
bewirkt aber keine erhöhte
Schuldbeurteilung,
auch wenn dieser Grundsatz eine Sorgfalt einfordert, die zumindest teilweise
über die gesetzliche Sorgfaltspflicht hinausgeht, die
Bestandteil aller Ge- und Verbotsnormen der StVO ist.
05.0
Negativbeispiele zu § 1 StVO
TOP
Auf banale Beispiele zum
Regelungsinhalt des § 1 StVO (Grundregeln) wird hier verzichtet.
Zielführender dürfte es sein, sich mit Beispielen zu
beschäftigen, die sowohl praxistauglich als ein einprägsam sind
und die zu Ergebnissen führen, die einfach nicht vergessen
werden können. Dazu gehören auch Beispiele, die, wie sich zeigen
wird, mit den Grundregeln des § 1 StVO nichts zu tun haben,
obwohl es in diesen Beispielen um Begrifflichkeiten gehen wird,
die zu den Tatbestandsmerkmalen auch von § 1 StVO gehören.
05.1
Alleinrennen auf
Autobahn
TOP
Das folgende Beispiel hat sich
auf der A2 tatsächlich ereignet. Dem Fahrer, der mit 420 km/h
geblitzt wurde, war es sogar noch möglich, von dieser
„Blitzfahrt“ ein Video zu drehen.
Beispiel:
Im Januar 2022 wurde auf der A2 der Fahrer eines Bugattis mit
420 km/h von einer Radaranlage gemessen. Zunächst blieb dieses Verhalten juristisch
folgenlos, da auf dem betreffenden Abschnitt kein Tempolimit
galt und auch niemand zu Schaden kam. Rechtslage?
Verstoß gegen § 1 Abs. 1 StVO?
Danach erfordert die Teilnahme am
Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige
Rücksichtnahme. Da eine Missachtung dieser Grundregel aber nicht
bußgeldbewehrt ist, lässt sich daraus kein Vorwurf ableiten, die
die Verhängung eines Bußgeldes rechtfertigen würde.
Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO:
Danach haben sich
Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein Anderer
geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen
unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Dem Beispiel kann aber entnommen
werden, dass auf dem betreffenden Abschnitt niemand behindert,
belästigt, gefährdet oder zu Schaden
gekommen ist. Grund dafür dürfte sein, dass der Fahrer des
Bugatti die gesamte Breite der Richtungsfahrbahn der A2 für sich
in Anspruch nehmen konnte, weil sonst niemand da war.
Die Folge davon ist, dass auch
auf der Grundlage dieser bußgeldbewehrten Grundregel kein
Bußgeldbescheid erlassen werden konnte.
Verstoß gegen § 3 StVO
(Geschwindigkeit)
Danach darf der Fahrer eines
Fahrzeuges nur so schnell fahren, dass er das Fahrzeug ständig
beherrschen kann. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den
Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den
persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und
Ladung anzupassen. Vorgegebene Höchstgeschwindigkeiten sind zu
beachten.
§ 3 StVO (Geschwindigkeit)
Geschwindigkeitsregelung auf
Autobahnen.
Soweit keine
Höchstgeschwindigkeiten vorgegeben sind, gilt auf Autobahnen und
Kraftfahrtstraßen (Verkehrszeichen 330.1) seit 1978 die so
genannte Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, soweit keine anderen
Höchstgeschwindigkeiten vorgegeben sind.
Verkehrszeichen 330.1
Die Richtgeschwindigkeit ist
jedoch eine reine Verhaltensempfehlung und keine einzuhaltende
Pflicht. Sie gilt in dem Augenblick nicht mehr, in dem eine
bestimmte Höchstgeschwindigkeit angeordnet wird.
Fazit:
Festzustellen ist, dass sich der Fahrer des Bugatti
vollumfänglich an die Regeln der StVO gehalten, und somit
sozusagen alles richtig gemacht hat. Zumindest kann ihm kein
ordnungswidriges Verhalten iSv von § 49 StVO
(Ordnungswidrigkeiten) vorgeworfen werden.
§ 49 StVO (Ordnungswidrigkeiten)
Straftat im Sinne von § 315d
StGB?
Das würde voraussetzen, dass der
Fahrer des Bugatti sozusagen ein Rennen gegen sich selbst
geführt hat, siehe § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB (Verbotene
Kraftfahrzeugrennen).
§ 315d StGB (Verbotene
Kraftfahrzeugrennen)
Danach wird bestraft, wer im
Straßenverkehr 3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht
angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und
rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit
zu erreichen.
Die aber wird durch § 3 Abs. 3
Straßenverkehrsordnung (StVO) normiert, was erneut zu der
Feststellung führt, davon nicht ausgehen zu können, weil auf dem
betreffenden Autobahnabschnitt kein Tempolimit bestand. Die auf
Autobahnen einzuhaltenden Höchstgeschwindigkeiten können jedoch
nur einen Orientierungsrahmen geben, denn in Anlehnung an die
Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) verstehen die dort
tätigen Richter unter den Begriff einer nicht angepassten
Geschwindigkeit jede der konkreten Verkehrssituation nicht mehr
angepassten Geschwindigkeit.
BGH 2021:
Objektive Tathandlung ist das Sich-Fortbewegen als
Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit. Mit
dem Erfordernis der nicht angepassten Geschwindigkeit hat sich
der Gesetzgeber begrifflich an die straßenverkehrsrechtliche
Regelung in § 3 Abs. 1 StVO angelehnt, ohne indes
gesetzestechnisch auf diese Norm zu verweisen. Das Merkmal der
unangepassten Geschwindigkeit ist daher maßgeblich durch
Auslegung des Regelungsgehalts der Strafnorm zu bestimmen.
Ausgehend von der Wortbedeutung meint unangepasste
Geschwindigkeit jede der konkreten Verkehrssituation nach den
straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende
Geschwindigkeit.
BGH, Beschluss vom 17. Februar
2021 – 4 StR 225/20
Festzustellen bleibt, dass mit
der Einfügung eines § 315d Absatz 1 Nummer 3 StGB in das
Strafgesetzbuch auch diejenigen Fälle erfasst worden sind, in
denen nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein
Kraftfahrzeugrennen nachstellt, vgl. Drucksache 18/12936 vom 27.
Juni 2017.
05.2
Belästigung/Behinderung an einer Laser-/Radarmessstelle
TOP
Es kommt immer wieder vor, dass
„Weltverbesserer und Menschenfreunde“ konkrete Versuche
unternehmen, Verkehrsteilnehmer vor Geschwindigkeitsmessungen
der Polizei zu warnen und auch zu schützen.
Beispiel:
Lars und Mia führen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft eine
Geschwindigkeitsüberwachung mit einem Laser durch. Dabei wird
Lars
von einem Mann gestört, der ihn abzulenken versucht und sich
immer dann vor das Lasergerät stellt, wenn Lars gerade einen
Geschwindigkeitssünder ausgemacht hat. Handelt es sich dabei um
eine Belästigung oder gar um eine Behinderung im Sinne von § 1
Abs. 2 StVO (Grundregeln)?
Offensichtlich ist, dass die von
Lars eingerichtete Lasermessstelle sich im öffentlichen
Verkehrsraum befindet und offenkundig ist auch, dass es sich
sowohl bei Lars als auch bei dem penetrant störenden Mann um
Verkehrsteilnehmer handelt.
Fraglich ist nur, ob die Belästigung
und die Behinderung polizeilicher Arbeit als ein
ordnungswidriges Verhalten iSv § 1 Abs. 2 StVO angesehen werden
kann, denn danach sind vermeidbare Behinderungen und
Belästigungen bußgeldbewehrt.
Dagegen spricht, dass es sich bei
den Aktionen des Mannes nicht um belästigendes bzw. behinderndes
Verhalten handelt, das dem Schutzzweck der StVO widerspricht,
denn der Normzweck der StVO besteht darin, durch einzuhaltende
Regeln Unfallrisiken zu minimieren.
Das ist zwar auch das Ziel
von Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen durch die Polizei,
deren Zulässigkeit sich aber nicht aus der StVO, sondern aus der
polizeilichen Aufgabe der „Überwachung des Straßenverkehrs“ und
von Befugnissen ergibt, die es der Polizei erlauben,
Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen. Auch spezielle Verbots-
oder Gebortnormen der StVO, die angewendet werden könnten, um
dem störenden Mann sein Verhalten zu verbieten, enthält die StVO nicht.
Insoweit ist es Lars auch nicht möglich, ihm auf der Grundlage
von § 36 StVO, bei der es sich um eine bußgeldbewehrte Norm der
StVO handelt, Weisungen zu erteilen, die wirklich nicht
typischen Belästigungen und
Behinderungen zu unterlassen, die den Ablauf des Straßenverkehrs
betreffen.
§ 36 StVO (Zeichen und
Weisungen der Polizeibeamten)
Macht sich der Mann strafbar?
Diese Frage ist nicht abwegig,
denn sie wurde, wenn auch in einem etwas anderen
Sachzusammenhang, bereits vom BGH abschließend geprüft.
Anlass:
Anlass war die wütende Reaktion eines Pkw-Fahrers, der sein
Fahrzeug im Anschluss an eine Radarmessung so vor der
Radarmessanlage parkte, dass keine Messungen mehr durchgeführt
werden konnten. Dieses Verhalten hatte zur Folge, dass gegen den
Mann ein Strafverfahren auf der Grundlage von § 316b Abs. 1 Nr.
3 StGB (Störung öffentlicher Betriebe).
§ 316b StGB (Störung öffentlicher
Betriebe)
Danach macht sich ua strafbar,
wer den Betrieb 3. einer der öffentlichen Ordnung oder
Sicherheit dienenden Einrichtung oder Anlage verhindert oder
stört. Um solch eine Anlage handelt es sich sowohl bei einer
stationären als auch bei einer mobilen Radarmessanlage und wohl
auch bei einem Lasergerät. Wie dem auch immer sei. Ein Blick in
die Urteilsfindung des BGH bringt uns „verkehrsrechtlich“
zumindest ein kleines Stück weiter:
BGH 2014:
Vorliegend hat der Angeklagte die beabsichtigten
Geschwindigkeitsmessungen allein dadurch verhindert, dass er mit
seinen jeweils in Richtung des Messstrahls geparkten Fahrzeugen
Messungen anderer vorbeifahrender Fahrzeuge verhinderte. Dabei
wirkte er jedoch [...]
nicht
einmal äußerlich durch Beschmieren oder bspw. Bekleben auf die
Substanz der Sache ein. Es lag mithin keine Manipulation an dem
Messgerät selbst oder einem wesentlichen Teil davon vor, die zu
einer tatsächlichen Funktionsminderung geführt haben könnte, was
aber Voraussetzung einer Tatbestandsmäßigkeit wäre.
An anderer Stelle heißt es:
Mit dem Parken seiner Fahrzeuge
vor dem Sensor der Messeinheit hat der Angeklagte zwar weitere
Messungen anderer Fahrzeuge verhindert, an einem direkten
Einwirken auf die Sachsubstanz fehlte es aber. Dies erweist sich
schon daraus, dass bereits ein leichtes Versetzen des
Messfahrzeuges oder (je nach Gerät) auch nur der Messeinrichtung
Messungen wieder möglich gemacht hätte.
BGH, Beschluss vom 29. Januar
2014 – 1 StR 469/13
Insbesondere der letzte Satz des
Zitates weist auf eine vernünftige Regelung auch der Situation
hin, in der Lars sich zurzeit befindet.
Zwar mag es seinen
beruflichen Stolz verletzen, wenn er und seine Kollegin Mia, die
gemeinsam an der Lasermessstelle festgestellte
Geschwindigkeitsüberschreitungen ahnden wollen, sich wohl eine
andere geeignete Messstelle suchen „müssen“, um diese Sitiaton
sozialverträglich lösen zu können. Dennoch: Zumindest mir
scheint das in diesem Fall die einfachste Lösung zu sein, obwohl
es mehrere Urteile gibt, die polizeiliche Platzverweise oder
andere polizeirechtliche Maßnahmen für zulässig hielten, um
solche Störungen der öffentlichen Sicherheit, zu der auch die
Funktionsfähigkeit der Polizei gehört, zu unterbinden, und zwar
unabhängig davon, ob durch die Störungen Straf- oder
Bußgeldtatbestände erfüllt sind.
OVG NRW
1997: Leitsatz: Warnungen
unbefugter Dritter vor verdeckten Geschwindigkeitskontrollen
beeinträchtigen die ordnungsgemäße Durchführung
präventiv-polizeilicher Aufgaben auf dem Gebiet der
Verkehrsüberwachung und stellen eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit im Sinne des § 8 Abs 1 PolG NW dar.
OVG NRW 17.01.1997 - 5 B 2601/96
Das bedeutet, dass auf der
Grundlage der Generalklausel des Polizeigesetzes NRW Maßnahmen
verfügt werden können, um die Störung zu beenden.
§ 8 PolG NRW (Allgemeine
Befugnisse, Begriffsbestimmung)
So auch die Rechtsauffassung des
VG Saarland.
VG Saarland
2004:
Rechtliche
Grundlage für die Anordnung, jegliche Handlungen zu unterlassen,
die die
Geschwindigkeitsmessungen
[...]
stören
ist [die Generalklausel des Polizeigesetzes, auf deren
Grundlage] die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen [kann],
um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Schutzgut der öffentlichen
Sicherheit ist u.a. die aufgabengemäße Funktionsfähigkeit der
staatlichen Einrichtungen. Die Erhaltung der aufgabengemäßen
Funktionsfähigkeit bedeutet vor allem die Verhinderung und
Abwehr äußerer Störungen. Die Aufforderung, jegliche Handlungen
zu unterlassen, die die Geschwindigkeitsmessungen der
zuständigen Ordnungsbehörde stören, ist hinreichend klar und
verständlich.
Schutzgut der öffentlichen
Sicherheit ist u.a. die aufgabengemäße Funktionsfähigkeit der
staatlichen Einrichtungen. Die Erhaltung der aufgabengemäßen
Funktionsfähigkeit bedeutet vor allem die Verhinderung und
Abwehr äußerer Störungen.
VG Saarland, Beschluss vom 17.
Februar 2004 – 6 F 6/04
Wie dem auch immer sei. Im
Fall von Lars und Mia nimmt die Staatsräson keinen Schaden, wenn
die beiden sich einen anderen
Messort
suchen, von denen es in jedem Kreispolizeibezirk eine Vielzahl
gibt.
06.0
Positivbeispiele zu § 1 StVO
TOP
Die nachfolgenden Beispiele
wurden dem Bußgeldkatalog 2023 entnommen. In allen Fällen
handelt es sich dabei um Verkehrsunfälle ohne Personenschaden,
die nur deshalb spezialgesetzlichen Bestimmungen der StVO
nicht zugeordnet werden
können, weil die das Tatbestandsmerkmal der „Schädigung“ nicht
enthalten.
101000
Von der Fahrbahn abgekommen und Unfall verursacht § 1 Abs. 2,
§ 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5
StVG;
- 35
€
101012
Kfz beim Vorbeifahren gestreift und
Sachschaden
verursacht
§ 1 Abs. 2, §
49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG – 35 €
101118
Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr verletzt und Andere
geschädigt
§ 1 Abs. 2, §
49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5
StVG;
1.4 - 35 €
101130
Einen Auffahrunfall verursacht oder
auf ein stehendes Kfz
aufgefahren
§ 1 Abs. 2, §
49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 1.4 - 35 €
101136
Beim Fahren in eine (oder aus einer) Parklücke ein stehendes
Auto
beschädigt
§ 1 Abs. 2, §
49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 1.5 - 30 €
Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog 2023
Beispiel:
Lars und Mia überwachen zurzeit eine Vorfahrtsstraße, deren
Straßeneinmündungen durch Stop-Zeichen (Zeichen 206 StVO)
beschildert sind. Gerade fährt ein Pkw-Fahrer, ohne an der
Haltelinie anzuhalten, in die Vorfahrtsstraße ein. Ein sich auf
der Vorfahrtsstraße befindlicher Pkw-Fahrer muss stark abbremsen
und einen Schlenker auf die Gegenfahrbahn machen, um einen
Zusammenstoß zu vermeiden. Lars und Mia halten den Fahrer an,
der einem anderen die Vorfahrt genommen hat. Rechtslage?
Zweck des Anhaltens ist es,
gegen den Fahrer ein
Ordnungswidrigkeitenverfahren
einleiten zu können. Dafür müssen die beiden Beamten zuständig
und ermächtigt sein. Von der örtlichen Zuständigkeit wird hier
ausgegangen, denn Lars und Mia überwachen im örtlichen
Zuständigkeitsbereich ihrer Polizeibehörde den Straßenverkehr
auf der Grundlage von:
§ 11 POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der
Kreispolizeibehörden)
§ 53 OWiG (Aufgaben der Polizei)
§ 44 StVO
(Sachliche Zuständigkeit)
Zuständigkeit reicht für sich
allein gesehen aber nicht aus, die festgestellte
Verkehrsordnungswidrigkeit verfolgen zu können. Dazu bedarf es
auch einer Befugnis.
Dafür wird die Identität des
Pkw-Fahrers benötigt, der sich ordnungswidrig verhalten hat.
Gestützt werden kann diese polizeiliche Maßnahme auf § 163b StPO
(Maßnahmen zur Identitätsfeststellung).
§ 163b StPO (Maßnahmen zur
Identitätsfeststellung)
Diese Befugnis greift auch dann,
wenn zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die
Identität einer Person festgestellt werden muss.
§ 46 OWiG (Anwendung der
Vorschriften über das Strafverfahren)
Offenkundig hat der angehaltene
Fahrer sich ordnungswidrig verhalten, denn er hat einem anderen
die Vorfahrt genommen, siehe § 8 StVO (Vorfahrt). Danach verhält
sich ordnungswidrig, wer die Vorfahrt zu beachten hat und nicht
durch mäßige Geschwindigkeit erkennen lässt, dass er warten
wird.
§ 8 StVO (Vorfahrt)
Wenn die Vorfahrt durch
Vorschriftszeichen geregelt ist, was im Beispiel der Fall ist,
dann ist das entsprechende
Ge-
oder Verbot zu beachten, siehe § 41 StVO (Vorschriftszeichen).
Danach haben Fahrzeugführer, die durch Vorschriftszeichen
angeordneten
Ge-
oder Verbote zu befolgen.
§ 41 StVO (Vorschriftzeichen)
In diesem Beispiel ist die
Vorfahrt durch das Zeichen 206 StVO (Halt. Vorfahrt gewähren)
beschildert.
Das bedeutet:
-
Wer ein Fahrzeug führt, muss
anhalten und Vorfahrt gewähren.
-
Ist keine Haltlinie (Zeichen
294) vorhanden, ist dort anzuhalten, wo die andere Straße zu
übersehen ist.
Der von Lars und Mia angehaltene
Pkw-Fahrer hat durch sein ordnungswidriges Handeln einem anderen
Verkehrsteilnehmer nicht nur die Vorfahrt genommen, sondern
diesen dabei auch gefährdet, denn der Fahrer, der sich auf der
Vorfahrtsstraße befand, musste stark abbremsen und einen
Schlenker fahren, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
Hinsichtlich der Festlegung
der Höhe des Bußgeldbescheides wird in diesem Fall § 1 Abs. 2
StVO nicht
benötigt, weil der „Gefährdungstatbestand“ bereits
spezialgesetzlich, siehe § 8 StVO (Vorfahrt), geregelt ist.
Beispielfortschreibung:
Der sich auf der Vorfahrtsstraße befindliche Fahrzeugführer
konnte es trotz der oben beschriebenen Sofortreaktionen nicht
vermeiden, dass sich die beiden Fahrzeuge streifen.
Glücklicherweise hat sich dabei keiner der Fahrer verletzt. Der
entstandene Schaden dürfte aber wohl kaum noch als ein
Bagatellschaden einzustufen sein. Lars und Mia nehmen den Unfall
auf. Welche Bedeutung hat im Zusammenhang mit dem zu
formulierenden Tatvorwurf nunmehr der § 1 Abs. 2 StVO
(Grundregeln).
Da § 8 StVO das
Tatbestandsmerkmal „Schädigung“ nicht enthält, muss
diesbezüglich § 1 Abs. 2 StVO als ergänzende Regelungen mit in
den Tatvorwurf integriert werden, denn nur dort heißt es, dass
sich Verkehrsteilnehmer, die am Verkehr teilnehmen, sich so zu
verhalten
haben, dass „kein Anderer geschädigt“ wird.
Hinweis:
Diese Übersicht dürfte ausreichen, um
erkennen
zu können, was für ein bußgeldbewehrtes Verhalten von § 1 Abs. 2
StVO (Grundregeln) erfasst wird und in welchen Zusammenhängen
beim Erlass von Bußgeldbescheiden § 1 Abs. 2 StVO
iVm
anderen Spezialvorschriften Verwendung findet.
06.1
Ständige Vorsicht und
Rücksichtnahme
TOP
Diese Grundregel, die sich aus §
1 Abs. 1 StVO ergibt, lässt sich insgesamt als einzuforderndes
defensives Fahrverhalten definieren, denn sowohl Vorsicht als
auch Rücksichtnahme setzen voraus, sich nicht unbedingt
durchsetzen zu wollen, sondern sich defensiv zu verhalten,
einschließlich der Bereitschaft zum verständnisvollen Nachgeben.
Was das bedeutet, lässt sich am besten an einem Beispiel
illustrieren.
Beispiel:
Lars und Mia nehmen
zurzeit auf einem Parkplatz einen Verkehrsunfall mit geringem
Sachschaden auf, der darauf zurückzuführen ist, dass sich die
beiden Fahrer nicht einigen konnten, wer „Vorfahrt“ hatte. Der
eine beruft sich auf den Grundsatz „Rechts vor links“ und trägt
außerdem vor, auf einer erkennbaren „Vorfahrtsstraße“ gefahren
zu sein, während der Andere den Standpunkt vertritt, dass auf
einem Parkplatz der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme
gilt und er, weil er darauf vertraut hat, dass der sehr langsam
fahrende Unfallgegner ihn vorbeifahren lassen würde,
weitergefahren ist, bis es krachte. Rechtslage?
Es wäre mehr als erstaunlich,
wenn solch ein Vorfall nicht bereits Gegenstand von
Gerichtsurteilen gewesen wäre. So ist es auch im oben genannten
Beispiel. Die Argumentation der Richter macht deutlich, dass bei
der Bewertung des beidseitigen Fehlverhaltens auch die nicht
bußgeldbewehrte Grundregel 1 der StVO, siehe § 1 Abs. 1 StVO,
Anwendung findet.
Warum?
Die beiden einleitenden Sätze des
Zitates aus einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2022 geben darauf
eine nachvollziehbare Antwort.
BGH 2022:
Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor
links“) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche
Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der
Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit
den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger
Straßencharakter zukommt.
An anderer Stelle heißt es:
Die Regeln der StVO sind auf
einem öffentlich zugänglichen Parkplatz allerdings grundsätzlich
anwendbar, so dass etwa von den Nutzern des Parkplatzes das sich
aus § 1 StVO ergebende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme zu
beachten ist. [...].
Nach überwiegender Meinung gilt
die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf einem
öffentlichen Parkplatzgelände - unmittelbar oder in
entsprechender Anwendung - nur dann, wenn die dort
aufeinanderstoßenden Fahrspuren einen eindeutigen
Straßencharakter aufweisen. Ansonsten müssen sich die
Kraftfahrer über die Vorfahrt verständigen. Ob einer Fahrspur
Straßencharakter zukommt, wird dabei danach beurteilt, ob die
baulichen Verhältnisse für den Verkehrsteilnehmer vertraute
typische Straßenmerkmale erkennen lassen, wobei Unterschiede in
der Gewichtung einzelner baulicher Merkmale, wie etwa
Fahrbahnmarkierungen, Fahrspurbreite oder Asphaltierung
bestehen. In der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung rückt
dabei die Bedeutung der für den Verkehrsteilnehmer erkennbaren
Funktion der Fahrspuren in den Vordergrund, wobei der
Straßencharakter verneint wird, wenn die Abwicklung des ein- und
ausparkenden Rangierverkehrs zumindest auch zweckbestimmend ist.
Nach anderer Ansicht ist die
Vorfahrtsregel „rechts vor links“ auf öffentlichen Parkplätzen
weitgehend unabhängig vom Straßencharakter der aufeinander
zulaufenden Fahrspuren direkt oder entsprechend anwendbar.
Schließlich wird vertreten, die Wertung des § 8 Abs. 1 Satz 1
StVO sei auf öffentlichen Parkplätzen stets im Rahmen der
Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO zu
berücksichtigen.
Der Senat
[also die urteilenden Richter
des BGH]
ist der
Auffassung, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf öffentlichen
Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder
unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1
Abs. 2 StVO Anwendung findet, soweit den dort vorhandenen
Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt. Dies
ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand und dem Zweck der
Vorschrift.
BGH, Urteil vom 22.11.2022 - VI
ZR 344/21
Mit anderen
Worten: Ursache für den
Verkehrsunfall im Ausgangsbeispiel war, vorausgesetzt dass die
Örtlichkeit keine andere Bewertung zulässt, mangelnde Vorsicht
und fehlende Rücksichtnahme im Sinne der Grundregel 1 des § 1
Abs. 1 StVO.
Anders
ausgedrückt: Unfallursache
war menschliche Dummheit, mit Folgen für beide „Unfallpartner“.
Warum?
Da die Grundregel 1 des § 1 der
StVO nicht bußgeldbewehrt ist, kann die Unfallaufnahme der
Polizei nur dem Zweck dienen, zivilrechtliche Ansprüche vor
Gericht geltend machen zu können. Das heißt: Die
„Unfallaufnahme“ ist abgeschlossen, wenn Lars und Mia die
Identitäten der beiden Pkw-Fahrer festgestellt und den
Kontrahenten mitgeteilt haben, dass sie sich entweder im
Hinblick auf die Schadensregulierung selbst einigen müssen, oder
aber die Gerichte bemühen müssen, um diese Frage abschließend zu
klären. Dennoch werden die beiden Beamten den Unfall aufnehmen
und dort die von ihnen getroffenen Feststellungen hinsichtlich
des Unfallhergangs
protokollieren.
Beispiel:
Lars und Mia nehmen zurzeit im Bereich einer „Fahrbahnverengung
von zwei auf eine Fahrspur“, die durch das Gefahrenzeichen 120
(Verengte Fahrbahn) beschildert ist, einen Verkehrsunfall auf.
Vor Ort begründet einer der Unfallbeteiligten sein Vorrecht
damit, dass er sich auf der rechten Fahrspur befand. Diesen
Standpunkt vertritt auch der andere Unfallbeteiligte.
Rechtslage?
Auch in diesem Beispiel kann auf
höchstrichterliche Rechtssprechung zurückgegriffen werden:
BGH 2022:
Im Falle der Verengung von zuvor zwei auf nunmehr nur noch einen
Fahrstreifen gibt es - anders als beim Zeichen 121 („Einseitig
verengte Fahrbahn“) - nicht einen durchgehenden und einen
endenden Fahrstreifen, sondern beide Fahrstreifen werden in
einen Fahrstreifen überführt. Das Durchfahren der Engstelle ist
daher für sich genommen nicht mit einem Fahrstreifenwechsel im
Sinne des § 7 Abs. 5 StVO verbunden; auch greift das
Reißverschlussverfahren des § 7 Abs. 4 StVO nicht unmittelbar.
Die in der Verengung liegende und
durch das Zeichen 120 signalisierte Gefahr führt jedoch zu einer
erhöhten Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht der auf beiden
Fahrstreifen auf die Engstelle zufahrenden Verkehrsteilnehmer im
Sinne des § 1, § 3 Abs. 1 StVO.
Nichts anderes gilt auch dann,
wenn beide Fahrzeuge gleichauf und mit gleicher Geschwindigkeit
an die Engstelle gelangen. Auch in diesem Fall gebührt dem
rechts fahrenden Fahrzeug nicht regelhaft der Vortritt.
Das Gefahrenzeichen 120
enthält eine derartige Vorrangregelung nicht. [...]. Bei
Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen in eine Richtung ist dieses
Rechtsfahrgebot [...]
unter
den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 3 StVO aufgehoben, so
dass sich auch der auf dem linken Fahrstreifen der Engstelle
nähernde Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verkehrsgerecht
verhält. Die Situation einer Kreuzung oder Einmündung, in der
die Vorfahrt hat, wer von rechts kommt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO),
ist nicht vergleichbar.
Im Ergebnis hat daher keines
der beiden Fahrzeuge den Vorrang und sind die Fahrzeugführer
gehalten, sich unter gegenseitiger
Rücksichtnahme
(§ 1 StVO) darüber zu verständigen, wer als erster in die
Engstelle einfahren darf. Gelingt die Verständigung nicht, sind
sie dazu verpflichtet, im Zweifel jeweils dem anderen den
Vortritt zu lassen.
BGH, Urteil vom 08.03.2022 - VI
ZR 47/21
Auch dieser Argumentation der
Richter des BGH kann nachvollziehbar entnommen werden, welche
Bedeutung der erste Grundsatz des § 1 Abs. 1 StVO (Grundregeln)
für ein vernunftbetontes Verhalten im öffentlichen
Straßenverkehr hat.
06.2
Langsamfahren
TOP
Durch vermeidbares Langsamfahren
kann der nachfolgende Verkehr durchaus genervt werden. Insoweit
vermag es nicht zu verwundern, dass auch solche Ärger
verursachenden Verhaltensweisen im öffentlichen Straßenverkehr
letztendlich vor Gericht entschieden wurden.
Der nachfolgend sinngemäß
wiedergegebenen Entscheidung des
Bayerischen
Obersten
Landesgerichts (BayObLG) aus dem Jahr 1967 lag folgender Anlass
zugrunde:
Anlass:
Um eine gute Stelle für ein Foto zu finden, fuhr ein Autofahrer
auf einer Strecke von etwa 100-150 m auf einer stark befahrenen
Ortsdurchfahrtsstraße mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h.
Dies führte dazu, dass sich 14 Fahrzeuge hinter ihm stauten.
Einer war so genervt, dass er Anzeige bei der Polizei
erstattete. Rechtslage?
In dem Beschluss des BayObLG
heißt es sinngemäß:
Das BayObLG sah in dem Verhalten
des Autofahrers sowohl einen Verstoß gegen die allgemeine
Rücksichtspflicht als auch einen Verstoß gegen die Grundregel 2
des § 1 Abs. 2 StVO, denn nach dieser Vorschrift darf ein
Verkehrsteilnehmer einen anderen nicht mehr, als nach den
Umständen unvermeidbar, behindern. Zwar schreibe die StVO keine
bestimmte Mindestgeschwindigkeit vor, so die urteilenden
Richter. Dennoch müsse sich jeder Autofahrer dem jeweiligen
Verkehr durch Einhaltung einer sachgemäßen Geschwindigkeit
anpassen. Allzu langsames Fahren auf verkehrsreichen Straßen sei
zu vermeiden. Kommt es daher durch langsames Fahren zu einer
erheblichen Verkehrsbehinderung, so liege ein Verkehrsverstoß
vor, wenn dem Autofahrer eine höhere Geschwindigkeit zuzumuten
sei und die anderen Verkehrsteilnehmer nicht risikolos überholen
können.
Vgl. BayObLG, Beschluss vom
30.05.1967 – 1 a St 75/67
06.3
Verkehrsunfall mit Einkaufswagen
TOP
Verkehrsunfälle dieser Art
ereignen sich auf den Parkplätzen von Supermärkten, Baumärkten
und anderen Einkaufszentren sozusagen täglich.
Beispiel:
Lars und Mia befinden sich zurzeit auf dem Parkplatz eines
Supermarktes, auf dem sich ein Einkaufswagen
selbständig gemacht hat, als der Einkäufer den Kofferraum seines
Pkw öffnen wollte und trotz sofortigen Reagierens nicht
verhindern konnte, dass der Einkaufswagen in die Seite eines
geparkten Pkws rollte, und dort eine dicke Schramme verursachte.
Rechtslage?
Eine spezielle Verhaltensnorm
beim Umgang mit Einkaufswagen gibt es in der StVO nicht. Dennoch
dürfte unbestreitbar sein, dass es sich bei einem Einkaufswagen
um ein Fahrzeug handelt, das im öffentlichen Verkehrsraum einen
Schaden verursacht hat.
Es gibt zwar nachvollziehbare
Gründe dafür, dass Schäden, die durch Einkaufswagen verursacht
werden, nicht als Verkehrsunfälle und somit auch nicht als
Schadensereignisse im öffentlichen Straßenverkehr anzusehen
sind, wie dies das Landgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom
06.05.2011 - 29 Ns 3/11 herausgearbeitet hat, dennoch sind die
Ausführungen des OLG Düsseldorf, das als Revisionsinstanz über
den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hatte, überzeugender.
Da in
dieser Entscheidung das Urteil des LG Düsseldorf aufgehoben
wurde, werden hier nur die Gründe mitgeteilt, warum es sich bei
Schäden, die von Einkaufswagen verursacht werden, um
Verkehrsunfälle handelt.
Auch wenn den oben genannten
Urteilen eine Verkehrsunfallflucht zugrunde lag (der Benutzer
des Einkaufswagens hatte sich vom Unfallort entfernt), lassen
sich die folgenden Ausführungen auf alle Verkehrsunfälle dieser
Art anwenden.
OLG
Düsseldorf 2011: § 142
StGB schützt als abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt die
Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen
zivilrechtlichen Ansprüche und schützt überdies vor
unberechtigter Inanspruchnahme. Dabei knüpft die Strafbarkeit an
einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang an, was in
dem Tatbestandsmerkmal „Unfall im Straßenverkehr“ zum Ausdruck
kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich
ein verkehrstypisches Unfallrisiko verwirklicht haben. Dies ist
- unter Zugrundelegung der natürlichen Verkehrsauffassung - in
den „Einkaufswagenfällen“ nach gefestigter Rechtsprechung der
Fall. [...]. Fahrzeuge auf einem öffentlich zugänglichen
Parkplatz, auf dem auch Einkaufswagen bewegt werden, sind dort
einer erhöhten Gefährdung durch wegrollende Einkaufswagen
ausgesetzt. Es handelt sich um eine typische Situation des
Straßenverkehrs, dem auch parkende Fahrzeuge zuzurechnen sind.
Das spezifische Gefahrenpotential eines Einkaufswagens besteht
nur in dieser typischen Verkehrssituation, so dass sich
letztlich im Schadensfall ein typisches Verkehrsrisiko
realisiert. Die zivilrechtliche Fragestellung, ob in den
Einkaufswagenfällen der Schaden durch den „Gebrauch eines
Kraftfahrzeugs“ verursacht wurde (dann: Kfz-Haftpflicht) oder
nicht (dann: Privathaftpflicht), ist nicht weiterführend, da ein
„Unfall im Straßenverkehr“ nicht den „Gebrauch eines
Kraftfahrzeugs“ voraussetzt. Auch ein Fußgänger kann sich gemäß
§ 142 StGB strafbar machen, wenn sein Einkaufswagen auf einem
öffentlich zugänglichen Parkplatz ein Fahrzeug beschädigt.
OLG Düsseldorf, Urteil vom
07.11.2011 - III-1 RVs 62/11
Sollte der Benutzer des
Einkaufswagens nicht einsehen wollen, dass er sich
verkehrswidrig verhalten hat, dann kann er dahingehend belehrt
werden, dass er die Grundregel 2 des § 1 Abs. 2 StVO verletzt
hat, bei der es sich um eine bußgeldbewehrte
Verkehrsordnungswidrigkeit handelt, die auch verwirkt werden
kann, wenn sie nicht vorwerfbar begangen wurde, siehe § 1 Abs. 2
OWiG (Begriffsbestimmung).
§ 1 OWiG (Begriffsbestimmung)
07.0
Ordnungswidrigkeiten
TOP
Die Erforschung und Verfolgung
von Verkehrsordnungswidrigkeiten gehört zur täglichen
Berufserfahrung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die im
Wach- und Wechseldienst der Polizei verwendet werden.
Die nachfolgenden kurzen
Ausführungen sollen nur einen ersten Eindruck darüber
vermitteln, welche Rechtsfragen sich auch im Zusammenhang mit
Verkehrsordnungswidrigkeiten stellen, die im öffentlichen
Straßenverkehr begangen wurden.
§ 1 OWiG (Begriffsbestimmung)
Wird von Polizeibeamten eine
Verkehrsordnungswidrigkeit festgestellt, dann ist zu klären, ob
die Polizei zuständig ist.
Zuständigkeit
Im Polizeiorganisationsgesetz
des Landes NRW (POG NRW) heißt es unter anderem: Die Kreispolizeibehörden sind
zuständig 2. für die Erforschung und Verfolgung von Straftaten
und Ordnungswidrigkeiten.
§ 11 POG NRW (Sachliche
Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden)
Auch eine Anwendung der
Zuständigkeitsregelung aus dem
Ordnungswidrigkeitengesetz
kommt in Betracht.
§ 53 OWiG (Aufgaben der Polizei)
Ergänzend dazu heißt es in einem
Erlass, der die Verfolgung und Ahndung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten betrifft wie folgt:
Erlass 1.1.2.1 Sachliche
Zuständigkeit
Die Kreisordnungsbehörden sind
zuständig für die Verfolgung und Ahndung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten nach den §§ 23, 24, 24 a und 24 c
des StVG; abweichend hiervon sind die örtlichen Ordnungsbehörden
zuständig für die Verfolgung und Ahndung von
Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Straßenverkehr nach § 24 StVG.
Hinweis:
Der § 23 StVG ist weggefallen.
Hinsichtlich der Erforschung und
Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind die drei
nachfolgenden Begrifflichkeiten von Bedeutung.
Behörde: Erforschungsbehörde
Die Behörden und die Beamten
des Polizeidienstes sind Ermittlungsorgane bei der Erforschung
von Ordnungswidrigkeiten, soweit sie nicht selbst als
Verwaltungsbehörden iSv § 36
OWiG
(Sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde) anzusehen sind.
§ 36
OWiG
(Sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde)
Hinweis:
Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Gesetzgebers, zu
bestimmen, welche Verwaltungsbehörde in erster Linie zuständig
sein soll.
Behörde: Verfolgungsbehörde
Eine Verfolgungsbehörde ist eine
Behörde, deren Aufgabe und Verpflichtung es im hier zu
erörternden Sachzusammenhang ist, Verkehrsordnungswidrigkeiten
zu verfolgen. Das betrifft auch Polizeibehörden, obwohl die
anlässlich festgestellter Verkehrsordnungswidrigkeiten keine
Bußgeldbescheide erlässt. Das ist Aufgabe der Bußgeldstelle. Die
Sprachfigur „Verfolgungsbehörde“ ist somit durch die Sprachfigur „Ahndungsbehörde“
zu ergänzen.
Behörde: Ahndungsbehörde
Die Zuständigkeit zur Ahndung
enthält die Befugnis, festgestelltes ordnungswidriges Verhalten
auch ahnden zu können. Anders ausgedrückt: Die Ahndungsbehörde
ist dazu befugt, Bußgeldbescheide zu erlassen, sowie über die
dem Betroffenen zur Last gelegte Handlung zu entscheiden, soweit
das Verfahren nach Abschluss der Ermittlungen nicht eingestellt
wird.
Diese Zuständigkeit fehlt der Polizei bei der Verfolgung
von Verkehrsordnungswidrigkeiten.
Das bedeutet, dass die Polizei
den Vorgang an die zuständige Straßenverkehrsbehörde abgibt,
sobald ihre Ermittlungen abgeschlossen sind, denn dort werden
Bußgeldbescheide erlassen. Ahndungsbehörde ist die Polizei
dennoch, wenn auch nur im
eingeschränkten
Umfang, den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind dazu
befugt, geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einem
Verwarnungsgeld zu ahnden.
§ 56 OWiG (Verwarnung durch die
Verwaltungsbehörde)
§ 57 OWiG (Verwarnung durch Beamte des
Außen- und Polizeidienstes)
08.0 Schlüsselwörter
TOP
Die nachfolgend aufgelisteten Schlüsselwörter stehen auch im Ordner
ABC-VR
zur Verfügung. Die Ananzahl der dort alphabetisch geordneten
Fachbegriffe wird dort kontinuierlich fortgeschrieben.
Anderer iSd StVO
Bagatellschaden
Bagatellschaden - unbedeutend
Behinderung iSv §
1 StVO
Behinderung -
Langsamfahren
Behörde - Ahndungsbehörde
Behörde -
Erforschungsbehörde
Behörde - Verfolgungsbehörde
Belästigung iSv § 1 StVO
Gefahr - Beinaheunfall
Gefahr -
gegenwärtig
Gefahr - konkret
Gefahr - Rechtsordnung
Geschwindigkeit -
unangemessen - BGH
Geschwindigkeitsmessung - Warnung
Kinder
Minderjährige
Personenschaden - unerheblich
Verkehrsteilnehmer
Verkehrsunfall
Straßenverkehr - öffentlich
Verkehrsunfall -
Einkaufswagen
Vertrauensgrundsatz
iSv § 1 StVO
Vorfahrtsregelung
- Parkplätze
Vorfahrtsregelung - Fahrbahnverengung
Fehler, Verbesserungsvorschläge und Fragen richten Sie bitte an:
info@rodorf.de
--------------------------------------------------------------
Die Pflege
und der Unterhalt dieser Webseite sind mit Kosten verbunden. Aus
diesem Grunde können die anderen Kurse, die das polizeiliche
Grundlagenwissen betreffen, nicht unentgeltlich zur Verfügung
gestellt werden.
Polizeiliches Grundlagenwissen Printausgaben und E-Books
www.polizeikurse.de
|