Rodorf.de
Polizeiliches Grundlagenwissen für Studium und Praxis 

Home Inhaltsverzeichnis Verkehrsrecht ABC-VR

§ 16 StVO - Warnzeichen

Inhaltsverzeichnis:

01 Allgemeines
02
TBNR – Bußgeldkatalog 2023
03 Sich oder andere gefährdet
sieht
04 Unterlassen des Anzeigens einer Gefahrenstelle
05 Gebrauch der Lichthupe
06 Gebrauch der Schallzeichen
07 Hupen als Protest anlässlich von Versammlungen
08 Radfahrer dürfen nicht grundlos angehupt werden
09 Lichthupe und wartende Fußgänger
10 Lichthupe oder Nötigung
11 Anforderung an Nötigung

01 Allgemeines

TOP

Schall- und Leuchtzeichen darf nur geben, wer außerhalb geschlossener Ortschaften überholt, siehe § 5 Abs. 5 StVO (Überholen) oder sich oder andere gefährdet sieht.

§ 5 StVO (Überholen)

Schall- bzw. Leuchtzeichen stehen einander gleich. Wird die Beleuchtungseinrichtung für ein längeres Aufblenden benutzt, ist das nicht als eine Verwendung von Warnzeichen anzusehen. Grund dafür ist, dass Blenden gefährlich ist und deshalb zu unterbleiben hat, siehe § 5 Abs. 5 StVO (Überholen).

§ 5 StVO (Überholen)

§ 16 StVO (Warnzeichen) findet auf alle Verkehrsteilnehmer Anwendung, soweit die von ihnen benutzten Fahrzeuge über Warneinrichtungen verfügen.

§ 16 StVO (Warnzeichen)

Der Absatz 4 verweist auf eine Verordnung der EU, die über den folgenden Link aufgerufen werden kann.

Verordnung (EU) Nr. 540/2014

Wenn Sie den Link öffnen, können Sie sich selbst einen Eindruck darüber verschaffen, was mit „Bürokratismus“ tatsächlich gemeint ist. Anders ausgedrückt: Diesen Regelungsinhalt sollten nach der hier vertretenen Auffassung nur die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten kennen, die im Verkehrsdienst verwendet werden.

02 TBNR – Bußgeldkatalog 2023

TOP

Bei den im Bußgeldkatalog aufgeführten Tatbeständen in Bezug auf Verstöße gegen den § 16 StVO (Warnzeichen), handelt es sich um geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten, die, sollte das erforderlich sein, vor Ort mit einem Verwarnungsgeld abschließend geahndet werden können, wenn der Betroffene damit einverstanden ist. Die Anzahl der Tatbestände ist überschaubar, so dass diese im Folgenden zitiert werden:

116000
Sie gaben missbräuchlich Schallzeichen.
5,00 Euro
116006
Sie gaben missbräuchlich Leuchtzeichen.
5,00 Euro
116100
Sie gaben missbräuchlich Schallzeichen und belästigten dadurch Andere.
10,00 Euro
116106
Sie gaben missbräuchlich Leuchtzeichen und belästigten dadurch Andere.
10,00 Euro
116112
Sie schalteten als Führer eines Omnibusses des Linienverkehrs nicht das Warnblinklicht ein, obwohl Sie sich einer Haltestelle näherten, für die die Straßenverkehrsbehörde ein solches Verhalten angeordnet hat.
10,00 Euro
116118
Sie schalteten als Führer eines gekennzeichneten Schulbusses nicht das Warnblinklicht ein, obwohl Sie sich einer Haltestelle näherten, für die die Straßenverkehrsbehörde ein solches Verhalten angeordnet hat.
10,00 Euro
116124
Sie schalteten als Führer eines Omnibusses des Linienverkehrs nicht das Warnblinklicht ein, obwohl an einer Haltestelle, für die die Straßenverkehrsbehörde ein solches Verhalten angeordnet hat, Fahrgäste ein- bzw. ausstiegen.
10,00
116130
Sie schalteten als Führer eines gekennzeichneten Schulbusses nicht das Warnblinklicht ein, obwohl an einer Haltestelle, für die die Straßenverkehrsbehörde ein solches Verhalten angeordnet hat, Fahrgäste ein- bzw. ausstiegen.
10,00 Euro
116136
Sie schalteten missbräuchlich das Warnblinklicht ein.
5,00 Euro
116142
Sie gaben Schallzeichen ab, die aus einer Folge verschieden hoher Töne bestanden.
10,00 Euro

03 Sich oder andere gefährdet sieht

TOP

Allein aus der Formulierung der Überschrift, die wortgleich mit der Formulierung im § 16 Abs. 1 Nr. 2 StVO übereinstimmt, ist zu schließen, dass es sich bei dem „Gefahrenbegriff der Vorschrift“ um ein subjektives Element handelt. Auch wenn es sich bei der „Gefahr im Sinne von § 16 StVO“ um eine Situation handelt, die den Bewertungsmaßstab einer „umsichtigen Person“ voraussetzt, kann dennoch davon ausgegangen werden, dass auch ein Mehr an erforderlicher Vorsicht nicht zwangsläufig zu einer Verkehrsordnungswidrigkeit führt.

Anders ausgedrückt: An die Anforderungen einer „subjektiven Gefahr“ können keine hohen Ansprüche gerichtet werden. Im Übrigen ist ein „überflüssiges Betätigen der Hupe oder der „Lichthupe“ in vielen Fällen so banal, dass das nicht einmal davon betroffenen Personen als eine Verletzung von Verkehrsregeln auffällt.

Mit anderen Worten: So lange Schallzeichen andere nicht belästigen oder Leuchtzeichen auf eine Art und Weise gegeben wird, die ebenfalls nicht als eine Verletzung der Grundregel des § 1 StVO anzusehen sind, dürfte solch ein Verhalten kaum als ein ausreichender Anlass angesehen werden, darin einen Verkehrsverstoß zu erkennen.

§ 1 StVO (Grundregeln)

Zu den Leuchtzeichen im Sinne von § 16 StVO (Warnzeichen) gehört auch das Warnblinklicht.

§ 15 StVO (Liegenbleiben von Fahrzeugen)

§ 15a StVO (Abschleppen von Fahrzeugen)

Wie dem auch immer sei: Zweck von § 16 StVO (Warnzeichen) ist es, andere Verkehrsteilnehmer zu warnen. Gemeint ist das Einleiten eines Überholvorgangs außerhalb geschossener Ortschaften bzw. das Warnen vor anderen Gefahren dort, wo das erforderlich erscheint.

Hält ein Fahrzeugführer es für geboten, andere Verkehrsteilnehmer im Sinne von § 16 StVO zu warnen, so hat dies rechtzeitig und deutlich zu geschehen. Ein Warnen ist nicht erforderlich, wenn abgegebene Warnzeichen nichts nutzen oder eine Gefahr nur vergrößern würden.

Hinweis: In Bezug auf das Einschalten des Warnblinklichtes enthält § 16 Abs. 2 StVO (Warnzeichen) eine spezielle Regelung, die von Fahrer von Omnibussen im Linienverkehr und von Fahrern von Schulbussen zu beachten sind. Diese Regelung ist so eindeutig, dass sie keiner weiteren Begründung bedarf:

§ 16 StVO (Warnzeichen)

04 Unterlassen des Anzeigens einer Gefahrenstelle

TOP

2023 hatten die Richter des Landgerichts Hagen über einen Fall zu entscheiden, der im Folgenden kurz skizziert wird.

Anlass: Wegen einer Staubildung auf dem rechten Fahrstreifen einer BAB reduzierte ein Opelfahrer seine Geschwindigkeit innerhalb von 29 Sekunden von ca. 62 km/h auf ca. 11 km/h. Die Warnblinkanlage betätigte er nicht. Der hinter ihm fahrende Mercedesfahrer reagierte auf die Staubildung nicht rechtzeitig und fuhr mit 50 km/h auf den vor ihm fahrenden Opel auf.

Der Versicherungsnehmer der Klägerin wurde aufgrund des Unfalls erheblich verletzt, lag im Koma und konnte auch nach mehreren Operationen und Behandlungen nicht vollständig genesen. Der Mercedesfahrer machte vor Gericht geltend, dass der Opelfahrer das letzte Fahrzeug am Stauende gewesen sei und deshalb dazu verpflichtet gewesen sei, das Stauende durch das Betätigen des Warnblinklichts anzuzeigen.

LG Hagen 2023: Es bestand für den [Opelfahrer], auch wenn er möglicherweise das letzte Glied eines sich bildenden Staus gewesen sein sollte [...], keine Verpflichtung die Warnblinklichtanlage zu betätigen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich aus § 1 Abs. 2 StVO nämlich nicht bei jedem sich bildenden Stau, sondern nur dann, wenn sich aufgrund des Staus eine Gefährdungslage für den nachfolgenden Verkehr ergibt.

Aus der erweiterten Zulässigkeit der Verwendung des Warnblinklichts kann sich mittelbar eine Verpflichtung zu seiner Verwendung ergeben. Wie hinsichtlich der Warnzeichen nach § 16 Abs. 1 StVO ist Grundlage dafür § 1 Abs. 2 StVO. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gefährlichkeit der Situation und deren Erkennbarkeit für den nachfolgenden Verkehr an. Für die Annäherung an einen Stau auf der Autobahn ist eine solche Verpflichtung vor der Änderung von § 16 Abs. 2 Satz 2 StVO abgelehnt worden; nach der geltenden Rechtslage, nach der für diesen Fall die Verwendung der Warnblinkanlage ausdrücklich erlaubt ist, kommt dies im Einzelfall durchaus in Betracht. Die Einschaltung des Warnblinklichts bleibt aber grundsätzlich unzulässig, wenn keine Gefährdung, sondern nur eine Behinderung des Verkehrs vorliegt.

Wegen des Sichtfahrgebots muss ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich auch auf Bundesautobahnen mit der Gefahr rechnen, seine Geschwindigkeit unter Umständen plötzlich bis hin zum Stillstand abbremsen zu müssen. Kommt es - wie auf vielbefahrenen Strecken häufig - regelmäßig aus dem stockenden bis zähfließenden Verkehr heraus zu Stau oder wie vorliegend zu einem Rückstau an einer Autobahnausfahrt, bedarf es in der Regel keiner besonderen Warnung. Eine Warnung kann allerdings dort angebracht sein, wo das Stauende nicht gut zu erkennen ist (z.B. hinter einer Kurve oder Kuppe) und wo mit hohen Geschwindigkeitsdifferenzen zu rechnen ist.

Vorliegend ereignete sich der Verkehrsunfall auf der rechten Spur einer dreispurigen Autobahn, wobei nur der rechte Fahrstreifen von dem sich bildenden oder bereits gebildeten Stau betroffen war. Gerade wegen des vermehrt aufkommenden LKW-Verkehrs auf der rechten Fahrspur und häufig auftretenden Rückstaus wegen Autobahnabfahrten muss auf der rechten Fahrspur schon dem Grunde nach vermehrt mit Staubildungen gerechnet werden. [...]. Daneben kann bei einer Reduzierung der Geschwindigkeit von ohnehin schon nur 62 km/h bei erlaubten 100 km/h innerhalb von 29 Sekunden auf 11 km/h nicht die Rede von einer abrupten und nicht vorhersehbaren Staubildung sein, welche bei so guten Sichtverhältnisses möglicherweise noch eine Gefährdungslage begründen könnte.

Dagegen ist von einem groben Verschulden des [Mercedesfahrers] auszugehen. [...]. Hinter diesem groben Verschulden tritt die einfache Betriebsgefahr des [Opelfahrers] zurück.

LG Hagen, Urteil vom 31.05.2023 - 1 O 44/22

05 Gebrauch der Lichthupe

TOP

Der Gebrauch der Lichthupe dient allein dem Zweck, andere Verkehrsteilnehmer zu warnen. Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden. Wird mit Fernlicht geblinkt, dürfen entgegenkommende Fahrzeugführende nicht geblendet werden, siehe § 5 Abs. 5 StVO (Überholen).

Im Gebrauch der Lichthupe den „Verzicht auf Vorfahrt“ zu erkennen, kommt nur in ganz eindeutigen Fällen und auch nur dann in Betracht, wenn sich die davon betroffenen Fahrzeugführer diesbezüglich abgestimmt haben.

Anders ausgedrückt: Wer Leuchtzeichen, ohne warnen zu wollen, gibt, kann davon ausgehen, dass, wenn es zu einem Verkehrsunfall aufgrund einer Fehlinterpretation kommt, der Anscheinsbeweis gegen ihn spricht.

2022 hatten die Richter des OLG Hamm über einen Verkehrsunfall zu entscheiden, der im Folgenden kurz skizziert wird:

Anlass: Ein Linksabbieger geht davon aus, dass der Fahrer eines entgegenkommenden Opel, der die Lichthupe kurz betätigt hatte, damit zum Ausdruck bringen wollte, dass ihm, dem Mercedesfahrer als wartepflichtigem Linksabbieger Vorrang gewährt werden sollte.

OLG Hamm 2022: Nach dieser Vorschrift [gemeint ist § 9 StVO] muss, wer nach links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen.

§ 9 StVO (Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren)

Sofern der Linksabbieger seiner hiernach bestehenden Wartepflicht nicht genügt und es deshalb zu einem Unfall kommt, haftet er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen, weil an eine Verletzung des Vorfahrtrechts des geradeaus Fahrenden durch den Linksabbieger ein schwerer Schuldvorwurf anknüpft, wobei für das Verschulden des Abbiegenden der Anscheinsbeweis spricht.

Da es im Zusammenhang mit dem Abbiegevorgang des [Mercedesfahrers] zu einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug [des Opel] gekommen ist, spricht der Anscheinsbeweis gegen ihn. Um ihrer Haftung zu entgehen, wäre es damit [Aufgabe des Mercedesfahrers] gewesen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern und Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt.

Soweit [der Mercedesfahrer] behauptet, [der Opelfahrer] habe zunächst die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs stark verlangsamt und dann die „Lichthupe“ betätigt, reicht dies zur Darlegung eines Vorfahrtsverzichts nicht aus.

Selbst aus einem kurzen Halten vor einer Kreuzung, das missverständlich sein kann, darf nämlich nicht ohne weiteres auf einen eindeutigen Verzicht geschlossen werden.

Die Abgabe von Leuchtzeichen durch Betätigung der „Lichthupe“ hat nach § 16 Abs. 1 StVO allein die Funktion, andere Verkehrsteilnehmer zu warnen. Warnzeichen dürfen in aller Regel nicht als Zeichen der Verständigung gegeben werden. Zwar ist nicht zu übersehen, dass es sich im Verkehrsgeschehen vielfach eingebürgert hat, die „Lichthupe“ gleichwohl als Verständigungsmittel einzusetzen. Wegen des gesetzlichen Zwecks von Leuchtzeichen kommt der Lichthupe jedoch nicht die erforderliche Eindeutigkeit zu.

OLG Hamm, vom 25.07.2022 - 7 U 4/22

Hinsichtlich des Gebrauchs der Lichthupe als ein Verständigungszeichen heißt es in einer Entscheidung des OLG Hamm aus dem Jahr 1999 wie folgt:

OLG Hamm 1999: Die Abgabe von Leuchtzeichen durch Betätigung der „Lichthupe“ hat nach § 16 Abs. 1 StVO allein die Funktion, andere Verkehrsteilnehmer zu warnen; Warnzeichen dürfen in aller Regel nicht als Zeichen der Verständigung gegeben werden. Zwar ist nicht zu übersehen, dass es sich im Verkehrsgeschehen vielfach eingebürgert hat, die Lichthupe gleichwohl als Verständigungsmittel einzusetzen. Wegen des gesetzlichen Zwecks von Leuchtzeichen kommt der Lichthupe jedoch nicht die erforderliche Eindeutigkeit zu.

OLG Hamm, Urteil vom 21.09.1999 - 27 U 76/99

06 Gebrauch der Schallzeichen

TOP

In § 55 StVZO (Einrichtungen für Schallzeichen) ist festgelegt, dass jedes Fahrzeug in Deutschland mit einer Hupe ausgestattet sein muss.

§ 55 StVZO (Einrichtungen für Schallzeichen)

§ 16 Abs. 3 StVO (Warnzeichen) bestimmt, dass Schallzeichen nicht aus einer Folge verschieden hoher Töne bestehen dürfen.

Bei der Hupe, so die gängige Bezeichnung für die Bezeichnung für Einrichtungen, die Schallzeichen erzeugen, handelt es sich um ein akustisches Warnsignal und soll nur in Gefahrensituationen eingesetzt werden. Unnötiges Hupen gilt als Lärmbelästigung, siehe auch § 30 Abs. 1 StVO.

§ 30 Abs. 1 Satz 1 StVO (Umweltschutz, Sonn- und Feiertagsfahrverbot)
(1) Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten.

Für den Klang des Schallzeichens und für die Verwendung der Hupe gibt es Vorschriften. Gefährdete Verkehrsteilnehmer müssen rechtzeitig gewarnt werden, sie dürfen allerdings nicht erschreckt und andere Personen dürfen durch die Abgabe von Schallzeichen auch nicht belästigt werden. Der Grenzwert der Lautstärke darf in sieben Metern Entfernung nicht mehr als 105 dB(A) betragen.

Hinweis: Häufig kommt es vor, dass Autofahrer an einer grünen Ampel hupen, obwohl dies die StVO nicht erlaubt. Gleiches gilt auch für das traditionelle Hupen bei Hochzeiten und auch anlässlich der Europameisterschaft im Fußball, die im Juni 2024 in Deutschland ausgetragen wird, dürfte wohl kräftig gehupt werden, wenn die deutsche Mannschaft gewinnt. Es kann davon ausgegangen, dass die Polizei diesbezüglich nicht einschreiten wird.

07 Hupen als Protest anlässlich von Versammlungen

TOP

Zu Hupkonzerten kann es auch anlässlich von Demonstrationen kommen. Im Zusammenhang mit Protestaktionen der Landwirte gegen die Rücknahme der Subventionen für Agrardiesel hatte das Verwaltungsgericht Würzburg darüber zu entscheiden, ob es mit geltendem Recht vereinbar ist, wenn eine Versammlungsbehörde eine Demonstration nur unter der Auflage erteilt, bei den Treckerdemonstrationen nicht zu hupen.

VG Würzburg 2024: Nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) kann das Landratsamt [...] Als zuständige Behörde die Versammlung beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Behörde ihr Ermessen nach dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und insbesondere die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) einzuhalten und damit insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat.

Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Die „unmittelbare Gefährdung“ im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. In Ansehung der hohen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die von ihr vorzunehmende Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt im vorliegenden Kontext insbesondere, dass die versammlungsrechtlichen Einschränkungen in Bezug auf den Einsatz von Hupen als Kundgebungsmittel vor dem Hintergrund des mit den Anordnungen verfolgten Zwecks – im Wesentlichen dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs und der Anwohner vor übermäßigen Lärmbelästigungen – geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein müssen. Die widerstreitenden Interessen müssen durch die beanstandeten Nebenbestimmungen in angemessener Weise zueinander in Ausgleich gebracht werden.

Die angegriffenen Nebenbestimmungen erweisen sich nach summarischer Prüfung somit als rechtswidrig und führen zu einer Verletzung verfassungsrechtlich verbürgter Rechte aus Art. 8 Abs. 1 GG.

VG Würzburg, Beschluss v. 02.02.2024 – W 5 S 24.209

08 Radfahrer dürfen nicht grundlos angehupt werden

TOP

Ein Autofahrer, der einen Radfahrer grundlos anhupt, muss Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen, wenn es hierdurch zu einem Unfall kommt.

Vorliegend war der Autofahrer auf einer schmalen Straße direkt hinter einer älteren Radfahrerin gefahren und hatte dann plötzlich gehupt. Die Radfahrerin erschrak sich, fiel vom Fahrrad und zog sich Sturzverletzungen zu. Da keine direkte Gefahrensituation bestand, durfte der Pkw-Fahrer aber nicht hupen und musste ca. EUR 200 zahlen.

Zitiert nach: https://www.anwaltonline.com/verkehrsrecht/urteile/16193/radfahrer-nicht-grundlos-anhupen

AG Frankfurt/Main, 13.07.2007 - Az: 32 C 3625/06-48

09 Lichthupe und wartende Fußgänger

TOP

Hinsichtlich der Verwendung der Lichthupe gegenüber wartenden Fußgängern heißt es in einem Urteil des BGH aus dem Jahr 1977 wie folgt:

BGH 1977: Die die Verwendung der „Lichthupe“ als Warnsignal sei zwar grundsätzlich zulässig, im vorlie­genden Fall aber wegen der bestehenden Verkehrslage un­angebracht gewesen. Als Aufforderung zum Stehenbleiben sei das Zeichen unnötig gewesen. Der Beklagte hätte viel­mehr damit rechnen müssen, dass die Klägerin sein Leuchtzeichen als Aufforderung zum Weitergehen missdeuten würde. Es sei allgemein bekannt, dass Kraftfahrer die „Lichthupe“ häufig dazu benutzten, um Fußgängern anzuzeigen, dass sie trotz Annäherung des Fahrzeuges die Fahrbahn noch über­queren könnten.

Die trotzdem erfolgte Abgabe des Warnzeichens hat dazu geführt, dass die Klägerin das Aufblenden der Scheinwerfer als Aufforderung zum Weitergehen missver­standen und falsch reagiert hat. Fehlreaktionen von Fußgängern infolge unnötiger und unter Umständen verwir­render Warnzeichen sind für den Kraftfahrer oft voraus­sehbar und begründen dann sein Verschulden an dem nach­folgenden Zusammenprall mit dem Fußgänger.

[...]. Fußgänger dürfen nur dann durch „Lichthupe“ gewarnt werden, wenn sie eindeutig gefährdet sind und die Absicht der Warnung für sie offensichtlich ist. An­derenfalls muss ein Kraftfahrer damit rechnen, dass sein Leuchtzeichen als Einräumung des Vorranges und Aufforderung zum Überqueren der Fahrbahn missdeutet wird.

BGH, Urteil vom 15. Februar 1977 – VI ZR 71/76

10 Lichthupe oder Nötigung

TOP

Die Grenze zum Missbrauch der Leuchtsignale kann schnell erreicht sein. Ist das der Fall, dann kann aus einer Ordnungswidrigkeit eine Straftat werden. Wenn zum Beispiel der Hintermann auf der Autobahn nicht aufhört, mit Lichthupe und Auffahren zu drängeln, ist das als eine Nötigung zu bewerten.

§ 240 StGB (Nötigung)

Der hier zu erörternden Rechtsfrage wird zuerst einmal die Rechtsauffassung der Richter des Bundesverfassungsgerichts vorangestellt. Im Anschluss daran, Zitate aus einem Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 2005.

BVerfG 2007: Dichtes, bedrängendes Auffahren auf den Vordermann kann - insbesondere bei gleichzeitigem Betätigen von Lichthupe und Hupe - den Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 Strafgesetzbuch erfüllen, und zwar auch dann, wenn es im innerörtlichen Verkehr stattfindet. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. Dies entschied die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts. Damit war die Verfassungsbeschwerde eines wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilten Beschwerdeführers erfolglos. Der Beschwerdeführer war mit seinem Fahrzeug innerorts über eine Strecke von knapp 300 Metern bei einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h einem vor ihm fahrenden Verkehrsteilnehmer dicht aufgefahren, um diesen zu schnellerem Fahren oder einer Freigabe der Fahrbahn zu veranlassen. Dabei hatte er seine Lichthupe und - teilweise - auch die Hupe eingesetzt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Gewaltanwendung im Sinne des Nötigungsparagrafen liegt vor, wenn der Täter durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht lediglich psychisch wirkt, sondern körperlich empfunden wird. Pauschale Wertungen darüber, wann ein Verhalten im Straßenverkehr körperlichen Zwang auf einen anderen Verkehrsteilnehmer ausübt, können nicht getroffen werden. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Von Bedeutung sind unter anderem die Dauer und Intensität des bedrängenden Auffahrens, die gefahrenen Geschwindigkeiten, die allgemeine Verkehrssituation zum Zeitpunkt des dichten Auffahrens und ob der Täter bei dem Auffahrvorgang zugleich Hupe oder Lichthupe betätigt hat. All diese Faktoren lassen einzeln oder im Verbund Rückschlüsse auf die Auswirkungen des auf seine strafrechtliche Relevanz zu überprüfenden Verhaltens des Betroffenen zu. Werden diese Auswirkungen körperlich empfunden, führen sie also zu physisch merkbaren Angstreaktionen, liegt Zwang vor, der Gewalt sein kann. Auch innerorts ist ein nötigendes Verhalten grundsätzlich möglich. Allerdings bedarf es hier wegen der im Regelfall niedrigeren gefahrenen Geschwindigkeiten einer besonders genauen Prüfung, ob Nötigungsunrecht - insbesondere in Abgrenzung zu einer bloßen Ordnungswidrigkeit durch Unterschreiten des Sicherheitsabstandes - vorliegt.

BVerfG: Pressemitteilung Nr. 47/2007 vom 17. April 2007

11 Anforderung an Nötigung

TOP

Hinsichtlich der Anforderungen, die an vorwerfbares Handeln im Hinblick auf die Tatbestandserfüllung des Nötigungstatbestandes zu stellen sind, haben sich die Richter des OLG Hamm bereits 2005 wie folgt positioniert:

OLG Hamm 2005: Zwar kann im dichten Auffahren auf der Autobahn [...] Eine verwerfliche Zwangsausübung im Sinne einer Nötigung liegen. Maßgebend sind hierbei jedoch immer Streckenlänge, Intensität und Dauer solchen Verhaltens. Kurzes Bedrängen des Aufschließenden in offensichtlicher Überholabsicht oder andere kurzfristige Behinderungen, selbst wenn diese verkehrswidrig und aus „demonstrativen“ Gründen erfolgen, stellen jedoch noch keine Nötigung im Sinne des Gesetzes dar. [...]. Kurzzeitiges dichtes Auffahren - auch unter Betätigung der Lichthupe - erfüllt den Nötigungstatbestand regelmäßig noch nicht, ebenso wenig wie kurzes Bedrängen des Aufschließenden in offensichtlicher Überholabsicht bei Zurücklegung einer Strecke von nur wenigen 100 Metern. Erforderlich ist vielmehr - insbesondere für die Verwirklichung des Merkmals der Verwerflichkeit -, dass sich das Handeln massiv und ohne vernünftigen Grund darstellt, etwa bei Schikane, Mutwillen, Erziehungsabsicht oder beharrlicher Reglementierung aus Ärger und eigensüchtigen Motiven. Dabei müssen die Urteilsfeststellungen die als Nötigung zu beurteilenden Umstände im Einzelnen nachprüfbar schildern.

OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2005 - 3 Ss 304/05 

Fehler, Verbesserungsvorschläge und Fragen richten Sie bitte an:

info@rodorf.de

--------------------------------------------------------------

Die Pflege und der Unterhalt dieser Webseite sind mit Kosten
verbunden. Aus diesem Grunde können die anderen Kurse, die das polizeiliche Grundlagenwissen betreffen, nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Polizeiliches Grundlagenwissen
Printausgaben und E-Books
www.polizeikurse.de