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§ 4 StVO - Sicherheitsabstand

Inhaltsverzeichnis:

01 Allgemeines
02 Anwendungsbereich der Vorschrift
03 Weitere Abstandsregelungen
04 Grundregel des § 4 Abs. 1 StVO
05 Abstand zum vorausfahrenden
Fahrzeug
06 Anscheinsbeweis bei atypischer Verkehrslage
07 Zwingender Grund zum Abbremsen
08 Abstandsmessung durch die Polizei
09 Abstandsmessung von Brücken
10 Drängeln und Schieben
11 Nötigung im Straßenverkehr
12 Kurzfristige Unterschreitung des Sicherheitsabstandes
13 Zusammenfassung § 4 Abs. 1 StVO
14 § 4 Abs. 2 und 3 StVO
15 Quellen

01 Allgemeines

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Die Missachtung des Sicherheitsabstandes zählt zu den häufigsten Unfallursachen im Straßenverkehr.

Runtervomgas.de 2023: Häufig halten junge Erwachsene keinen Sicherheitsabstand ein. 2022 war rund jeder sechste Fehler einer 18- bis 24-jährigen Person bei Unfällen mit Personenschaden ein Abstandsfehler – rund 15,9 Prozent. Damit ist es die zweithäufigste Verfehlung junger Erwachsener bei Unfällen mit Verunglückten. Häufiger verzeichnet die Statistik bei ihnen nur das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit als Unfallursache (etwa 18 Prozent). Bei Fahrzeugführenden im Alter zwischen 25 und 34 Jahren war unzureichender Abstand sogar die häufigste Ursache bei Unfällen mit Personenschaden (15,7 Prozent).

Die Polizei hat im vergangenen Jahr 25.652 Abstandsfehler bei Unfällen mit Personenschaden innerhalb von Ortschaften registriert. Auf Landstraßen waren es 10.515, auf Autobahnen 6.971 [En01].

Laut Straßenverkehrsordnung muss der Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug so groß sein, dass zu jeder Zeit hinter diesem gehalten werden kann – auch wenn der Vordermann unerwartet scharf bremst. Diese Regel gilt übrigens auch für Radfahrer, wenn diese hinter einem anderen Fahrrad oder einem Fahrzeug fahren. Der optimale Sicherheitsabstand richtet sich nach dem eigenen Fahrzeug, den Verkehrsverhältnissen, der Geschwindigkeit und dem Gebiet, indem der Verkehrsteilnehmer unterwegs ist.

Innerhalb einer geschlossenen Ortschaft muss der Abstand zum vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer gleich der in einer Sekunde gefahrenen Strecke entsprechen. Bei Tempo 50 km/h beträgt der Mindestabstand also 15 Meter. Außerhalb geschlossener Ortschaften – wie auf Autobahnen oder Landstraßen – gilt die Faustregel: Abstand gleich halber Tachowert. Fährt ein Auto 120 km/h auf der Autobahn, müssen mindestens 60 Meter Sicherheitsabstand zum Vordermann eingehalten werden. Für schwere Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gewicht gilt: Fahren sie schneller als 50 km/h, muss ein Mindestabstand von 50 Metern eingehalten werden.

§ 4 StVO (Abstand)

02 Anwendungsbereich der Vorschrift

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Die Regelung findet ausschließlich Anwendung für den einzuhaltenden Sicherheitsabstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen im Sinne der Straßenverkehrsordnung.

Die Straßenverkehrsordnung definiert sehr präzise, wie ein Fahrzeug beschaffen sein muss. Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein Beförderungsmittel, das für die Verwendung auf der Straße vorgesehen ist. Dazu gehören: Pkw, Lkw, Busse, Motorräder, Mopeds und andere Fahrzeuge bis hin zum Fahrrad. Fahrbare Arbeitsmaschinen sind ebenfalls Fahrzeuge, während es aber auch Fortbewegungshilfen gibt, die laut Straßenverkehrsordnung nicht unter den Fahrzeugbegriff fallen (Kinderspielzeug).

Auch E-Scooter und natürlich auch E-Bikes sind Fahrzeuge im Sinne der StVO. Sofern es keinen Radweg gibt, müssen E-Scooter nach § 10 eKFV innerhalb geschlossener Ortschaften auf der Straße fahren. Das Gleiche gilt außerhalb geschlossener Ortschaften, sofern dort kein Seitenstreifen vorhanden ist. Dann müssen sie auf diesen ausweichen. E-Scooter dürfen weder eine Autobahn noch eine Kraftfahrstraße benutzen.

03 Weitere Abstandsregelungen

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Neben der Abstandsregelung, die im § 4 StVO (Abstand) gegenüber vorausfahrenden Fahrzeugen einzuhalten ist, gibt es in der StVO eine Vielzahl weiterer Regelungen, die sowohl einzuhaltende Sicherheitsabstände als auch „Abstände im Sinne von Entfernungen“ enthalten.

Dabei handelt es sich um die nachfolgend aufgeführten Regelungen:

Abstandsregelungen im Hinblick auf Entfernungen enthalten auch folgende Verkehrszeichen:

Zeichen 156
Bahnübergang mit dreistreifiger Bake
Bahnübergang mit dreistreifiger Bake etwa 240 m vor dem Bahnübergang. Die Angabe erheblich abweichender Abstände kann an der dreistreifigen, zweistreifigen und einstreifigen Bake oberhalb der Schrägstreifen in schwarzen Ziffern erfolgen.

Zeichen 159
Zweistreifige Bake
Zweistreifige Bake etwa 160 m vor dem Bahnübergang

Zeichen 162
Einstreifige Bake
Einstreifige Bake etwa 80 m vor dem Bahnübergang

Zeichen 273
Verbot des Unterschreitens des angegebenen
Mindestabstandes

Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t oder eine Zugmaschine führt, darf den angegebenen Mindestabstand zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug gleicher Art nicht unterschreiten. Personenkraftwagen und Kraftomnibusse sind ausgenommen.

Grafik Zeichen 273

Zeichen 620
Leitpfosten
Um den Verlauf der Straße kenntlich zu machen, können an den Straßenseiten Leitpfosten in der Regel im Abstand von 50 m und in Kurven verdichtet stehen.

In diesem Kapitel werden nur solche Abstandsfehler thematisiert, die im Bußgeldkatalog 2023 zu § 4 StVO (Abstand) aufgeführt sind. Da es sich insgesamt um 542 Ordnungswidrigkeitentatbestände handelt, kann es im hier zu erörternden Sachzusammenhang nur um solche Abstandsfehler gehen, die zum Verständnis dieser Unfallursache grundlegend sind. Sinnvoll ist es, den über den folgenden Link aufrufbaren Bußgeldkatalog 2023 im Hinblick auf die Abstandsfehler, die auf den Seiten 57 bis 62 (TBNR 104100 bis 104642) aufgeführt sind, zumindest grob zu sichten, um sich einen Eindruck darüber verschaffen zu können, was im Zusammenhang mit der Einhaltung des Sicherheitsabstandes alles falsch gemacht werden kann.

Bußgeldkatalog 2023 – Seite 57 bis 62

04 Grundregel des § 4 Abs. 1 StVO

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(1) Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.

Die Grundregel zwingt den Fahrzeugführer dazu, sich stets, bevor er den Sicherheitsabstand aufgibt, darüber Gedanken zu machen, ob dies nach der Verkehrslage geboten oder gerechtfertigt ist. Das grundsätzliche Gebot an den Nachfahrenden, einen Sicherheitsabstand einzuhalten, findet sein Gegenstück in der Verpflichtung des Vorausfahrenden, niemals ohne zwingenden Grund stark zu bremsen.

05 Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug

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Im Hinblick auf den zum vorausfahrenden Fahrzeug einzuhaltenen Sicherheitsabstand haben sich die nachfolgend aufgeführten Faustformeln bewährt:

Innerorts: Dort sollte der Abstand der Länge entsprechen, die innerhalb 1 Sekunde gefahren wird. Bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 50 km/h entspricht dann der einzuhaltende Sicherheitsabstand ca. 15 Meter, was ungefähr drei Fahrzeuglängen entspricht.

Außerorts: Dort sollte der Abstand der Länge entsprechen, die innerhalb von 2 Sekunde gefahren wird. Das entspricht in etwa dem halben Tachowert. Einfacher zu merken ist die Regelung zum halben Tachowert wie folgt: 100 km/h gleich 50 m Sicherheitsabstand. Die Rechtssprechung der Oberlandesgerichte ist genauer. Dort wird ein 1,5-Sekunden-Abstand eingefordert.

Wie dem auch immer sei: Die StVO regelt nicht konkret, welcher Abstand zum Vordermann eingehalten werden muss. § 4 Abs. 1 StVO bestimmt nur, dass der Abstand von einem vorausfahrenden Fahrzeug grundsätzlich so groß sein muss, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich gebremst wird.

Kommt es zu einem Auffahrunfall, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Auffahrende den Unfall verursacht hat.

OLG Karlsruhe 2012: Bei einem Auffahrunfall wird der Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verkehrsverstoß des Auffahrenden (zu geringer Abstand und/oder Unaufmerksamkeit) in der Regel auch dann nicht erschüttert, wenn der Fahrer des vorderen Fahrzeugs ohne verkehrsbedingten Anlass eine abrupte Bremsung durchgeführt hat.

Bei einer abrupten Bremsung ohne äußeren Anlass liegt allerdings gleichzeitig ein schuldhafter Verkehrsverstoß des vorausfahrenden Fahrzeugführers vor; bei einem Auffahrunfall kann eine Haftungsquote von 50 % in Betracht kommen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 9 U 88/11

Um ein sachgerechtes Urteil treffen zu können, ist es Aufgabe der Polizei, bei Auffahrunfällen alle Fakten festzustellen, die für den Verkehrsunfall ursächlich gewesen sind.

Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des OLG Jena aus dem Jahr 2005 wie folgt:

OLG Jena 2005: Im Falle eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVO muss das Urteil nachprüfbar darlegen, warum der Abstand zu gering gewesen ist und welchen Abstand das vom Betroffenen geführte Fahrzeug überhaupt zum vorausfahrenden PKW einhielt. Auch sind Feststellungen zu den gefahrenen Geschwindigkeiten und den Sichtverhältnissen erforderlich.

OLG Jena, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 1 Ss 148/05

Offenkundiges Unterschreiten des Sicherheitsabstandes: Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 2018 wie folgt:

OLG Hamm 2018: Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden kann allenfalls erschüttert sein, wenn eine grundlose Vollbremsung mit der nötigen Gewissheit im Sinne des § 286 ZPO bewiesen ist.

Ein Sicherheitsabstand von 2 m auf das vorausfahrende Fahrzeug ist, gerade im außerörtlichen Verkehr, immer unzureichend und macht eine rechtzeitige Reaktion auf Fahrmanöver des Vorausfahrenden unmöglich.

Unterschreitet der Auffahrende den gebotenen Sicherheitsabstand in besonders gravierender Weise (hier: 2 m Abstand statt gebotener 10 m), tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs vollständig zurück, selbst wenn ein geringer Verstoß des Vorausfahrenden gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO vorliegen sollte.

OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2018 - 7 U 70/17

06 Anscheinsbeweis bei atypischer Verkehrslage

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Der Anscheinsbeweis, der für ein Fehlverhalten des Auffahrenden spricht, greift nicht, wenn aufgrund bewiesener Tatsachen oder typischen Fehlverhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, dem Nachfahrenden zum Beispiel die Sicht auf das vorausfahrende Fahrzeug versperrt war oder wegen eines plötzlichen Fahrstreifenwechsels eines Vorausfahrenden auf einer mehrspurigen Fahrbahn, wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall, der Unfall dadurch sozusagen für den Auffahrenden unvermeidbar wurde.

Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2011 wie folgt:

BGH 2011: Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt auch bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (...). Demnach kann bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen (...). Es reicht allerdings allein das „Kerngeschehen“ - hier: Auffahrunfall - als solches dann als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen.

BGH, Urteil vom 13.12.2011 - VI ZR 177/10

Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises genügt somit bereits die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs. In einem Urteil des OLG Düsseldorf heißt es dazu:

OLG 2018: Es müssen Umstände feststehen bzw. nachgewiesen sein, aus denen sich zumindest die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt (...).

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Anwendung des Anscheinsbeweises entgegenstehen kann, wenn Umstände vorliegen, die der Annahme der Typizität entgegenstehen. Soweit der Bundesgerichtshof formuliert hat, dass gegen die Typizität eines Auffahrunfalls spricht, wenn ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeuges bekannt ist (...), so ist dies als ein Beispiel für das Entfallen der Typizität zu verstehen. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Spurwechsel als solcher bewiesen sein muss. Es genügt, dass Umstände vorliegen – die gegebenenfalls zu beweisen sind -, die – beispielsweise für einen vorausgegangenen Fahrspurwechsel und – gegen eine Typizität sprechen (...). Entscheidend kommt es darauf an, welche Umstände des Gesamtgeschehens festgestellt werden können.

OLG Düsseldorf – Az.: I-1 U 27/18 – Urteil vom 18.12.2018

Dies festzustellen ist unter anderem Aufgabe der Polizei bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen. Diesbezüglich heißt es im Erlass „Aufgaben der Polizei bei Verkehrsunfällen RdErl. des Innenministeriums - 41 - 61.05.01 - 3 - vom 25.8.2008“ wie folgt:

2.1.3
Verkehrsunfallbefund
Ein Verkehrsunfallort ist ein Tatort.

Die Situation beim Eintreffen am Verkehrsunfallort ist insbesondere bei Verkehrsunfällen mit komplexer Spurenlage oder schweren Folgen zu dokumentieren. Spuren sind zu schützen. Es ist darauf zu achten, dass Veränderungen der Spurenlage möglichst verhindert werden; eine veränderte Spurenlage ist zu dokumentieren.

Die Daten der Personen, die als Beteiligte, sonstige Geschädigte oder Zeugen in Frage kommen, sind zu erheben.

Im Rahmen der Verkehrsunfallaufnahme sind objektive und subjektive Befunde zu erheben. Für den objektiven Befund werden Sachbeweise erhoben. Der subjektive Befund umfasst die Aussagen von Beteiligten und Zeugen sowie eigene Schlussfolgerungen. Beschuldigte, Betroffene und Zeugen sind zu belehren; dies ist aktenkundig zu machen.

Die Ergebnisse des objektiven und subjektiven Befundes sind zusammenzuführen und abzugleichen. Dadurch können sich auch Hinweise auf strafrechtlich oder strafprozessual relevante Sachverhalte, wie manipulierte Verkehrsunfälle, Kapitaldelikte oder Suizide ergeben. Hierüber ist unverzüglich die jeweils zuständige Fachdienststelle zu informieren.

Im Anschluss werden die Unfallursache, das Verkehrsdelikt und der Verursacher vorläufig bestimmt.

07 Zwingender Grund zum Abbremsen

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Im § 4 Abs. 1 StVO (Abstand) heißt es sinngemäß, dass derjenige, der vorausfährt, nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen darf. Die Sprachfigur des „zwingenden Grundes“ ist trotz seiner Abstraktheit hinreichend bestimmt, obwohl er enger auszulegen ist als die Sprachfigur des „triftigen Grundes“. Während ein triftiger Grund lediglich nachvollziehbar sein muss, wird an einen zwingenden Grund ein „Mehr an Notwendigkeit“ einzufordern sein, denn „zwingend“ im hier zu erörternden Sinne heißt: einleuchtend, plausibel, notwendig, geboten, unabdingbar, unerlässlich oder auch alternativlos.

KG Berlin 2006: Treffen starkes Bremsen ohne zwingenden Grund sowie Unaufmerksamkeit und/oder unzureichender Sicherheitsabstand zusammen, so fällt der Beitrag des Auffahrenden grundsätzlich doppelt so hoch in Gewicht; das führt dazu, dass der Auffahrende vom Vorausfahrenden regelmäßig Schadensersatz nach einer Quote von 1/3 verlangen kann. Die Mithaftung des Vorausfahrenden ist umso größer, je unwahrscheinlicher ein starkes plötzliches Abbremsen ist. Vollzieht der mit einem Automatik-Fahrzeug nicht vertraute Vorausfahrende in einem Abstand von 75 - 100 m vor einer roten Ampel plötzlich eine Vollbremsung, weil er mit dem linken Fuß - in der Vorstellung, eine Kupplung zu treten - kräftig auf die Bremse tritt, kommt im Verhältnis zu dem unaufmerksamen Auffahrenden eine Haftungsverteilung 50:50 in Betracht.

KG Berlin, Urteil vom 13. Februar 2006 - 12 U 70/05

Auch die Ausführungen des OLG Frankfurt zum unbestimmten Rechtsbegriff des „zwingenden Grundes“ ein Fahrzeug stark abzubremsen, heißt es bereits in den Leitsätzen:

OLG Frankfurt 2006: 1. Ein Autofahrer darf den Verkehrsfluss nicht dadurch behindern, dass er ohne Ankündigung und ohne für den nachfolgenden Verkehr erkennbare Ursache plötzlich abbremst.

2. Der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Auffahrenden beruht auf dem Erfahrungssatz, dass das Auffahren im gleichgerichteten Verkehr regelmäßig auf mangelnde Aufmerksamkeit, überhöhte Geschwindigkeit oder einen ungenügenden Sicherheitsabstand des Auffahrenden zurückzuführen ist. Voraussetzung für seine Anwendung ist deshalb das Vorliegen einer Standardsituation, in der eine allenfalls denkbare andere Ursache so unrealistisch erscheint, dass sie außer Betracht bleiben kann.

3. Die für die Anwendung des für ein Verschulden des Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweises erforderliche Typizität der Unfallkonstellation fehlt, wenn ein Umstand vorliegt, der als Ursache aus dem Verantwortungsbereich des Vordermanns in Betracht kommt, etwa ein dem Auffahren unmittelbar vorausgegangener Spurwechsel des Vordermanns oder dessen dem Auffahren vorangegangenes grundloses Abbremsen. Ist ein solcher atypischer Umstand unstreitig, fehlt die Typizität der Unfallkonstellation und damit die Voraussetzung für eine Anwendung des Anscheinsbeweises.

OLG Frankfurt 2006: Urteil vom 2. März 2006 – 3 U 220/05

08 Abstandsmessungen durch die Polizei

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In den weitaus meisten Fällen wird es sich dabei um Abstandsmessungen der Polizei auf Kraftfahrtstraßen oder Bundesautobahnen handeln. Soweit es sich dabei um standardisierte Messverfahren handelt, sind die gewonnenen Ergebnisse generell gerichtsverwertbar.

Bei den Abstandsverstößen iSv § 4 StVO handelt es sich um eine der häufigsten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten. Für die Feststellung, ob der erforderliche Sicherheitsabstand eingehalten worden ist, stehen im polizeilichen Berufsalltag verschiedene Messverfahren zur Verfügung.

Das häufigste Messverfahren ist das auf Brücken installierte stationäre Brücken-/Videoabstandsmessverfahren (VAMA oder VKS 3.01). Messungen werden aber auch mit in Streifenwagen installierten Police-Pilot-Systemen durchgeführt, die zugleich auch Geschwindigkeitsüberschreitungen beweissicher festhalten. Dabei handelt es sich aber nicht um ein standardisiertes Messverfahren zur Abstandsmessung, so dass die Polizeibeamten, die solche Geräte zur Abstandsmessung einsetzen, dafür besonders geschult sein müssen.

09 Abstandsmessung von Brücken

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Bei solchen Geräten handelt es sich, um technische Geräte, die auf der Grundlage von § 100h StPO (Weitere Maßnahmen außerhalb von Wohnraum) eingesetzt werden.

OLG Stuttgart 2010: 1. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1) steht der Anwendung des Video-Brücken-Abstandsmessverfahrens ViBrAM-BAMAS, welches die Polizei in Baden-Württemberg zur Überwachung des Sicherheitsabstandes insbesondere auf Autobahnen verwendet, nicht entgegen.

2. Rechtsgrundlage für die Fertigung von Videobildern zur Identifizierung des Betroffenen ist § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Januar 2010 – 4 Ss 1525/09

Hinsichtlich des Beweiswertes einer solchen Messung heißt es in einem Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2015 wie folgt:

OLG Bamberg 2015: Der gegen die Vorwerfbarkeit einer auf einer Autobahn festgestellten Unterschreitung des nach § 4 Abs. 1 S. 1 StVO gebotenen Sicherheitsabstands vorgebrachte Einwand, die Abstandsunterschreitung sei durch das gefahrvolle Auffahren des Führers des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht worden, ist regelmäßig unbeachtlich, wenn auf der sog. Beobachtungsstrecke ein plötzliches Abbremsen oder ein unerwarteter Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugführers auszuschließen ist.

OLG Bamberg, Beschluss vom 25.02.2015 - 3 Ss OWi 160/15

Umfangreiche Ausführungen zu den Messverfahren, die bei der Polizei zur Anwendung kommen, können der Website von Detlev Burhoff (ehemaliger Richter beim OLG Hamm) entnommen werden.

Detlef Burhoff: Abstandsmessverfahren

Hinweis: Wenn bei hohen Geschwindigkeiten der Sicherheitsabstand erheblich unterschritten wird, kann von einer konkreten Gefährdung iSv § 1 Abs. 2 StVO ausgegangen werden.

Zum einzuhaltenden Sicherheitsabstand bei hoher Geschwindigkeit heißt es in einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 2018 wie folgt:

OLG Hamm 2018: Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden kann allenfalls erschüttert sein, wenn eine grundlose Vollbremsung mit der nötigen Gewissheit im Sinne des § 286 ZPO bewiesen ist.

Ein Sicherheitsabstand von 2 m auf das vorausfahrende Fahrzeug ist, gerade im außerörtlichen Verkehr, immer unzureichend und macht eine rechtzeitige Reaktion auf Fahrmanöver des Vorausfahrenden unmöglich.

Unterschreitet der Auffahrende den gebotenen Sicherheitsabstand in besonders gravierender Weise (hier: 2 m Abstand statt gebotener 10 m), tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs vollständig zurück, selbst wenn ein geringer Verstoß des Vorausfahrenden gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO vorliegen sollte.

OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2018 - 7 U 70/17

10 Drängeln und Schieben

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Die nachfolgend skizzierte Szene für normwidriges, unsoziales und gefahrenträchtiges Verhalten ereignet sich auf Autobahnen – und nicht nur dort – täglich.

Beispiel: Erst fuhr er so knapp auf, dass die VW-Fahrerin vor ihm das Kennzeichen nicht mehr sehen konnte, und nach dem Überholvorgang bremste er die Autofahrerin fast bis zum Stillstand aus. Schließlich zeigte der Audi-Fahrer, der es auf dem Münchner Ring so eilig hatte, auch noch den Mittelfinger. Das Amtsgericht München verurteilte ihn wegen Nötigung und Beleidigung zu 60 Tagessätzen von je 30 Euro und einem Fahrverbot von drei Monaten (AG München, Urteil vom 19.5.2022, Az.: 943 Cs 412 Js 158569/21).

ADAC: Abstandsmessung – mit Videokameras Jagd auf Drängler 

Das Urteil selbst ist im Internet nicht verfügbar, wohl aber die lesenswerte Pressemitteilung des AG München zu diesem Vorfall:

Pressemitteilung AG München – 34 / 09.09.2022

11 Nötigung im Straßenverkehr

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Wahrscheinlich haben auch Sie schon als Autofahrer oder Autofahrerin die Erfahrung gemacht, von einem anderen Fahrzeugführer genötigt worden zu sein. Die Frage, die sich in diesem Sachzusammenhang stellt, lautet: Ab wann kann von einer Nötigung ausgegangen werden.

§ 240 StGB (Nötigung)

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich 2007 in Bezug auf diese Frage dazu in ihren Leitsätzen ihres Beschlusses wie folgt positioniert:

BVerfG 2007: 1. Die Rechtsprechung der Strafgerichte zur Nötigung im Straßenverkehr durch bedrängendes Auffahren steht im Einklang mit Art. 103 Abs. 2 GG. Dichtes, bedrängendes Auffahren auf den Vordermann kann - insbesondere bei gleichzeitigem Betätigen von Lichthupe und Signalhorn - Gewalt im Sinne des § 240 StGB sein und zwar auch dann, wenn es im innerörtlichen Verkehr stattfindet.

4. Werden die Auswirkungen körperlich empfunden, führen sie also zu physisch merkbaren Angstreaktionen, liegt Zwang vor, der Gewalt sein kann.

5. Da sich generelle Aussagen über die Wirkung bedrängenden Auffahrens auf den Vordermann verbieten, ist auch innerorts ein nötigendes Verhalten grundsätzlich möglich. Allerdings bedarf es hier wegen der im Regelfall niedrigeren gefahrenen Geschwindigkeiten einer besonders genauen Prüfung, ob Nötigungsunrecht - insbesondere in Abgrenzung zu einer bloßen Ordnungswidrigkeit durch Unterschreiten des Sicherheitsabstands - vorliegt.

An anderer Stelle heißt es:

Die Interpretation des Gewaltbegriffs bei § 240 StGB obliegt allein den Strafgerichten als zuständigen Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich nach, ob die von den Strafgerichten vorgenommene Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Die strafrechtliche Rechtsprechung hat den Begriff der Gewalt unter Orientierung am allgemeinen Sprachverständnis zunächst restriktiv ausgelegt. Gewalt wurde als physische Einwirkung des Täters auf das Opfer zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands begriffen.

Von diesem Verständnis des Gewaltbegriffs lösten sich die Strafgerichte im Laufe der Zeit. Das Kriterium der physischen Einwirkung verlor an Bedeutung. Nicht nur an den Bereich der Tätlichkeit heranreichende Kraftentfaltungen sollten Anwendung von Gewalt sein. Gewaltausübung sollte auch in einem nur geringen körperlichen Kraftaufwand liegen können. Für die Annahme von Gewalt wurde nunmehr als entscheidend eine physische Zwangswirkung beim Opfer angesehen. Dabei werteten die Gerichte auch geringfügige körperliche Reaktionen, wie etwa Nervenerregungen, als körperlich empfundenen Zwang.

Schließlich gaben die Strafgerichte die Beschränkung auf physisch wirkenden Zwang beim Opfer gänzlich auf. Gewalt – so die damalige strafgerichtliche Rechtsprechung - liege auch bei vom Nötigungsadressaten psychisch empfundenem Zwang von einigem Gewicht vor.

In seiner Entscheidung vom 11. November 1986 ließ das Bundesverfassungsgericht diesen „weiten“, des Merkmals der körperlichen Zwangswirkung beraubten Gewaltbegriff im Ergebnis noch unbeanstandet, obwohl sich schon damals vier Richter gegen dessen Bestimmtheit aussprachen.

Mit seinen Beschlüssen vom 10. Januar 1995 (...) und 24. Oktober 2001 (...) hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG klargestellt, dass ein Täter Gewalt im Sinne des § 240 StGB nur anwendet, wenn er durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht lediglich psychisch wirkt, sondern körperlich empfunden wird. Weitergehende Anforderungen an den Gewaltbegriff hat das Gericht nicht gestellt. So ist es, wie die Entscheidung vom Oktober 2001 zeigt, für die Annahme tatbestandlicher Gewalt bei der Nötigung aus verfassungsrechtlicher Sicht unter anderem nicht erforderlich, dass die Kraftentfaltung des Täters eine bestimmte Intensität besitzt. Geringfügige körperliche Energie, wie das Anbringen einer Metallkette an zwei Torpfosten, kann für die Annahme von Gewalt ausreichen.

Dabei kann die Feststellung nötigender Gewalt stets nur für den Einzelfall erfolgen. Dies liegt darin begründet, dass pauschale Wertungen darüber, wann ein Verhalten im Straßenverkehr körperlichen Zwang auf einen anderen Verkehrsteilnehmer ausübt, schwerlich getroffen werden können. Hier wird es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Hilfestellung bieten aber die von den Strafgerichten bereits entwickelten Maßstäbe zur Prüfung eines Unrechtsverhaltens nach § 240 StGB im Straßenverkehr. Von Bedeutung sein werden deshalb unter anderem die Dauer und Intensität des bedrängenden Auffahrens, die gefahrenen Geschwindigkeiten, die allgemeine Verkehrssituation zum Zeitpunkt des täterschaftlichen Handelns und ob der Täter bei dem Auffahrvorgang zugleich Signalhorn oder Lichthupe betätigt hat. All diese Faktoren lassen einzeln oder im Verbund Rückschlüsse auf die Auswirkungen des auf seine strafrechtliche Relevanz zu überprüfenden Verhaltens auf den Betroffenen zu. Werden diese Auswirkungen körperlich empfunden, führen sie also zu physisch merkbaren Angstreaktionen, liegt Zwang vor, der - auch gemessen an verfassungsrechtlichen Maßstäben - Gewalt sein kann.

BVerfG, Beschluss vom 29. März 2007 - 2 BvR 932/06

12 Kurzfristige Unterschreitung des Sicherheitsabstandes

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Nicht jede Unterschreitung des Sicherheitsabstandes ist als ein bußgeldbewehrter Verkehrsverstoß zu bewerten. Wann das nicht der Fall ist, das kann einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 2014 entnommen werden.

OLG Hamm 2014: 1. Tatbestandsmäßig im Sinne einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO; § 24 StVG handelt bereits, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet.

2. Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne.

OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2014 - 3 RBs 264/14

13 Zusammenfassung § 4 Abs. 1 StVO

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Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des OLG Koblenz aus dem Jahr 2002 wie folgt:

OLG Koblenz 2002: Nach 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 handelt ordnungswidrig, wer als Führer eines Kraftfahrzeuges keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einhält. Als Faustregel für den außerörtlichen Verkehr gilt der „halbe Tachowert“, d. h. die Strecke, die ein Fahrzeug in 1,8 Sek. zurücklegt. Ordnungswidriges Verhalten liegt nach der Rechtsprechung jedenfalls dann vor, wenn der 1,5-Sek.-Abstand unterschritten wird. Geringfügige Unterschreitungen des Sicherheitsabstandes oder Verstöße bei geringen Geschwindigkeiten werden allerdings in der Praxis entweder überhaupt nicht verfolgt oder mit einer Verwarnung (Nr. 7 der Anlage 3 zur VerwarnVwV) geahndet.

Die Verhängung eines Bußgeldes oder gar eines Fahrverbots kommt nur bei einem gravierenden Fehlverhalten in Betracht. Ein solches liegt vor, wenn der Gefährdungsabstand unterschritten wird, den der Verordnungsgeber in der BKatV mit 50 % des halben Tachowertes (umgerechnet 0,9 Sek.) angesetzt hat. Beträgt der Abstand bei einer Geschwindigkeit vom mehr als 100 km/h weniger als 2/10 des halben Tachowertes (umgerechnet 0,36 Sek.), ist wegen der sehr hohen Gefährlichkeit des Verstoßes in der Regel ein Bußgeld von 200 DM und ein einmonatiges Fahrverbot auszusprechen.

An anderer Stelle:

Tatbestandsmäßig handelt, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeldtatbestand normierten Abstand, und sei es auch nur um wenige Zentimeter, unterschreitet. Wenn die Rechtsprechung fordert, dass die gefährdende Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend, sondern über eine Strecke von 250 m bis 300 m vorgelegen haben muss, so bedeutet das nicht, dass im Wege einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Beweisführung ein exakt gleichbleibender Abstand über eine längere Strecke vor der Messlinie festzustellen ist. Grund dieser Forderung ist vielmehr, dass es insbesondere auf Autobahnen immer Situationen (wie plötzliches Abbremsen des Vorausfahrenden oder Spurwechsel eines Dritten) geben kann, die für Augenblicke zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte (OLG Hamm, a.a.O., OLG Köln VRS 66, 463; OLG Düsseldorf VRS 64, 376). Geringfügige, nach der Lebenserfahrung regelmäßig auftretende, mit keinem der eingesetzten Messverfahren exakt fassbare und deshalb nie ausschließbare Abstandsschwankungen sind unbeachtlich.

OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Mai 2002 – 1 Ss 75/02

14 § 4 Abs. 2 und 3 StVO

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Die im § 4 Abs. 2 und 3 StVO aufgeführten Abstandsregelungen sind aus sich selbst heraus verständlich.

§ 4 StVO (Abstand)

Für die in Betracht kommenden Verstöße sieht der Bußgeldkatalog 2023 – soweit es dabei nicht zu Gefährdungen im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln) kommt, lediglich drei Tatbestände vor, deren Tatbestandsnummern im Folgenden zitiert werden:

104124
Sie hielten außerhalb geschlossener Ortschaften nicht den zum Einscheren erforderlichen Abstand von dem vorausfahrenden Fahrzeug ein. § 4 Abs. 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 14 BKat.

25,00 Euro

104636
Sie hielten als Führer des Lastkraftwagens (zulässige Gesamtmasse über 3,5 t/Kraftomnibusses) bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den Mindestabstand von 50 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein.

§ 4 Abs. 3, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 15 BKat
1 Punkt
80,00 Euro

104642
Sie hielten als Führer des kennzeichnungspflichtigen Kraftfahrzeugs mit gefährlichen Gütern (zulässige Gesamtmasse über 3,5 t/Kraftomnibusses mit Fahrgästen) bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den Mindestabstand von 50 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein.

§ 4 Abs. 3, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 15 BKat;
§ 3 Abs. 4 BKatV
1 Punkt
120,00 Euro

AG Lüdinghausen 2012: In Fällen des „LKW-Abstandsverstoßes“ gegen § 4 Abs. 3 StVO reicht es zur Tatkonkretisierung im Bußgeldbescheid aus, wenn zur Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit und zu der Abstandsstrecke der Wortlaut der TBNR 104636 einkopiert ist. Genauere Angaben mögen wünschenswert sein, sind aber nicht zwingend notwendig. Ein Verfahrenshindernis besteht in solchen Fällen nicht.

AG Lüdinghausen, Urteil vom 12.11.2012 - 19 OWi-89 Js 1592/12-186/12

15 Quellen

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https://www.runtervomgas.de/ratgeber-und-service/
unfallursachen/zu-geringer-sicherheitsabstand/
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