§ 20 StVO –
Öffentliche Verkehrsmittel und
Schulbusse
Inhaltsverzeichnis:
01 Allgemeines zu § 20
StVO 02
TBNR
gemäß Bußgeldkatalog 2023 03
Öffentliche
Verkehrsmittel 04 Vorsichtiges Vorbeifahren an Haltestellen
05 Ausschluss von Gefährdungen 06
Schrittgeschwindigkeit
07 Überholverbot an Haltestellen 08
Omnibus mit aktivierter
Warnblinkanlage 09 Anfahrender Linienverkehr 10
Fußgänger
an Bushaltestellen 11 Vorbeifahrende Radfahrer an
Haltestellen 12 Einfahren von Bussen in Haltestellen
13 Seitenabstand
iSv
§ 20 StVO 14
Verhaltensregeln für Fahrgäste und
Busfahrer im Überblick
01
Allgemeines zu § 20 StVO
TOP
Sinn und Zweck von § 20
StVO (Öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse) ist es, die
Sicherheit sowohl von Fahrgästen in Schulbussen als auch in
Omnibussen des Linienverkehrs zu gewährleisten. Insbesondere im
Zusammenhang mit Schülern geht der Verordnungsgeber davon aus,
dass Schüler sowohl in Schul-, meist aber wohl in Linienbussen
zur Schule befördert werden. Darüber hinausgehend benutzt diese
Altersgruppe die Linienbusse auch in ihrer Freizeit. Da die
jungen Fahrgäste aber altersbedingt nicht in jedem Fall dazu in
der Lage sind, die Gefahren des Straßenverkehrs
situationsgerecht zutreffend einzuschätzen, bringen sie beim
Verlassen öffentlicher Verkehrsmittel nicht immer die dafür
gebotene Aufmerksamkeit auf. Unabhängig davon sind aber auch
ältere Fahrgäste sowohl beim Einsteigen als auch beim Aussteigen
aus öffentlichen Verkehrsmitteln erhöhten Gefahren ausgesetzt.
Diese Besonderheiten
rechtfertigen es, öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulbussen
Vorrang vor anderen Verkehrsteilnehmern einzuräumen.
§ 20 StVO
(Öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse)
02 TBNR
gemäß Bußgeldkatalog 2023
TOP
Die im
Bußgeldkatalog aufgeführten bußgeldbewehrten
Verkehrsordnungswidrigkeiten, die den § 20 StVO betreffen,
umfassen insgesamt 140 Tatbestandsnummern. Aus diesem Grund wird
auf eine Auflistung verzichtet.
Im
Bußgeldkatalog 2023 werden alle Tatbestände, beginnend mit der
Seite 128 und endend mit der Seite 147, aufgelistet.
Wenn Sie
den Bußgeldkatalog 2023 über den folgenden Link öffnen und dann
in die Suchfunktion Ihres Browsers die Tatbestandsnummer 120100
einfügen, dann haben Sie einen direkten Zugang zu den
vielfältigen Möglichkeiten, Ordnungswidrigkeiten im Sinne von §
20 StVO ahnden zu können.
Bei den
in Betracht kommenden Ordnungswidrigkeiten handelt es sich zum
Teil um geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten, die mit dem
Einverständnis des davon Betroffenen vor Ort mit einem
Verwarnungsgeld abschließend geahndet werden können. In den
weitaus meisten Fällen handelt es sich aber um anzeigepflichtige
Verkehrsordnungswidrigkeiten, die mit hohen Geldbußen von bis zu
900 Euro, verbunden mit entsprechenden Punkten in Flensburg und
bei festzusetzenden Bußgeldern ab 255,00 Euro, auch mit 1 bzw.
mehrmonatigen Fahrverboten bei Bußgeldern ab 600,00 Euro
geahndet werden können.
Bußgeldkatalog 2023
03 Öffentliche Verkehrsmittel
TOP
Öffentliche Verkehrsmittel im Sinne von § 20 StVO (Öffentliche
Verkehrsmittel und Schulbusse) sind:
-
Straßenbahnen
-
Kraftomnibusse
-
O-Busse
-
Schulbusse
Omnibusse:
Omnibusse sind nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von
Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit mehr als 8
Fahrgastplätzen, siehe § 30d Abs. 1 StVZO (Kraftomnibusse).
§ 30d StVZO
(Kraftomnibusse)
Schulbusse:
Schulbusse sind Fahrzeuge, die für die Schülerbeförderung
eingesetzt und nach Maßgabe von § 33 Abs. 4 BO-Kraft als solche
gekennzeichnet sind.
§ 33 BO-Kraft
(Kennzeichnung und Beschilderung)
Der
Schulbusse gehören zu den sichersten Beförderungsmitteln, mit
denen an Schultagen täglich Millionen Schulkinder ihren Weg zur
Schule zurücklegen.
Im
engeren Sinne ist mit „Schulbusverkehr“ die regelmäßige
Beförderung von Schülern mit speziellen nicht öffentlichen
Bussen gemeint. Unabhängig davon werden aber auch Linienbusse
und sonstige Busse als Schulbusse bezeichnet, wenn in diesen
Fahrzeugen Schüler befördert werden.
04 Vorsichtiges Vorbeifahren an Haltestellen
TOP
Die
nachfolgend zitierte Regelung des § 20 Abs. 1 StVO (Öffentliche
Verkehrsmittel und Schulbusse) greift nur an öffentlichen
Haltestellen und an Schulbushaltestellen.
§ 20
Abs. 1 StVO (1) An Omnibussen des Linienverkehrs, an
Straßenbahnen und an gekennzeichneten Schulbussen, die an
Haltestellen (Zeichen 224) halten, darf, auch im Gegenverkehr,
nur vorsichtig vorbeigefahren werden.
Es ist
vorzusehen, dass Schulbusse nur rechts halten. Die Mitbenutzung
der Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel durch Schulbusse
ist anzustreben.
Haltestellen
Zeichen 224 StVO
Ge-
oder Verbot Wer ein Fahrzeug führt, darf bis zu 15
m vor und hinter dem Zeichen nicht parken. Erläuterung
Das Zeichen kennzeichnet eine Haltestelle des Linienverkehrs
und für Schulbusse. Das Zeichen mit dem Zusatzzeichen „Schulbus“
(Angabe der tageszeitlichen Benutzung) auf einer gemeinsamen
weißen Trägerfläche kennzeichnet eine Haltestelle nur für
Schulbusse.
Kennzeichnung Schulbushaltestelle
Das
Zeichen mit dem Zusatzzeichen „Schulbus“ (Angabe der
tageszeitlichen Benutzung) auf einer gemeinsamen weißen
Trägerfläche kennzeichnet eine Haltestelle nur für Schulbusse.
Wer ein Fahrzeug führt, darf bis zu 15 m vor und hinter dem
Zeichen nicht parken.
Die
Pflicht zum vorsichtigen Vorbeifahren greift auch gegenüber
gekennzeichneten Schulbussen sowie auch gegenüber anderen
haltenden öffentlichen Verkehrsmitteln auch für den
Gegenverkehr, soweit die Fahrbahn nicht durch Mittelstreifen
getrennt sind.
Vorsichtiges Vorbeifahren setzt eine gemäßigte Geschwindigkeit
voraus. Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des OLG Celle aus
dem Jahr 2021 wie folgt:
OLG Celle 2021:
Danach [gemeint ist § 20 StVO] ist an haltenden Omnibussen des
Linienverkehrs nur vorsichtig vorbeizufahren. Vorsichtiges
Vorbeifahren setzt in der Regel eine mäßige Geschwindigkeit
voraus, die im Einzelfall, etwa wenn mit dem Heraustreten von
Kindern zu rechnen ist, auch Schrittgeschwindigkeit bedeuten
kann. Wenn es keine weiteren Anhaltspunkte gibt, die eine
deutliche Geschwindigkeitsreduzierung bis zum Anhalten gebieten,
kann unter einer vorsichtigen Fahrweise eine Geschwindigkeit von
jedenfalls nicht mehr als 30 km/h verstanden werden.
OLG
Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21
05 Ausschluss von Gefährdungen
TOP
Diesbezüglich heißt es im § 20 Abs. 2 StVO (Öffentliche
Verkehrsmittel und Schulbusse) wie folgt:
§ 20
Abs. 2 StVO (2) Wenn Fahrgäste ein- oder aussteigen, darf
rechts nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen
Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von
Fahrgästen ausgeschlossen ist. Sie dürfen auch nicht behindert
werden. Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug führt, warten.
Im § 20
STVO (Öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse) heißt es sowohl
im Absatz 2 als auch im Absatz 4, dass „eine Gefährdung von
Fahrgästen ausgeschlossen“ sein muss.
Eine
Gefährdung setzt eine Gefahr voraus. Dabei handelt es sich um
eine Situation, in der ein Schaden einzutreten droht bzw. eine
Lebenssituation besteht, in der mit der Wahrscheinlichkeit des
Eintritts eines Schadensereignisses zu rechnen ist, wenn diese
Situation nicht sofort durch geeignete Maßnahmen beendet bzw.
abgewendet wird. Der Verwaltungswissenschaftler Hans Julius
Wolff (1898 bis 1976) hat eine Gefahr wie folgt definiert:
Hans Julius Wolff:
Nach allgemeiner Auffassung liegt eine »Gefahr« vor, wenn eine
Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des
objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein
polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird.
Wolff,
Verwaltungsrecht III
Die Frage,
die sich nunmehr stellt, lautet: Lässt sich dieser
Gefahrenbegriff auch auf den unbestimmten Rechtsbegriff der
„Gefährdung“ auch auf die Sprachfigur der Gefährdung übertragen,
die an verschiedenen Stellen in der StVO vom Verordnungsgeber
verwendet wird, unter anderem auch im § 20 StVO. Davon kann
ausgegangen werden, denn eine Gefahr im Sinne der Grundregel 2
der StVO setzt bereits einen „Beinahe-Unfall“ voraus, also ein
Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der
Einschätzung gelangt, dass „es in dieser Situation gerade noch
einmal gut gegangen ist“. Diese Umschreibung einer konkreten
Gefahr entspricht der Rechtsauffassung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG).
BVerwG
1970:
Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden
konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem
Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden
kann.
BVerwG,
Urteil vom 26.06.1970 - 4 C 99.67
Zum
Verhalten und zur Fahrgeschwindigkeit beim Heran- und
Vorbeifahren an Haltestellen mit Omnibussen des Linienverkehrs
heißt es in einem Urteil des OLG Saarbrücken aus dem Jahr 2007
wie folgt:
OLG Saarbrücken 2007:
Nach § 20 Abs. 1 StVO darf an Omnibussen des Linienverkehrs, die
an Haltestellen halten, auch im Gegenverkehr, nur vorsichtig
vorbeigefahren werden. Es bedarf dann einer gemäßigten
Geschwindigkeit sowie einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber
Fußgängern. Auch im Rahmen des § 20 Abs. 2 StVO ist anerkannt,
dass die Schrittgeschwindigkeit nicht nur beim unmittelbaren
Ein- und Aussteigen der Fahrgäste, sondern schon dann
einzuhalten ist, wenn die Fahrgäste die Fahrbahn beim Annähern
des Busses betreten, um einzusteigen. Die Sorgfaltspflichten des
vorbeifahrenden Kraftfahrers verringern sich nicht bereits in
dem Moment, in dem der Bus gerade angefahren ist.
OLG
Saarbrücken, Urteil vom 17.07.2007 - 4 U 338/06
06 Schrittgeschwindigkeit
TOP
Dazu
heißt es in einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 2019 wie
folgt:
OLG Hamm 2019:
Der Begriff der Schrittgeschwindigkeit genügt ungeachtet der
hierzu in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen
unterschiedlichen Auffassungen grundsätzlich dem
Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG.
Die derzeit
gegebene Uneinheitlichkeit in der obergerichtlichen
Rechtsprechung, in welcher der Begriff der
Schrittgeschwindigkeit teilweise bzw. überwiegend mit max. 7
km/h definiert, teilweise aber auch mit max. 10 km/h angegeben
wird, führt unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes bzw.
des auch im
Ordnungswidrigkeitenrecht
geltenden Schuldprinzips dazu, dass einem Betroffenen unabhängig
von der konkreten Kenntnis verschiedener gerichtlicher
Entscheidungen und unabhängig von der Frage, welche der
verschiedenen Auffassungen nach Bewertung des Senats als
vorzugswürdig anzusehen wäre, ein Verstoß gegen das Gebot der
Schrittgeschwindigkeit allenfalls erst bei Überschreitung des
Wertes von 10 km/h zur Last gelegt werden kann, solange keine
verbindliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eine
entsprechende gesetzliche Klarstellung vorliegt.
OLG
Hamm, Beschluss vom 28.11.2019 - 1 RBs 220/19
07 Überholverbot an Haltestellen
TOP
Diesbezüglich heißt es im § 20 Abs. 3 StVO (Öffentliche
Verkehrsmittel und Schulbusse) wie folgt:
§ 20
Abs. 3 StVO (3) Omnibusse des Linienverkehrs und
gekennzeichnete Schulbusse, die sich einer Haltestelle (Zeichen
224) nähern und Warnblinklicht eingeschaltet haben, dürfen nicht
überholt werden.
An
besonders gefährlichen Haltestellen müssen Busfahrer von Linien-
oder Schulbussen vor dem Einfahren in die Haltestelle die
Warnblinker einschalten. Ein Linienbus oder Schulbus, der sich
mit eingeschalteter Warnblinkanlage einer Haltestelle nähert,
darf grundsätzlich nicht überholt werden. Als Fahrzeugführer
muss man also warten und hinter dem Bus bleiben.
Steht
dagegen der Bus bereits mit Warnblinkanlage oder nur mit Blinker
rechts an einer Haltestelle und steigen Personen ein und aus,
dürfen Fahrzeuge in gleicher Fahrtrichtung den Bus nur in
Schrittgeschwindigkeit und mit ausreichendem Abstand passieren.
Bei
einem Bus, der mit Warnblinkern in der Haltestelle steht, gilt
das auch für den Gegenverkehr, wenn der Verkehrsraum das
einfordert, weil die Straße eng ist.
Wird das
Warnblinklicht zu früh eingeschaltet, so dass für andere
Fahrzeugführer ein Zusammenhang mit einem bevorstehenden Halten
noch nicht erkennbar ist, fehlt es an den Voraussetzungen, die §
20 Abs. 3 StVO vorgibt, siehe § 16 Abs. 2 StVO (Warnzeichen),
denn das Einschalten von Warnblinklicht durch den Fahrer eines
Omnibusses setzt unter anderen Möglichkeiten voraus, dass mit
Gefahren zu rechnen ist.
§ 16 StVO
(Warnzeichen)
08 Omnibus mit aktivierter Warnblinkanlage
TOP
Diesbezüglich heißt es im § 20 Abs. 4 StVO (Öffentliche
Verkehrsmittel und Schulbusse) wie folgt:
§ 20
Abs. 4 StVO (4) An Omnibussen des Linienverkehrs und an
gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224)
halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, darf nur mit
Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand
vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen
ausgeschlossen ist. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den
Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Die Fahrgäste dürfen auch
nicht behindert werden. Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug
führt, warten.
Die
Regelung ist eindeutig und bedarf keiner weiteren Erörterungen.
Hinsichtlich der Sprachfigur „Schrittgeschwindigkeit“ wird auf
die Ausführungen in der Randnummer 06 – Schrittgeschwindigkeit
verwiesen.
Bei den
in Betracht kommenden Fehlverhalten handelt es sich in der Regel
um geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten, die, soweit es
nicht zu Gefährdungen oder Unfällen kommt, noch vor Ort mit
einem Verwarnungsgeld geahndet werden können.
TBNR
120702
Sie fuhren bei an einer Haltestelle haltendem Omnibus des
Linienverkehrs/gekennzeichneten Schulbus mit eingeschaltetem
Warnblinklicht nicht mit Schrittgeschwindigkeit vorbei und
gefährdeten dadurch Fahrgäste. 1 Punkt 70,00 Euro
Wird die
eingeforderte Schrittgeschwindigkeit erheblich missachtet, sieht
der Bußgeldkatalog „drastische“ Folgen für den jeweiligen
Fahrzeugführer vor:
TBNR
120774
Sie überschritten die zulässige Schrittgeschwindigkeit innerhalb
geschlossener Ortschaften um ... (über 60) km/h bei an einer
Haltestelle haltendem Linienbus/gekennzeichneten Schulbus mit
eingeschaltetem Warnblinklicht. Zulässige Geschwindigkeit: ...
km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): ...
km/h. 2 Punkte 800 Euro 3 Monate Fahrverbot
09 Anfahrender Linienverkehr
TOP
Das
Vorrecht gem. § 20 Abs. 5 StVO besteht nur unter den
Voraussetzungen einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Anzeige
gegenüber dem ansonsten fortbestehenden Vorrang des fließenden
Verkehrs.
§ 20
Abs. 5 StVO (5) Omnibussen des Linienverkehrs und
Schulbussen ist das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen
zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten.
Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des OLG Celle aus dem
Jahr 2021 wie folgt:
OLG Celle 2021:
Die
Beweislast für die Inanspruchnahme eines Vorrechts der
Straßenverkehrsordnung trägt derjenige, der sich auf es beruft.
Erst wenn der Fahrer eines an einer Haltestelle haltenden
Linienbusses bewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die
Inanspruchnahme seines Vorrechts vorgelegen haben,
entfällt der
Vorrang des fließenden Verkehrs und mit ihm der Anscheinsbeweis,
der auf einen Verstoß gegen die in § 10 StVO normierten
Sorgfaltsanforderungen schließen lässt.
§ 10 StVO
(Einfahren und Anfahren)
An
anderer Stelle heißt es:
Gem. §
10 Satz 1 StVO muss sich der Einfahrende vom Fahrbahnrand auf
eine Fahrbahn so verhalten, dass eine Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Vorrang des
fließenden Verkehrs gilt grundsätzlich auch gegenüber dem Fahrer
eines Omnibusses des Linienverkehrs.
Diese
Einschränkung des Vorrangs des fließenden Verkehrs gilt aber
erst dann, wenn der Fahrer eines Omnibusses des Linienverkehrs
sein Vorhaben ordnungsgemäß und rechtzeitig angezeigt hat (§ 10
Satz 2 StVO). In diesem Fall muss sich der fließende Verkehr auf
das Einfahren des Busses einstellen, eine Behinderung hinnehmen
und nötigenfalls auch mit einer mittelstarken Bremsung anhalten.
An
anderer Stelle heißt es:
Erst
wenn der Fahrer des Linienbusses sichergestellt hat, dass den
Anforderungen des § 10 Satz 2 StVO Genüge getan ist, also der
Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig zuvor gesetzt war und nach
Rückschau nicht anzunehmen ist, dass andere Verkehrsteilnehmer
mehr als nur mittelstark bremsen müssten, entsteht sein Vorrecht
gem. § 20 Abs. 5 StVO.
OLG
Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21
Nur zur
Erinnerung: Der § 20 Abs. 5 StVO enthält folgende Regelung:
§ 20
Abs. 5 StVO (5) Omnibussen des Linienverkehrs und
Schulbussen ist das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen
zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten.
Obwohl
an Omnibussen, die an Haltestellen halten, nur vorsichtig
vorbeigefahren werden darf, ergibt sich daraus kein „Freiebrief“
für die Fahrer von Bussen, sozusagen einfach draufloszufahren.
Kommt es vielmehr zu einem Zusammenstoß zwischen einem
anfahrenden Linienbus und einem Fahrzeug, das im
gleichgerichteten Verkehr das Vorfahrtsrecht des § 20 Abs. 5
StVO missachtet, verhalten sich beide Fahrzeugführer
verkehrswidrig. Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des
Amtsgerichts Hamburg aus dem Jahr 2006 wie folgt:
AG Hamburg 2006:
Danach
[gemeint ist der § 20 Abs. 5 StVO] darf an Omnibussen, die an
Haltestellen halten, nur vorsichtig vorbeigefahren werden.
Darüber hinaus ist von gekennzeichneten Haltestellen abfahrenden
Omnibussen das Abfahren zu ermöglichen und, wenn nötig, muss
hierfür sogar angehalten werden. Der Busfahrer darf
grundsätzlich sein Vorrecht aus § 20 Abs. 5 StVO wahrnehmen und
mit dem Linienbus von der Haltestelle anfahren, auch wenn er
dadurch ein sichtbar im fließenden Verkehr herannahendes
Fahrzeug behindert. Dabei darf er darauf vertrauen, der
fließende Verkehr werde ihm den Vorrang einräumen, auch wenn er
dadurch zum Bremsen gezwungen wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom
23.1.1989, 1 U 65/88).
Zwar
besteht kein genereller Vorrang eines abfahrenden Busses vor dem
fließenden Verkehr. Die Vorschrift des § 20 StVO schränkt jedoch
als Sonderregelung den sich aus § 10 StVO ergebenden Vorrang des
fließenden Verkehrs insoweit ein, als dieser - notfalls durch
Anhalten - gehalten ist, eine durch das Anfahren der
Linienfahrzeuge entstehende Behinderung hinzunehmen (OLG
Düsseldorf, a.a.O.). Aus dieser Einschränkung des § 10 StVO
folgt weiter, dass der abfahrende Busfahrer nicht mehr mit einer
besonderen über den § 1 Abs. 2 StVO gesteigerten
Sorgfaltspflicht mit dem Ziel, jede wesentliche Behinderung des
fließenden Verkehrs zu vermeiden, belastet ist (...).
Voraussetzung für das Erlöschen des generellen Vorranges des
fließenden Verkehrs ist allerdings, dass der Busfahrer seine
Abfahrabsicht
gemäß § 10 S. 2 StVO rechtzeitig unter Benutzung der
Fahrtrichtungsanzeiger angekündigt hat (...). Auch darf der
Fahrer eines Linienbusses trotz seines Vorrechtes den fließenden
Verkehr nicht gefährden (...). Er darf insbesondere nicht
blindlings unter Gefährdung des fließenden Verkehrs auf die
Vorrangachtung vertrauen oder seinen Vorrang zu erzwingen suchen
(OLG Düsseldorf, a.a.O.).
AG
Hamburg, Urteil vom 10.10.2006 - 518 C 167/06
10 Fußgänger an Bushaltestellen
TOP
In der
Nähe von Bushaltestellen muss der fließende Verkehr damit
rechnen, dass Fußgänger die Fahrbahn überqueren, wenn dort Busse
oder Schulbusse halten. Diesbezüglich heißt es im § 20 Abs. 6
StVO (Öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse) wie folgt:
§ 20
Abs. 6 StVO (6) Personen, die öffentliche Verkehrsmittel
benutzen wollen, müssen sie auf den Gehwegen, den Seitenstreifen
oder einer Haltestelleninsel, sonst am Rand der Fahrbahn
erwarten.
Das gilt
nicht für Fußgänger, denen sozusagen der „räumliche Zusammenhalt
zu einer Haltestelle“ fehlt.
AG Köln 2011:
Gemäß § 20
StVO darf an öffentlichen Verkehrsmitteln, die an Haltestellen
halten, nur vorsichtig vorbeigefahren werden. Diese Vorschrift
dient dem Schutz ein- und aussteigender Fahrgäste an der
Haltestelle. Der an einem haltenden Linienomnibus vorbeifahrende
Fahrzeugführer muss mit überquerenden Fahrgästen rechnen.
Unstreitig passierte der
Drittwiderbeklagte
zum Zeitpunkt der Kollision einen an einer Haltestelle an der
rechten Fahrbahnseite haltenden Linienomnibus der
KVB.
Um diesen zu erreichen, überquerte der Beklagte die Straße.
Dennoch
unterfiel
er nicht dem Schutzbereich des § 20 StVO, da er nicht Fahrgast
an der Haltestelle war, mithin nicht den erforderlichen
räumlichen Bezug zur Haltestelle aufwies. Das Gericht verkennt
nicht, dass in § 20 Abs. 1 StVO Fahrgäste als Adressaten des
Schutzzwecks nicht ausdrücklich genannt sind und damit die
Einbeziehung aller Fußgänger im Umfeld eines an einer
Haltestelle stehenden Linienbusses in den Schutzbereich der Norm
gerechtfertigt erscheint. Dies gilt jedoch nur für solche
Fußgänger, die sich derart im räumlichen Bereich des haltenden
Busses befinden, dass sie der dadurch geschaffenen besonderen
Gefährdungssituation ausgesetzt sind. Diese entsteht
insbesondere durch erhöhtes Fußgängeraufkommen, welches
einhergehen kann mit Drängeleien und Ausweichreaktionen unter
den Fußgängern sowie aufgrund der besonderen Größe von
Linienbussen, hinter denen ein entsprechend großer sog. „toter
Raum“ vorhanden ist. Der Beklagte befand sich unstreitig gerade
nicht derart in der Nähe des Linienbusses, so dass er dieser
Gefährdung auch nicht ausgesetzt war. Vielmehr kam er von der
gegenüberliegenden Straßenseite. Ein Pkw-Fahrer, der an einem
haltendenden Bus vorbeifährt, braucht jedoch nicht damit zu
rechnen, dass ein Fußgänger von links kommend zwischen sich
stauenden Fahrzeugen hindurchläuft und, ohne auf der
Straßenmitte anzuhalten, seine Fahrbahn unmittelbar vor seinem
Pkw betritt.
AG Köln,
Urteil vom 09.08.2011 - 272 C 67/11
11 Vorbeifahrende Radfahrer an Haltestellen
TOP
Radfahrer dürfen ein- und aussteigende Fahrgäste eines
Linienbusses nicht gefährden. Fahrgäste müssen beim Aussteigen
jedoch ebenfalls ihrerseits mit Radfahrern rechnen. Kommt es zu
Zusammenstößen, dann kann davon ausgegangen werden, dass über
die Haftung wie folgt entschieden wird: 80 Prozent Haftung des
Radfahrers, 20 Prozent Haftung des aussteigenden Fahrgastes.
Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des Kammergerichts
Berlin aus dem Jahr 2015 wie folgt:
KG Berlin 2015:
Kollidiert
ein Radfahrer auf einem gekennzeichneten Radweg, der rechts an
einer Haltestelle des Linienverkehrs vorbeiführt und für die
Fahrgäste einen für sie reservierten Bereich von bis zu 3 m
vorsieht, mit einem Fahrgast, der gerade einen haltenden Bus
verlassen hat, kommt wegen des Verstoßes gegen § 20 Abs. 2 StVO
eine Haftungsverteilung von 80% zu Lasten des Radfahrers in
Betracht.
An
anderer Stelle heißt es:
Entgegen
der Ansicht der Klägerin [gemeint ist die geschädigte
Radfahrerin] hatte sie beim Passieren der Haltestelle § 20 Abs.
2 StVO zu beachten. Die Vorschrift ist dann ebenso anzuwenden,
wenn Fahrgäste beim Verlassen öffentlicher Verkehrsmittel
zunächst einen Bürgersteig erreichen und erst anschließend einen
Radweg passieren (...). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut von
§ 20 Abs. 2 StVO. Ihm sind keine Einschränkungen im Sinne der
klägerischen Ansicht zu entnehmen. Aus dem Sinn und Zweck der
Vorschrift lassen sich Einengungen des Anwendungsbereichs
ebenfalls nicht begründen. Die Norm soll die Gefahren für ein-
und aussteigende Fahrgäste verringern und erhöht deswegen die
Sorgfaltspflichten der rechts Vorbeifahrenden. Die Gefahren sind
für Fahrgäste, die unmittelbar auf eine Fahrbahn aussteigen
müssen, höher. Gefährlich sind derartige Situationen aber auch
für die Fahrgäste, wenn sie zunächst einen für Fußgänger
reservierten Bereich erreichen können und erst anschließend den
Radweg zum Verlassen der Haltestelle betreten müssen. Dies schon
deswegen, weil relativ schmale Bereiche für Fußgänger von bis zu
drei Metern häufig nicht geeignet sind, eine größere Zahl von
aussteigenden Fahrgästen aufzunehmen, diese mithin durch die
nachrückenden auf den anschließenden Radweg gedrängt werden. Da
die Vorschrift nach der amtlichen Begründung (...)
die
Fahrgäste von Omnibussen des Linienverkehrs schützen soll,
spricht nichts dafür, sie einschränkend auszulegen.
KG,
Beschluss vom 15.01.2015 - 29 U 18/14
12 Einfahren von Bussen in Haltestellen
TOP
Auch im
Zusammenhang mit dem Einfahren von bevorrechtigten Fahrzeugen im
Sinne von § 20 StVO (Öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse)
kann es zu Unfällen kommen. 2011 hatten die Richter des
Landgerichts Osnabrück über die Haftungsverteilung eines Unfalls
zu entscheiden, der beim Überfahren des Fußes eines Schülers in
einer Haltebucht zustande gekommen war.
LG Osnabrück 2011:
Dem [Busfahrer] kann nicht der Vorwurf gemacht werden, zu nah an
den Bordstein herangefahren zu sein, weil anhand der
Zeugenaussagen nicht mehr nachvollzogen werden kann, wie nahe
der Bus an den Bordstein herangefahren ist. Der Zeuge ... wie
auch
der Zeuge ...
schätzten
einen
Abstand von ca. 15- 20 bzw. 20 bis 30 cm. Sicher waren sich die
Zeugen hierzu jedoch nicht. Der [verletzte Schüler] hat in
seiner
zeugenschaftlichen
Vernehmung lediglich angegeben, dass der Bus nahe an den
Bordstein herangefahren sei. Allerdings ist im Rahmen der
Zeugenaussagen zu berücksichtigen, dass die Zeugen ... und der
[verletzte Schüler] angegeben haben, dass die in der vorderen
Reihe stehenden Schüler den Bus berührt hätten bzw. sich mit den
Händen an diesen abgestützt hätten. Anhand dieser Angaben kann
aber nicht zur zweifelsfreien Überzeugung des Gerichts geklärt
werden, dass der Bus - was nahe liegend ist - sehr nah an den
Bordstein herangefahren ist oder hingegen die Schüler vom
Bordstein runter auf diesen zugetreten sind.
Im Rahmen
des Verschuldensvorwurfes ist zu berücksichtigen, dass sich die
Situation bei der Einfahrt in den Busstreifen für den
[Busfahrer] als problematisch darstellte, da er nicht einfach
auf der Straße halten konnte. Allerdings ist dem [Busfahrer] der
Vorwurf zu machen, dass er nicht versucht hat, durch besonders
langsame Fahrweise und durch das Benutzen der ihm zur Verfügung
stehenden Warnsignale, die für ihn erkennbaren Gefahren, welche
das Gedränge der Schüler an der Bushalte-stellte
barg,
zu begegnen.
Aber:
Bei der
Entstehung des Schadens muss sich der [verletzte Schüler] gem. §
9
StVG,
§ 254 BGB allerdings ein Mitverschulden anrechnen lassen.
Nach §
828 Abs. 2 BGB ist die Haftung des minderjährigen Klägers nicht
ausgeschlossen, weil der Kläger zum Unfallzeitpunkt bereits 11
Jahre alt war. Nach § 828 Abs. 3 BGB wird seine
Einsichtsfähigkeit insofern vermutet, weil er keine Tatsachen
dargelegt hat, die für eine mangelnde Einsicht sprechen.
Nach
Angaben der Zeugen [...] Sind die Schüler, insbesondere die
kleineren Schüler, bei der Einfahrt des Busses nach vorne
gedrängt, um einen möglichst guten Sitzplatz zu bekommen. Der
[verletzte Schüler] hat dabei in vorderster Reihe gestanden und
ist zu Fall gekommen. Dem [verletzten Schüler] hätte - auch mit
11 Jahren - klar sein müssen, dass es gefährlich ist, auf einen
fahrenden Bus in einem derart großen Schüleraufkommen zuzulaufen
und um einen Sitzplatz zu drängeln. Dass der [verletzte Schüler]
selbst dieses Geschehen nicht ganz so eindeutig dargestellt hat,
hindert die Überzeugungsbildung des Gerichtes nicht. Er selbst
hat eingeräumt, durch das Gedränge gegen den Bus gedrückt worden
zu sein, so dass er sich mit den Händen an diesem
abstützten
musste und in dem Gedränge das Gleichgewicht verloren zu haben.
Infolge dessen muss der Kläger in vorderster Reihe gestanden
haben. Durch diese Angaben hat der Kläger ein Fehlverhalten
zumindest indirekt eingeräumt.
An
anderer Stelle:
Für die
Bewertung der Schulbezogenheit ist es unerheblich, ob die
Schüler, die gemeinsam mit einem Bus fahren, derselben Schule im
organisatorischen Sinne angehören oder nicht. Entscheidend ist,
dass schülerspezifisches Verhalten und die damit verbundenen
Gefahren sich bereits dann entwickeln, wenn mehrere Schüler
zusammen sind, unabhängig davon, welcher Schulstufe und Schulart
sie im Einzelnen angehören. Schulbezogenheit ist demnach
gegeben, wenn die Verletzungshandlung auf der typischen
Gefährdung aus dem engen schulischen Kontakt beruht und ein
innerer Bezug zum Schulbetrieb gegeben ist. Diese
Voraussetzungen sind zu bejahen, wenn eine Situation
feststellbar ist, in der schulspezifische gefährdende
Verhaltensweisen typischerweise auftreten.
Haftungsverteilung:
Im
Rahmen der gestörten Gesamtschuld richtet sich die Haftungsquote
der Beklagten nach dem eigenen Verursachungsbeitrag des
[Busfahrers], dem Verursachungsbeitrag des [verletzten Schülers]
und der Mitschüler. Unter Abwägung der Verschuldensanteile des
[Busfahrers] des [verletzten Schülers] und der Mitschüler kommt
das Gericht zu einer Haftung von jeweils 1/3. Demnach steht dem
[verletzten Schüler] dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch
in Höhe von 1/3 zu.
Insgesamt ist ein Schmerzensgeld von 5.500 EURO angemessen und
erforderlich. Unter Berücksichtigung der Verschuldensanteile
verbleibt für den [verletzten Schüler] ein Betrag von 1.830,00
EURO.
LG
Osnabrück, Urteil vom 10.03.2011 - 4 O 1757/10
13 Seitenabstand
iSv
§ 20 StVO
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Sowohl
beim Überholen im fließenden Verkehr als auch beim Vorbeifahren
an haltenden Fahrzeugen, muss ein ausreichender
Sicherheitsabstand eingehalten werden. Was „ausreichender
Seitenabstand“ im Zusammenhang mit verkehrsgerechtem Verhalten
im Sinne von § 20 StVO (Öffentliche Verkehrsmittel und
Schulbusse) betrifft, hat sich die Rechtssprechung dazu wie
folgt positioniert.
OLG Hamm 2001:
Ein Kradfahrer ist nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 4 StVO
Schrittgeschwindigkeit einzuhalten, wenn an einem haltenden
Linienbus weder das Warnblinklicht eingeschaltet war, noch der
Omnibus als Schulbus gekennzeichnet ist. Wenn es sich um einen
normalen Omnibus des Linienverkehrs handelt, der an einer
Haltestelle (Zeichen 224) hält, ist der Kfz-Führer lediglich
verpflichtet, vorsichtig vorbeizufahren. Zu vorsichtigem
Vorbeifahren an einem haltenden Omnibus gehört, dass der
vorbeifahrende Fahrzeugführer in besonderem Maße auf Fußgänger
achtet, die Verkehrssituation sorgfältig beobachtet und sich auf
ein Betreten der Fahrbahn durch Fußgänger einstellt. Der
Kraftfahrer muss grundsätzlich mit der Möglichkeit rechnen, dass
vor einem in seiner Fahrtrichtung haltenden Bus, Fußgänger,
welche die Fahrbahn überqueren und sich deshalb einen Überblick
über die Verkehrssituation verschaffen wollen, unvorsichtig
einige Schritte weit auf die Fahrbahn treten.
Dieser Möglichkeit hat der Fahrzeugführer
grundsätzlich durch Einhaltung eines Seitenabstandes von 2 m
Rechnung zu tragen.
Damit, dass
Fußgänger die Fahrbahn vor oder hinter einem Bus unachtsam
überqueren, muss der Fahrzeugführer indessen bei Fehlen
besondere Anhaltspunkte nicht rechnen.
OLG
Hamm, Urteil vom 19.03.2001 - 6 U 79/00
So auch
die Richter des OLG Köln in ihrem Urteil vom 09.04.2002:
OLG Köln 2002:
In § 20 Abs. 1 StVO sind die Fahrgäste als Adressaten des
Schutzzwecks nicht ausdrücklich genannt. Es erscheint
gerechtfertigt, alle Fußgänger im Umfeld eines an einer
Haltestelle stehenden Linienbusses in den Schutzzweck der Norm
einzubeziehen; denn durch den haltendenden Bus wird eine
besondere Gefährdungssituation geschaffen, der nicht nur die
Fahrgäste selbst, sondern auch andere Fußgänger im Bereich des
Busses ausgesetzt sind.
Ein
Kraftfahrer, der sich einem in Gegenrichtung haltenden
öffentlichen Verkehrsmittel nähert, muss damit rechnen, dass
Fußgänger nicht mit der gebotenen Achtsamkeit einige Schritte in
seine Fahrbahn treten, um sich einen Überblick über den Verkehr
zu verschaffen. Er darf daher an dem gefährlichen Ende des
Busses nicht so nah vorbeifahren, dass er solche Fußgänger
erfassen könnte. Er muss deshalb mindestens einen Abstand von
zwei Metern zu dem haltenden Bus einhalten oder, wenn seine
Fahrbahn derart verengt ist, dass der genannte
Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, seine
Geschwindigkeit derart herabsetzen, dass er vor einem in die
Fahrbahn tretenden Fußgänger auf jeden Fall anhalten kann.
Nähert
sich ein Pkw-Fahrer einer gegenüberliegenden Haltestelle, wobei
ein Vorbeifahren mit einem Mindestabstand von 2 m auf Grund der
Fahrbahnbreite nicht möglich ist, mit einer Geschwindigkeit von
50 bis 55 km/h, dann ist dies wesentlich zu schnell und führt zu
einer Haftungsverteilung von 70% zu Lasten des Kfz-Führers und
von 30% zu Lasten des verletzten achteinhalbjährigen Kindes, das
unaufmerksam und grobfahrlässig hinter haltenden Bus die Straße
überquert.
OLG
Köln, Urteil vom 09.04.2002 - 3 U 166/01
Unabhängig davon kann auch auf die Regelung des einzuhaltenden
Seitenabstandes beim Überholen zurückgegriffen werden, siehe § 5
Abs. 4 StVO (Überholen).
§ 5
StVO (Überholen)
14 Verhaltensregeln für Fahrgäste und Busfahrer
im Überblick
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Diesbezüglich ist die Regelung im § 20 Abs. 6 StVO (Öffentliche
Verkehrsmittel und Schulbusse) eindeutig:
§ 20
Abs. 6 StVO (6) Personen, die öffentliche Verkehrsmittel
benutzen wollen, müssen sie auf den Gehwegen, den Seitenstreifen
oder einer Haltestelleninsel, sonst am Rand der Fahrbahn
erwarten.
Diese
Regelung ist selbsterklärend.
Hinsichtlich der Regeln, die für Fahrgäste und Busfahrer
greifen, heißt es in einem Urteil des
VG
Aachen aus dem Jahr 2021 wie folgt:
VG
Aachen 2021:
Das Verkehrszeichen 224 weist nicht nur auf die jeweilige
Haltestelle hin, sondern gebietet den Verkehrsteilnehmern, nach
Maßgabe des § 20 der Straßenverkehrsordnung (StVO) Rücksicht auf
öffentliche Verkehrsmittel zu nehmen.
Die
Fahrer der Linienbusse müssen die Haltestellen anfahren und
genießen dabei die Vorrechte des § 20 Abs. 1, 3, 4 und 5 StVO.
Die
Fahrgäste müssen auf den Gehwegen warten (§ 20 Abs. 6 StVO). Das
Ein- und Aussteigen an den Haltestellen wird durch § 20 Abs. 2
StVO zusätzlich geschützt.
Darüber
hinaus wird mit der Anbringung des Zeichens 224 ein Parkverbot
bis zu 15 Metern vor und hinter der Bushaltestelle begründet
(vgl. Anlage 2 zu § 41 StVO). Das Haltestellenzeichen verkörpert
daher
Ge-
und Verbote, so dass es in § 41 Abs. 1 StVO entsprechend der
Gruppe der
Vorschriftzeichen
zugeordnet ist.
VG Aachen,
Urteil vom 30.03.2021 - 10 K 1571/19
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