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§ 35 StVO - Sonderrechte

Inhaltsverzeichnis:

01 Einleitung
02 Begriff der Einsatzfahrt
03 Wegerechtsfahrt
04 Kein Gefährdungs- oder Schädigungsrecht
05 Grobe Fahrlässigkeit und Sonderrechte
06 Sonderrechtsfahrt außerhalb des Dienstes
07 Sonderrechtsfahrt nicht gehört oder wahrgenommen
08 Kradbegleitung einer Demonstration
09 Verfolgungsfahrten
10 Verfolgungsfahrt 1
11 Verfolgungsfahrt 2
12 Verfolgungsfahrt 3
13 Verfolgungsfahrt ist kein Widerstand
14 Risikoeinschätzung bei Verfolgungsfahrten
15 Dienstunfall und Sonderrechte

16 Schlüsselwörter

01 Einleitung

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In diesem Kapitel werden die beiden folgenden unbestimmten Rechtsbegriffe wie folgt verwendet:

Sonderrechtsfahrt: Das ist eine Einsatzfahrt unter Inanspruchnahme von Sonderrechten iSv § 35 StVO.

§ 35 StVO (Sonderrechte)

Wegerechtsfahrt: Das ist eine Einsatzfahrt mit eingeschaltetem Blaulicht und eingeschaltetem Martinshorn iSv § 38 StVO unter Inanspruchnahme von Sonderrechten auf der Grundlage von § 35 StVO.

§ 38 StVO (Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht)

Die Verwendung von blauem Blinklicht in Verbindung mit eingeschaltetem Martinshorn werden in einem eigenen Kapitel erörtert. Im hier verwendeten Sinne dient das Einschalten von Blaulicht und Martinshorn zuerst einmal nur der Verdeutlichung der Inanspruchnahme von Sonderrechten, verbunden mit der Erwartungshaltung, dass sich andere Verkehrsteilnehmer entsprechend verhalten, nämlich einem Sonderrechtsfahrzeug sozusagen freie Fahrt gewähren.

Inanspruchnahme von Sonderrechten: Gemäß § 35 Abs. 1 StVO ist die Polizei von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.

Diese beiden unbestimmten Rechtsbegriffe bedürfen einer Klärung:

  • Erfüllung hoheitlicher Aufgaben

  • Dringend geboten.

Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe: Damit sind alle polizeilichen Aufgaben gemeint, zu deren Erfüllung es notwendig ist, die im öffentlichen Straßenverkehr einzuhaltenden Pflichten in einem dafür erforderlichen Umfang sozusagen vorübergehend außer Kraft zu setzen.

Sonderrechte können somit in Anspruch genommen werden, wenn es darum geht, am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu müssen, um:

  • Gefahren abzuwehren

  • Straftaten zu verfolgen

  • Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen oder

  • Versammlungsrechtliche Aufgaben wahrzunehmen, die die Inanspruchnahme von Sonderrechten zu rechtfertigen vermögen.

Dass es dabei auf die Schwere/Bedeutung der jeweils wahrzunehmenden Aufgabe ankommt, liegt in der Natur der Sache. Auch bei der Inanspruchnahme von Sonderrechten gilt, dass diese nicht grundlos in Anspruch genommen werden dürfen.

Anders ausgedrückt: Reine Dienstfahrten reichen sicherlich nicht aus, um Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtfertigen zu können. Der Umfang der „Befreiung“ von den Regelungen der StVO wird somit immer davon abhängig sein, wie gewichtig das durch die Inanspruchnahme von Sonderrechten zu schützende Rechtsgut zu bewerten ist.

Dringend geboten: Diese Sprachfigur bringt zum Ausdruck, dass Sonderrechte nur dann in Anspruch genommen werden dürfen, wenn Belange der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung das "jetzt und sofort" zu rechtfertigen vermögen. Unbestritten ist, dass Fahrer von Sonderrechtsfahrzeugen sicherstellen müssen, dass andere Verkehrsteilnehmer durch deren Inanspruchnahme nicht geschädigt werden dürfen. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen wohl nur anlässlich von Katastrophenfällen in Betracht.

Die Sprachfigur der Dringlichkeit bezieht sich somit nicht auf die Dringlichkeit, zum Beispiel schneller als erlaubt zu fahren, verbotswidrig abzubiegen oder einen Seitenstreifen zu benutzen, um schneller an eine Unfallstelle kommen zu können, sondern auf die Eilbedürftigkeit der zu erfüllenden polizeilichen Aufgabe. Die Richter des OLG Frankfurt/Main hatten 2016 über folgenden Fall zu entscheiden.

Anlass: Weil keine ausreichende Rettungsgasse gebildet worden war, benutzte der Fahrer eines Polizeifahrzeuges den Seitenstreifen einer BAB, um schnell zum Unfallort gelangen zu können. Damit hatte der Fahrer eines Pkw nicht gerechnet. Als er auf den rechten Seitenstreifen fuhr, kam es zum Zusammenstoß. Der Fahrer des Streifenwagens hatte Sonderrechte in Anspruch genommen ohne blaues Blinklicht und Martinshorn eingeschaltet zu haben, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Rechtslage?

Im Urteil des OLG Frankfurt/Main heißt es dazu wie folgt:

OLG Frankfurt/Main 2016: Nach § 35 Abs. 1 StVO ist u.a. die Polizei von den Vorschriften der Verordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung bezieht sich die Voraussetzung „soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist“ nicht auf die Frage, ob die Nutzung des Seitenstreifens geboten war, sondern darauf, ob die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe dringend geboten war. Dies war hier der Fall. Bei der Fahrt des Einsatzfahrzeuges handelte es sich um eine hoheitliche Einsatzfahrt. Diese war zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben im Sinne des § 35 Abs. 1 StVO dringend geboten, weil das Einsatzfahrzeug zu einem Unfall auf der Autobahn gerufen worden war. Ein Einsatzbefehl an eine Polizeistreife rechtfertigt grundsätzlich die Inanspruchnahme der Sonderrechte aus § 35 Abs. 1 StVO.

Dabei tritt die Befreiung von den Vorschriften der StVO auch dann ein, wenn das Sonderrechtsfahrzeug weder Einsatzhorn noch Blaulicht führt oder diese zwar vorhanden sind, aber nicht betätigt werden. Nach § 38 Abs. 2 StVO darf bei Einsatzfahrten - wie hier - auch blaues Blinklicht allein verwendet werden.

OLG Frankfurt am Main vom 14. März 2016 - 1 U 248/13

Verhältnismäßigkeit: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat Verfassungsrang. Das sich daraus ergebende Übermaßverbot zwingt auch die Fahrer von Dienstfahrzeugen der Polizei bei der Inanspruchnahme von Sonderrechten dazu, Sonderrechte im geringstmöglichen Umfang in Anspruch zu nehmen.

Anders ausgedrückt: Bei der Inanspruchnahme von Sonderrechten dürfen andere Verkehrsteilnehmer weder gefährdet und erst recht nicht geschädigt werden. Sonderrechte dürfen deshalb nur unter Einhaltung größtmöglicher Sorgfalt wahrgenommen werden.

OLG Celle 2011: Da jedes Abweichen von den Straßenverkehrsregeln erhöhte Sorgfalt erfordert, wäre der [Fahrer eines Polizeifahrzeuges], wenn ihm ein Sonderrecht zur Verfügung gestanden hätte, verpflichtet gewesen, dieses erst in Abweichen von den Verkehrsvorschriften auszuüben, wenn er sicher hätte sein können, dass ihm von den anderen Verkehrsteilnehmern Vorrang eingeräumt wird und diese insbesondere seinen Wagen wahrgenommen haben und auch die Absicht, dass er trotz des Rotlichts in den Kreuzungsbereich einfahren wollte.

OLG Celle, Urteil vom 3. August 2011 – 14 U 158/10

Anders ausgedrückt: Nehmen Polizeibeamte Sonderrechte in Anspruch und kommt es bei der Inanspruchnahme dieser Rechte zu einem Verkehrsunfall, dann haftet für den dadurch angerichteten Schaden grundsätzlich die Polizei.

OLG Celle 2011: Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen. Der [Fahrer des Polizeifahrzeuges] war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äußerster Vorsicht in den Kreuzungsbereich einzufahren (Schrittgeschwindigkeit).

OLG Celle, Urteil vom 3. August 2011 – 14 U 158/10

02 Begriff der Einsatzfahrt

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Bei einer Einsatzfahrt muss es sich nicht unbedingt um eine Wegerechtsfahrt handeln, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Inanspruchnahme von Vorrechten sich aus dem sichtbaren blauen Blinklicht und dem hörbaren Martinshorn ableiten lassen. Dazu gleich mehr.

Eine Einsatzfahrt im Sinne von § 35 StVO liegt vor, wenn sich der Fahrer nach der ihm bekannten Lage davon ausgehen kann, Sonderrechte in Anspruch zu nehmen. Auf eine spätere objektive Betrachtung nach Beendigung der Einsatzfahrt kommt es nicht an. Ergänzend dazu heißt es in einem Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 2018, dem eine Einsatzfahrt eines Rettungswagens zugrunde lag, wie folgt:

OLG Hamm 2018: Wer sich auf das Vorliegen einer Einsatzfahrt beruft, ist für die Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet. Hierfür reicht die bloße Vorlage des Einsatzprotokolls in der Regel nicht.

OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17

Dazu ein Beispiel:

Beispiel: Lars und Mia erhalten über Funk den Auftrag, unter Inanspruchnahme von Sonderrechten einen folgenschweren Verkehrsunfall mit mehreren schwer verletzten Personen aufzunehmen. Die Leitstelle informiert die Beamten auch darüber, dass sich Rettungsfahrzeuge bereits auf dem Weg zur Unfallstelle befinden. Während Mia sofort das Blaulicht und das Martinshorn einschaltet, fährt Lars, unter Inanspruchnahme von Sonderrechten, mit der gerade noch vertretbaren Höchstgeschwindigkeit zum Unfallort. Gerade nähert sich Lars einer Ampelkreuzung, die von Grün auf Rot wechselt. Lars reduziert die Geschwindigkeit und tastet sich sozusagen in den Kreuzungsbereich ein, um im Anschluss daran das Einsatzfahrzeug wieder zu beschleunigen. Rechtslage?

In Anlehnung an einen Beschluss des OLG Düsseldorf auf dem Jahr 2010 heißt es im Hinblick auf die Voraussetzungen der Einsatzfahrt von Rettungsfahrzeugen, wie folgt:

OLG Düsseldorf 2010: Für die Beurteilung, ob es sich um eine Einsatzfahrt iSd § 35 Abs. 5a StVO [Rettungsdienst] handelt, kommt es nicht auf die spätere objektive Betrachtung nach Beendigung der Einsatzfahrt, die der Einsatzfahrer nicht anstellen konnte, an. Vielmehr ist allein entscheidend, ob der Fahrer sich nach der ihm bekannten Lage aufgrund des Inhalts des Einsatzbefehls [...] Für berechtigt halten durfte, die Sonderrechte aus § 35 Abs. 5a StVO in Anspruch zu nehmen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06. Januar 2010 - IV-3 RBs 95/09

Diese Ausführungen können analog auch auf Einsatzfahrten der Polizei übertragen werden, die auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 iVm Abs. 8 StVO angewendet werden.

§ 35 StVO (Sonderrechte)

Lars und Mia erhielten von ihrer Einsatzleitstelle die Weisung, unter Inanspruchnahme von Sonderrechten zu einer Unfallstelle zu fahren, an der es zu einem folgenschweren Verkehrsunfall gekommen ist. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 35 StVO greifen.

03 Wegerechtsfahrt

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Erteilt die Einsatzleitstelle polizeilichen Einsatzkräften den Auftrag, durch Inanspruchnahme von Sonderrechten eine Einsatzfahrt durchzuführen, dann wird damit in der Regel nicht nur die Eilbedürftigkeit, sondern auch die Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht, unter Inanspruchnahme von Sonderrechten möglichst schnell zum Einsatzort zu fahren, so dass dieser Auftrag auch die Weisung enthält, das blaue Blinklicht iVm mit dem Martinshorn einzuschalten ist, soweit höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden, oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwende, wozu auch die Sicherung des Unfallortes gehören kann, um gegenwärtige Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer zu minimieren.

§ 38 StVO (Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht)

Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 2020 wie folgt:

OLG Hamm 2020: Nach § 38 Abs. 1 StVO besteht ein Wegevorrecht für Sonderfahrzeuge, wenn sie sich unter Einsatz der Sondersignale blaues Blinklicht und Einsatzhorn nähern. Es ordnet gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 StVO an, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben. Die gleichzeitige Nutzung von Blaulicht und Einsatzhorn ist Voraussetzung für die Anwendung von § 38 StVO.

[...]. Bei § 38 StVO geht die überwiegende Rechtsprechung und Literatur zwar davon aus, dass das Gebot, freie Bahn zu schaffen, allein durch die Signale blaues Blinklicht und Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs ausgelöst wird und von den anderen Verkehrsteilnehmern sofort und unbedingt ohne Prüfung des Wegerechts zu befolgen ist. Da die übrigen Verkehrsteilnehmer in jedem Fall dem Wegerechtsfahrzeug freie Bahn zu schaffen haben, ist eine fehlende Berechtigung, Blaulicht und Einsatzhorn einzusetzen, nicht unfallursächlich; denn die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten hängen nicht von der Berechtigung des Einsatzes von Blaulicht und Horn ab. Es ist den übrigen Verkehrsteilnehmern in der konkreten Verkehrssituation gar nicht möglich, die objektive Berechtigung für die Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn zu beurteilen. Es ist ihnen daher verwehrt, die Rechtmäßigkeit der Verwendung der Einsatzmittel in Zweifel zu ziehen, so dass sie ohne Prüfung der Sachlage sofort und unbedingt freie Bahn zu schaffen haben.

OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17

Im hier zu erörternden Fall kann davon ausgegangen werden, dass Lars und Mia auf zulässige Art und Weise Sonderrechte in Anspruch nehmen, ohne dadurch andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden bzw. zu schädigen.

In einem Urteil des BGH zum „Wegerecht“ aus dem Jahr 1974 heißt es u.a.:

BGH 1974: Die nach § 38 StVO bevorrechtigten Kraftfahrzeuge dürfen, wenn sie Blaulicht und Einsatzhorn eingeschaltet haben, an Kreuzungen die ihnen von anderen Verkehrsteilnehmern geschaffene freie Bahn auch dann ausnutzen, wenn sie an sich wartepflichtig wären. Dies gilt auch, wenn die Vorfahrtsregelung durch Lichtzeichenanlagen getroffen wird.

Normadressat sind [...] alle übrigen Verkehrsteilnehmer. Die sog. Wegerechtsfahrzeuge werden dadurch zwar nicht von der Beachtung aller Verkehrsvorschriften befreit. Sie dürfen deshalb grundsätzlich z. B. nicht gegen eine Einbahnstraße fahren, keine Straßenbahn links überholen und nicht auf der Autobahn wenden, soweit dies nicht, was allerdings oft der Fall sein kann, durch einen übergesetzlichen Notstand (vgl. § 16 OWiG) geboten ist.

§ 16 OWiG (Rechtfertigender Notstand)

Die Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO führt auch nicht zur Umkehrung des Vorfahrtsrechtes. Sie lässt vielmehr die Regelung der Vorfahrt an Kreuzungen grundsätzlich unberührt, gestattet also auch nicht ohne weiteres, bei rotem Ampellicht weiterzufahren.

Jedoch werden [...] die allgemeinen Maßstäbe dahingehend abgewandelt, dass die anderen Verkehrsteilnehmer auf ihr Vorfahrtsrecht vorübergehend verzichten müssen, wenn sie die besonderen Zeichen bemerkt haben. Das nach § 38 StVO bevorrechtigte Fahrzeug darf, falls die übrigen Verkehrsteilnehmer freie Bahn geschaffen haben, diese dann aber auch in Anspruch nehmen, wenn sich sein Fahrer davon überzeugt hat, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht, die Kreuzung vor ihnen zu überqueren, eingestellt haben. Der Fahrer eines Wegerechtsfahrzeugs darf, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darauf vertrauen, dass ihm nunmehr freie Fahrt gewährt wird.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 1974 - VI ZR 207/73

04 Kein Gefährdungs- oder Schädigungsrecht

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Im § 35 Abs. 8 StVO heißt es, dass die Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen. Das bedeutet, dass im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Gefährdungen und erst Recht Schädigungen anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden sind. Grund dafür ist auch, dass Sonderrechte nur von den spezialgesetzlich geregelten StVO-Pflichten, nicht aber von der Grundregel des § 1 StVO entbinden.

§ 1 StVO (Grundregeln)

Das bedeutet, dass Sonderrechte nur unter größtmöglicher Sorgfalt wahrgenommen werden dürfen und es insoweit notwendig ist, stets abzuwägen, welches Maß an Wagnis zur Wahrnehmung eines polizeilichen Auftrages gerade noch verantwortet werden kann. Daher können sich die Fahrer von Sonderrechtsfahrzeugen nicht darauf berufen, sozusagen nach Gutdünken einfach draufloszufahren. Insbesondere beim Einfahren in Kreuzungsbereiche bei Ampelrot kann und darf dies nur in der Gewissheit geschehen, dass sich der Querverkehr darauf eingerichtet hat.

05 Grobe Fahrlässigkeit und Sonderrechte

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Die Fahrer polizeilicher Einsatzfahrzeuge, die bei Rot in einen Kreuzungsbereich einfahren, ohne sich davon zu überzeugen, dass dadurch andere nicht gefährdet bzw. geschädigt werden, handeln grob fahrlässig, und somit vorwerfbar. Das ist oftmals auch dann der Fall, wenn trotz eingeschalteten Blaulicht und Martinshorn es in einem Kreuzungsbereich zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kommt, der die Wegerechtszeichen  nicht wahrgenommen hat, weil zum Beispiel die Wegerechtszeichen erst kurz vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich vom Fahrer des Polizeifahrzeuges eingeschaltet wurden. Diesbezüglich heißt es in einer Entscheidung des VG Münsters aus dem Jahr 2016 wie folgt:

VG Münster 2016: Ein Polizeibeamter handelt grob fahrlässig im Sinne von § 48 BeamtStG, wenn er in eine für ihn mit Rotlicht gesperrte Kreuzung ohne Einschalten des Signalhorns und verspätetem, weil erst kurz vor der Kreuzung erfolgtem Aktivieren des Blaulichts einfährt.

Nimmt der Beamte als Fahrer eines Polizeifahrzeugs am allgemeinen Straßenverkehr teil, muss er dafür Sorge tragen, dass das Fahrzeug keinen Schaden nimmt. Verursacht der Beamte unter Missachtung der Vorschriften der StVO einen Unfall, liegt darin regelmäßig zugleich ein Verstoß gegen seine Amtspflicht, das Eigentum des Dienstherrn zu schützen. Den Beamten trifft im Rahmen seiner Dienstpflichten stets auch die Pflicht, die für alle geltenden Gesetze zu achten.

Die Sonderrechte der Polizei im Straßenverkehr sind in §§ 35, 38 StVO geregelt. Nach § 35 Abs. 1 StVO ist die Polizei von den Vorschriften der StVO befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Die Sonderrechte dürfen nach § 35 Abs. 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Soll das Wegerecht in Anspruch genommen werden, sind die Signalzeichen des § 38 Abs. 1 StVO zu verwenden (blaues Blinklicht, Signalhorn). Das Wegerecht darf nur in Anspruch genommen werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. Die Signalzeichen des § 38 StVO begründen für alle übrigen Verkehrsteilnehmer das Gebot, sofort freie Bahn zu schaffen.

Soll eine Kreuzung unter Inanspruchnahme des Sonderwegerechts trotz Rotlichts befahren werden, muss der Fahrer in Rechnung stellen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Sondersignale nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen und mit der für sie zulässigen Geschwindigkeit herannahen. Die damit verbundene Kollisionsgefahr ist unter allen Umständen zu vermeiden. Weder die Inanspruchnahme des Sonderrechts nach § 35 StVO noch das Wegerecht nach § 38 StVO berechtigen zu einer Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer. Der Fahrer des Polizeifahrzeugs muss die größtmögliche Sorgfalt aufwenden, um eine Gefährdung Anderer zu vermeiden. Er muss die Sondersignale rechtzeitig einschalten und sich, soweit die Verkehrsverhältnisse dies erfordern, notfalls mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung „hinein tasten“. Die Fahrt darf er nur fortsetzen, wenn er sich zuvor vergewissert hat, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer die Sondersignale wahrgenommen haben und ihm ersichtlich freie Bahn einräumen.

VG Münster, Urteil vom 5. September 2016 - 4 K 1534/15

So auch die Rechtsauffassung der Richter des BGH.

BGH 2020: Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können.

BGH, Urteil vom 26.05.2020 - VI ZR 186/17

Für Schäden, die durch rechtswidriges Handeln von Amtswaltern eingetreten sind, haftet dennoch zuerst einmal die Behörde, die ihrerseits die für sie handelnden Amtswalter nur dann in Regress nehmen kann, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, siehe § 48 des Beamtenstatusgesetzes.

§ 48 BeamtStG (Pflicht zum Schadensersatz)

Grob fahrlässig handelt, wer „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht lässt.“ Das einem grob fahrlässigen Verhalten zugrundeliegende Handeln lässt sich auch wie folgt beschreiben: Wie kann man nur so blöd sein.

OVG Sachsen 2023: Dieser Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten; er enthält einen subjektiven Vorwurf. Daher muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Handelnden beurteilt werden, ob und in welchem Maß sein Verhalten fahrlässig war. Welchen Grad der Fahrlässigkeitsvorwurf erreicht, hängt von einer Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände im Einzelfall ab und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln.

OVG Sachsen, Beschluss vom 28. Juli 2023 - 2 A 411/22

06 Sonderrechte außerhalb des Dienstes

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Die Inanspruchnahme von Sonderrechten durch Polizeibeamte, die unter Verwendung von Privatfahrzeugen Sonderrechte in Anspruch nehmen, um ihrer Strafverfolgungspflicht zu entsprechen, kommt nur dann in Betracht, wenn „Sonderrechte in Anspruch nehmende Polizeibeamte“ selbst Zeugen oder Opfer schwerwiegender Straftaten geworden sind und als Folge davon einen Privat-Pkw dazu benutzen, um den fliehenden Täter stellen zu können.

Polizeibeamte, die sich sozusagen in den Dienst versetzen, um mit ihrem Privat-Pkw den Täter eines Bagatelldeliktes oder gar lediglich den Betroffenen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zu verfolgen, können solche „Verfolgungsfahrten“ durch die Inanspruchnahme von Sonderrechten wohl kaum rechtfertigen.

Beispiel: Max, der sich gerade mit seinem Pkw auf dem Weg nach Hause befindet, wird in einer 70er Zone von einem Pkw mit Anhänger überholt, dessen Ladung vom Anhänger herunterzufallen droht. Zumindest ragt ein Sofa so gefahrenträchtig heraus, dass Max es für geboten hält, sich sozusagen wieder in den Dienst zu versetzen, um seinen Berufspflichten nachzugehen. Als Max die stolze Geschwindigkeit von 110 km/h erreicht hat, wird dieses Fehlverhalten von einer Blitzanlage sozusagen beweissicher festgehalten. In seiner Einlassung trägt Max vor, den Pkw mit Anhänger etwa 2 km nach der Radarmessung angehalten und den Fahrer, bei dem es sich um einen Ausländer handelte auf Englisch dazu aufgefordert habe, die Ladung zu sichern. Das amtliche Kennzeichen des Pkw habe er sich nicht gemerkt. Er habe sich jedoch die Personalien des Fahrers aufgeschrieben, der in London gemeldet sei. Rechtslage?

Über einen vergleichbaren Fall hatten 2009 die Richter des AG Lüdinghausen zu entscheiden. Bei ihrer Urteilsfindung gingen die Richter davon aus, dass es sich bei der von Max vorgetragenen Einlassung um eine Schutzbehauptung gehandelt habe, um verkehrsrechtliches Fehlverhalten so rechtfertigen zu können.

AG Lüdinghausen 2009: Unter Berücksichtigung aller Umstände, die sich aus der Einlassung ergeben ergibt sich, dass es sich hier einmal mehr um eine konstruierte Geschichte eines Polizeibeamten handelt, der einer Ahndung eines eigenen bußgeldbewährten Verstoßes entgehen will.

Maßgebliche Indizien hierfür sind, hier sprachlich verändert wiedergegeben:

Der Einsatz erfolgte außerhalb des eigenen örtlichen Zuständigkeitsbereichs des einschreitenden Polizeibeamten

Einsatz erfolgte außerhalb seiner eigenen dienstlichen Zuständigkeit, denn mit der Wahrnehmung verkehrsrechtlicher Aufgaben war der Beamte nicht betraut

Ahndung eines Verstoßes ohne dienstliche Dokumentation

Die völlig untypische Ahndung eines Ladungssicherungsverstoßes durch bloße mündliche Verwarnung

Das Fehlen eines amtlichen Kennzeichens trotz angeblich genauer Notiz der Personalien des Betroffenen.

Folgerichtig konnte sich der Betroffene nach Ansicht des Gerichtes nicht auf § 35 StVO berufen.

Der Betroffene war dementsprechend wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und folgerichtig wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen, da er die aufgestellten Schilder hätte beachten und seine Geschwindigkeit hierauf hätte einstellen müssen.

AG Lüdinghausen, Urteil vom 28.09.2009 - 19 OWi 89 Js 960/09 - 72/09

Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen gewesen, wenn Max Zeuge eines Raubüberfalls geworden wäre und sofort die Verfolgung des mit einem Krad fliehenden Täters aufgenommen hätte, weil der Beraubte keine Erste Hilfe benötigte, sondern gerufen hatte: „Haltet den Räuber!“

Wie dem auch immer sei.

In Anlehnung an die so genannte Schweretheorie spricht viel dafür dass sich sowohl die Rechtsprechung als auch die herrschende Meinung ausschließlich an der Tat orientieren, die einen Beamten außer Dienst dazu bewogen haben, sich sozusagen in den Dienst zu versetzen, um dann die Rechte in Anspruch nehmen zu können, die ihm als Amtswalter zustehen.

Eine solche Sichtweise ermöglicht es, in Anlehnung an den Regelungsinhalt von § 138 StGB, sowie bei Übernahme der Katalogstraftaten, die in den §§ 100a und 100b StPO aufgeführt sind, auch Sonderrechtsfahrten mit Privat-Pkw zu rechtfertigen.

Anders ausgedrückt: Bei Verbrechen und schweren Straftaten können Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte auch in ihrer Freizeit sozusagen Sonderrechte in Anspruch nehmen, wenn sie sich in den Dienst versetzen.

Hinweis: Auch die Fahrer von Zivilfahrzeugen der Polizei können Sonderrechte in Anspruchnehmen, müssen dabei aber im besonderen Maße die Risiken beachten, die sich aus der Inanspruchnahme von Sonderrechten ergeben. Dies gilt auch für die Fahrer von Dienstfahrzeugen die von den Mobilen Einsatzkommandos verwendet werden.

07 Sonderfahrt nicht gehört oder wahrgenommen

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Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass andere Verkehrsteilnehmer Einsatzfahrzeuge der Polizei, die mit eingeschaltetem blauen Blinklicht und eingeschaltetem Martinshorn Sonderrechte in Anspruch nehmen, so rechtzeitig wahrnehmen, um ihren Pflichten nachkommen zu können, denn blaues Blinklicht und das eingeschaltete Martinshorn ordnen ja bekanntermaßen an, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben.

Darauf zu vertrauen ist für die Fahrer von Sonderrechtsfahrzeugen jedoch keine Option. Das gilt insbesondere für den Querverkehr in Kreuzungen und Einmündungsbereichen.

Beispiel: Lars und Mia befinden sich mit eingeschaltetem Blaulicht und eingeschaltetem Martinshorn auf dem Weg zu einem schweren Verkehrsunfall mit Personenschaden. Beim Einfahren in einen Kreuzungsbereich bei Ampelrot reduziert Lars die Geschwindigkeit des Streifenwagens kurz, um dann sofort wieder zu beschleunigen, weil er meint, dass dadurch die Fahrerin eines Pkw, die bei Grün in den Kreuzungsbereich einfährt, dadurch nicht gefährdet wird. Lars irrt sich. Im Kreuzungsbereich kommt es zu einem Zusammenprall. Rechtslage?

Ein vergleichbarer Fall wurde 2022 beim LG Stuttgart verhandelt.

LG Stuttgart 2022: Gemäß § 35 Abs. 5a StVO war der [der Fahrer des Sonderrechtsfahrzeugs] zum Unfallzeitpunkt von den Vorschriften der StVO befreit. Allerdings dürfen diese Sonderrechte gemäß § 35 Abs. 7 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Zwar bedeutet nicht jede leichte Fahrlässigkeit einen Verstoß gegen § 35 Abs. 7 StVO. Allerdings verpflichtet die gebotene Rücksichtnahme den privilegierten Fahrer, sich zunächst langsam in die Kreuzung „hineinzutasten“. Der Fahrer muss also zunächst mit so geringer Geschwindigkeit fahren, dass er sofort anhalten kann, wenn er ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug erkennt. Erst wenn er sich hinreichend vergewissert hat, dass der Querverkehr das privilegierte Fahrzeug erkannt hat und ihm den Vorrang einräumt, darf er wieder beschleunigen.

LG Stuttgart, Urteil vom 14.06.2022 - 12 O 423/20

Die Richter entschieden, dass der Fahrer des Sonderrechtsfahrzeugs den Unfall verursacht habe, während der Fahrerin des anderen Pkw keine Schuld an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls trifft.

Die Fahrer von Sonderrechtsfahrzeugen, die sozusagen grob pflichtwidrig von Sonderrechten Gebrauch machen, gehen damit ein hohes Risiko ein.

Beispiel: Max und Moritz befinden sich mit eingeschaltetem Blaulicht und eingeschaltetem Martinshorn auf dem Weg in die Innenstadt an der es zu einem folgenschweren Verkehrsunfall gekommen ist, denn ein Pkw-Fahrer ist wohl ungebremst in eine Gruppe Fußgänger gefahren. Max steht zurzeit so unter Adrenalin, dass es ihm gar nicht in den Kopf kommen will, die Geschwindigkeit des Streifenwagens zu reduzieren, als er sich einer Kreuzung mit Ampelrot nähert. Im Kreuzungsbereich kommt es zu einem folgenschweren Verkehrsunfall. Rechtslage?

Auch in dem Urteil des VG Gelsenkrichen, in dem es ebenfalls darum ging, zu klären, welche Folgen es für die Fahrer von Sonderrechtsfahrzeugen mit sich bringt, sozusagen ungebremst in Kreuzungsbereiche einzufahren, heißt es:

VG Gelsenkirchen 2015: Dass der Kläger [gemeint ist die Polizei, die der Auffassung war, dass der Fahrer des Sonderrechtsfahrzeugs alles richtig gemacht hatte] mit nahezu unverändert hoher Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich einfuhr und dabei nicht auf annähernde Schrittgeschwindigkeit abgebremst hat, ergibt sich über die Zeugenvernehmung hinaus auch aus den weiteren Umständen, die der Beklagte in seiner Argumentation ebenfalls schon zugrunde gelegt hat: Zunächst war die Wucht des Aufpralls nach dem Verwaltungsvorgang [...] so groß, dass der Pkw des Unfallgegners um etwa 90 Grad gedreht wurde und schließlich in Richtung L.-T.-Straße zeigte, aus welcher der Kläger im Polizeifahrzeug herangefahren war. [...]. Zudem stellte der von dem Beklagten [der Unfallgegner] herangezogene Gutachter bei der Begutachtung des Dienstfahrzeugs einen „rammartigen Frontanstoß“ in Anbetracht der komplett beschädigten Front des Einsatzfahrzeugs fest. Schließlich hätte die Entfernung von der Einmündung aus [...] bis hin zur Unfallstelle im südlichen Kreuzungsbereich, die sich nach den Angaben in der Unfallskizze der aufnehmenden Polizeibeamten auf etwa 24-26 Meter bemisst, bei annähernder Schrittgeschwindigkeit (d.h. jedenfalls weniger als 10 km/h) genügt, um den Unfall erheblich abzumildern bzw. gegebenenfalls sogar gänzlich zu vermeiden. Sowohl Reaktions- als auch Bremsweg wären bei einer derartigen Geschwindigkeit auf der (laut Unfallbericht) trockenen Fahrbahn um ein Vielfaches niedriger ausgefallen. Legt man die vorstehenden Feststellungen aus der Beweisaufnahme zugrunde, hat der Kläger seine Dienstpflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt.

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19.10.2015 - 1 K 1492/14

08 Kradbegleitung einer Demonstration

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Bloße „Einsatzfahrten“, die überwiegend dem Zweck dienen, polizeiliche Anwesenheit zu dokumentieren, dürfen für andere nicht gefährlich werden und erst recht andere nicht schädigen.

Beispiel: Max hat den Auftrag erhalten, einen Demonstrationszug auf einem Polizeikrad zu begleiten. Dabei verursachte Max einen Verkehrsunfall, als er auf der Einbahnstraße, auf der sich der Demonstrationszug befindet, Max sein Krad wendete, um zu schauen, ob hinter ihm noch alles in Ordnung ist. Dabei kommt es zu einem Zusammenstoß mit einem Demonstrationsteilnehmer. Rechtslage?

Ein vergleichbarer Fall wurde 2005 von den Richtern des Kammergerichts Berlin wie folgt entschieden.

KG Berlin 2005: Nach § 35 Abs. 1 StVO sind Sonderrechtsfahrzeuge, also auch Polizeimotorräder, von den Vorschriften der StVO befreit, „soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist“; diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn das Sonderrechtsfahrzeug weder Horn noch Blaulicht führt, oder diese zwar vorhanden sind, aber nicht betätigt werden.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob das Verhalten des Polizeibeamten zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten war. Jedenfalls hat der Polizeibeamte gegen das sich aus § 35 Abs. 8 StVO ergebende Gebot der Rücksichtnahme auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstoßen. § 35 StVO befreit nicht von der allgemeinen Sorgfaltspflicht, denn die Wahrnehmung der Sonderrechte darf jeweils nur unter größtmöglicher Sorgfalt erfolgen. Je mehr sich der Einsatzfahrer über allgemeine Verkehrsregeln hinwegsetzt und dadurch die Unfallgefahren erhöht, desto größer ist die ihm obliegende Sorgfaltspflicht. Die Erfordernisse der Verkehrssicherheit haben Vorrang vor dem raschen Vorwärtskommen. Darüber hinaus darf die zu erfüllende hoheitliche Aufgabe zu dem Verkehrsverstoß nicht außer Verhältnis stehen.

KG, Urteil vom 25.04.2005 - 12 U 123/04

09 Verfolgungsfahrten

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Es gibt eine Vielzahl von Anlässen, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dazu bewegen, unter Inanspruchnahme sowohl von Sonder- als auch von Wegerechten, motorisierte Fahrzeugführer zu verfolgen, weil die, insbesondere im Zusammenhang mit allgemeinen Verkehrskontrollen:

  • Erteilten Anhaltezeichen nicht nachgekommen sind und sich sozusagen durch Flucht einer polizeilichen Kontrolle zu entziehen versuchen

  • Durch Reduzierung der Fahrtgeschwindigkeit den Eindruck erweckten, anhalten zu wollen, es sich aber dann doch anders überlegen

  • Anhalten, um dann doch ihr Glück in der Flucht suchten

  • Die Gelegenheit für ein Autorennen mit der Polizei nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen.

Natürlich kann es auch aus anderen Gründen zu Verfolgungsfahrten kommen, auf die aufzuzählen hier verzichtet wird. 

Eine Verfolgungsfahrt setzt in der Regel voraus, dass eine Person den Versuch unternimmt, sich mit einem Kraftfahrzeug dem Zugriff durch die Polizei zu entziehen. Für die Beamten, die ebenfalls unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges den Flüchtenden stellen wollen, handelt es sich bei der Verfolgungsfahrt um eine „Sonderform der Dringlichkeitsfahrt“, bei der das Wegerecht sowie Sonderrechte gemäß Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) Anwendung finden können.

Diesbezüglich heißt es im § 38 Abs. 1 StVO wie folgt:

§ 38 Abs. 1 StVO
Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.

Es ordnet an:

Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“.

Diese kurzen Ausführungen zu Verfolgungsfahrten lassen dennoch im Hinblick auf die Art und Intensität der Verfolgungsfahrt durch die Polizei keinerlei Aussagen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit und erst recht nicht auf deren Verhältnismäßigkeit zu, denn es sind durchaus Fälle denkbar, in denen eine Verfolgungsfahrt einzustellen ist, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Was damit gemeint ist, das lässt sich nur am konkreten Einzelfall aufzeigen. Dazu gleich mehr.

Zuerst einmal gilt es festzustellen, dass Einsatzfahrten unter Inanspruchnahme von Sonderrechten, mit besonderen Gefahren verbunden sind. In einer Broschüre des Kreisfeuerwehrverbands Saarpfalz e.V. aus dem Jahr 2010 heißt es im Hinblick auf die erhöhte Gefährlichkeit solcher Fahrten wie folgt:

  • Es besteht ein 17-mal höheres Risiko, einen Unfall mit hohem Sachschaden bei einer Einsatzfahrt mit Sonderrechten im Vergleich zu einer Fahrt ohne Sonderrechten zu verursachen

  • Es besteht eine 8-mal höhere Gefahr eines Unfalls mit schwer Verletzten

  • Von einer 4-mal höheren Gefahr eines tödlichen Unfallausgangs kann ausgegangen werden.

Kurzum: Alle 19 Sekunden kommt es bei Einsatzfahrten, insbesondere in Innenstädten, zu kritischen Situationen. Das gilt auch für Einsatzfahrten bei der Inanspruchnahme von Wegerechten iSv § 38 StVO (Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht).

Von einem gesteigerten Gefährdungspotential anlässlich von Einsatzfahrten unter Anwendung von Sonderrechten – mit aber auch ohne Wegerechte – kann auch bei der Polizei ausgegangen werden. Es mag insoweit nicht zu verwundern, dass es im Landesteil der PDV 100 (Führung und Einsatz der Polizei) im Teil K Regelungen gibt, die „polizeiliche Einsatzfahrten unter Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten, Verfolgungsfahrten betreffen“. RdErl. d. Innenministeriums IV C 2 – 1592/643/644 v. 9.9.1997, geändert durch RdErl. v. 29.6.2007 - 41 – 60.26-LT NRW PDV 100 - Teil K-. Dieser Erlass steht im Internet nicht zur Verfügung. Er ist nur für den Dienstgebrauch bestimmt.

Aber auch ohne Kenntnisse der Inhalte, die im oben zitierten Erlass zu vermuten sind, lässt sich abschließend im Hinblick auf Einsatzfahrten, Verfolgungsfahrten oder Sonderrechtsfahrten unter Inanspruchnahme von Wegerechten Folgendes feststellen:

Unter Nutzung von Sonderrechten darf der Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeuges ALLES, aber es darf NICHTS passieren.

10 Verfolgungsfahrt und Kraftfahrzeugrennen

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Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des AG Waldbröl aus dem Jahr 2019 wie folgt:

AG Waldbröhl: Wer anlässlich einer Verfolgungsfahrt durch die Polizei seinen PKW über eine nicht nur kurze Strecke weit über die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschleunigt, erfüllt regelmäßig den Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Amtsgericht Waldbröl, Urteil vom 14.01.2019 – 40 Ds 536/18

Dass der Fahrer bei seinem Versuch, sich der Polizeikontrolle zu entziehen, verunfallte und dabei auch der Beifahrer unverletzt blieb, ist eine Besonderheit, die für die rechtliche Bewertung der Verfolgungsfahrt durch den Fahrer eines Polizeifahrzeuges nicht von Bedeutung sind, weil es zu solch einem Schadensereignis nicht gekommen ist. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer Verfolgungsfahrt um einen unaufschiebbaren Verwaltungsakt, oder um eine durchzusetzende Zwangsmaßnahme der StPO handelt, die sofort mit verhältnismäßigen Mitteln erzwungen werden kann.

Ob es sich bei dem Hinterherfahren des Polizeifahrzeuges unter Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten bereits um die Anwendung unmittelbaren Zwangs handelt, ist eine nicht leicht zu beantwortende Frage, zumal in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung es dabei nicht unbedingt zu physischer Gewaltanwendung kommen muss, sondern auch psychische Gewalt durchaus als unmittelbarer Zwang anzusehen ist.

Wie dem auch immer sei: An der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Verfolgungsfahrt zu zweifeln, würde es erforderlich machen, der Polizei überhaupt ihr Daseinsrecht abzusprechen. Im Übrigen lohnt es sich, das Urteil des AG Waldbröhl im Volltext zu lesen, denn die Tatvorwürfe lassen erkennen, welche Gründe motorisierte Verkehrsteilnehmer dazu bewegen, sich allgemeinen Verkehrskontrollen zu entziehen:

  • Fahren ohne Fahrerlaubnis

  • Trunkenheitsfahrt iSv § 316 StGB

  • 0,5 Promille-Grenze, § 24a StVG

Urteil im Volltext

Das Urteil ist auch im Hinblick auf die weiteren Tatvorwürfe lesenswert.

11 Verfolgungsfahrt 2

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Dienstfahrzeuge können nicht nur passiv, zum Beispiel anlässlich von Straßensperren, sondern auch aktiv als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt eingesetzt werden. Das folgende Beispiel zeigt auf, dass bei der Beurteilung der Rechtslage sowohl Aspekte der Inanspruchnahme von Sonderrechten auf der Grundlage von § 35 StVO als auch Fragen, die den unmittelbaren Zwang durch den Einsatz von Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt betreffen, zu bedenken sind, denn ein Streifenwagen ist, wenn er, wie das folgende Beispiel zeigt, als ein „Bremsklotz“ eingesetzt wird, als Verwaltungszwang zu klassifizieren.

Beispiel: Lars und Mia verfolgen, Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet, mit hoher Geschwindigkeit einen Pkw-Fahrer, der sich in einem gestohlenen Pkw einer Polizeikontrolle zu entziehen versucht, denn das Fluchtfahrzeug liegt als gestohlen im polizeilichen Datenverbund ein. Das dürfte wohl auch der Grund dafür sein, dass der Fahrer kein Risiko scheut. Die Folge davon ist, dass es bei der Flucht zu mehreren Verkehrsgefährdungen kommt und in einem Fall ein Unfall nur durch viel Glück vermieden werden konnte. In einem günstigen Moment gelingt es Lars, an dem Pkw vorbeizufahren. Lars hält es für zielführend, diese Gelegenheit zu nutzen, das Fluchtfahrzeug nach rechts abzudrängen, zumal die Örtlichkeiten das gerade zulassen. Dabei kommt es zu einem seitlichen Zusammenstoß zwischen dem Dienstfahrzeug und dem Fluchtfahrzeug. Durfte Lars den flüchtenden Pkw-Fahrer unter Einsatz des Streifenwagens in der oben geschilderten Art und Weise stoppen?

Offenkundig ist, dass es sich bei dem Fahrer des Pkw um einen Tatverdächtigen handelt, dem nicht nur mehrere Verkehrsdelikte, sondern wahrscheinlich auch Diebstahl vorgeworfen werden kann. Die Folge davon ist, dass der Fahrer im dringenden Tatverdacht steht, Straftaten begangen zu haben und somit auf der Grundlage von § 127 StPO (Vorläufige Festnahme) festgenommen werden kann. Unabhängig davon gefährdet der Fahrer im Fluchtfahrzeug durch seine Fahrweise auch gegenwärtig Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, so dass auch zur Abwehr dieser Gefahr der Fahrer zu stoppen ist.

Hinsichtlich der Inanspruchnahme von Sonderrechten durch Lars, der den Streifenwagen fährt, ist anzumerken, dass er von den Vorschriften der StVO befreit ist, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Bei der Festnahme eines flüchtigen Tatverdächtigen handelt es sich um eine hoheitliche Aufgabe. Außerdem handelt es sich bei der durchzusetzenden Maßnahme (Festnahme) um eine so genannte Zwangsbefugnis der StPO, so dass diese Maßnahme erzwungen werden kann.

Dennoch darf Lars Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zur Anwendung kommen lassen. Diese Frage lässt sich jedoch nur am konkreten Sachverhalt prüfen, denn die Inanspruchnahme von Sonderrechten setzt voraus, dass Lars natürlich auch die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen hat, was letztendlich nur dann gegeben ist, wenn andere Verkehrsteilnehmer (nicht gemeint ist der Fahrer im Fluchtfahrzeug) dadurch weder gefährdet und erst recht nicht geschädigt werden dürfen. Diese Voraussetzungen sind gegeben, denn das Beispiel enthält keine Hinweise darauf, dass Lars - im Gegensatz zu dem flüchtenden Fahrer – andere Verkehrsteilnehmer gefährdet hat. Da die Anwendung von Zwang gesetzlich zugelassen ist, das ergibt sich unmittelbar aus § 127 StPO (Vorläufige Festnahme), denn bei dieser Befugnis handelt es sich um eine so genannte Zwangsbefugnis der StPO, kann festgestellt werden, dass der Fahrer im Fluchtfahrzeug auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs angehalten werden durfte.

Letztendlich ist es nur eine Frage der Verhältnismäßigkeit, mit welchen Mitteln das Lars und Mia gelingt.

Da mehrfache Anhalteversuche gescheitert sind, nutzt Lars eine sich ihm bietende günstige Gelegenheit dazu, das von ihm gefahrene Dienstfahrzeug als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ sozusagen als einen sich in Bewegung befindlichen „Bremsklotz“ einzusetzen. Das der Einsatz dieses Mittels geeignet war, das Fluchtfahrzeug anzuhalten, beweist der Erfolg. Gleiches gilt uneingeschränkt auch für die Erforderlichkeit und die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit) des Einsatzes des Dienstfahrzeuges als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt.

Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn Lars und Mia auf diese Art und Weise einen Mofafahrer hätten anhalten wollen, der sich mit seinem frisierten Mofa einer Polizeikontrolle entzieht. Das wäre im Hinblick auf die zu erwartenden Folgen sicherlich unverhältnismäßig gewesen. Im Übrigen ist festzustellen, dass derjenige die Folgen rechtmäßigen Zwangs zu tragen hat, gegen den sich rechtmäßiger Zwang richtet. Der Fahrer des gestoppten Pkws wird auch für den Schaden einzutreten haben, der am Polizeifahrzeug entstanden ist.

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Es gibt eine Vielzahl von Anlässen, die Fahrzeugführer dazu bewegen, sich polizeilichen Kontrollmaßnahmen zu entziehen. Oftmals handelt es sich bei den Fahrzeugführern um Personen, die sich einer Polizeikontrolle entziehen wollen, weil sie:

  • Alkohol getrunken haben

  • Unter Drogeneinfluss stehen

  • Nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind

  • Ein gestohlenes Fahrzeug führen

  • Zur Festnahme im Fahndungssystem ausgeschrieben sind

  • Einfach Null-Bock auf eine Polizeikontrolle haben

  • Den besonderen Kick einer Verfolgungsfahrt genießen wollen.

Es dürfte polizeilichen Erfahrungen entsprechen, dass insbesondere Personen im Heranwachsendenalter die mit solch einer „Flucht“ verbundenen Risiken oftmals in Kauf nehmen.

Das gilt aber gleichermaßen auch für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die im Rahmen von Verfolgungsfahrten ebenfalls Risiken hinzunehmen bereit sind, obwohl deren Grenzen durch einzuhaltende gesetzliche Regelungen eingeengt sind.

Beispiel: Lars und Mia führen eine allgemeine Verkehrskontrolle durch. Als Mia mit einer Winkerkelle dem Fahrer eines Pkw Anhaltezeichen gibt, reduziert der Fahrer - für Mia gut erkennbar – die Geschwindigkeit. Im Pkw befinden sich vier junge Erwachsene, zwei Männer und zwei Frauen. Als der Fahrer sich mit seinem Pkw in Höhe von Mia befindet, gibt er Gas. Lars und Mia nehmen sofort die Verfolgung mit eingeschaltetem Blaulicht und eingeschaltetem Martinshorn auf und binden zeitgleich auch andere Streifenwagenbesatzungen mit in die Fahndung nach dem flüchtenden Pkw-Fahrer ein, der gerade mit ca. 110 km/h in eine Ortschaft einfährt. Lars reduziert die Geschwindigkeit seines Dienstfahrzeuges so weit, dass er jederzeit angemessen reagieren kann, sollte es in der Ortschaft zu unvorhergesehenen Risiken kommen. Bedauerlicherweise verliert Lars dadurch den Kontakt zu dem flüchtenden Pkw-Fahrer. Sein Ärger darüber verliert sich aber, als er ein paar Minuten später über Funk hört, dass der Fahrer von Kollegen in unmittelbarer Nähe der „Halteranschrift des Pkw“ kontrolliert werden konnte. Hat Lars richtig gehandelt, als er das Risiko der Verfolgungsfahrt reduzierte?

Wer daran zweifelt, dem kann nur empfohlen werden, sich bewusst zu machen, dass Verfolgungsfahrten, wie sie in Kriminalfilmen zu sehen sind, nur sehr selten im polizeilichen Berufsalltag vorkommen. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind im Übrigen auch keine Stuntmen oder ausgebildete Rallyefahrer, sondern Amtswalter, die an Gesetz und Recht gebunden sind.

Im hier zu erörternden Sachzusammenhang reicht es aus, festzustellen, dass Lars das Risiko, das mit zu schnellem Fahren – insbesondere in geschlossenen Ortschaften – verbunden ist, so weit reduziert hat, dass dadurch andere weder gefährdet und erst recht nicht geschädigt werden konnten. Das wird von ihm bei der Inanspruchnahme von Sonderrechten – auch in Verbindung mit Wegerechten – so erwartet. Im Übrigen weiß Lars auch, dass sich in dem Pkw vier Personen befinden, die durch eine wilde Flucht erheblichen Gefahren ausgesetzt sind, denn bei diesen „Beifahrern“ handelt es sich nicht um Tatverdächtige, sondern um Personen, die dem rechtswidrigen Verhalten des Fahrers sozusagen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, und bei denen es sich, sollte es zur Zwangsanwendung – zum Beispiel durch Rammen des Fluchtfahrzeuges durch den Streifenwagen kommen – um unbeteiligte Personen handeln würde, gegen die sich der Zwang dann richtet.

Auch wenn die nachfolgend zitierte Stelle aus dem § 63 PolG NRW (Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch) nicht genau passen, weil ein Streifenwagen, der als ein Hilfsmittel der körperlichen Gewaltanwendung eingesetzt wird, keine Schusswaffe ist, bestehen dennoch keine Bedenken, im hier zu erörternden Sachzusammenhang auf § 63 Abs. 4 PolG NRW zumindest hinzuweisen.

Dort heißt es:

(4) Der Schusswaffengebrauch ist unzulässig, wenn für den Polizeivollzugsbeamten erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden.

Unabhängig davon lässt sich die Zurückhaltung von Lars auch dadurch rechtfertigen, dass sich gegen Personen, die weder tatbestandlich, noch rechtswidrig und somit auch nicht schuldhaft handeln und auch keine Adressaten sind, weil von ihnen keine Gefahren ausgehen, sich gefahrenträchtige Maßnahmen der Polizei aus Rechtsgründen grundsätzlich nicht rechtfertigen lassen. Im Übrigen gebietet es auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen, zu verhindern, dass es bei der Durchsetzung dieser Maßnahmen zu einem Schaden kommt, der zum Erfolg außer Verhältnis steht.

13 Verfolgungsfahrt ist kein Widerstand

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Anders ausgedrückt: Flucht vor der Polizei ist kein Widerstand. Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des BGH aus dem Jahr 2012 wie folgt:

BGH 2012: Mit Gewalt“ wird Widerstand geleistet, wenn unter Einsatz materieller Zwangsmittel, vor allem körperlicher Kraft, ein tätiges Handeln gegen die Person des Vollstreckenden erfolgt, das geeignet ist, die Vollendung der Diensthandlung zumindest zu erschweren. Die bloße Flucht vor der Polizei erfüllt diese Voraussetzungen nicht, auch wenn dabei andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet werden.

Da der Angeklagte die ihn verfolgenden Polizeibeamten mit seinem Kraftfahrzeug weder abgedrängt noch am Überholen gehindert hat und auch nicht auf die Polizeibeamten zugefahren ist, um diese zum Wegfahren und damit zur Freigabe der Fahrbahn zu nötigen, fehlt bereits die für den äußeren Tatbestand erforderliche gewaltsame, gegen die Person des Vollstreckenden gerichtete Handlung.
Ebenso wenig wird der für die Verwirklichung des § 113 Abs. 1 StGB erforderliche Vorsatz deutlich, zumal das Landgericht das Unfallgeschehen, das zur Verletzung eines Polizeibeamten geführt hat, lediglich als fahrlässige Körperverletzung gewertet hat. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Es ist auszuschließen, dass in neuer Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme des Tatbestandes des § 113 Abs. 1 StGB tragen.

BGH Beschluss v. 19.12.2012 - 4 StR 497/12

14 Risikoeinschätzung einer Verfolgungsfahrt

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Es dürfte deutlich geworden sein, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte , die anlässlich von Verfolgungsfahrten Sonder- und Wegerechte in Anspruch nehmen, gut beraten sind, ihre Fahrweise einer ständigen Risikoeinschätzung zu unterziehen. Auf jeden Fall gilt es zu verhindern, dass durch die Freisetzung von Adrenalin das Gehirn aufhört, Gefahren richtig einzuschätzen. Dass in diesem Sachzusammenhang der Geschwindigkeit eine besondere Bedeutung zukommt, liegt in der Natur einer Verfolgungsfahrt. Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des OLG Brandenburg aus dem Jahr 2009 wie folgt:

OLG Brandenburg 2009: Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Einsatzfahrzeug, welches unter Inanspruchnahme der Sonderrechte nach den §§ 35, 38 StVO in eine durch Rotlicht gesperrte Kreuzung einfährt, [das lässt sich auch auf das Einfahren in geschlossene Ortschaften übertragen] ohne dass dessen Fahrer die gebotene Sorgfalt walten lässt, und einem Kraftfahrer, der trotz rechtzeitig wahrnehmbaren Blaulichts und Martinshorn das Wegerecht des Einsatzfahrzeuges nicht beachtet, hängt die Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile vom jeweiligen Einzelfall ab, wobei der Geschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges entscheidende Bedeutung beikommt. Der Vorrang des § 38 Abs. 1 S. 2 StVO bedeutet nicht, dass der Fahrer des Einsatzfahrzeuges blindlings oder „auf gut Glück“ in eine Kreuzung bei rotem Ampellicht [oder in eine geschlossene Ortschaft z.B. mit 110 km/h] einfahren darf. Er darf vielmehr - auch unter Inanspruchnahme von Sonderrechten - bei rotem Ampellicht erst in die Kreuzung einfahren, wenn er den sonst bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern rechtzeitig zu erkennen gegeben hat, solche Rechte in Anspruch nehmen zu wollen, und sich überzeugt hat, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt haben. Er muss sich vorsichtig in die Kreuzung vortasten und bei einer unübersichtlichen Kreuzung unter Umständen nur mit Schrittgeschwindigkeit einfahren.

OLG Brandenburg, Urteil vom 5. November 2009 – 12 U 151/08

Ich denke, dass deutlich geworden ist, dass anlässlich von Verfolgungsfahrten auch innerhalb geschlossener Ortschaften dafür Sorge zu tragen ist, dass andere Verkehrsteilnehmer – ausgenommen der Verfolgte – weder gefährdet und erst recht nicht geschädigt werden dürfen.

Und dass es im Zusammenhang mit Verfolgungsfahrten zu Verkehrsunfällen kommen kann, bei denen sogar unbeteiligte Personen zu Tode kommen, das belegt eine eine Verfolgungsfahrt, die sich am 15. Dezember 2023 in Sachsen-Anhalt ereignete. Zu der Verfolgungsfahrt war es gekommen, weil Polizeibeamte den Mann kontrollieren, dieser aber nicht dulden wollte.

Der Mann sei, so hieß es in einer Meldung auf Spiegel.de mit seinem Wagen durch mehrere Landkreise davongerast und habe als Falschfahrer schließlich zwei Frauen mit in den Tod gerissen, als er auf eine Autobahn auffuhr. Sowohl der "Falschfahrer" als auch die zwei Frauen, die in dem Pkw saßen, starben am Unfallort. Ein Mann, der im Pkw der beiden Frauen saß, wurde mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert.

Die Gründe, warum es zu der Verfolgungsfahrt kam, konnten der Meldung nicht entnommen werden. In der Meldung heißt es sinngemäß aber, dass während der Fahrt durch mehrere Landkreise verschiedene Polizeikräfte beteiligt waren.

Wörtlich heißt es in der Meldung: Wie viele tatsächlich an der Verfolgung beteiligt waren, müsse ebenfalls noch ermittelt werden. Was den 57-Jährigen bewogen hat, in falscher Richtung auf die A38 aufzufahren, werde schwer herauszubekommen sein, sagte die Polizeisprecherin.

15 Dienstunfall bei Sonderrechtsfahrt

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Anlässlich von Sonderrechtsfahrten kommt es vor, dass dabei auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte selbst zu Schaden kommen, denn auch die Fahrer von Polizeifahrzeugen können im Rahmen von Verfolgungsfahrten nicht nur die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren, sondern verunfallen und sich dabei erheblich verletzen. Solche Verletzungen können so schwerwiegend sein, dass Polizeibeamte dadurch dauerhaft dienstunfähig werden und somit in den Ruhestand versetzt werden müssen. Hinsichtlich der Versorgungsregelung stellt sich dann ganz zwangsläufig die Frage, ob es sich bei einer „missglückten“ Verfolgungsfahrt um einen so genannten qualifizierten Dienstunfall handelt, der versorgungsrechtlich für davon betroffene Beamte weitaus mehr Versorgung bietet, als das bei einem ganz „normalen“ Dienstunfall möglich ist.

Die folgende Einsatzfahrt, über die 2021 die Richter des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu entscheiden hatten, macht deutlich, welche objektiven und welche subjektiven Erwartungen an die „Gefährlichkeit einer Diensthandlung für das Leben eines Polizisten“ zu stellen sind.

Anlass: Dem Urteil lag eine Einsatzfahrt eines Sondereinsatzkommandos (SEK) der Polizei zugrunde, bei der es zu einem Verkehrsunfall kam, bei dem sich ein Beamter des SEK bleibende Verletzungen zuzog. Am Zielort erwartete die Beamten des SEK eine gefahrenträchtige Einsatzlage, deren Gefährlichkeit auch von den Beamten des SEK auf ihrem Weg zum Einsatzort bewusst war.

Im Tenor der Entscheidung der Richter des VG Stuttgart, die 2021 über diesen Fall zu entscheiden hatten, heißt es:

VG Stuttgart 2021: In Anbetracht der hohen Erwartungen, die an Beamte der Eliteeinheit eines SEK angesichts ihrer hochspezialisierten Ausbildung bei der Ausübung ihrer Diensttätigkeit, der Bekämpfung schwerer und schwerster Gewaltkriminalität gestellt werden, muss ihnen ein angemessener Entscheidungsspielraum dafür zugestanden werden, welches Risiko sie in welcher Einsatzlage einzugehen für notwendig erachten. Dabei müssen sie auf ihre Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung des jeweiligen Risikos vertrauen können und dürfen. Diese Entscheidung müssen die Beamten ausschließlich anhand der Anforderungen des jeweiligen konkreten Einsatzes treffen können, ohne dabei Gefahr zu laufen, die besondere Fürsorge des Dienstherrn, die in der Regelung des erhöhten Unfallruhegehalts [...] zu verlieren. Ein sogenannter qualifizierter Dienstunfall [...] setzt in objektiver Hinsicht eine Diensthandlung voraus, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. [...]. Eine besondere Lebensgefahr setzt deutlich mehr voraus als eine allgemeine Gefährlichkeit des jeweiligen Dienstes. Es müssen solche gravierenden, gefahrerhöhenden Umstände bestehen, welche die Gefährdung weit über das „normale“ Maß hinausreichen lassen, so dass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts erfordert somit eine Dienstverrichtung, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, so dass deren Eintritt sich als Verwirklichung der gesteigerten Gefährdungslage darstellt. Eine besondere Lebensgefahr ist mit der Diensthandlung verbunden, wenn bei ihrer Vornahme der Verlust des Lebens wahrscheinlich oder doch sehr naheliegend ist. [...]. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls voraus, dass sich der betroffene Beamte bei der Diensthandlung der für sein Leben bestehenden Gefahr bewusst ist. Dieses Bewusstsein folgt in aller Regel bereits aus der Kenntnis der die Gefahr begründenden objektiven Umstände. [...].

Hiernach muss der Beamte zwar nicht mehr in dem Bewusstsein handeln, bei der Dienstverrichtung sein Leben einzusetzen. Der Beamte muss sich aber der Gefahr für sein Leben im Allgemeinen bewusst sein. Er muss die Gefahr indes nicht in allen Einzelheiten erkannt und richtig bewertet haben. Dabei folgt das Bewusstsein, bei der Dienstverrichtung das eigene Leben zu gefährden, in aller Regel bereits aus dem Wissen um die die Gefahr begründenden objektiven Umstände. Die polizeiliche Einsatzfahrt [über die die Richter zu entscheiden hatten], stellt eine Diensthandlung dar, die objektiv mit einer besonderen Lebensgefahr für den Kläger verbunden war. Zwar begründet nicht jede polizeiliche Einsatzfahrt typischerweise eine besondere Lebensgefahr. In der Rechtsprechung wird eine enge Auslegung des Merkmals „besondere Lebensgefahr“ [...] auch im Hinblick auf polizeiliche Einsatzfahrten zugrunde gelegt. Denn anderenfalls müsste fast jede polizeiliche Einsatzfahrt als besonders lebensgefährlich angesehen werden, obwohl der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift nur außergewöhnliche, insbesondere im Polizeivollzugsdienst auftretende Situationen erfassen wollte, die einen Beamten den Einsatz seines Lebens scheuen lassen könnten.

VG Stuttgart, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 14 K 1911/20

Hinweis: Daraus lässt sich schließen, dass auch andere polizeiliche Einsatzfahrten, in denen aufgrund des jeweils gegebenen Anlasses davon auszugehen ist, dass am Einsatzort eintreffende Polizisten dort besonderen Gefahren ausgesetzt sind, bereits dann einen qualifizierten Dienstunfall erleiden können, wenn es schon auf dem Weg zum Einsatzort zu einem Dienstunfall gekommen ist.

Kommt es jedoch anlässlich von Verfolgungsfahrten zu Unfällen, die auf eine nicht mehr hinnehmbare Risikobereitschaft beruhen, dürfte ein erhöhter Dienstunfallschutz dann entfallen, wenn diese Risikobereitschaft als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten sein wird. Aus meiner dienstlichen Erfahrung weiß ich, dass vorgesetzte Stellen diesbezüglich alles andere als großzügig sind, denn die sind, von Gesetzes wegen  zur sparsamen Haushaltsführung verpflichtet. Wie dem auch immer sei. Heldentum bei der Polizei mag es zwar geben, im Zusammenhang mit Verfolgungsfahrten ist das damit verbundene Risiko aber sehr hoch.

BGH 2020: Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn [dem Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeuges die Einsicht fehlt, an Regeln gebunden zu sein und er deshalb] die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen.

BGH, Urteil vom 26.05.2020 - VI ZR 186/17

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Einsatzfahrt und Sonderrechte
Einsatzfahrt mit Sonderrechten
Einsatzfahrt mit Sonder- und Wegerechten
Erhöhte Sorgfaltspflichten/Risikoeinschätzung
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Grobe Fahrlässigkeit
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Verfolgungsfahrt ist kein Widerstand
Verfolgungsfahrt und Kraftfahrzeugrennen


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