§ 4 StVO -
Sicherheitsabstand
Inhaltsverzeichnis:
01
Allgemeines 02 Anwendungsbereich der
Vorschrift 03 Weitere Abstandsregelungen
04 Grundregel des § 4 Abs. 1 StVO
05 Abstand zum vorausfahrenden
Fahrzeug 06 Anscheinsbeweis
bei atypischer Verkehrslage 07 Zwingender
Grund zum Abbremsen 08 Abstandsmessung
durch die Polizei 09 Abstandsmessung von
Brücken 10 Drängeln und Schieben 11
Nötigung im Straßenverkehr 12
Kurzfristige Unterschreitung des Sicherheitsabstandes 13
Zusammenfassung § 4 Abs. 1 StVO 14
§ 4 Abs. 2 und 3 StVO 15
Quellen
01
Allgemeines
TOP
Die Missachtung des
Sicherheitsabstandes zählt zu den häufigsten Unfallursachen im
Straßenverkehr.
Runtervomgas.de
2023:
Häufig halten junge Erwachsene keinen Sicherheitsabstand ein.
2022 war rund jeder sechste Fehler einer 18- bis 24-jährigen
Person bei Unfällen mit Personenschaden ein Abstandsfehler –
rund 15,9 Prozent. Damit ist es die zweithäufigste Verfehlung
junger Erwachsener bei Unfällen mit Verunglückten. Häufiger
verzeichnet die Statistik bei ihnen nur das Fahren mit
unangepasster Geschwindigkeit als Unfallursache (etwa 18
Prozent). Bei Fahrzeugführenden im Alter zwischen 25 und 34
Jahren war unzureichender Abstand sogar die häufigste Ursache
bei Unfällen mit Personenschaden (15,7 Prozent).
Die Polizei
hat im vergangenen Jahr 25.652 Abstandsfehler bei Unfällen mit
Personenschaden innerhalb von Ortschaften registriert. Auf
Landstraßen waren es 10.515, auf Autobahnen 6.971
[En01].
Laut
Straßenverkehrsordnung muss der Sicherheitsabstand zum
vorausfahrenden
Fahrzeug so groß sein, dass zu jeder Zeit hinter diesem gehalten
werden kann – auch wenn der Vordermann unerwartet scharf bremst.
Diese Regel gilt übrigens auch für Radfahrer, wenn diese hinter
einem anderen Fahrrad oder einem Fahrzeug fahren. Der optimale
Sicherheitsabstand richtet sich nach dem eigenen Fahrzeug, den
Verkehrsverhältnissen, der Geschwindigkeit und dem Gebiet, indem
der Verkehrsteilnehmer unterwegs ist.
Innerhalb einer geschlossenen Ortschaft muss der Abstand zum
vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer gleich der in einer Sekunde
gefahrenen Strecke entsprechen. Bei Tempo 50 km/h beträgt der
Mindestabstand also 15 Meter. Außerhalb geschlossener
Ortschaften – wie auf Autobahnen oder Landstraßen – gilt die
Faustregel: Abstand gleich halber Tachowert. Fährt ein Auto 120
km/h auf der Autobahn, müssen mindestens 60 Meter
Sicherheitsabstand zum Vordermann eingehalten werden. Für
schwere Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gewicht gilt: Fahren sie
schneller als 50 km/h, muss ein Mindestabstand von 50 Metern
eingehalten werden.
§ 4 StVO
(Abstand)
02 Anwendungsbereich der Vorschrift
TOP
Die
Regelung findet ausschließlich Anwendung für den einzuhaltenden
Sicherheitsabstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen im Sinne der
Straßenverkehrsordnung.
Die Straßenverkehrsordnung definiert
sehr präzise, wie ein Fahrzeug beschaffen sein muss.
Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein Beförderungsmittel,
das für die Verwendung auf der Straße vorgesehen ist. Dazu
gehören: Pkw, Lkw, Busse, Motorräder, Mopeds und andere
Fahrzeuge bis hin zum Fahrrad. Fahrbare Arbeitsmaschinen sind
ebenfalls Fahrzeuge, während es aber auch Fortbewegungshilfen
gibt, die laut Straßenverkehrsordnung nicht unter den
Fahrzeugbegriff fallen (Kinderspielzeug).
Auch E-Scooter und natürlich auch
E-Bikes sind Fahrzeuge im Sinne der StVO. Sofern es keinen
Radweg gibt, müssen E-Scooter nach § 10 eKFV innerhalb
geschlossener Ortschaften auf der Straße fahren. Das Gleiche
gilt außerhalb geschlossener Ortschaften, sofern dort kein
Seitenstreifen vorhanden ist. Dann müssen sie auf diesen
ausweichen. E-Scooter dürfen weder eine Autobahn noch eine
Kraftfahrstraße benutzen.
03 Weitere Abstandsregelungen
TOP
Neben
der Abstandsregelung, die im § 4 StVO (Abstand) gegenüber
vorausfahrenden Fahrzeugen einzuhalten ist, gibt es in der StVO
eine Vielzahl weiterer Regelungen, die sowohl einzuhaltende
Sicherheitsabstände als auch „Abstände im Sinne von
Entfernungen“ enthalten.
Dabei
handelt es sich um die nachfolgend aufgeführten Regelungen:
Abstandsregelungen im Hinblick auf Entfernungen enthalten auch
folgende Verkehrszeichen:
Zeichen 156 Bahnübergang mit dreistreifiger Bake
Bahnübergang mit dreistreifiger Bake etwa 240 m vor dem
Bahnübergang. Die Angabe erheblich abweichender Abstände kann an
der dreistreifigen, zweistreifigen und einstreifigen Bake
oberhalb der Schrägstreifen in schwarzen Ziffern erfolgen.
Zeichen 159 Zweistreifige Bake Zweistreifige Bake etwa
160 m vor dem Bahnübergang
Zeichen 162 Einstreifige Bake Einstreifige Bake etwa
80 m vor dem Bahnübergang
Zeichen 273
Verbot des Unterschreitens des angegebenen
Mindestabstandes
Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5
t oder eine Zugmaschine führt, darf den angegebenen
Mindestabstand zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug gleicher
Art nicht unterschreiten. Personenkraftwagen und Kraftomnibusse
sind ausgenommen.
Grafik Zeichen 273
Zeichen 620 Leitpfosten Um den Verlauf der Straße
kenntlich zu machen, können an den Straßenseiten Leitpfosten in
der Regel im Abstand von 50 m und in Kurven verdichtet stehen.
In
diesem Kapitel werden nur solche Abstandsfehler thematisiert,
die im Bußgeldkatalog 2023 zu § 4 StVO (Abstand) aufgeführt
sind. Da es sich insgesamt um 542
Ordnungswidrigkeitentatbestände handelt, kann es im hier zu
erörternden Sachzusammenhang nur um solche Abstandsfehler gehen,
die zum Verständnis dieser Unfallursache grundlegend sind.
Sinnvoll ist es, den über den folgenden Link aufrufbaren
Bußgeldkatalog 2023 im Hinblick auf die Abstandsfehler, die auf
den Seiten 57 bis 62 (TBNR 104100 bis 104642) aufgeführt sind,
zumindest grob zu sichten, um sich einen Eindruck darüber
verschaffen zu können, was im Zusammenhang mit der Einhaltung
des Sicherheitsabstandes alles falsch gemacht werden kann.
Bußgeldkatalog 2023 – Seite 57 bis 62
04 Grundregel des § 4 Abs. 1 StVO
TOP
(1) Der
Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so
groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann,
wenn es plötzlich gebremst wird. Wer vorausfährt, darf nicht
ohne zwingenden Grund stark bremsen.
Die
Grundregel zwingt den Fahrzeugführer dazu, sich stets, bevor er
den Sicherheitsabstand aufgibt, darüber Gedanken zu machen, ob
dies nach der Verkehrslage geboten oder gerechtfertigt ist. Das
grundsätzliche Gebot an den Nachfahrenden, einen
Sicherheitsabstand einzuhalten, findet sein Gegenstück in der
Verpflichtung des Vorausfahrenden, niemals ohne zwingenden Grund
stark zu bremsen.
05 Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug
TOP
Im Hinblick auf den zum
vorausfahrenden Fahrzeug einzuhaltenen Sicherheitsabstand
haben sich die nachfolgend aufgeführten
Faustformeln bewährt:
Innerorts:
Dort sollte der Abstand der Länge entsprechen, die innerhalb 1
Sekunde gefahren wird. Bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von
50 km/h entspricht dann der einzuhaltende Sicherheitsabstand ca.
15 Meter, was ungefähr drei Fahrzeuglängen entspricht.
Außerorts:
Dort sollte der Abstand der Länge entsprechen, die innerhalb von
2 Sekunde gefahren wird. Das entspricht in etwa dem halben
Tachowert. Einfacher zu merken ist die Regelung zum halben
Tachowert wie folgt: 100 km/h gleich 50 m Sicherheitsabstand.
Die Rechtssprechung der Oberlandesgerichte ist genauer. Dort
wird ein 1,5-Sekunden-Abstand eingefordert.
Wie dem auch immer sei:
Die StVO regelt nicht konkret, welcher Abstand zum Vordermann
eingehalten werden muss. § 4 Abs. 1 StVO bestimmt nur, dass der
Abstand von einem vorausfahrenden Fahrzeug grundsätzlich so groß
sein muss, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn
das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich gebremst wird.
Kommt es
zu einem Auffahrunfall, kann grundsätzlich davon ausgegangen
werden, dass der Auffahrende den Unfall verursacht hat.
OLG Karlsruhe 2012:
Bei einem Auffahrunfall wird der Anscheinsbeweis für einen
schuldhaften Verkehrsverstoß des Auffahrenden (zu geringer
Abstand und/oder Unaufmerksamkeit) in der Regel auch dann nicht
erschüttert, wenn der Fahrer des vorderen Fahrzeugs ohne
verkehrsbedingten Anlass eine abrupte Bremsung durchgeführt hat.
Bei
einer abrupten Bremsung ohne äußeren Anlass liegt allerdings
gleichzeitig ein schuldhafter Verkehrsverstoß des
vorausfahrenden Fahrzeugführers vor; bei einem Auffahrunfall
kann eine Haftungsquote von 50 % in Betracht kommen.
OLG
Karlsruhe, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 9 U 88/11
Um ein
sachgerechtes Urteil treffen zu können, ist es Aufgabe der
Polizei, bei Auffahrunfällen alle Fakten festzustellen, die für
den Verkehrsunfall ursächlich gewesen sind.
Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des OLG Jena aus dem Jahr
2005 wie folgt:
OLG Jena 2005:
Im Falle eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVO muss das
Urteil nachprüfbar darlegen, warum der Abstand zu gering gewesen
ist und welchen Abstand das vom Betroffenen geführte Fahrzeug
überhaupt zum vorausfahrenden PKW einhielt. Auch sind
Feststellungen zu den gefahrenen Geschwindigkeiten und den
Sichtverhältnissen erforderlich.
OLG
Jena, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 1 Ss 148/05
Offenkundiges Unterschreiten des Sicherheitsabstandes:
Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des OLG Hamm aus dem
Jahr 2018 wie folgt:
OLG Hamm 2018:
Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden kann allenfalls
erschüttert sein, wenn eine grundlose Vollbremsung mit der
nötigen Gewissheit im Sinne des § 286 ZPO bewiesen ist.
Ein
Sicherheitsabstand von 2 m auf das vorausfahrende Fahrzeug ist,
gerade im außerörtlichen Verkehr, immer unzureichend und macht
eine rechtzeitige Reaktion auf Fahrmanöver des Vorausfahrenden
unmöglich.
Unterschreitet der Auffahrende den gebotenen Sicherheitsabstand
in besonders gravierender Weise (hier: 2 m Abstand statt
gebotener 10 m), tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden
Fahrzeugs vollständig zurück, selbst wenn ein geringer Verstoß
des Vorausfahrenden gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO vorliegen sollte.
OLG
Hamm, Beschluss vom 31.08.2018 - 7 U 70/17
06 Anscheinsbeweis bei atypischer Verkehrslage
TOP
Der
Anscheinsbeweis, der für ein Fehlverhalten des Auffahrenden
spricht, greift nicht, wenn aufgrund bewiesener Tatsachen oder
typischen Fehlverhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, dem
Nachfahrenden zum Beispiel die Sicht auf das vorausfahrende
Fahrzeug versperrt war oder wegen eines plötzlichen
Fahrstreifenwechsels eines Vorausfahrenden auf einer
mehrspurigen Fahrbahn, wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall,
der Unfall dadurch sozusagen für den Auffahrenden unvermeidbar
wurde.
Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2011
wie folgt:
BGH 2011:
Die
Anwendung des Anscheinsbeweises setzt auch bei Verkehrsunfällen
Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen
Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein
Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um
Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine
schuldhafte Verursachung typisch ist (...). Demnach kann bei
Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen
ereignen, grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden
des Auffahrenden sprechen (...). Es reicht allerdings allein das
„Kerngeschehen“ - hier: Auffahrunfall - als solches dann als
Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere
Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als
Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen
gegebene Typizität sprechen.
BGH,
Urteil vom 13.12.2011 - VI ZR 177/10
Zur
Erschütterung des Anscheinsbeweises genügt somit bereits die
ernsthafte Möglichkeit eines atypischen
Geschehensablaufs. In einem Urteil des OLG Düsseldorf heißt es
dazu:
OLG 2018:
Es müssen Umstände feststehen bzw. nachgewiesen sein, aus denen
sich zumindest die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden
Geschehensablaufs ergibt (...).
Dies
bedeutet im Umkehrschluss, dass der Anwendung des
Anscheinsbeweises entgegenstehen kann, wenn Umstände vorliegen,
die der Annahme der Typizität entgegenstehen. Soweit der
Bundesgerichtshof formuliert hat, dass gegen die Typizität eines
Auffahrunfalls spricht, wenn ein vor dem Auffahren vorgenommener
Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeuges bekannt ist (...), so
ist dies als ein Beispiel für das Entfallen der Typizität zu
verstehen. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass der
Spurwechsel als solcher bewiesen sein muss. Es genügt, dass
Umstände vorliegen – die gegebenenfalls zu beweisen sind -, die
– beispielsweise für einen vorausgegangenen Fahrspurwechsel und
– gegen eine Typizität sprechen (...). Entscheidend kommt es
darauf an, welche Umstände des Gesamtgeschehens festgestellt
werden können.
OLG
Düsseldorf – Az.: I-1 U 27/18 – Urteil vom 18.12.2018
Dies
festzustellen ist unter anderem Aufgabe der Polizei bei der
Aufnahme von Verkehrsunfällen. Diesbezüglich heißt es im Erlass
„Aufgaben der Polizei bei Verkehrsunfällen RdErl. des
Innenministeriums - 41 - 61.05.01 - 3 - vom 25.8.2008“ wie
folgt:
2.1.3
Verkehrsunfallbefund Ein Verkehrsunfallort ist ein
Tatort.
Die
Situation beim Eintreffen am Verkehrsunfallort ist insbesondere
bei Verkehrsunfällen mit komplexer Spurenlage oder schweren
Folgen zu dokumentieren. Spuren sind zu schützen. Es ist darauf
zu achten, dass Veränderungen der Spurenlage möglichst
verhindert werden; eine veränderte Spurenlage ist zu
dokumentieren.
Die
Daten der Personen, die als Beteiligte, sonstige Geschädigte
oder Zeugen in Frage kommen, sind zu erheben.
Im
Rahmen der Verkehrsunfallaufnahme sind objektive und subjektive
Befunde zu erheben. Für den objektiven Befund werden Sachbeweise
erhoben. Der subjektive Befund umfasst die Aussagen von
Beteiligten und Zeugen sowie eigene Schlussfolgerungen.
Beschuldigte, Betroffene und Zeugen sind zu belehren; dies ist
aktenkundig zu machen.
Die
Ergebnisse des objektiven und subjektiven Befundes sind
zusammenzuführen und abzugleichen. Dadurch können sich auch
Hinweise auf strafrechtlich oder strafprozessual relevante
Sachverhalte, wie manipulierte Verkehrsunfälle, Kapitaldelikte
oder Suizide ergeben. Hierüber ist unverzüglich die jeweils
zuständige Fachdienststelle zu informieren.
Im
Anschluss werden die Unfallursache, das Verkehrsdelikt und der
Verursacher vorläufig bestimmt.
07 Zwingender Grund zum Abbremsen
TOP
Im § 4
Abs. 1 StVO (Abstand) heißt es sinngemäß, dass derjenige, der
vorausfährt, nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen darf. Die
Sprachfigur des „zwingenden Grundes“ ist trotz seiner
Abstraktheit hinreichend bestimmt, obwohl er enger auszulegen
ist als die Sprachfigur des „triftigen Grundes“. Während ein
triftiger Grund lediglich nachvollziehbar sein muss, wird an
einen zwingenden Grund ein „Mehr an Notwendigkeit“ einzufordern
sein, denn „zwingend“ im hier zu erörternden Sinne heißt:
einleuchtend, plausibel, notwendig, geboten, unabdingbar,
unerlässlich oder auch alternativlos.
KG Berlin 2006:
Treffen starkes Bremsen ohne zwingenden Grund sowie
Unaufmerksamkeit und/oder unzureichender Sicherheitsabstand
zusammen, so fällt der Beitrag des Auffahrenden grundsätzlich
doppelt so hoch in Gewicht; das führt dazu, dass der Auffahrende
vom Vorausfahrenden
regelmäßig
Schadensersatz
nach einer Quote von 1/3 verlangen kann. Die Mithaftung des
Vorausfahrenden ist umso größer, je unwahrscheinlicher ein
starkes plötzliches Abbremsen ist. Vollzieht der mit einem
Automatik-Fahrzeug nicht vertraute Vorausfahrende in einem
Abstand von 75 - 100 m vor einer roten Ampel plötzlich eine
Vollbremsung, weil er mit dem linken Fuß - in der Vorstellung,
eine Kupplung zu treten - kräftig auf die Bremse tritt, kommt im
Verhältnis zu dem unaufmerksamen Auffahrenden eine
Haftungsverteilung 50:50 in Betracht.
KG
Berlin, Urteil vom 13. Februar 2006 - 12 U 70/05
Auch die
Ausführungen des OLG Frankfurt zum unbestimmten Rechtsbegriff
des „zwingenden Grundes“ ein Fahrzeug stark abzubremsen, heißt es
bereits in den Leitsätzen:
OLG Frankfurt 2006:
1. Ein
Autofahrer darf den Verkehrsfluss nicht dadurch behindern, dass
er ohne Ankündigung und ohne für den nachfolgenden Verkehr
erkennbare Ursache plötzlich abbremst.
2. Der
Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Auffahrenden beruht auf
dem Erfahrungssatz, dass das Auffahren im gleichgerichteten
Verkehr regelmäßig auf mangelnde Aufmerksamkeit, überhöhte
Geschwindigkeit oder einen ungenügenden Sicherheitsabstand des
Auffahrenden zurückzuführen ist. Voraussetzung für seine
Anwendung ist deshalb das Vorliegen einer Standardsituation, in
der eine allenfalls denkbare andere Ursache so unrealistisch
erscheint, dass sie außer Betracht bleiben kann.
3. Die für
die Anwendung des für ein Verschulden des
Auffahrenden
sprechenden Anscheinsbeweises erforderliche Typizität der
Unfallkonstellation fehlt, wenn ein Umstand vorliegt, der als
Ursache aus dem Verantwortungsbereich des Vordermanns in
Betracht kommt, etwa ein dem Auffahren unmittelbar
vorausgegangener Spurwechsel des Vordermanns oder dessen dem
Auffahren vorangegangenes grundloses Abbremsen. Ist ein solcher
atypischer Umstand unstreitig, fehlt die Typizität der
Unfallkonstellation und damit die Voraussetzung für eine
Anwendung des Anscheinsbeweises.
OLG
Frankfurt 2006: Urteil vom 2. März 2006 – 3 U 220/05
08 Abstandsmessungen durch die Polizei
TOP
In den
weitaus meisten Fällen wird es sich dabei um Abstandsmessungen
der Polizei auf Kraftfahrtstraßen oder Bundesautobahnen handeln.
Soweit es sich dabei um standardisierte Messverfahren handelt,
sind die gewonnenen Ergebnisse generell gerichtsverwertbar.
Bei den
Abstandsverstößen
iSv
§ 4 StVO handelt es sich um eine der häufigsten begangenen
Verkehrsordnungswidrigkeiten. Für die Feststellung, ob der
erforderliche Sicherheitsabstand eingehalten worden ist, stehen
im polizeilichen Berufsalltag verschiedene Messverfahren zur
Verfügung.
Das
häufigste Messverfahren ist das auf Brücken installierte
stationäre Brücken-/Videoabstandsmessverfahren (VAMA oder VKS
3.01). Messungen werden aber auch mit in Streifenwagen
installierten Police-Pilot-Systemen durchgeführt, die zugleich auch
Geschwindigkeitsüberschreitungen beweissicher festhalten.
Dabei
handelt es sich aber nicht um ein standardisiertes Messverfahren
zur Abstandsmessung, so dass die Polizeibeamten, die solche
Geräte zur Abstandsmessung einsetzen, dafür besonders geschult
sein müssen.
09 Abstandsmessung von Brücken
TOP
Bei
solchen Geräten handelt es sich, um technische Geräte, die auf der
Grundlage von § 100h StPO (Weitere Maßnahmen außerhalb von
Wohnraum) eingesetzt werden.
OLG Stuttgart 2010:
1. Das
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE
65, 1) steht der Anwendung des
Video-Brücken-Abstandsmessverfahrens
ViBrAM-BAMAS,
welches die Polizei in Baden-Württemberg zur Überwachung des
Sicherheitsabstandes insbesondere auf Autobahnen verwendet,
nicht entgegen.
2.
Rechtsgrundlage für die Fertigung von Videobildern zur
Identifizierung des Betroffenen ist § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
StPO i.V.m. § 46 Abs. 1
OWiG.
OLG
Stuttgart, Beschluss vom 29. Januar 2010 – 4 Ss 1525/09
Hinsichtlich des Beweiswertes einer solchen Messung heißt es in
einem Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2015 wie folgt:
OLG Bamberg 2015:
Der gegen die Vorwerfbarkeit einer auf einer Autobahn
festgestellten Unterschreitung des nach § 4 Abs. 1 S. 1 StVO
gebotenen Sicherheitsabstands vorgebrachte Einwand, die
Abstandsunterschreitung sei durch das gefahrvolle Auffahren des
Führers des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht worden, ist
regelmäßig unbeachtlich, wenn auf der sog. Beobachtungsstrecke
ein plötzliches Abbremsen oder ein unerwarteter Spurwechsel des
vorausfahrenden Fahrzeugführers auszuschließen ist.
OLG
Bamberg, Beschluss vom 25.02.2015 - 3
Ss OWi
160/15
Umfangreiche Ausführungen zu den Messverfahren, die bei der
Polizei zur Anwendung kommen, können der Website von Detlev
Burhoff
(ehemaliger Richter beim OLG Hamm) entnommen werden.
Detlef Burhoff: Abstandsmessverfahren
Hinweis:
Wenn bei
hohen Geschwindigkeiten der Sicherheitsabstand erheblich
unterschritten wird, kann von einer konkreten Gefährdung
iSv
§ 1 Abs. 2 StVO ausgegangen werden.
Zum
einzuhaltenden Sicherheitsabstand bei hoher Geschwindigkeit
heißt es in einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 2018 wie
folgt:
OLG Hamm 2018:
Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden kann allenfalls
erschüttert sein, wenn eine grundlose Vollbremsung mit der
nötigen Gewissheit im Sinne des § 286 ZPO bewiesen ist.
Ein
Sicherheitsabstand von 2 m auf das vorausfahrende Fahrzeug ist,
gerade im außerörtlichen Verkehr, immer unzureichend und macht
eine rechtzeitige Reaktion auf Fahrmanöver des Vorausfahrenden
unmöglich.
Unterschreitet der Auffahrende den gebotenen Sicherheitsabstand
in besonders gravierender Weise (hier: 2 m Abstand statt
gebotener 10 m), tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden
Fahrzeugs vollständig zurück, selbst wenn ein geringer Verstoß
des Vorausfahrenden gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO vorliegen sollte.
OLG
Hamm, Beschluss vom 31.08.2018 - 7 U 70/17
10 Drängeln und Schieben
TOP
Die
nachfolgend skizzierte Szene für normwidriges, unsoziales und
gefahrenträchtiges Verhalten ereignet sich auf Autobahnen – und
nicht nur dort – täglich.
Beispiel:
Erst fuhr er so knapp auf, dass die VW-Fahrerin vor ihm das
Kennzeichen nicht mehr sehen konnte, und nach dem Überholvorgang
bremste er die Autofahrerin fast bis zum Stillstand aus.
Schließlich zeigte der Audi-Fahrer, der es auf dem Münchner Ring
so eilig hatte, auch noch den Mittelfinger. Das Amtsgericht
München verurteilte ihn wegen Nötigung und Beleidigung zu 60
Tagessätzen von je 30 Euro und einem Fahrverbot von drei Monaten
(AG München, Urteil vom 19.5.2022, Az.: 943 Cs 412 Js
158569/21).
ADAC: Abstandsmessung – mit Videokameras Jagd auf Drängler
Das
Urteil selbst ist im Internet nicht verfügbar, wohl aber die
lesenswerte Pressemitteilung des AG München zu diesem Vorfall:
Pressemitteilung AG München – 34 / 09.09.2022
11 Nötigung im Straßenverkehr
TOP
Wahrscheinlich haben auch Sie schon als Autofahrer oder
Autofahrerin die Erfahrung gemacht, von einem anderen
Fahrzeugführer genötigt worden zu sein. Die Frage, die sich in
diesem Sachzusammenhang stellt, lautet: Ab wann kann von
einer Nötigung ausgegangen werden.
§ 240
StGB (Nötigung)
Die
Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich 2007 in Bezug
auf diese Frage dazu in ihren Leitsätzen ihres Beschlusses wie folgt
positioniert:
BVerfG 2007:
1. Die Rechtsprechung der Strafgerichte zur Nötigung im
Straßenverkehr durch bedrängendes Auffahren steht im Einklang
mit Art. 103 Abs. 2 GG. Dichtes, bedrängendes Auffahren auf den
Vordermann kann - insbesondere bei gleichzeitigem Betätigen von
Lichthupe und Signalhorn - Gewalt im Sinne des § 240 StGB
sein und zwar
auch dann, wenn es im innerörtlichen Verkehr stattfindet.
4.
Werden die Auswirkungen körperlich empfunden, führen sie also zu
physisch merkbaren Angstreaktionen, liegt Zwang vor, der Gewalt
sein kann.
5. Da
sich generelle Aussagen über die Wirkung bedrängenden Auffahrens
auf den Vordermann verbieten, ist auch innerorts ein nötigendes
Verhalten grundsätzlich möglich. Allerdings bedarf es hier wegen
der im Regelfall niedrigeren gefahrenen Geschwindigkeiten einer
besonders genauen Prüfung, ob Nötigungsunrecht - insbesondere in
Abgrenzung zu einer bloßen Ordnungswidrigkeit durch
Unterschreiten des Sicherheitsabstands - vorliegt.
An
anderer Stelle heißt es:
Die
Interpretation des Gewaltbegriffs bei § 240 StGB obliegt allein
den Strafgerichten als zuständigen Fachgerichten. Das
Bundesverfassungsgericht prüft lediglich nach, ob die von den
Strafgerichten vorgenommene Auslegung mit dem Grundgesetz
vereinbar ist.
Die
strafrechtliche Rechtsprechung hat den Begriff der Gewalt unter
Orientierung am allgemeinen Sprachverständnis zunächst
restriktiv ausgelegt. Gewalt wurde als physische Einwirkung des
Täters auf das Opfer zur Überwindung eines
geleisteten
oder erwarteten Widerstands begriffen.
Von
diesem Verständnis des Gewaltbegriffs lösten sich die
Strafgerichte im Laufe der Zeit. Das Kriterium der physischen
Einwirkung verlor an Bedeutung. Nicht nur an den Bereich der
Tätlichkeit heranreichende Kraftentfaltungen sollten Anwendung
von Gewalt sein. Gewaltausübung sollte auch in einem nur
geringen körperlichen Kraftaufwand liegen können. Für die
Annahme von Gewalt wurde nunmehr als entscheidend eine physische
Zwangswirkung beim Opfer angesehen. Dabei werteten die Gerichte
auch geringfügige körperliche Reaktionen, wie etwa
Nervenerregungen, als körperlich empfundenen Zwang.
Schließlich gaben die Strafgerichte die Beschränkung auf
physisch wirkenden Zwang beim Opfer gänzlich auf. Gewalt – so
die damalige strafgerichtliche Rechtsprechung - liege auch bei
vom Nötigungsadressaten psychisch empfundenem Zwang von einigem
Gewicht vor.
In
seiner Entscheidung vom 11. November 1986 ließ das
Bundesverfassungsgericht diesen „weiten“, des Merkmals der
körperlichen Zwangswirkung beraubten Gewaltbegriff im Ergebnis
noch unbeanstandet, obwohl sich schon damals vier Richter gegen
dessen Bestimmtheit aussprachen.
Mit seinen
Beschlüssen vom 10. Januar 1995 (...)
und
24. Oktober 2001 (...)
hat
das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG
klargestellt, dass ein Täter Gewalt im Sinne des § 240 StGB nur
anwendet, wenn er durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf
sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht lediglich psychisch
wirkt, sondern körperlich empfunden wird. Weitergehende
Anforderungen an den Gewaltbegriff hat das Gericht nicht
gestellt. So ist es, wie die Entscheidung vom Oktober 2001
zeigt, für die Annahme tatbestandlicher Gewalt bei der Nötigung
aus verfassungsrechtlicher Sicht unter anderem nicht
erforderlich, dass die Kraftentfaltung des Täters eine bestimmte
Intensität besitzt. Geringfügige körperliche Energie, wie das
Anbringen einer Metallkette an zwei Torpfosten, kann für die
Annahme von Gewalt ausreichen.
Dabei kann
die Feststellung nötigender Gewalt stets nur für den Einzelfall
erfolgen. Dies liegt darin begründet, dass pauschale Wertungen
darüber, wann ein Verhalten im Straßenverkehr körperlichen Zwang
auf einen anderen Verkehrsteilnehmer ausübt, schwerlich
getroffen werden können. Hier wird es auf die Umstände des
Einzelfalls ankommen. Hilfestellung bieten aber die von den
Strafgerichten bereits entwickelten Maßstäbe zur Prüfung eines
Unrechtsverhaltens nach § 240 StGB im Straßenverkehr. Von
Bedeutung sein werden deshalb unter anderem die Dauer und
Intensität des bedrängenden Auffahrens, die gefahrenen
Geschwindigkeiten, die allgemeine Verkehrssituation zum
Zeitpunkt des
täterschaftlichen
Handelns und ob der Täter bei dem Auffahrvorgang zugleich
Signalhorn oder Lichthupe betätigt hat. All diese Faktoren
lassen einzeln oder im Verbund Rückschlüsse auf die Auswirkungen
des auf seine strafrechtliche Relevanz zu überprüfenden
Verhaltens auf den Betroffenen zu. Werden diese Auswirkungen
körperlich empfunden, führen sie also zu physisch merkbaren
Angstreaktionen, liegt Zwang vor, der - auch gemessen an
verfassungsrechtlichen Maßstäben - Gewalt sein kann.
BVerfG,
Beschluss vom 29. März 2007 - 2
BvR
932/06
12 Kurzfristige Unterschreitung des
Sicherheitsabstandes
TOP
Nicht
jede Unterschreitung des Sicherheitsabstandes ist als ein
bußgeldbewehrter Verkehrsverstoß zu bewerten. Wann das nicht der
Fall ist, das kann einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr
2014 entnommen werden.
OLG Hamm 2014:
1. Tatbestandsmäßig im Sinne einer vorwerfbaren
Abstandsunterschreitung gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr.
4 StVO; § 24 StVG handelt bereits, wer zu irgendeinem Zeitpunkt
seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den
im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand
unterschreitet.
2. Auf
das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden
Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn
Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche
Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende
Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem
sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein
deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden
könne.
OLG
Hamm, Beschluss vom 22.12.2014 - 3 RBs 264/14
13 Zusammenfassung § 4 Abs. 1 StVO
TOP
Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des OLG Koblenz aus
dem Jahr 2002 wie folgt:
OLG Koblenz 2002:
Nach 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 handelt ordnungswidrig, wer
als Führer eines Kraftfahrzeuges keinen ausreichenden
Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einhält. Als
Faustregel für den außerörtlichen Verkehr gilt der „halbe
Tachowert“, d. h. die Strecke, die ein Fahrzeug in 1,8 Sek.
zurücklegt. Ordnungswidriges Verhalten liegt nach der
Rechtsprechung jedenfalls dann vor, wenn der 1,5-Sek.-Abstand
unterschritten wird. Geringfügige Unterschreitungen des
Sicherheitsabstandes oder Verstöße bei geringen
Geschwindigkeiten werden allerdings in der Praxis entweder
überhaupt nicht verfolgt oder mit einer Verwarnung (Nr. 7 der
Anlage 3 zur
VerwarnVwV)
geahndet.
Die
Verhängung eines Bußgeldes oder gar eines Fahrverbots kommt nur
bei einem gravierenden Fehlverhalten in Betracht. Ein solches
liegt vor, wenn der Gefährdungsabstand unterschritten wird, den
der Verordnungsgeber in der
BKatV
mit 50 % des halben Tachowertes (umgerechnet 0,9 Sek.) angesetzt
hat. Beträgt der Abstand bei einer Geschwindigkeit vom mehr als
100 km/h weniger als 2/10 des halben Tachowertes (umgerechnet
0,36 Sek.),
ist
wegen der sehr hohen Gefährlichkeit des Verstoßes in der Regel
ein Bußgeld von
200 DM und ein einmonatiges Fahrverbot
auszusprechen.
An
anderer Stelle:
Tatbestandsmäßig handelt, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner
Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im
einschlägigen Bußgeldtatbestand normierten Abstand, und sei es
auch nur um wenige Zentimeter, unterschreitet. Wenn die
Rechtsprechung fordert, dass die gefährdende
Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend, sondern
über eine Strecke von 250 m bis 300 m vorgelegen haben muss, so
bedeutet das nicht, dass im Wege einer
mathematisch-naturwissenschaftlichen Beweisführung ein exakt
gleichbleibender Abstand über eine längere Strecke vor der
Messlinie festzustellen ist. Grund dieser Forderung ist
vielmehr, dass es insbesondere auf Autobahnen immer Situationen
(wie plötzliches Abbremsen des Vorausfahrenden oder Spurwechsel
eines Dritten) geben kann, die für Augenblicke zu einem sehr
geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein
deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden
könnte (OLG Hamm, a.a.O., OLG Köln VRS 66, 463; OLG Düsseldorf
VRS 64, 376). Geringfügige, nach der Lebenserfahrung regelmäßig
auftretende, mit keinem der eingesetzten Messverfahren exakt
fassbare und deshalb nie ausschließbare Abstandsschwankungen
sind unbeachtlich.
OLG
Koblenz, Beschluss vom 2. Mai 2002 – 1 Ss 75/02
14 § 4 Abs. 2 und 3 StVO
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Die im §
4 Abs. 2 und 3 StVO aufgeführten Abstandsregelungen sind aus
sich selbst heraus verständlich.
§ 4 StVO
(Abstand)
Für die
in Betracht kommenden Verstöße sieht der Bußgeldkatalog 2023 –
soweit es dabei nicht zu Gefährdungen im Sinne von § 1 Abs. 2
StVO (Grundregeln) kommt, lediglich drei Tatbestände vor, deren
Tatbestandsnummern im Folgenden zitiert werden:
104124
Sie hielten außerhalb geschlossener Ortschaften nicht den
zum Einscheren erforderlichen Abstand von dem vorausfahrenden
Fahrzeug ein. § 4 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG;
14 BKat.
25,00 Euro
104636
Sie hielten als Führer des Lastkraftwagens (zulässige
Gesamtmasse über 3,5 t/Kraftomnibusses) bei einer
Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den
Mindestabstand von 50 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein.
§ 4 Abs. 3, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 15 BKat 1
Punkt 80,00 Euro
104642
Sie hielten als Führer des kennzeichnungspflichtigen
Kraftfahrzeugs mit gefährlichen Gütern (zulässige Gesamtmasse
über 3,5 t/Kraftomnibusses mit Fahrgästen) bei einer
Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den
Mindestabstand von 50 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein.
§ 4 Abs. 3, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 15 BKat; §
3 Abs. 4 BKatV 1 Punkt 120,00 Euro
AG
Lüdinghausen
2012:
In Fällen des „LKW-Abstandsverstoßes“ gegen § 4 Abs. 3 StVO
reicht es zur Tatkonkretisierung im Bußgeldbescheid aus, wenn
zur Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit und zu der
Abstandsstrecke der Wortlaut der TBNR 104636 einkopiert ist.
Genauere Angaben mögen wünschenswert sein, sind aber nicht
zwingend notwendig. Ein Verfahrenshindernis besteht in solchen
Fällen nicht.
AG
Lüdinghausen,
Urteil vom 12.11.2012 - 19 OWi-89 Js 1592/12-186/12
15 Quellen
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Endnote_01
Runtervomgas.de 2023:
https://www.runtervomgas.de/ratgeber-und-service/
unfallursachen/zu-geringer-sicherheitsabstand/ Zurück
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