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Neufassung des § 130 Abs. 5 StGB Inhaltsverzeichnis
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Der verwirrte Rechtsstaat 1 Der verwirrte Rechtsstaat Sie fragen sich, was das mit Volksverhetzung zu tun hat? Hier zuerst einmal eine tiefgründige, aber durchaus passende Antwort auf diese Frage aus dem Tao Te King des Laotse, der gut 600 Jh. v. Chr. gelebt hat, und in dem es heißt:
Die frühen Herrscher
waren kaum gekannt. Und was den Aspekt menschlichen Zusammenlebens anbelangt, heißt es im Tao Te King:
Übertriebene Farben
gefährden das Sehen. Und, was den Zustand der Gesetzgebung anbelangt, hätte es die im vorchristlichen China bereits gegeben, dann hätte es im Tao Te King durchaus wie folgt lauten können: Gesetze, die niemand mehr versteht, zerstören den Staat. Und genau an dieser Stelle ist der Bogen zur Neufassung des § 130 StGB (Volksverhetzung) geschlagen, einer Neuerung, die sozusagen durch die „Inflation ihrer Wörter“ sich problemlos in eine ebenfalls im Tao Te King nicht geschriebene Zeile ergänzen, etwa mit folgendem Inhalt: Überspitzte und übertriebene Wörter zersetzen den Verstand. Aber entscheiden Sie bitte selbst, ob diese Aussage zutrifft. Die Inflation der Wörter mag Ihnen dabei vielleicht behilflich sein. 1.1 Die Inflation der Wörter Ein kurzer Blick in die Historie: Bis 1960 hatte der § 130 StGB (Volksverhetzung) einen Umfang von 35 Wörtern. § 130. Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Hinweis: Diese Fassung, die bereits so im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (1876) im Strafgesetzbuch stand, galt bis 1969. 1969 - 1975 1969 wurde der § 130 StGB (Volksverhetzung) erstmalig geändert. Nach der Änderung bestand dieser Straftatbestand aus 67 Wörtern. § 130 StGB (Volksverhetzung)
(1) Wer in einer
Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die
Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er 1975 bis 1994 Wegfall des Absatzes 2 und andere marginale Änderungen. 1994 begann die Inflation der Wörter. Waren es 1994 noch 293 Wörter, wurden daraus 2005 bereits 345, 2011 393, um dann im September 2021 auf 463 Wörter anzuwachsen. Durch die letzte Änderung dieses Straftatbestandes im November 2022 umfasste der Tatbestand der Volksverhetzung nunmehr 528 Wörter. Wer so viele Änderungen für normal hält, dem kann ich nicht mehr folgen. Das gilt insbesondere für den § 130 Abs. 5 StGB, der neu in den Tatbestand eingefügt wurde, denn um den verstehen zu können wird mehr als nur ein menschliches Gehirn benötigt. Allein das Programmieren eines PC-Programms zur Tatbestandsfindung würde so manchen Programmierer in Schwierigkeiten bringen. Aber entscheiden Sie selbst. Zuerst einmal der Wortlaut der aktuellen Fassung des § 130 StGB (Volksverhetzung) in Gänze. 2 § 130 StGB (Volksverhetzung) Diese Fassung aus dem Jahr 2022 umfasst 528 Wörter. § 130 StGB Volksverhetzung
(1) Wer in einer
Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, Hinweis: Erstellt wurde dieser Gesetzestext unter Verwendung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: BT-Drucksache 20/4085 vom 19.10.2022, der amtliche Text steht noch nicht zur Verfügung. Der Text wird durch eine amtliche Fassung ersetzt, sobald diese vorliegt. Durch den Verweis auf Straftaten, die nach den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) strafbewehrt sind, wird der Tatbestand der Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 5 nunmehr um, wenn ich richtig gezählt habe, 46 Tathandlungen erweitert, die alle aufzählen zu können wohl kaum einem Menschen ohne Nachlesen im VStGB möglich sein dürfte, bei dem es sich um ein Bundesgesetz handelt, das vom Deutschen Bundestag im Juni 2006 verabschiedet wurde. Wenn Ihnen diese kurze „Leseprobe des Zustandes der Sprachlosigkeit eines Straftatbestandes“ ausreicht, kann ich es Ihnen nicht verübeln, wenn Sie sich die folgenden ausführlichen Erörterungen zu einer fragwürdigen Straftatbestandserweiterung nicht zumuten wollen, denn bereits in der Bibel heißt es:,
Der Turmbau zu
Babel: Gen 11,1-9 Zitiert nach der Einheitsübesetzung Die Neufassung von § 130 StGB hat dieses Babel (Wirrsal), möglicherweise sogar noch übertroffen. Aber entscheiden Sie selbst. 2.1 Neuerungen im Überblick Was die Neuerungen anbelangt, die lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen. Neben sprachlichen Änderungen, die darin bestehen, dass die Wörter „wegen seiner Zugehörigkeit“ zweimal durch die Wörter „wegen dessen Zugehörigkeit“ ersetzt, und die Absätze aufgrund der Neuregelungen im Absatz 5 einer numerischen Änderung bedurften, besteht § 130 StGB nunmehr aus 8 Absätzen, einen Absatz mehr als in der vorherigen Fassung. Wenn nur der Absatz 5 nicht wär. 3 § 130 Abs. 5 StGB Tatbestandsmerkmale des § 130 Abs. 5 StGB (Volksverhetzung) (5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Allein dieser Absatz besteht aus 80 Wörtern und vielen erklärungsbedürftigen Tatbestandlichkeiten. Der Absatz verweist auf 7 Straftatbestände des Völkerstrafgesetzbuches, woraus sich, wenn ich richtig gezählt habe, 47 Tathandlungen ableiten lassen, die zu der Neuregelung hinzugedacht werden müssen, deren Normüberschriften hier nur aufgelistet werden: Kriegsverbrechen:
Bei allen aufgelisteten Delikten handelt es sich um Verbrechenstatbestände. 3.1 Verweis auf das VStGB in anderen Straftatbeständen § 130 Abs. 5 StGB (Volksverhetzung) ist nicht der einzige Straftatbestand, in dem auf Verbrechenstatbestände des Völkerstrafgesetzbuches Bezug genommen wird.
Im Gegensatz zu den Täterhandlungen, die § 130 Abs. 5 StGB pönalisiert, sind die Verweise in den oben aufgelisteten Normen des Strafgesetzbuches zumindest auch für „Normalbürger“ noch einigermaßen „verständlich“, zumindest was den Gebrauch der Sprache anbelangt. Grund dafür ist, dass zumindest noch die Überschriften der völkerrechtswidrigen Straftaten benannt werden. Nichtsdergleichen im neune § 130 Abs. 5 StGB, denn nur unten den Überschriften von § 6 und § 7 des Völkerstrafgesetzbuches vermag sich der juristische Laie etwas vorzustellenh:
Im Gegensatz zu den §§ 8 bis 12, die den meisten ebenfalls unbekannt bleiben werden, und zwar auch dann, wenn sie diese Normen gelesen haben. Was soll folglich diese Gesetzesakribie der unverständlichen Bezüge? Hinsichtlich des Zieles, das durch die Neufassung von § 130 Abs. 5 StGB erreicht werden soll, vermag vielleicht die amtliche Begründung der Beschlussvorlage Hilfestellung zu geben. 3.2 Amtliche Begründung des § 130 Abs. 5 StGB Festzustellen ist: Auch die amtliche Begründung lässt viele Fragen unbeantwortet: BT-Drucks. 20/4085: Durch eine Ergänzung des § 130 StGB soll klarstellend das in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c des Rahmenbeschlusses beschriebene Verhalten ausdrücklich pönalisiert werden. Wegen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens soll die Klarstellung zügig im Rahmen des bereits fortgeschrittenen Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes erfolgen. Es wird die Schaffung einer neuen Vorschrift vorgeschlagen, die das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe stellt, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Wegen der sachlichen Nähe zu den in § 130 StGB – insbesondere in dessen Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3 – normierten Straftatbeständen soll die Vorschrift in § 130 StGB als neuer Absatz 5 eingefügt werden. Der Vorschlag geht nur dort über die Mindestanforderungen des Rahmenbeschlusses hinaus, wo dies zur widerspruchsfreien Einfügung der neuen Vorschrift in das vorhandene System der Straftaten gegen die öffentliche Ordnung geboten erscheint. Der Rahmenbeschluss stellt zur Definition von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf die Definitionen in Artikel 6 bis 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ab. Der neue Absatz 5 verweist daher zur Beschreibung der Völkerrechtsverbrechen auf die §§ 6 bis 12 VStGB, in denen die Tatbestände des Völkermordes, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit und des Kriegsverbrechens in Anlehnung an die Definitionen des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs im deutschen Recht normiert sind. Die Strafvorschrift ist dem Rahmenbeschluss entsprechend auf das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermorden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beschränkt, die sich gegen eine der in § 130 Absatz 1 Nummer 1 StGB bezeichneten Personenmehrheiten, d. h. gegen eine dort genannte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung, oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten richten. Die Tathandlungen des Billigens und Leugnens entsprechen denen des § 130 Absatz 3 StGB. In Bezug auf die Tatvariante des Verharmlosens unterscheidet sich der vorgeschlagene neue § 130 Absatz 5 StGB von § 130 Absatz 3 StGB dadurch, dass nur das „gröbliche“ Verharmlosen tatbestandsmäßig sein soll. Es sind daher im Vergleich zur Verharmlosung des Holocausts erhöhte Anforderungen an die Verharmlosung der im neuen Absatz 5 genannten Völkerrechtsverbrechen zu stellen. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist es gerechtfertigt, Für die Strafbarkeit ist erforderlich, dass das Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen öffentlich oder in einer Versammlung erfolgt. Mit der Erfassung von Äußerungen in einer Versammlung geht die neue Vorschrift geringfügig über die Mindestanforderungen des Rahmenbeschlusses hinaus. Dies ist zur Vermeidung von systematischen Widersprüchen geboten. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass auch der neue § 130 Absatz 5 StGB gleichlaufend zu den Absätzen 1 und 3 eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens voraussetzt. Artikel 1 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses lässt es ausdrücklich zu, die Strafbarkeit von einem derartigen Eignungserfordernis abhängig zu machen (vergleiche auch Bundestagsdrucksache 17/3124, S. 8). BT-Drucks. 20/4085 vom 19.10.2022 Auch die erklärenden Inhalten auf der Website des Bundesministeriums der Justiz vermögen an der unzureichenden Bestimmtheit der Neufassung von § 130 Abs. 5 StGB nichts zu ändern. Offensichtlich ist das auch gar nicht erforderlich, denn auf der Website des Bundesjustizministeriums (BMJ) steht zum § 130 StGB (Volksverhetzung) eine Frageliste einschließlich der dazu passenden Antworten zur Verfügung, um den Zweck der Neuerung zu erklären. Eine dieser Fragen und die dazugehörige Antwort des BMJ wird im Folgenden zitiert: BMJ: 1. Führt die Neufassung der Strafvorschrift der Volksverhetzung (§ 130 des Strafgesetzbuchs) zu einer Ausweitung der Strafbarkeit wegen Volksverhetzung? Nein. Die Strafbarkeit der Handlungen wird durch einen EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus dem Jahr 2008 vorgegeben. Diese Handlungen konnten bereits mit der bisherigen Fassung von § 130 StGB erfasst werden. Die Neufassung von § 130 StGB dient insoweit lediglich der Klarstellung. Aus der Feststellung, dass der Tatbestand des § 130 StGB durch die Neuregelung nicht erweitert wird, lässt sich schließen, dass diese Neuregelung überflüssig ist, weil durch diese pönalisierende Norm nichts Neues unter Strafe gestellt wird. In einem Dokument auf der Website des Deutschen Bundestages heißt es: Deutscher Bundestag: Wie die Koalitionsfraktionen ausführten, weicht die neue Strafvorschrift in zwei Aspekten von der Strafvorschrift zur Billigung, Leugnung und Verharmlosung des Völkermords unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ab. So ist der neuen Strafvorschrift zum einen nur die „gröbliche Verharmlosung“ strafbar. Die im Vergleich erhöhten Anforderungen begründeten die Fraktionen damit, dass es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte gerechtfertigt sei, „dass der Bereich strafbarer Äußerungen in Bezug auf die Verharmlosung des Holocausts in Paragraf 130 Absatz 3 StGB etwas weiter gesteckt ist als derjenige für verharmlosende Äußerungen zu anderen Völkerrechtsverbrechen“. Ähnlich wurde im Änderungsantrag die höhere Strafandrohung für die Verharmlosung des Holocaust von fünf Jahren Freiheitsstrafe begründet: „Wegen der Einzigartigkeit des Holocausts müssen für dessen Billigung, Leugnung und Verharmlosung im Einzelfall höhere Strafen möglich sein als für vergleichbare Äußerungen betreffend andere Völkerrechtsverbrechen.“ Ferner führten die Koalitionsfraktionen aus, dass durch die Einbeziehung von Äußerungen in einer Versammlung die neue Vorschrift „geringfügig über die Mindestanforderungen des Rahmenbeschlusses“ hinausgehe. Dies sei „zur Vermeidung von systematischen Widersprüchen geboten“. Deutscher Bundestag: Volksverhetzungsparagraf und Bundeszentralregistergesetz geändert. Ob solche Texte dazu dienen können, die Hilflosigkeit beim Verstehen des § 130 Abs. 5 StGB (Volksverhetzung) auch nur geringfügig relativieren zu können, das entscheiden Sie bitte selbst. 3.3 Fehlende Bestimmtheit der Norm Das im Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip begründet das Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze. Anders ausgedrückt: Gesetzliche Tatbestände sind so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können. Was damit gemeint ist, dass lassen zwei Zitate aus höchstrichterlicher Rechtssprechung erkennen: BVerfG 2009: Art. 103 Abs. 2 GG verlangt nach dem oben Ausgeführten zwar nicht, dass eine einzige gesetzliche Norm Tatbestand und Rechtsfolge vollständig selbst regeln müsste. Vielmehr darf zur Konkretisierung grundsätzlich auf andere Rechtsvorschriften und Rechtsakte Bezug genommen werden. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 Drei Jahre später werden die Richter des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Bestimmtheitsgebotes einer Norm jedoch weitaus konkreter. BVerfG 2012: Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen ergäben sich zum einen aus dem Parlamentsvorbehalt (Demokratieprinzip) und zum anderen aus dem Rechtsstaatsprinzip. Der Parlamentsvorbehalt verlange, dass im grundrechtsrelevanten Bereich, aber auch sonst, alle wesentlichen Fragen vom Parlament selbst entschieden würden. [...]. Der Parlamentsvorbehalt schreibe nicht nur vor, dass überhaupt eine gesetzliche Grundlage bestehen müsse, sondern auch, dass das Gesetz den Parlamentswillen ausreichend bestimmt verlautbare. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot verlange vom Gesetzgeber, dass er den Grundsatz der Normenklarheit beachte. Gesetzliche Regelungen müssten so genau gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Der Betroffene müsse seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen können, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermöge. [...]. Bei Verweisungen müsse der Bürger als Normadressat ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse die in Bezug genommenen Regelungen und deren Inhalte mit hinreichender Sicherheit feststellen können. Sei es aufgrund der Verweisungstechnik allenfalls Experten möglich, sämtliche materiellen Voraussetzungen mit vertretbarem Aufwand zu erkennen, spreche dies gegen die Beachtung des Grundsatzes der Klarheit einer Norm, die sich auf die Rechte der Bürger auswirke. BVerfG, Beschluss vom 04. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 Diesen Anforderungen vermag die Neufassung von § 130 Abs. 5 StPO nicht zu genügen. Diese Feststellung wird nicht nur aus den bereits oben genannten Gründen, sondern auch nachvollziehbar, wenn die Tatbestände des § 130 Abs. 5 StGB einer näheren Betrachtung unterzogen werden. 4 § 130 Abs. 5 – Tatbestandsmerkmale In der nachfolgend aufgeführten Reihenfolge werden die, zum Verstehen des § 130 Abs. 5 erforderlichen Tatbestandsmerkmale erörtert:
Bei der Tat handelt es sich um ein Vergehen, das sowohl mit Freiheitsstrafe als auch mit Geldstrafe sanktioniert werden kann. 4.1 Wer Bei dem „Wer“ handelt es sich um einen Täter bzw. um eine Täterin, deren Handlung darin besteht, eine Handlung zu billigen, zu leugnen oder gröblich zu verharmlosen, die andere Personen gemacht haben, die aber von der im Inhald handelnden Person zum Gegenstand verbotenen Verhaltens im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB gemacht werden. Dieses Handeln des "Wer", gemeint ist der Inlandstäter, bei dem es sich um ein aktives kommunikatives Tätigwerden handeln muss, muss somit in einem engen Sachzusammenhang mit Handlungen anderer Personen bewertet werden, auf die sich die sich die Handlung des "Inlandstäters" bezieht. 4.2 Handlung, auf die Bezug genommen wird Bei der Handlung, auf die § 130 Abs. 5 StGB Bezug nimmt, muss es sich um eine Tat, ein Tun, einen Vorgang oder eine Aktion handeln, die bereits geschehen ist, denn nur geschehene Handlungen können gebilligt, geleugnet bzw. grob verharmlost werden. Bei der zurückliegenden, möglicherweise aber aufgrund einer andauernden strafbaren Bezugshandlung, die der agierende (handelnde) Täter im hier und im jetzt „billigt, leugnet oder gröblich verharmlost“, muss es sich um die in den Paragrafen 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) konkretisierten Verbrechenstatbestände handeln.
Hand auf´s Herz! Die folgenden Links zu den Straftatbeständen geben Ihnen die Möglichkeit, diese Wissenslücke zu schließen: Kriegsverbrechen:
Die Kenntnis solcher Verbrechen ist aber Tatbestandsvoraussetzung, denn nur solche Taten können im Sinne des §130 Abs. 5 StGB (Volksverhetzung) vom handelnden Täter gebilligt, geleugnet bzw. grob verharmlost werden. Zwar reicht im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand der Volksverhetzung bedingter Vorsatz aus, der aber voraussetzt, dass der Täter die friedensstörender Art und Weise seiner Tathandlungen kennt, bzw. deren Erfolg zumindest billigend in Kauf nimmt. Hinsichtlich der Strafbarkeit der Auschwitzlüge - die allgemein bekannt sein muss - vermag Unwissenheit insoweit nicht vor Strafe schützen, obwohl diese Straftat vom Gesetzgeber wie folgt umschrieben wurde und auch heute noch wird:
§ 130 Abs. 3 StGB Das damit auch die Auschwitzlüge gemeint ist, das muss der Täter nicht kennen. Es reicht aus, wenn ihm die Strafbarkeit der Auschwitzlüge bekannt ist oder ihm zum Zeitpunkt seiner Tat hätte bekannt sein müssen. Zurück zur Neufassung des § 130 Abs. 5 StGB, der hinsichtlich der dort benannten Tatvorwürfe Kenntnisse voraussetzt, über die wohl nur ein überschaubarer Kreis von Fachjuristen verfügt. 4.2.1 Wer hat wann und wo Tatbestände des VStGB verletzt? Um diese Frage beantworten zu können ist es zuerst einmal erforderlich sich mit den Tätern von Völkerrechtsverbrechen kurz zu befassen. Um diese Fragen beantworten zu können, ist es notwendig, l zwischen einem völkerrechtlichen Delikt und einem völkerrechtlichen Verbrechen zu unterscheiden. Im Völkerrecht steht das völkerrechtliche Delikt im Mittelpunkt. Darunter versteht man das völkerrechtswidrige Verhalten eines Völkerrechtssubjektes, durch welches ein völkerrechtlich geschütztes Rechtsgut verletzt und ein Schaden verursacht wird. Mangels Völkerrechtssubjektivität kann ein solches Delikt nicht von Individuen begangen werden, denn nach meinem Kenntnisstand geht auch heute noch die wohl herrschende Meinung von einer mangelnden Völkerrechtssubjektivität von Einzelpersonen aus.
Völkerrechtssubjekte sind Staaten, staatliche Organisationen wie zum
Beispiel das Militär aber auch andere Organisationen.
Bei diesen Völkerrechtsverbrechen von Einzelpersonen handelt es sich um
Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von § 7 VStGB (Verbrechen gegen
die Menschlichkeit) Offen lässt § 130 Abs. 5 StGB auch, wo die Bezugshandlung, auf die sich der im Inland agierende Täter bezieht, begangen worden sein muss. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass eine im Ausland begangene völkerrechtswidrige Tat für eine im Inland begangene Billigung, Leugnung oder grobe Vermlosung ausreicht, um tatbestandlich im Sinne der Neuregelung zu handeln. Als Ort der Bezugshandlung kommen für Kriegsverbrechen, siehe § 8 bis § 12 VStGB wohl nur Kriegsgebiete in Betracht, während Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch an Orten begangen werden können, in denen bürgerkriegsähnliche Zustände bestehen. Es kann insoweit davon ausgegangen werden, dass eine Person, die öffentlich oder in einer Versammlung äußert, dass es sich bei dem Krieg in der Ukraine um eine russische Befreiungsaktion handelt, die es zu rechtfertigen und natürlich zu unterstützen gilt, zumindest dann tatbestandlich im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB handelt, wenn dadurch der öffentliche Friede gefährdet wird. Und wenn dann dieser Inlandstäter noch sagt, dass Wladimir Putin als ein Befreier anzusehen ist und jeder, der anderes behauptet als ein infamer Lügner aus dem Verkehr gezogen werden muss, weil in Russland die Wahrheit gesagt wird, was hier im Westen leider nicht der Fall ist, weil die Lügenpresse alles im Griff hat und nichts als Fake News verbreitet, dann könnte er durch dieses Billigen, Leugnen bzw. durch dieses grobe Verharmlosen durchaus tatbestandlich im Sinne der Neuregelung des § 130 Abs. 5 StGB handeln. 4.2.3 Zeitpunkt der Bezugshandlung Billigen, leugnen und grob verharmlosen lassen sich nur bereits geschehene bzw. noch andauernde Handlungen. Dabei ist es unbedeutetn, wann sich diese Handlungen gegen das Völkerrecht ereignet hat. Tatsache ist, dass diese Handlung sowohl vergangenheitsbezogen als auch einen konkreten gegenwartsbezogenen Anlass haben kann. 4.2.4 Form und Inhalt der Bezugshandlung Bei der Bezugshandlung, die der Inlandstäter "schönredet", muss es sich um eine völkerrechtswidrige Handlung handeln, etwa um eine Vertreibung, eine Deportation von Zivilpersonan oder auch um Kampfhandlungen, die sich gegen die Zivilbevölkerung richten, oder, um den Sprachgebrauch des § 9 Abs. 1 VStGB (Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte) dort wie folgt beschrieben werden:
§ 9 Abs. 1 VStGB (Kriegsverbrechen
gegen Eigentum und sonstige Rechte) Weitere in Betracht kommende Bezugshandlungen entnehmen Sie bitte den §§ 6 bis 12 des VStGB. 4.3 Billigen, leugnen oder gröblich verharmlosen Es dürfte deutlich geworden sein, dass es eine Vielzahl von Bezugshandlungen gibt, die als Handlungen für tatbestandliches Handeln im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB in Betracht kommen, soweit diese Bezugshandlungen gebilligt, geleugnet oder gröblich verharmlost werden. Billigen: Vom Wortsinn bedeutet das Wort billigen, dass eine Aussage oder eine Handlung akzeptiert, anerkannt, für richtig gehalten, befürwortet, begrüßt, bejaht, bekräftigt bzw. für gut gehalten wird. Billigen im Sinne von § 130 Abs. 5 heißt: mit dem Urheber einer Meinung zu sein. Leugnen: Im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB bedeutet das, eine Handlung oder eine geschichtliche Wirklichkeit oder eine noch andauernde völkerrechtswidrige Aggression abzustreiten, für falsch zu halten, sie zu verneinen bzw. als falsch und unwahr zurückzuweisen, sie in ihr Gegenteil zu verkehren, sie nicht wahrhaben zu wollen, kurzum: sie zu leugnen. Verharmlosen: Das bedeutet im hier zu erörternden Sinne, einen gegebenen Sachverhalt, eine völkerrechtswidrige Tat für eine Bagatelle zu halten bzw. für unbedeutend zu erklären, sie zu beschönigen, sie kleinzureden, sie positiv darzustellen, sie schlichtweg nicht für wichtig, sondern für unbedeutend zu halten. Gröblichkeit der Verharmlosung: Gröblich heißt, deutlich und drastisch das Maß des noch Erträglichen zu überschreiten bzw. böse und eklatant einen Sachverhalt zu verharmlosen, ihm sozusagen in Wild-West-Manie und grobschlächtig zu verniedlichen, ihm jegliche Bedeutung abzusprechen. 4.4 Öffentlich oder in einer Versammlung Tatbestandlich im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB handelt eine Person nur dann, wenn sie öffentlich oder in einer Versammlung völkerrechtswidriges Verhalten billigt, leugnet oder grob verharmlost. Eine Aufforderung der oben skizzierten Art erfolgt öffentlich, wenn unabhängig von der Öffentlichkeit des „Tatortes“ die Aufforderung bzw. die Äußerung von einem zahlenmäßig unbestimmten Personenkreis unmittelbar wahrgenommen werden kann. Unbestimmt ist ein Personenkreis dann, wenn der Personenkreis unüberschaubar ist und der Handelnde somit die Wirkung seiner Aktion nicht überschauen bzw. abschätzen kann. 4.5 Eignung der Äußerung zu Hass und Gewalt Diesbezüglich heißt es im § 130 Abs. 5 StGB (Volksverhetzung), im Hinblick auf die bereits oben skizzierte Ausführungen wie folgt: Die Äußerung muss dazu geeignet sein, zu Hass oder Gewalt gegen eine geschützte Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Diese Tatbestandsmerkmale werden im Folgenden kurz erörtert. 4.6 Geeignetheit - Hass - Gewalt - Aufstachelung Der Wortsinn dieser Tatbestandsmerkmale wird im Folgenden kurz aufgezeigt. Geeignet: Welche kommunikative Akt dazu geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln, und wie dieser Akt vorgetragen werden muss, um tatbestandlich im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB bewertet werden zu können, dazu schweigt sich sowohl die Norm als auch die Gesetzesbegründung aus. Von der tatbestandlichen Eignung einer Äußerung, dieses Ziel zu erreichen, kann aber wohl ausgegangen werden, wenn anzunehmen ist, dass diese Äußerungen den erstrebten Erfolg herbeiführen oder doch wenigstens fördern kann. Diese Eignung von Worten setzt nach der hier vertretenen Auffassung voraus, dass der Täter rhetorisch dazu in der Lage ist, Hassgefühle bei seinen Zuhörern entstehen zu lassen oder diese gar zur Gewalt aufzustacheln. Hass: Dieses Wort umfasst eine breite Palette sprachlicher Möglichkeiten, denn Hass kann sich sowohl in Abscheu, Ekel, Feindlichkeit, Verachtung, Verabscheuung aber auch in anderen verbalen Äußerungen von Hassgefühlen ausdrücken. Hass ist im Übrigen ein Gefühl und keine Aktion. In Anlehnung an das Lexikon der Psychologie von Dorsch lässt sich Hass wie folgt definieren:
Dorsch:
Emotion intensiver Abneigung/Antipathie/Feindseligkeit gegenüber einem
Objekt des Hasses (Einzelpersonen oder Gruppen, z. B. Antisemitismus).
Steigerung bis zur Vernichtungsabsicht (tödlicher Hass) möglich. Hass kann
zu gewalttätigen Handlungen führen, die auf die Zerstörung und das Leiden
des Objekts des Hasses abzielt (Aggression, Gewalt). Das Objekt des Hasses
wird als bedrohlich oder unmoralisch angesehen. Ggf. einhergehend mit einem
Gefühl der existenziellen Bedrohung des Selbst bzw. des Selbstwerts des
Hassenden. Das Erleben existenzieller Verletzungen, (tradierte) soziale
Normen oder eine feindselige Persönlichkeitsdisposition können die
Entstehung von Hass befördern. Hass umfasst affektive (reaktive,
instinktähnliche Wut), soziale (Ausgrenzung, Vermeidung von Kontakt) und
kognitive (destruktive Abwertung) Komponenten. Gewalt: Mit Gewalt sind Gewalttätigkeiten bzw. Aufforderung zu gewaltsamem Vorgehen gegen geschützte Personen bzw. deren Sachen gemeint. Aufstacheln: Dieses Tatbestandsmerkmal setzt voraus, dass eine feindliche Haltung gegenüber anderen eingenommen wird, die dazu geeignet ist, eine emotionale Ablehnung bzw. Feindschaft gegenüber den Bevölkerungsteilen zu schüren, gegen die sich die Hetze richtet. 4.7 Im Gesetz benannte schutzwürdige Personen Ausweislich des Wortlautes von § 130 Abs. 5 StGB ist der Personenkreis gemeint, der im § 130 Abs. 1 StGB benannt ist.
§ 130 StGB
Volksverhetzung Welche Personen einer ethnischen Gruppe, einem Teil der Bevölkerung oder gar Einzelpersonen sind, die solch einer Gruppe oder solch einem Bevölkerungsteil angehören, auch dies sind auslegungsbedürftige Fragen, auf die es heute noch keine verlässlichen Antworten gibt. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Personenkreis um Menschen handeln muss, die in Deutschland leben, denn nur die vermag die deutsche Staatsgewalt vor strafbaren Handlungen schützen. 4.8 Störung des öffentlichen Friedens Unter „öffentlichem Frieden“ versteht der Gesetzgeber einen objektiv feststellbaren Lebenszustand allgemeiner Rechtssicherheit, der insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass Menschen frei von Furcht, ohne Sorge vor Angriffen anderer und im Vertrauen darauf, in „Ruhe und Frieden“ leben zu können, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Ein Klima, in dem Angst vorherrscht, Unruhen drohen, Schrecken in der Bevölkerung verbreitet oder durch Diffamierungen Bevölkerungsgruppen zum „Feind“ erklärt werden, den es zu bekämpfen gilt, ist der „öffentliche Friede“ bedroht. Das Erzeugen eines solchen Klimas durch Personen vermag den Tatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen. Hier wird die Auffassung vertreten, dass § 130 StGB (Volksverhetzung) sowohl den subjektiven als auch den kollektiven inneren Frieden schützt. Insoweit umfasst der „öffentliche Friede“ im Sinne der Norm folgende Elemente:
Der öffentliche Friede kann somit mit dem gesamten Wertekonsens einer Gesellschaft gleichgesetzt werden. BGH 1961: Dieses Merkmal des § 130 StGB setzt nicht voraus, dass der öffentliche Friede schon gefährdet worden ist. Es genügt, dass berechtigte Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern, sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet. BGH, Urteil vom 21.04.1961, Az.: 3 StR 55/60 40 Jahre später heißt es in einem Urteil des BGH wie folgt: 2002: Das zur Störung des öffentlichen Friedens geeignete öffentliche Billigen, Leugnen oder Verharmlosen einer dieser Völkermordhandlungen ist unter Strafe gestellt; dadurch soll rechtsextremistische Propaganda, die zur Vergiftung des politischen Klimas geeignet ist, verfolgt und verhindert werden (...). Eine entsprechende Friedensgefährdung haftet derartigen in die Öffentlichkeit gebrachten Äußerungen regelmäßig an. Sie tangieren nicht nur Würde und Ansehen der Überlebenden sowie insbesondere der Ermordeten und ihrer Angehörigen in einem für das ganze Gemeinwesen unerträglichen Maße. Sie stellen auch sonst eine Gefährdung für ein friedliches Zusammenleben dar. BGH, Urteil vom 10.04.2002 - 5 StR 485/01 Der öffentliche Friede muss durch die Tat nicht wirklich gestört oder auch nur konkret gefährdet werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Tat sowohl nach Art und Inhalt der Äußerung sowie den Umständen ihrer Abgabe als auch nach ihren voraussichtlichen Folgewirkungen und dem Kreis der Erklärungsempfänger zur Störung des öffentlichen Friedens konkret geeignet ist. Hinsichtlich volksverhetzender Inhalte durch deren Verbreitung im Internet heißt es hinsichtlich des hier zu erörternden Tatbestandsmerkmal „inner Friede“ in einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2000 wie folgt: BGHSt 2000: Für die Eignung zur Friedensstörung ist deshalb der Eintritt einer konkreten Gefahr nicht erforderlich. Vom Tatrichter verlangt wird aber die Prüfung, ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung gefahrengeeignet ist. Notwendig ist allerdings eine konkrete Eignung zur Friedensstörung; sie darf nicht nur abstrakt bestehen und muss - wenn auch aufgrund generalisierender Betrachtung - konkret festgestellt sein. Deshalb bleibt der Gegenbeweis der nicht gegebenen Eignung zur Friedensstörung im Einzelfall möglich. Für die Eignung zur Friedensstörung genügt es danach, dass berechtigte - mithin konkrete - Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern. Im Hinblick auf die Informationsmöglichkeiten des Internets, also aufgrund konkreter Umstände, musste damit gerechnet werden - und darauf kam es dem Angeklagten nach den bisherigen Feststellungen auch an -, dass die Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt werden. BGHSt, Urteil vom 12.12.2000 - 1 StR 184/00 Weitere Bezüge, die für die Frage der Gefährdung des „öffentlichen Friedens“ bedeutsam sind, umfassen auch die nachfolgend aufgeführten Aspekte:
Das bedeutet, dass es auch auf den Kontext ankommt, in dem eine Äußerung erfolgt. Mit anderen Worten: In einer friedlich verlaufenden Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kommt einem Plakat mit der Aufschrift „Ausländer raus“ eine andere Bedeutung zu, als wenn das gleiche Plakat von einer emotional aufgeladenen und gewaltbereiten rechtsradikalen Gruppe in unmittelbarer Nähe einer Flüchtlingsunterkunft gezeigt und mit entsprechenden Sprechgesängen skandiert wird. 5 Anwendung durch die Polizei Es ist eine Binsenwahrheit, dass die Polizei geltendes Recht anzuwenden hat, siehe Art 20 Abs. 3 GG:
Art 20 Abs. 3 GG Hinsichtlich der Verfolgungspflicht anlässlich polizeibekannt gewordener Straftaten verpflichtet das Legalitätsprinzip die Strafverfolgungsbehörden zum Einschreiten. Während die §§ 152 Abs. 2 und 170 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaft verpflichtet, beim Vorliegen eines Anfangsverdachtes Ermittlungen einzuleiten und ggf. Anklage zu erheben, ergibt sich die Strafverfolgungspflicht der Polizei aus § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO.
§ 163 Abs. 1 StPO
(Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren) Wie bereits schon an anderer Stelle festgestellt, reichen aber allein Vermutungen nicht aus, einen Anfangsverdacht begründen zu können, der die Einleitung eines Strafverfahrens rechtfertigen würde. 5.1 Dilemma der Polizei Die Fragen, auf die es jetzt Antworten zu finden gilt, lauten:
Der Fragen gibt es viele. Die erste Hürde für den polizeilichen Einsatzleiter besteht zuerst einmal darin, zu klären, ob durch eine Tathandlung im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB es tatsächlich zu einer „Störung des öffentlichen Friedens“ gekommen ist. Bekanntermaßen handelt es sich bei der Volksverhetzung um ein sogenanntes Gefährdungsdelikt, was zur Folge hat, dass nicht jede Verharmlosung oder Leugnung eines Kriegsverbrechens, falls ein solches überhaupt gegeben ist, bestraft wird. Insoweit ist es von Bedeutung, zuerst einmal nachvollziehbar zu begründen, dass die konkrete Tathandlung im Einzelfall dazu geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Die zweite Hürde besteht für den polizeilichen Einsatzleiter dann darin, herauszufinden, gegen welche geschützte Gruppe, Person oder gegen welchen geschützten Personenkreis sich die Tat richtet. Laut ständiger Rechtssprechung - unter anderem auch die des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Absatz 1 des § 130 StGB - sind damit nur Personen, die in Deutschland leben, oder inländische Bevölkerungsteile gemeint. Konkret heißt das: Handelt jemand tatbestandlich im Sinne von § 130 Abs. 5 StGB, indem der Täter zum Beispiel in der Ukraine begangene Kriegsverbrechen billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, dann muss es sich bei den ukrainischen Flüchtlingen bereits um eine inländische Bevölkerungsgruppe handeln, denn in Anlehnung an die auf Statista.de publizierten Zahlen waren das im August 2022 bereits mehr als 967.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Deurtschland registriert. Auch auf solche Fragen gibt die Gesetzesbegründung keine Antworten. Bei genauem Lesen des Rahmenbeschlusses der EU aus dem Jahr 2008, auf den sich die Gesetzesbegründung bezieht, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der geschützte Personenkreis eher weit als eng auszulegen ist. Dort heißt es in der Gliederungsnummer 10 wie folgt: EU-Rahmenbeschluss Nr.10: Der vorliegende Rahmenbeschluss hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, im nationalen Recht Bestimmungen zu erlassen, mit denen der Geltungsbereich von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben c und d auf Straftaten ausgeweitet wird, die sich gegen eine Gruppe von Personen richten, die durch andere Kriterien als Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft, wie etwa den sozialen Status oder politische Überzeugungen, definiert sind. Amtsblatt der Europäischen Union vom 6.12.2008 - RAHMENBESCHLUSS 2008/913/JI DES RATES vom 28. November 2008 Wie dem auch immer sei: Sogar Historiker haben ihre Bedenken gegen die Neuregelung im § 130 Abs. 5 StGB geltend gemacht. 5.2 Historikereinwand gegen § 130 Abs. 5 StGB In einem Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung vom 16.11.2022“ heißt es: Osnabrück. Historiker kritisieren die Neufassung des Paragrafen 130 StGB zum Thema Volksverhetzung. „Ich sehe eine Gefahr darin, dass Erinnerungskultur die Geschichtswissenschaft überschreibt, die sich der Wahrheitssuche verpflichtet sieht. Es kann nicht sein, dass Tabus aufgerichtet werden, unter denen diese Wahrheitssuche leiden könnte“, sagte Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Nach dem neuen Absatz 5 des Gesetzes soll künftig mit Strafe bedroht sein, wer Völkermord oder Kriegsgräuel leugnet. Bislang galt diese Bestimmung für den Holocaust. [...]. „Mit der neuen Regelung gerät jede Äußerung eines Historikers, die auf eine Klärung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzielt, in Gefahr, als Verleugnung angesehen zu werden“, verweist Lutz Raphael auf die Gefahr, dass die neue gesetzliche Bestimmung die freie Arbeit der Geschichtswissenschaft behindern könnte. „Es kann nicht sein, dass Historiker durch ein bestimmtes Meinungsklima daran gehindert werden, mit ihren Befunden und Argumenten an die Öffentlichkeit zu gehen“, warnte Lutz Raphael. Sein Kollege Andreas Wirsching appellierte: „Ich plädiere dafür, Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur zu trennen. Historische Wahrheit ist oft nicht eindeutig zu fassen. Sie lebt von unterschiedlichen Perspektiven, die zu Wort kommen müssen. Erinnerungskultur aber braucht Eindeutigkeit.“ Presseportal.de vom 16.11.2022: Neue Osnabrücker Zeitung: Historiker kritisieren Neufassung des Paragrafen 130 StGB zur Volksverhetzung 6 Schlusssatz Wer alles regeln will, regelt bekanntermaßen nichts, und das Perfektion ein Schwindel ist, diese Feststellung dürfte ebenfalls zu den Grundwahrheiten der menschlichen Existenz gehören. Und wie mit § 130 Abs. 5 StGB beim Verbreiten volksverhetzender Inhalte im Internet und in den sozialen Medien umzugehen sein wird, das ist ebenfalls eine Frage, die an den oben bereits vorgetragenen Argumenten zu messen sein wird. |
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