§ 23 StVO – Sonstige Pflichten
von Fahrzeugführenden
Inhaltsverzeichnis:
01
Allgemeines 02 TBNR gemäß
Bußgeldkatalog 2023 03 Fahrzeugführer und
sein Fahrzeug 04 Laute Musik 05
Nicht genug Benzin im Tank 06
Benutzungsverbot Smartphones/Mobiltelefone etc. 07
Radarwarngeräte 08
Anhängeverbot – Verbot freihändig zu fahren 09
Vermummungsverbot 10 Quellen
01
Allgemeines
TOP
Normadressat des § 23
StVO (Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers) ist, wie sich das
schon aus der Überschrift der Norm ableiten lässt, der
Fahrzeugführer.
-
Diese Person ist es,
die einen umfangreichen Pflichtenkatalog wahrzunehmen hat,
denn sie oder er ist dafür verantwortlich, dass:
-
Sicht und das Gehör
nicht durch die Besetzung, Tiere, die Ladung, Geräte oder
den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden.
-
Das Fahrzeug, der
Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung
vorschriftsmäßig sind
-
Die
Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die
Besetzung nicht leidet
-
Die vorgeschriebenen
Kennzeichen stets gut lesbar sind
-
Vorgeschriebene
Beleuchtungseinrichtungen müssen an Kraftfahrzeugen und
ihren Anhängern auch am Tage vorhanden und betriebsbereit
sein
-
Benutzung
technischer Geräte: Diesbezüglich enthält der § 23 StVO
detaillierte Regelungen, die insbesondere Benutzungsverbote
von Smartphones und Mobiltelefone betreffen
-
Verhalten bei
auftretenden Fahrzeugmängeln, die die Verkehrssicherheit
beeinträchtigen
-
Anhängeverbot
und das Verbot, freihändig zu fahren, für Rad- und
Kraftradfahrer
-
Verhüllungsverbot
des Gesichtes.
§ 23
StVO (Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden)
02 TBNR
gemäß Bußgeldkatalog 2023
TOP
Bei den
27 im Bußgeldkatalog aufgeführten Ordnungswidrigkeiten handelt
es sich sowohl um geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten, die
mit dem Einverständnis des davon Betroffenen vor Ort mit einem
Verwarnungsgeld abschließend geahndet werden können, als auch um
anzeigepflichtige Verkehrsordnungswidrigkeiten.
123100 Sie führten das Fahrzeug, obwohl Ihre Sicht
beeinträchtigt war. 10 Euro 123106 Sie führten
das Fahrzeug, obwohl Ihr Gehör durch Geräte beeinträchtigt war.
10 Euro 123112 Sie führten das nicht
vorschriftsmäßige Fahrzeug. 25 Euro 123118 Sie
führten das Fahrzeug, obwohl die Ladung/Besetzung nicht
vorschriftsmäßig war. 25 Euro 123119 Sie führten
das Fahrzeug, obwohl die Verkehrssicherheit durch die
Ladung/Besetzung litt. 25 Euro 123130 Sie
führten das Fahrzeug, obwohl die vorgeschriebenen Kennzeichen
schlecht lesbar waren. 5 Euro 123136 Sie führten
das Kraftfahrzeug/den Anhänger mit, dessen
Beleuchtungseinrichtung nicht vorhanden/betriebsbereit war.
20 Euro 123137 Sie führten das Kraftfahrzeug/den
Anhänger mit, dessen Beleuchtungseinrichtung nicht
vorhanden/betriebsbereit war und gefährdeten dadurch Andere.
25 Euro 123138 Sie führten das Kraftfahrzeug/den
Anhänger mit, dessen Beleuchtungseinrichtung nicht
vorhanden/betriebsbereit war. Es kam zum Unfall. 35 Euro
123600 Sie führten das nicht vorschriftsmäßige Fahrzeug,
wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt war.
1 Punkt 80 Euro 123601 Sie führten das nicht
vorschriftsmäßige Fahrzeug, wodurch die Verkehrssicherheit
wesentlich beeinträchtigt war. Es kam zum Unfall. 1 Punkt
120 Euro 123606 Sie führten das Fahrzeug, obwohl
die Ladung nicht vorschriftsmäßig war, wodurch die
Verkehrssicherheit wesentlich litt. 1 Punkit 80 Euro
123607 Sie führten das Fahrzeug, obwohl die Ladung nicht
vorschriftsmäßig war, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich
litt. Es kam zum Unfall. 1 Punkt 120 Euro 123612
Sie führten das Fahrzeug, obwohl die Besetzung nicht
vorschriftsmäßig war, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich
litt. 1 Punkt 80 Euro 123613 Sie führten das
Fahrzeug, obwohl die Besetzung nicht vorschriftsmäßig war,
wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich litt. Es kam zum
Unfall. 1 Punkt 120 Euro 123624 Sie
benutzten als Führer des Kraftfahrzeuges ein elektronisches
Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation
dient oder zu dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise.
1 Punkt 100 Euro 123625 Sie benutzten als Führer
des Kraftfahrzeuges ein elektronisches Gerät, das der
Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu
dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise und
gefährdeten dadurch Andere. 2 Punkte 1 Monat Fahrverbot
150 Euro 123626 Sie benutzten als Führer des
Kraftfahrzeuges ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation,
Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist,
in vorschriftswidriger Weise. Es kam zum Unfall. 2 Punkte
1 Monat Fahrverbot 200 Euro 123172 Sie benutzten
als Radfahrer ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation,
Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist,
in vorschriftswidriger Weise. 55 Euro 123630 Sie
benutzten als Radfahrer ein elektronisches Gerät, das der
Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu
dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise und
gefährdeten dadurch Andere. 75 Euro 123631 Sie
benutzten als Radfahrer ein elektronisches Gerät, das der
Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu
dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise. Es kam zum
Unfall. 100 Euro 123618 Sie betrieben als Führer
des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein technisches Gerät, das
dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen/zu
stören. 1 Punkt 75 Euro 123619 Sie führten
als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein technisches
Gerät betriebsbereit mit, das dafür bestimmt ist,
Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen/zu stören. 1 Punkt
75 Euro 123620 Sie verwendeten als Führer des
Kraftfahrzeugs verbotswidrig eine Gerätefunktion eines
technischen Gerätes zur Anzeige/Störung von
Verkehrsüberwachungsmaßnahmen. 1 Punkt 75 Euro
123166 Sie zogen das Fahrzeug nicht auf dem kürzesten Weg
aus dem Verkehr, obwohl unterwegs die Verkehrssicherheit
wesentlich beeinträchtigende Mängel aufgetreten waren. 10
Euro 123000 Sie hängten sich an ein fahrendes
Fahrzeug. 5 Euro 123006 Sie fuhren
freihändig. 5 Euro 123636 Sie hatten beim
Führen des Kraftfahrzeuges das Gesicht verdeckt oder verhüllt.
60 Euro
03 Fahrzeugführer und sein Fahrzeug
TOP
Wer ein
Fahrzeug führt, ist nach § 23 Abs. 1 S. 1 StVO dafür
verantwortlich, dass die Sicht und das Gehör nicht durch die
Besetzung, durch Tiere, durch die Ladung, durch Geräte oder
durch den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden. Die Sicht
kann zum Beispiel durch einen großen Sprung in der Scheibe oder
durch ein vereistes Sichtfeld beeinträchtigt sein.
Beleuchtungseinrichtungen:
Hinsichtlich der Verwendung und des Zustands der
Beleuchtungseinrichtungen, sind die Regelungen der StVO und die
der StVZO zu beachten.
§ 17 StVO
(Beleuchtung)
§ 49a
StVZO (Lichttechnische
Einrichtungen, allgemeine Grundsätze § 50 StVZO (Scheinwerfer
für Fern- und Abblendlicht) § 51 StVZO (Begrenzungsleuchten,
vordere Rückstrahler, Spurhalteleuchten) § 51a StVZO (Seitliche
Kenntlichmachung) § 51b StVZO (Umrissleuchten) § 51c StVZO
(Parkleuchten, Park-Warntafeln) § 52 StVZO (Zusätzliche
Scheinwerfer und Leuchten) § 52a StVZO (Rückfahrscheinwerfer)
§ 53 StVZO (Schlussleuchten, Bremsleuchten, Rückstrahler) §
53a StVZO (Warndreieck, Warnleuchte, Warnblinkanlage, Warnweste)
§ 53b StVZO (Ausrüstung und Kenntlichmachung von Anbaugeräten
und Hubladebühnen) § 53c StVZO (Tarnleuchten)
§ 53d StVZO (Nebelschlussleuchten) § 54 StVZO
(Fahrtrichtungsanzeiger) § 54a StVZO (Innenbeleuchtung in
Kraftomnibussen) § 54b StVZO (Windsichere
Handlampe)
Zusammenfassung:
§ 23 StVO
(Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden) betont die besondere
Verantwortung des Fahrzeugführers für das Vorhandensein und die
Betriebsbereitschaft der vorgeschriebenen
Beleuchtungseinrichtungen. Diese Verantwortlichkeit ist im
Zusammenhang mit § 17 StVO zu verstehen. Dort ist geregelt, wann
und wie die Beleuchtungseinrichtungen einzusetzen sind. Wie die
Beleuchtungseinrichtungen beschaffen sein müssen und wo und wie
sie anzubringen sind, das ergibt sich aus den Bau- und
Ausrüstungsvorschriften der StVZO.
Zustand der Bereifung
§ 36 StVZO (Bereifung und
Laufflächen)
Vorschriftsmäßigkeit von Besetzung und
Ladung
§ 21 StVO
(Personenbeförderung)
§ 21a StVO
(Sicherheitsgurte, Rollstuhl-Rückhaltesysteme,
Rollstuhlnutzer-Rückhaltesysteme, Schutzhelme)
§ 22 StVO
(Ladung)
Lesbarkeit des Kennzeichens nach § 23
Absatz 1 Satz 3 StVO
Aufgabe des Fahrers, nicht nur des Halters, ist es, dafür zu
sorgen, dass die vorgeschriebenen (amtlichen) Kennzeichen stets
gut lesbar sind
Ein
weiteres oft vorkommendes verkehrswidriges Fehlverhalten ist das
Fahren mit einem verkehrsunsicheren Fahrzeug. Darunter fallen
zum Beispiel Fahrzeuge mit defekten Teilen, abgefahrenen Reifen,
abgelaufenem TÜV oder auch mit nicht zugelassenen Bauteilen.
04 Laute Musik
TOP
Fahrzeugführer, die zu laute Musik im Auto hören, so dass ihr
Gehör während der Fahrt beeinträchtigt ist, handeln
ordnungswidrig. Wenn der Fahrer aufgrund der Musik ein
Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn nicht bemerkt und
diesem nicht sofort freie Bahn verschafft, kann das teuer
werden.
138600 Sie unterließen es, einem Einsatzfahrzeug mit
eingeschaltetem blauen Blinklicht und Einsatzhorn sofort freie
Bahn zu schaffen. 1 Monat Fahrverhot 2 Punkte 240 Euro
138601 Sie unterließen es, einem Einsatzfahrzeug mit
eingeschaltetem blauen Blinklicht und Einsatzhorn sofort freie
Bahn zu schaffen und gefährdeten dieses. 1 Monat Fahrverhot
2 Punkte 280 Euro 138602 Sie unterließen es,
einem Einsatzfahrzeug mit eingeschaltetem blauen Blinklicht und
Einsatzhorn sofort freie Bahn zu schaffen. Es kam zum Unfall.
1 Monat Fahrverhot 2 Punkte 320 Euro
Wer das
Hupen eines anderen Fahrzeugs aufgrund der Musik im Auto nicht
hören kann, handelt ordnungswidrig. Konkrete Vorgaben in Dezibel
gibt es für die Musiklautstärke jedoch nicht. Auch das Tragen
beiderseitig geschlossenen Kopfhörer kann als ein Normverstoß
geahndet werden.
Hören
von Musik über Kopfhörer während des Radfahrens ist bei
Gehörbeeinträchtigung verboten. Anders ausgedrückt: Ein
Radfahrer darf dann keine Musik über Kopfhörer hören, wenn dies
zu einer Beeinträchtigung des Gehörs führt und somit
Verkehrsgeräusche nicht mehr wahrgenommen werden können. Dies
geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus dem
Jahr 1987 hervor.
OLG Köln 1987:
Fahrradfahrer dürfen während der Fahrt keine Musik über
Kopfhörer hören, wenn dies dazu führt, dass das Gehör
beeinträchtigt und Verkehrsgeräusche nicht mehr wahrgenommen
werden können (hier: ein Walkman). Die Nutzung kann daher
während der Fahrt untersagt werden [En01].
05 Nicht genug Benzin im Tank
TOP
Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des OLG Düsseldorf aus
dem Jahr 1999 wie folgt:
OLG Düsseldorf 1999:
Eine - objektive - Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1
Satz 2 StVO liegt vor, wenn der Fahrzeugführer das Kraftfahrzeug
in Betrieb nimmt, ohne sich zuvor davon überzeugt zu haben, dass
im Fahrzeugtank genügend Treibstoff vorhanden ist, um die in
Aussicht genommene Fahrstrecke zu bewältigen, und wenn das
Fahrzeug wegen Treibstoffmangels in verkehrsgefährdender Weise,
etwa auf der Autobahn, liegen bleibt. In subjektiver Hinsicht
erfordert der Vorwurf einer solchen Pflichtwidrigkeit
allerdings, daß der Fahrzeugführer bei Anwendung der gebotenen
Sorgfalt den vorzeitigen Verbrauch des vorhandenen Treibstoffs
und das Liegenbleiben des Fahrzeugs unter verkehrsgefährdenden
Umständen vorhersehen konnte und musste [En02].
06 Benutzungsverbot Smartphones/Mobiltelefone
etc.
TOP
2022 hatten
die Richter des
Bayerischen
Oberlandesgerichtes den nachfolgend kurz skizzierten Fall zu
entscheiden:
Anlass:
Gegen die Führerin eines Kraftfahrzeugs wurde wegen Nutzung
eines Mobiltelefons eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro verhängt,
dann aber wurde die Frau vom Amtsgericht freigesprochen. Gegen
diese Entscheidung wandte sich die Staatsanwaltschaft mit einer
Rechtsbeschwerde an das
Bayerische
Oberlandesgericht.
In dem
Beschluss des
Bayerischen
Oberlandesgerichts aus dem Jahr 2022 wurde das Urteil des
Amtsgerichts aufgehoben.
BayObLG
2022:
Den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1a Satz
1 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO erfüllt, wer ein dort
bezeichnetes elektronisches Gerät zum Zwecke der Nutzung
aufnimmt oder hält und wenn kein Ausnahmetatbestand nach Nr. 2
vorliegt. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
des angefochtenen Urteils hat die Betroffene das Mobiltelefon
benutzt, indem sie durch Tippen der Wahlwiederholung eine
Rufnummer aus- und angewählt hat (...).. Die Betroffene hat
dabei das auf ihrem rechten Oberschenkel liegende Mobiltelefon
auch gehalten. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts
ist die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons durch ein
Halten auch dann zu bejahen, wenn das Mobiltelefon zwar nicht
mit bzw. in der Hand gehalten, aber auf dem Oberschenkel
abgelegt wird.
Maßgebend
für die Auslegung einer Norm ist in erster Linie der
Wortlaut
(...), wobei der Wortsinn einerseits die Grenze der Auslegung
bestimmt, andererseits aber bei der Auslegung zwischen den
möglichen Wortbedeutungen bis zur „äußersten sprachlichen
Sinngrenze“ gewählt werden darf (...). Dabei ist es eine gängige
Methode, dass sich die Gerichte im Rahmen der Auslegung an dem
im Duden definierten Wortsinn orientieren (...).
Halten:
Im Sinne
von § 23 Abs. 4 Nr. 1 StVO:
„hierfür
das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird“, heißt es in dem
Beschluss wie folgt:
BayObLG
2022:
Vom Wortsinn her bedeutet „Halten“ demnach einerseits
„festhalten“ und andererseits „bewirken, dass etwas in seiner
Lage, seiner Stellung oder Ähnlichem bleibt“ (www.duden.de
„halten“, Bedeutungen). Demnach liegt ein Halten nicht nur dann
vor, wenn ein Gegenstand mit der Hand ergriffen wird, sondern
etwa auch dann, wenn ein elektronisches Gerät bei der Nutzung
zwischen Schulter und Ohr (...)
bzw.
zwischen Oberschenkel und Lenkrad fixiert wird (...). Darüber
hinaus ist ein Halten aber auch dann gegeben, wenn ein in § 23
Abs. 1a StVO genanntes Gerät in sonstiger Weise mit Hilfe der
menschlichen Muskulatur in seiner Position bleibt. Wie die
Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsbeschwerde zutreffend darlegt,
kann ein Mobiltelefon während der Fahrt, verbunden mit den damit
einhergehenden Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen, nicht
allein durch die Schwerkraft auf dem Schenkel verbleiben,
sondern es bedarf bewusster Kraftanstrengung, um die
Auflagefläche so auszubalancieren, dass das Mobiltelefon nicht
vom Bein herunterfällt. Auch dieses durch menschliche
Kraftanstrengung bewirkte Ausbalancieren
unterfällt
dem Begriff des Haltens.
An
anderer Stelle:
BayObLG
2022:
Der Wille des Verordnungsgebers spricht deshalb für eine weite,
die Wortbedeutung ausschöpfende Auslegung des
Tatbestandsmerkmals (vgl. BGH a.a.O. für die Auslegung, dass
auch ein Taschenrechner ein elektronisches Gerät i.S.v. § 23
Abs. 1a StVO darstellt). Auch von daher erscheint es geboten,
fahrfremde Tätigkeiten wie das Halten und Benutzen eines
elektronischen Geräts auf dem Oberschenkel, bei dem ebenfalls
die Gefahr der Ablenkung des Fahrzeugführers verbunden mit einer
körperlich eingeschränkten
Bewegungssituation
gegeben ist, als verboten anzusehen, nachdem dies der Wortlaut
der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO als äußerste
Auslegungsgrenze hier zulässt [En03].
Taschenrechner:
Ein
elektronischer Taschenrechner
unterfällt
als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu
dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a Satz 1
StVO.
BGH,
Beschluss vom 16.12.2020 - 4 StR 526/19
Halten:
Auch
nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO liegt ein Verstoß nur
vor, wenn über das bloße Aufnehmen oder Halten des
elektronischen Geräts hinaus ein Zusammenhang mit der Verwendung
einer Bedienfunktion des Geräts besteht.
OLG
Celle, Beschluss vom 07.02.2019 - 3 Ss (OWi) 8/19
Die
Vorschrift pönalisiert nicht nur die Benutzung von Smartphones
während der Fahrt. Auch andere Geräte dürfen während des Führens
eines Fahrzeuges nicht bedient werden:
Handys,
Funkgeräte, Tablets, elektronische Terminplaner, Diktiergeräte,
Taschenrechner, E-Book-Reader, MP3 Player,
Personal-Computer,
Walkman, Discman und Notebooks. Auch das Lesen von SMS, die
Bedienung von Navigationsgeräten, und was es sonst noch alles
auf dem digitalen Markt gibt, dürfen beim Führen nicht benutzt
werden, es sei denn, dass dafür, so heißt es im § 23 Abs. 1a
StVO wie folgt:
§ 23
Abs. 1a StVO
(1a)
Wer
ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der
Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu
dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn
1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird
und 2. entweder a) nur eine Sprachsteuerung und
Vorlesefunktion genutzt wird oder b) zur Bedienung und
Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-,
Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum
Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom
Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Ob das
Gerät lose im Fahrzeug mitgeführt oder an der Hand getragen
wird, wie z.B. eine Computeruhr (Smartwatch), oder ob es fest
installiert ist, ist kein Kriterium. Entscheidend ist das
Ablenkungspotenzial.
Die
Ausnahmen nach § 23 Abs. 1b StVO
Die
praktisch wichtigste Ausnahme betrifft das mit ausgeschaltetem
Motor stehende Kraftfahrzeug.
§ 23 StVO
(Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden)
07 Radarwarngeräte
TOP
In einem
Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs München aus dem Jahr 1998
heißt es bereits im Leitsatz des Gerichtes wie folgt:
VGH München:
Durch ein im Kfz mitgeführtes, betriebsbereites Radarwarngerät
wird versucht, Geschwindigkeitsbegrenzungen ohne Folgen zu
missachten. Dies stellt eine Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung dar und begründet die Sicherstellung und
Vernichtung des Gerätes [En04].
Und in
Bezug auf ordnungswidriges Verhalten im Sinne von § 23 StVO
(Sonstige Pflichten von Fahrzeugführern) heißt es in den
Leitsätzen des Beschlusses des Oberlandesgerichts Celle aus dem
Jahr 2015:
OLG Celle 2015:
1. Der Verbotstatbestand des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO ist
erfüllt, wenn ein Fahrzeugführer während der Fahrt ein
Mobiltelefon betriebsbereit mit sich führt, auf dem eine sog.
„Blitzer-App“ installiert und diese App während der Fahrt
aufgerufen ist.
2.
„Blitzer-Apps“ dienen dazu, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen
anzuzeigen und vor mobilen und/oder stationären
Geschwindigkeitsmessungen zu warnen. Wenn der Fahrzeugführer
eine solche App während der Fahrt aufgerufen hat, ist auch sein
Smartphone dazu bestimmt, Geschwindigkeitsmessungen anzuzeigen [En05].
08 Anhängeverbot
– Verbot freihändig zu
fahren
TOP
Diesbezüglich heißt es im § 23 Abs. 3 StVO (Sonstige Pflichten
von Fahrzeugführenden):
§ 23
Abs. 3 StVO (3) Wer ein Fahrrad oder ein Kraftrad fährt,
darf sich nicht an Fahrzeuge anhängen. Es darf nicht freihändig
gefahren werden. Die Füße dürfen nur dann von den Pedalen oder
den Fußrasten genommen werden, wenn der Straßenzustand das
erfordert.
Diese
Regelung ist eindeutig und bedarf keiner weiteren Erörterung.
Hinweis:
Da die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 StVO nur das
freihändige Radfahren verbietet, kann einhändig Fahrrad
gefahren werden. Ein Verkehrsverstoß liegt darin nicht. Jedoch
kann es sich auf die zivilrechtliche Haftung auswirken, wenn es
aufgrund des einhändigen Radfahrens zu einem Unfall kommt, zum
Beispiel: mit einer Hand am Lenker und mit der anderen Hand
werden zwei Hunde an der Leine geführt. Diesbezüglich heißt es
in einem Urteil des Landgerichts Münster aus dem Jahr 2015 wie
folgt:
LG Münster 2015:
Indes ist auch die äußerst gefährliche Fahrweise des Klägers mit
zwei Hunden an der Leine und der Leine in der rechten Hand zu
berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sowohl
das einhändige Fahrradfahren als auch das Führen von Hunden vom
Fahrrad aus nach § 28 Abs. 1 S. 4 StVO grundsätzlich erlaubt
sind. Das Zusammenspiel beider Verhaltensweisen im vorliegenden
Fall stellte sich als besonders risikoerhöhend dar, was seinen
Niederschlag auch in der gesetzlichen Bestimmungen findet: § 28
Abs. 1 S. 3 und 4 StVO verbieten im Interesse der
Verkehrssicherheit grundsätzlich das Führen von Fahrzeugen aus,
„wovon nur größere (folgsame) Hunde hinter Fahrrädern
ausgenommen sind“ (...). Jegliche Einflüsse auf die
Verkehrssicherheit wie bei Einflüssen auf den Lenker (...)
sind
zu vermeiden. Der Fahrzeugführer im Sinne der StVO und in diesem
Fall der Fahrradfahrer muss sicherstellen, dass seine
Beherrschung des Fahrrades durch das Tier nicht beeinträchtigt
wird (...). So wie der Kläger seine Hunde geführt hat, kann er
im Fall des Abbiegens keine Richtungsanzeige abgeben. Beim
Abbiegen nach rechts ist dies auf Grund der in der rechten Hand
geführten Hundeleine nicht möglich. Nach links wäre eine
Richtungsanzeige lediglich unter Missachtung des Verbotes des
freihändigen Fahrradfahrens möglich. Und auch die Beherrschung
des Fahrrades wird durch das Halten der Leine offenkundig
beeinträchtigt. Der rechte Arm steht nicht zur Verfügung, um
Einwirkungen auf das Gleichgewicht in ausreichender Form zu
kompensieren. Auch kann die rechte Hand nicht unmittelbar zum
Lenker geführt werden, wenn eine Gefahrenlage unerwartet
auftritt. Zumal dies nur möglich wäre, wenn die Leine
losgelassen wird, was wiederum im Geltungsbereich des kommunalen
Leinenzwangs rechtswidrig wäre [En06].
09 Vermummungsverbot
TOP
Die Richter
des
OVG
Nordrhein-Westfalen hatten 2024 über die Klage einer Muslima zu
entscheiden, die begehrte, beim Führen eines Kraftfahrzeugs
einen Niqab tragen zu dürfen, oder dafür eine
Ausnahmegenehmigung zu erhalten. In der Begründung trug die
Muslima vor:„Ich bin seit 5/2007 praktizierende Muslima und
bedecke mich. Der Koran schreibt vor, dass die gläubigen Frauen
ihre Blicke niederschlagen, ihre Scham hüten und ihre Reize
nicht zur Schau tragen sollen. Sure 24, Vers 31, sowie Sure 33,
Vers 53 + 59. Gemäß Zentralrat der Muslime in Deutschland gilt
dies ab der Pubertät. Ich bedecke mich freiwillig und sehe es
als sexuelle Nötigung an, wenn man mich dazu zwingt meinen Niqab
am Steuer abzulegen. [...]“
OVG NRW 2024:
Die Regelung [gemeint ist das Vermummungsverbot des § 23 Abs. 4
StVO] dient darüber hinaus auch dem Zweck, eine Beeinträchtigung
der Rundumsicht des Fahrers zu verhindern. Sie begegnet der
Gefahr, dass eine Gesichtsverhüllung - allein aufgrund ihrer
Beschaffenheit oder durch Hinzutreten äußerer Umstände - die
Rundumsicht des Fahrers eines Kraftfahrzeugs einschränkt. Im
Fall der Verwirklichung dieser Gefahr drohen durch Unfälle
unmittelbare Schäden an den hochrangigen Rechtsgütern Leben,
körperliche Unversehrtheit und Eigentum Dritter. Damit dient die
Verbotsvorschrift bei objektiver Betrachtung auch unter diesem
Aspekt der Sicherheit und Ordnung auf den öffentlichen Straßen
im Sinne der Verordnungsermächtigung.
Der von
der Klägerin dagegen erhobene Einwand, dass die
Verordnungsbegründung allein auf die Identifizierbarkeit des
Fahrers - und nicht auf den Schutz der Rundumsicht - abstelle,
greift zu kurz. [...]. Diese Überlegungen gelten auch für
Rechtsverordnungen, zumal diese häufig überhaupt nicht begründet
werden. Der Zweck, eine Beeinträchtigung der Rundumsicht zu
verhindern, drängt sich etwa mit Blick auf das Tragen einer
Burka beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr
geradezu auf. Dagegen spricht auch nicht etwa, dass bereits § 23
Abs. 1 Satz 1 StVO eine Regelung zum Schutz der Sicht des
Fahrzeugführers enthält. Zunächst unterstreicht diese Regelung
nur, dass der Verordnungsgeber die freie Sicht des
Fahrzeugführers im Straßenverkehr auch ausdrücklich schützt.
Zudem wird durch den Bezug auf „die Besetzung, Tiere, die
Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs“ deutlich, dass §
23 Abs. 1 Satz 1 StVO die freie Sicht im Hinblick auf die
Umgebung des Fahrers sicherstellen soll, während § 23 Abs. 4
Satz 1 StVO den Fahrer selbst betrifft. Für die Bestimmung des
legitimen Zwecks der Regelung ist es zudem irrelevant, ob eine
bestimmte Form der Verschleierung im Einzelfall - wie die
Klägerin dies für den von ihr getragenen Niqab geltend macht -
dieses Risiko (weitgehend) ausschließt.
An
anderer Stelle:
Das Verbot
des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO sei auch verhältnismäßig. Es
bezwecke die Gewährleistung der Identitätsfeststellung bei
Maßnahmen der automatisierten Verkehrsüberwachung. Weil es in
Deutschland keine Halterhaftung gebe, müsse der Fahrer eines
Fahrzeugs ermittelbar sein, so dass gegen ihn ein Straf- oder
Ordnungswidrigkeitenverfahren
eingeleitet werden könne. Ein Verkehrsteilnehmer, der damit
rechnen müsse, für einen Verkehrsverstoß zur Verantwortung
gezogen zu werden, werde sich eher verkehrsgerecht verhalten als
derjenige, der unter Verhüllung seines Gesichts unerkannt am
Straßenverkehr teilnehme. Diese präventive Funktion des Verbots
diene der Sicherheit des Straßenverkehrs und schütze die
hochrangigen Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum. Die
Annahme, dass die Regelung gerade auf muslimische Frauen
abziele, sei nicht nachvollziehbar. Es handele sich um ein
allgemeines Verbot.
An
anderer Stelle:
§ 23
Abs. 4 Satz 1 StVO sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
Der Religionsfreiheit komme nicht schlechthin höheres Gewicht zu
als den mit dem Verdeckungs- und Verhüllungsverbot geschützten
Rechtsgütern. Der Verweis der Klägerin auf die Erlaubnis zur
religiös motivierten Beschneidung männlicher Kinder in § 1631d
BGB führe nicht weiter, weil § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO nicht dazu
diene, der Freiheit der Religionsgemeinschaften zur
selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten
Rechnung zu tragen. Bei der Behauptung, dass die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung faktisch unmöglich sei, handele es sich um
eine bloße Unterstellung. Es sei auch nichts dagegen
einzuwenden, dass das Verbot sämtliche Führerscheinklassen
betreffe, da etwa auch mit einem Fahrzeug der Führerscheinklasse
AM Verkehrsverstöße möglich seien, die im Rahmen der
automatisierten Verkehrsüberwachung aufgedeckt werden könnten.
Das
Verhüllungs- und Verdeckungsverbot im Straßenverkehr ist im
verfassungsrechtlichen Sinne auch erforderlich. Eine Regelung
ist erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das
Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel zur
Verfügung steht. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen
Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht
eindeutig feststehen. Bei der Einschätzung der Erforderlichkeit
verfügt der Gesetzgeber über einen Beurteilungs- und
Prognosespielraum. Dieser bezieht sich unter anderem darauf, die
Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu
anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren [En07].
TOP
10 Quellen
TOP
Endnote_01 OLG
Köln, 20.02.1987 - Az: Ss 12/87 (Z)
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Endnote_2
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.12.1999 - 2b Ss (OWi) 251/99 -
(OWi) 102/99 I Zurück
Endnote_03
BayObLG, Beschluss vom 10.1.2022 - 201 ObOWi 1507/21
Zurück
Endnote_4 VGH
München, Beschluss vom 16. Juli 1998 - 24 ZS 98/1588
Zurück
Endnote_5 OLG Celle,
Beschluss vom 29.06.2015 – 2 Ss (OWi) 313/15
Zurück
Endnote_6 LG
Münster, Urteil vom 16.12.2015 - 01 S 56/15
Zuück
Endnote_7 OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
05.07.2024 - 8 A 3194/21 Zurück
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