§ 6 StVO - Vorbeifahren
Inhaltsverzeichnis:
01 Ziel
der Norm 02 Verbotstatbestände gemäß
Bußgeldkatalog 03 Vorbeifahren/Überholen
04 Kurzes Stehenbleiben 05
Vorrang des Gegenverkehrs bei Fahrbahnverengungen 06
Rückschaupflicht beim Vorbeifahren an Hindernissen
07 Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren 08
Seitenabstand/Radfahrunfälle 09
Betriebsgefahr und Mitverschulden 10
Vorrang durch Ge- und Verbotszeichen 11
Ordnungswidriges Verhalten iSv § 6 StVO
10 Schlüsselwörter
01
Ziel der Norm
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Die Vorschrift enthält
hinsichtlich der Frage, welcher Verkehrsrichtung der Vorrang
gebührt, die dafür erforderliche Lösung. Die besteht darin, dass
demjenigen Vorrang zu gewähren ist, der einen Fahrstreifen
benutzt, der frei ist. Anders ausgedrückt: Dort wo ein Hindernis
oder ein haltendes Fahrzeug ein Vorbeifahren nicht zulässt, hat
der, diesen Fahrstreifen benutzende Fahrzeugführer dem
Gegenverkehr Vorrang zu gewähren.
§ 6 StVO
(Vorbeifahren)
Fehlverhalten im Sinne von § 6 StVO gehört zwar nicht zu den
Hauptunfallursachen, dennoch kommt es täglich zu Fehlern beim
Vorbeifahren an Hindernissen (Baustellen, parkenden Autos, usw.)
02 Verbotstatbestände gemäß Bußgeldkatalog
TOP
Die in
Betracht kommenden Fehlverhaltensweisen beim Vorbeifahren, das
sind insgesamt 5 bußgeldbewehrte Verstöße, sind auf der Seite 7
des Bußgeldkataloges 2023 aufgelistet und werden im Folgenden
zitiert:
106100
Sie fuhren an einer Fahrbahnverengung/einem Hindernis auf der
Fahrbahn/einem haltenden Fahrzeug auf der Fahrbahn links vorbei,
ohne das entgegenkommende Fahrzeug durchfahren zu
lassen. § 6, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 30 BKat.
20,00 Euro
106101
Sie fuhren an einer Fahrbahnverengung/einem Hindernis auf der
Fahrbahn/einem haltenden Fahrzeug auf der Fahrbahn links vorbei,
ohne das entgegenkommende Fahrzeug durchfahren zu
lassen, und gefährdeten dadurch
Andere. § 6, § 1 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG;
30.1 BKat; § 19 OWiG 30,00 Euro
106102
Sie fuhren an einer Fahrbahnverengung/einem Hindernis auf der
Fahrbahn/einem haltenden Fahrzeug auf der Fahrbahn links vorbei,
ohne das entgegenkommende Fahrzeug durchfahren zu
lassen. Es kam zum Unfall. § 6, § 1 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs.
1, 3 Nr. 5 StVG; 30.2 BKat; §
19 OWiG 35,00 Euro
106106
Sie scherten vor einer Fahrbahnverengung/einem Hindernis auf der
Fahrbahn/einem haltenden Fahrzeug auf der Fahrbahn
aus, ohne es rechtzeitig und deutlich anzukündigen. § 6, § 49
StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 29 BKat 10,00 Euro
106112
Sie kündigten nach dem Vorbeifahren an einer
Fahrbahnverengung/einem Hindernis auf der Fahrbahn/einem
haltenden Fahrzeug auf der Fahrbahn das Wiedereinordnen nicht
rechtzeitig und deutlich an. § 6, § 49 StVO; § 24
Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 29 BKat 10,00 Euro
03 Vorbeifahren/Überholen
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Vorbeifahren und Überholen sind zwei Rechtsbegriffe, die
voneinander abzugrenzen sind:
Vorbeifahren:
Darunter ist ein Passieren, also ein im hier zu erörternden
Sinne zu definierendes „Vorbeikommen ohne anzuhalten“ an einen
haltenden, parkenden, liegen gebliebenen oder an einem
fahrplanmäßig haltenden öffentlichen Verkehrsmittel zu
verstehen, soweit es sich nicht um Überholvorgänge handelt, denn
verkehrsbedingt haltende Fahrzeuge, die links abbiegen, werden
zum Beispiel überholt.
OLG Hamm 2021:
Gemäß § 6 Satz 1 StVO muss, wer an einer Fahrbahnverengung,
einem Hindernis auf der Fahrbahn oder einem haltenden Fahrzeug
links vorbeifahren will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren
lassen. Muss ausgeschert werden, ist nach § 6 Satz 3 StVO auf
den nachfolgenden Verkehr zu achten und das Ausscheren sowie das
Wiedereinordnen - wie beim Überholen - anzukündigen. Damit
regelt § 6 StVO den Vorrang des Gegenverkehrs bei
Fahrbahnverengungen durch ein Hindernis und die gebotene
Vorsicht gegenüber dem nachfolgenden Verkehr.
OLG
Hamm, Urteil vom 28.09.2021 - 7 U 49/20
Überholen:
Diesbezüglich haben sich die
Richter des Bundesgerichtshofs 2016 wie folgt positioniert:
BGH 2016:
Leitsatz: 1. Das Tatbestandsmerkmal des Überholens wird auch
durch ein Vorbeifahren von hinten an sich in derselben Richtung
bewegenden oder verkehrsbedingt haltenden Fahrzeugen
verwirklicht, das unter Benutzung von Flächen erfolgt, die nach
den örtlichen Gegebenheiten zusammen mit der Fahrbahn einen
einheitlichen Straßenraum bilden.
An
anderer Stelle:
Überholen im Sinne der Straßenverkehrsordnung meint den
tatsächlichen Vorgang des Vorbeifahrens von hinten an Fahrzeugen
anderer Verkehrsteilnehmer, die sich auf derselben Fahrbahn in
dieselbe Richtung bewegen oder verkehrsbedingt halten.
An
anderer Stelle:
Ausgehend
von der Wortbedeutung und unter Berücksichtigung des Umstands,
dass das
Sichbewegen
auf derselben Fahrbahn kein taugliches Kriterium für eine
abschließende Erfassung besonders gefährlicher Fälle des
Vorbeifahrens liefert, wird das Tatbestandsmerkmal des
Überholens auch durch ein Vorbeifahren von hinten an sich in
derselben Richtung bewegenden oder verkehrsbedingt haltenden
Fahrzeugen verwirklicht, das unter Benutzung von Flächen
erfolgt, die nach den örtlichen Gegebenheiten zusammen mit der
Fahrbahn einen einheitlichen Straßenraum bilden. Danach ist ein
Überholen beispielsweise gegeben bei einem Vorbeifahren über
Seiten- oder Grünstreifen, über Ein- oder Ausfädelspuren oder
über lediglich durch Bordsteine oder einen befahrbaren
Grünstreifen von der Fahrbahn abgesetzte Rad- oder Gehwege.
Dagegen fehlt es an einem Überholvorgang etwa bei einem
Vorbeifahren unter Benutzung einer von der Fahrbahn baulich
getrennten Anliegerstraße oder mittels Durchfahren einer
Parkplatz- oder Tank- und Rastanlage auf der Bundesautobahn.
BGH,
Beschluss vom 15. September 2016 - 4 StR 90/16
Eine der
Abgrenzung zwischen einem Überholen und einem Vorbeifahren lässt
sich auch wie folgt ausdrücken:
OLG Köln 1998:
Ein Überholen iSv StVO § 5 und kein
Vorbeifahren iSv StVO § 6 liegt vor, wenn ein Kfz an einem
anderen sich in derselben Richtung bewegenden oder
verkehrsbedingt wartenden Fahrzeug vorbeifährt. Verkehrsbedingt
ist auch das Anhalten eines Kfz, um einen Fußgänger die Fahrbahn
überqueren zu lassen.
OLG
Köln, Urteil vom 4. Dezember 1998 - 19 U 83/98
04 Kurzfristiges Stehenbleiben
TOP
Kurzfristiges Stehenbleiben ist als Teilnahme am Straßenverkehr
zu verstehen.
LG Nürnberg-Fürth 2009:
Ein Fahrzeug, das kurzfristig auf der Fahrbahn stehen bleibt, um
sich hinsichtlich der weiteren Fahrtrichtung zu orientieren,
nimmt weiterhin am fließenden Verkehr teil, ein bloßes
Vorbeifahren nach § 6 StVO an einem haltenden Fahrzeug ist bei
einer solchen Verkehrslage nicht gegeben.
LG
Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.01.2009 - 2 S 8130/08
05 Vorrang des Gegenverkehrs bei
Fahrbahnverengung
TOP
Diesbezüglich kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine
kurzfristige oder um eine dauerhafte Fahrbahnverengung handelt.
Insbesondere bei beschilderten Fahrbahnverengungen kann es zu
„Rechtekollusionen“ kommen, die den Vorrang betreffen.
Diesbezüglich ist festzustellen, dass in solchen Fällen die im §
1 StVO (Grundregeln) zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung zur
defensiven Fahrweise von besonderer Bedeutung ist, wie das der
nachfolgende Sachverhalt zum Ausdruck bringt:
Beispiel:
Lars und Mia nehmen zurzeit im Bereich einer „Fahrbahnverengung
von zwei auf eine Fahrspur“, die durch das Gefahrenzeichen 120
(Verengte Fahrbahn) beschildert ist, einen Verkehrsunfall auf.
Vor Ort begründet einer der Unfallbeteiligten sein Vorrecht
damit, dass er sich auf der rechten Fahrspur befand und ihm
deshalb Vorrang zu gewähren ist. Diesen Standpunkt vertritt auch
der andere Unfallbeteiligte. Rechtslage?
Auch in
diesem Beispiel kann auf höchstrichterliche Rechtssprechung
zurückgegriffen werden:
BGH 2022:
Im Falle der Verengung von zuvor zwei auf nunmehr nur noch einen
Fahrstreifen gibt es - anders als beim Zeichen 121 („Einseitig
verengte Fahrbahn“) - nicht einen durchgehenden und einen
endenden Fahrstreifen, sondern beide Fahrstreifen werden in
einen Fahrstreifen überführt. Das Durchfahren der Engstelle ist
daher für sich genommen nicht mit einem Fahrstreifenwechsel im
Sinne des § 7 Abs. 5 StVO verbunden; auch greift das
Reißverschlussverfahren des § 7 Abs. 4 StVO nicht unmittelbar.
Die in
der Verengung liegende und durch das Zeichen 120 signalisierte
Gefahr führt jedoch zu einer erhöhten Sorgfalts- und
Rücksichtnahmepflicht der auf beiden Fahrstreifen auf die
Engstelle zufahrenden Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1, § 3
Abs. 1 StVO.
Nichts
anderes gilt auch dann, wenn beide Fahrzeuge gleichauf und mit
gleicher Geschwindigkeit an die Engstelle gelangen. Auch in
diesem Fall gebührt dem rechts fahrenden Fahrzeug nicht
regelhaft der Vortritt.
Das
Gefahrenzeichen 120 enthält eine derartige Vorrangregelung
nicht. [...]. Bei Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen in eine
Richtung ist dieses Rechtsfahrgebot [...]
unter
den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 3 StVO aufgehoben, so
dass sich auch der auf dem linken Fahrstreifen der Engstelle
nähernde Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verkehrsgerecht
verhält. Die Situation einer Kreuzung oder Einmündung, in der
die Vorfahrt hat, wer von rechts kommt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO),
ist nicht vergleichbar.
Im Ergebnis
hat daher keines der beiden Fahrzeuge den Vorrang und sind die
Fahrzeugführer gehalten, sich unter gegenseitiger
Rücksichtnahme
(§ 1 StVO) darüber zu verständigen, wer als erster in die
Engstelle einfahren darf. Gelingt die Verständigung nicht, sind
sie dazu verpflichtet, im Zweifel jeweils dem anderen den
Vortritt zu lassen.
BGH, Urteil
vom 08.03.2022 - VI ZR 47/21
Auch
wenn es sich bei der oben beschriebenen beschilderten
Fahrbahnverengung nicht um eine Verkehrssituation handelt, die
vom § 6 StVO (Vorbeifahren) erfasst ist, lässt sich dennoch aus
der sichtbar gewordenen Verkehrslage ableiten, wie sich
Verkehrsteilnehmer zu verhalten haben, die sich zeitgleich einem
Hindernis nähern, das nur einem der beiden ein Vorbeifahren
erlaubt, zum Beispiel die Lücke zu nutzen, die ein links und ein
rechts abgestellter Pkw dem fließenden Verkehr die Durchfahrt
erlauben.
Hinsichtlich des Vorbeifahrens an einer Unfallstelle bei
Glatteis haben die Richter des OLG Karlsruhe wie folgt
entschieden:
OLG Karlsruhe 1997:
Solange Gegenverkehr nicht erkennbar war, durfte der [Busfahrer]
zum Passieren der Erstunfallstelle auf die Gegenfahrbahn
wechseln; er musste dort [glatteisbedingt]
Schrittgeschwindigkeit einhalten und beim Auftauchen von
Gegenverkehr - sofern ihm ein rechtzeitiges Räumen der Engstelle
nicht möglich war - sofort anhalten, um den entgegenkommenden
Fahrzeugen die volle Sichtstrecke als Anhalteweg zu überlassen.
OLG
Karlsruhe, Urteil vom 28. November 1997 - 10 U 167/97
06 Rückschaupflicht beim Vorbeifahren an
Hindernissen
TOP
Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des AG Krefeld aus dem
Jahr 2010 wie folgt:
AG Krefeld 2010:
§ 6 S. 2 StVO schreibt demjenigen, der an einem Hindernis
vorbeifahren will und zu diesem Zwecke ausschert, vor, dass er
auf den nachfolgenden Verkehr zu achten und das Ausscheren
anzukündigen hat.
AG
Krefeld, Urteil vom 28.01.2010 - 3 C 490/08
Die
Fahrtrichtungszeichen sind durch das Betätigen des Blinkers
rechtzeitig anzuzeigen, sowohl vor dem Erreichen des
Hindernisses als auch im Anschluss an das Vorbeifahren.
07 Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren
TOP
Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des saarländischen
Oberlandesgerichts aus dem Jahr 2017 bereits in den Leitsätzen
wie folgt:
OLG Saarbrücken 2017:
1. Beim Vorbeifahren an einem
Hindernis (§ 6 StVO) treffen den Ausscherenden gegenüber dem
nachfolgenden Verkehr dieselben Sorgfaltspflichten wie einen
Überholenden. Der Sorgfaltsmaßstab des Überholenden ist aber
höher als der des Vorbeifahrenden, weil dieser auf den
nachfolgenden Verkehr zu „achten“ hat, während der Überholende
sich so zu
verhalten
hat, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs
„ausgeschlossen“ ist.
2. Eine
unklare Verkehrslage liegt nicht vor, wenn für den Überholenden
nicht konkret erkennbar war, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug
- hier: Traktorgespann - wegen eines am Fahrbahnrand
abgestellten Pkw zu einem Ausweichmanöver ansetzen würde.
Saarländisches OLG, Urteil vom 16.11.2017 - 4 U 100/16
08 Seitenabstand und Radfahrunfälle
TOP
Selbstverständlich sich auch beim Vorbeifahren Seitenabstände zu
beachten, die aber, je nach Verkehrssituation, sich in
Zentimeter nicht bestimmen lassen. Soweit ein Vorbeifahren
möglich ist, ohne jemanden zu behindern oder zu gefährden, kann
von verkehrsgerechtem Fahren ausgegangen werden.
Das
nachfolgende Beispiel ereignet sich sozusagen täglich in
bundesdeutschen Großstädten. Welche Unfälle damit gemeint sind,
dass mache der Beschluss des Kammergerichts Berlin aus dem Jahr
2010 deutlich:
KG Berlin 2010:
Will ein Radfahrer durch eine ca. 1,5 m breite Lücke zwischen
einem auf der Fahrbahn stehenden Pkw und schräg zur Fahrbahn
rechts parkenden Fahrzeugen fahren und kommt er infolge des
Öffnens der Beifahrertür des stehenden Pkws zu Fall, so kommt
ein Mitverschulden des Radfahrers nach einer Quote von ¼ in
Betracht.
Der
Radfahrer, dessen Fahrzeugbreite mit ca. 0,6 m anzusetzen ist,
hält nämlich in einem solchen Fall keinen ausreichenden
Sicherheitsabstand nach links und rechts ein, da dieser jeweils
nur ca. 0,45 m beträgt.
KG,
Beschluss vom 20.09.2010 - 12 U 216/09
09 Betriebsgefahr und
Mitverschulden
TOP
Unfälle,
die durch das Fehlverhalten beim Vorbeifahren entstehen können,
lassen sich hinsichtlich der Schuldzuweisung – die eine
richterliche Entscheidung voraussetzt, ohne die Betriebsgefahr,
die sich zwangsläufig aus der Teilnahme am Straßenverkehr mit
zulassungspflichtigen Fahrzeugen ergeben, nicht „gerecht“ lösen,
denn oftmals ist ein Mitverschulden eines Geschädigten gegeben.
Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des OLG Koblenz aus dem
Jahr 2005 wie folgt:
OLG Koblenz 2005:
Die Betriebsgefahr des
Fahrzeugs der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt erhöht. Eine
Erhöhung der Betriebsgefahr liegt vor, wenn durch das
Hinzutreten besonderer Umstände die notwendigerweise mit dem
Betrieb eines Fahrzeugs verbundene Gefahr vergrößert wird.
Hierzu zählt nicht nur eine fehlerhafte oder verkehrswidrige
Fahrweise. Vielmehr kommen auch unabhängig von einer
vorwerfbaren Handlung der mit dem Betrieb des Fahrzeugs
befassten Personen objektive Umstände in Betracht, die das
Gefahrenpotenzial erhöhen. Insoweit ist zu beachten, dass die
Klägerin in einer nicht einsehbaren Kurve die Gegenfahrbahn in
Anspruch genommen hat; sie bewegte sich dort langsam an dem
liegengebliebenen Fahrzeug vorbei und versperrte, wenngleich für
kurze Zeit, zusammen mit diesem stehenden Fahrzeug die Fahrbahn
in großer Breite. Bereits dieser objektive Befund ist bei der
Abwägung nach § 17 StGB beachtlich. Ein Mitverschulden kommt
hinzu.
§ 17 StGB
(Verbotsirrtum)
Die
Klägerin hat den Unfall mitverschuldet. Ein Kraftfahrer darf
allerdings auch in einer unübersichtlichen Kurve an einem dort
haltenden Fahrzeug unter Benützung der Gegenfahrbahn
vorbeifahren, jedoch nur dann, wenn er dabei die nach den
gegebenen Umständen gebotene besondere Vorsicht beachtet.
OLG
Koblenz, Urteil vom 07.11.2005 - 12 U 1240/04
10 Vorrang durch Ge-
und Verbotszeichen
TOP
Im § 6
StVO (Vorbeifahren) heißt es unter anderem:
Wer an
einer Fahrbahnverengung, einem Hindernis auf der Fahrbahn oder
einem haltenden Fahrzeug links vorbeifahren will, muss
entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Satz 1 gilt
nicht, wenn der Vorrang durch Verkehrszeichen (Zeichen 208, 308)
anders geregelt ist.
Bei den
im Text genannten Zeichen handelt es sich um die nachfolgend
aufgeführten Verkehrszeichen der Anlage 3 zur StVO.
Zeichen 208 Ge- oder Verbot Wer ein Fahrzeug führt,
hat dem Gegenverkehr Vorrang zu gewähren.
Link zum Verkehrszeichen
Zeichen 308 Ge- oder Verbot Wer ein Fahrzeug führt,
hat Vorrang vor dem Gegenverkehr.
Link zum Verkehrszeichen
Aber
auch in Bereichen, in denen der Vorrang des Vorbeifahrens durch
Ge- oder Verbotszeichen geregelt ist, kann es zu
Missverständnissen kommen, die sich durch unter Anwendung der
Grundregel des § 1 StVO Abs. 1 regeln lassen.
§ 1 StVO
(Grundregeln)
Zu
Missverständnissen kann es zum Beispiel kommen, wenn derjenige
Fahrzeugführer, der Vorrang zu gewähren hat, aber eine
Fahrbahnverengung schon erreicht hat, wenn sein Gegenüber noch
relativ weit davon entfernt ist, und deshalb in die Verengung im
Vertrauen darauf, dass der andere einsichtig ist und die Fahrt
verlangsamt, in die Verengung einfährt, sich dann aber sein
Gegenüber auf seinen Vorrang sich beruft, obwohl der andere die
Fahrbahnverengung schon fast durchfahren hat und es dabei zu
einem Zusammenstoß beider Fahrzeuge kommt, dann sind
Polizeibeamte, die solch einen Unfall aufnehmen, nicht nur die
in NRW gut beraten, sich streng an den Erlass ihrer obersten
Dienstbehörde zu halten, in der die Aufnahme von Unfällen durch
die Polizei geregelt ist. In NRW ist das der Erlass „Aufgaben
der Polizei bei Verkehrsunfällen RdErl. Des Innenministeriums -
41 - 61.05.01 - 3 - vom 25.8.2008“
2.1.3
Verkehrsunfallbefund Ein Verkehrsunfallort ist ein
Tatort. [...]. Im Rahmen der Verkehrsunfallaufnahme sind
objektive und subjektive Befunde zu erheben. Für den objektiven
Befund werden Sachbeweise erhoben. Der subjektive Befund umfasst
die Aussagen von Beteiligten und Zeugen sowie eigene
Schlussfolgerungen. Beschuldigte, Betroffene und Zeugen sind zu
belehren; dies ist aktenkundig zu machen.
Die
Ergebnisse des objektiven und subjektiven Befundes sind
zusammenzuführen und abzugleichen. [...]. Im Anschluss werden
die Unfallursache, das Verkehrsdelikt und der Verursacher
vorläufig bestimmt.
Erlass Unfallaufnahme Polizei NRW
Es ist
nicht Aufgabe der Polizei, die Schuldfrage zu klären.
11 Ordnungswidriges Verhalten iSv § 6 StVO
TOP
Ordnungswidrig verhält sich, wer vorsätzlich oder fahrlässig
gegen eine Vorschrift über das Vorbeifahren nach § 6 StVO
(Vorbeifahren) verstößt. Wer ein Hindernis auf der linken
Fahrbahn, also der Fahrbahn des Gegenverkehrs umfährt,
unterliegt dabei aber nicht der gesteigerten Sorgfalt wie beim
Überholen.
Vorsätzlich handelt:
Vorsätzlich iSv § 6 StVO handelt, wer mit Wissen und Wollen die
Ordnungswidrigkeit begeht, also in Kenntnis des verbotenen
Tatbestandsmerkmals, die Verwirkung dieses Tatbestandsmerkmals
will.
Fahrlässiges Handeln:
Fahrlässig begeht eine Ordnungswidrigkeit iSv § 6 StVO, wer
unbewusst oder ungewollt aber dennoch pflichtwidrig einen
verbotenen Tatbestand dieser Norm verwirkt, der vermeidbar
gewesen wäre, wenn der Täter mit der Sorgfalt, zu der er nach
seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande war,
außer acht lässt, also pflichtwidrig handelt, und deshalb die
rechtswidrige Handlung nicht als eine solche erkennt oder
voraussieht.
Bewusste
Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Handelnde die Möglichkeit
der Tatbestandsverwirklichung erkennt, aber (pflichtwidrig)
darauf vertraut, dass sie nicht eintreten werde.
12 Schlüsselwörter
TOP
Vorbeifahren
- Begriffsdefinition
Vorbeifahren - Kurzfristiges Stehenbleiben von Fz
Vorbeifahren - Vorrang des Gegenverkehrs
Vorbeifahren - Rückschaupflicht
Vorbeifahren - Sorgfaltspflichten
Vorbeifahren
- Vorsatz
Vorbeifahren - Fahrlässigkeit
Vorbeifahren - Bewusste Fahrlässigkeit
Vorbeifahren -
TBNRn im Bußgeldkatalog
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