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§ 25 StVO - Fußgänger

Inhaltsverzeichnis:

01 Sicherheit für Fußgänger
02 TBNR gemäß Bußgeldkatalog 2023
03 Sorgfaltspflicht von und gegenüber Fußgängern
04 Vertrauensgrundsatz gegenüber Fußgängern
05 Wer ist Fußgänger?
06 Fußgängerüberwege und Fußgängerfurten
07 Fußgängervorrang auf gemeinsamem Rad- und Gehweg
08 Fußgängerfehlverhalten durch unvermitteltes Überqueren der Fahrbahn

01 Sicherheit für Fußgänger

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Damit ist zuerst einmal die Gestaltung des Verkehrsraums zu verstehen. Diesbezüglich heißt es in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 25 StVO wie folgt:

Die Sicherung des Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn ist eine der vornehmsten Aufgaben der Straßenverkehrsbehörden und der Polizei. Es bedarf laufender Beobachtungen, ob die hierfür verwendeten Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen den Gegebenheiten des Verkehrs entsprechen und ob weitere Maßnahmen sich als notwendig erweisen.

Das gleiche Ziel verfolgt natürlich auch der § 25 StVO (Fußgänger), denn diese Verhaltensvorschrift schreibt Fußgängern vor, die Gehwege zu benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden, außerhalb geschlossener Ortschaften links. Für das Überqueren der Straße gilt, siehe § 25 Abs. 3 StVO, dass die Fahrbahn unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überqueren ist.

§ 25 StVO (Fußgänger)

Inline-Skater unterliegen den Regeln, die für Fußgänger gelten.

02 TBNR gemäß Bußgeldkatalog 2023

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Bei den 6 im Bußgeldkatalog aufgeführten Ordnungswidrigkeiten handelt es sich ausschließlich um geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten, die mit dem Einverständnis des davon Betroffenen vor Ort mit einem Verwarnungsgeld abschließend geahndet werden können.

125100
Sie gingen auf der Fahrbahn, obwohl ein Gehweg/Seitenstreifen vorhanden war.
5,00 Euro
125106
Sie gingen außerhalb einer geschlossenen Ortschaft nicht am vorgeschriebenen linken Fahrbahnrand.
5,00 Euro
125112
Sie überquerten als Fußgänger nicht auf dem kürzesten Weg/an nicht vorgesehener Stelle/ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs die Fahrbahn und gefährdeten dadurch Andere.
5,00 Euro
125113
Sie überquerten als Fußgänger nicht auf dem kürzesten Weg/an nicht vorgesehener Stelle/ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs die Fahrbahn. Es kam zum Unfall.
10,00 Euro
125006
Sie überstiegen die Absperrung.
5,00 Euro
125007
Sie überstiegen die Absperrung. Es kam zum Unfall.
10,00 Euro

03 Sorgfaltspflicht von und gegenüber Fußgängern

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Das Überqueren der Fahrbahn erfordert von Fußgängern eine erhöhte Sorgfaltspflicht, denn vor dem Überschreiten ist der Fahrverkehr zu beachten und es muss zügig und rechtwinklig zur Fahrtrichtung die Fahrbahn überquert werden.

Aber:

Auf gebrechliche, betagte, unbeholfene, unsichere oder unachtsame Leute muss der Fahrverkehr auch nach Aufnahme von Blickkontakt, besondere Rücksicht nehmen, weil sich diese verkehrsschwachen Personen nur schwer den Gegebenheiten der jeweils gerade vorgefundenen Verkehrssituation anpassen können.

Anders ausgedrückt: Fahrzeugführer, die einen Fußgänger wahrnehmen, der sozusagen achtlos die Fahrbahn überquert, muss sich auf die Unachtsamkeit des Fußgängers und auch auf mögliches Schreckverhalten dieser Person einrichten. Das gilt auch für betrunkene und angetrunkene Personen, die sich entsprechend verhaltensauffällig benehmen.

Besondere Rücksicht ist auf Kinder zu nehmen.

Verkehrsgerechtes Verhalten kann nur gegenüber ersichtlich verkehrserfahrenen Kindern erwartet werden.

Mit anderen Worten: Besonderer Rücksicht gegenüber Fußgängern bedarf es nicht, wenn gute Gründe dafür sprechen, dass ein Kind, ein Jugendlicher oder eine andere verkehrsschwache Person sich in einer bestimmten Verkehrssituation verkehrsgerecht verhalten wird.

04 Vertrauensgrundsatz gegenüber Fußgängern

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2023 hatten die Richter des BGH über einen Fall zu entscheiden, bei dem es darum ging, inwieweit ein Fahrzeugführer darauf vertrauen kann, dass ein Fußgänger beim Überqueren eines durch eine Mittellinie getrennten Fahrstreifens mit jeweils einem Randstreifen, der als Fahrradweg markiert ist, stehen bleiben wird, um dem fließenden Verkehr Vorrang zu gewähren.

Das 2020 vom Kammergericht erlassene Urteil wurde vom BGH aufgehoben, in dem Revisionsurteil aber wie folgt zitiert, bevor diese Sichtweise verworfen wurde:

Position des Kammergerichts: Ein Fahrzeugführer brauche [...] nicht damit zu rechnen, dass ein Fußgänger das Überqueren einer mehrspurigen Straße über die Mittellinie hinaus fortsetze, obwohl das Kraftfahrzeug bereits nahe sei. Dieser Vertrauensgrundsatz erfahre lediglich Einschränkungen im Bereich des § 3 Abs. 2a StVO gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen, wobei jedoch selbst hier konkrete Umstände dafür sprechen müssten, dass ein nicht verkehrsgerechtes Verhalten einer solchen Person drohe. Grundsätzlich müsse kein Autofahrer mit einem unbedachten und unvorsichtigen Verhalten erwachsener Fußgänger im Straßenverkehr rechnen. Bei der etappenweise möglichen Überquerung einer Fahrbahn dürfe sich ein Fahrzeugführer gegenüber einem Fußgänger deshalb darauf verlassen, dass dieser bei einer erkennbaren Trennung der Fahrbahnseiten - hier durch eine Mittellinie - mit dem Erreichen der anderen (Gegen-)Fahrbahnseite auf den von rechtskommenden Verkehr achte. Abgestellt auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Überquerens der Mittellinie sei es für den Beklagten zu 1 nicht mehr möglich gewesen, das Fahrzeug vor dem Zusammenstoß mit dem Kläger abzubremsen oder die Kollision durch ein Ausweichmanöver zu vermeiden.

Diese Erwägungen halten aber, so die Richter des BGH, einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

BGH 2023: Nach dem im Straßenverkehr geltenden Vertrauensgrundsatz kann ein Verkehrsteilnehmer, der sich verkehrsgemäß verhält, damit rechnen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht durch pflichtwidriges Verhalten gefährdet, solange die sichtbare Verkehrslage zu keiner anderen Beurteilung Anlass gibt. Der Kraftfahrer ist dabei grundsätzlich auch bei breiteren Straßen verpflichtet, die gesamte Straßenfläche vor sich zu beobachten.

Dementsprechend muss ein Kraftfahrer am Fahrbahnrand befindliche oder vor ihm die Fahrbahn überquerende Fußgänger im Auge behalten und in seiner Fahrweise erkennbaren Gefährdungen Rechnung tragen. Er braucht aber weder damit zu rechnen, dass ein erwachsener Fußgänger versuchen wird, kurz vor seinem Fahrzeug die Fahrbahn zu betreten, noch darauf gefasst zu sein, dass ein Fußgänger, der beim Überschreiten der Fahrbahn vor oder in der Mitte der Straße anhält, unerwartet weiter in seine Fahrbahn laufen werde, solange er bei verständiger Würdigung aller Umstände keinen Anlass hat, an dem verkehrsgerechten Verhalten des Fußgängers zu zweifeln .

Hat - wie im Streitfall - ein aus Sicht des Kraftfahrers von links die Fahrbahn querender Fußgänger die Fahrbahn bereits betreten und ist noch in Bewegung, darf der Kraftfahrer nach der Senatsrechtsprechung nicht in jedem Fall darauf vertrauen, der Fußgänger werde in der Mitte der Fahrbahn stehenbleiben und ihn vorbeilassen. Richtig handelt zwar ein Fußgänger, der beim Überschreiten einer belebten und nicht allzu schmalen Straße zunächst, soweit es der von links kommende Verkehr gestattet, bis zur Mitte geht und dort wartet, bis er auch die andere Fahrbahnhälfte überqueren kann. Ob der Kraftfahrer darauf immer nur dann vertrauen darf, wenn er sicher sein kann, dass der Fußgänger ihn gesehen und sich erkennbar auf die Verkehrslage eingestellt hat, wie der Senat in seinem Urteil vom 29. April 1975 - VI ZR 225/73 formuliert hat , kann im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls ist nach den oben genannten allgemeinen Grundsätzen dem Vertrauen darauf, der Fußgänger werde an einer vorhandenen Mittellinie anhalten und das bevorrechtigte Fahrzeug passieren lassen, dann die Grundlage entzogen, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass für den Kraftfahrer besteht, am verkehrsgerechten Verhalten des Fußgängers zu zweifeln, wie es im Übrigen auch in dem vom Senat in seinem oben genannten Urteil vom 29. April 1975 zu entscheidenden Sachverhalt der Fall war.

BGH, Urteil vom 04.04.2023 - VI ZR 11/21

05 Wer ist Fußgänger?

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Das ist eine Person, die zu Fuß geht. Die für Fußgänger geltenden Regelungen ist aber auch für die im § 24 StVO (Besondere Fortbewegungsmittel) benannten Fortbewegungsmittel anzuwenden. Zu den Fußgängern gehören natürlich auch Jogger, spielende Kinder, Schulkinder und Personengruppen, die sich auf der Fahrbahn befinden. An einer Gruppe, die sich auf der Fahrbahn befindet und die irgendwie abgelenkt erscheint, ist besonders vorsichtig vorbeizufahren. Anders ausgedrückt: Besondere Aufmerksamkeit ist von Fahrzeugführern immer dann zu erwarten, wenn mit dem Eintritt einer Gefahr zu rechnen ist.

§ 24 StVO (Besondere Fortbewegungsmittel)

Wie dem auch immer sei: Nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 2015 sind aber Personen, die sich zum Zweck der Straßenreinigung auf der Fahrbahn aufhalten, keine Fußgänger. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortsinn, sondern mittelbar auch aus der Sonderregelung des § 35 Abs. 6 S. 1 und 4 StVO, wonach Personen, die u.a. bei der Reinigung von Straßen eingesetzt seien, bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung zu tragen hätten. Diese Bestimmung setze erkennbar voraus, dass die Fahrbahnen von Straßen zu Reinigungszwecken betreten werden dürften.

BVerwG 2015: Soweit Grundstückseigentümer landesrechtlich verpflichtet sind, neben dem Gehweg auch die Fahrbahn der Anliegerstraße anteilig zu reinigen, unterliegen sie bei Verrichtung dieser Tätigkeit nicht den für Fußgänger geltenden Einschränkungen des § 25 StVO.

Demgegenüber sind Personen, die sich zum Zweck der Straßenreinigung auf der Fahrbahn aufhalten, keine Fußgänger im Sinne des § 25 StVO. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortsinn, sondern mittelbar auch aus der Sonderregelung des § 35 Abs. 6 Satz 1 und 4 StVO, wonach Personen, die unter anderem bei der Reinigung von Straßen eingesetzt sind, bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung zu tragen haben. Diese Bestimmung setzt erkennbar voraus, dass die Fahrbahnen von Straßen zu Reinigungszwecken betreten werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang überzeugend auf die Entstehungsgeschichte des geltenden § 35 Abs. 6 StVO verwiesen.

BVerwG, Beschluss vom 18.06.2015 – 9 B 3.15

Auch bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die anlässlich von allgemeinen Verkehrskontrollen oder im Zusammenhang mit der Aufnahme von Verkehrsunfällen Fahrbahnen betreten, sind keine Fußgänger im Sinne von § 25 StVO (Fußgänger), siehe § 35 Abs. 1 StVO (Sonderrechte).

§ 35 Abs. 1 StVO (Sonderrechte)

(1) Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr und die von ihr beauftragten gewerblichen Transportdienstunternehmen, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.

06 Fußgängerüberwege und Fußgängerfurten

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Während das Verhalten an Fußgängerüberwegen spezialgesetzlich geregelt ist und sich nur an Fahrzeugführer richtet, siehe § 26 StVO (Fußgängerüberwege), fällt das Verhalten von Fußgängern an Fußgängerfurten unter die Regelungen des § 25 StVO (Fußgänger).

§ 25 StVO (Fußgänger)

§ 26 StVO (Fußgängerüberwege)

Was ist eine Fußgängerfurt?

Eine Fußgängerfurt ist in Deutschland eine durch Markierungen fast ausschließlich an Ampelanlagen gekennzeichnete Fläche auf der Straße. Die Furt dient der Verkehrsführung für Fußgänger und anderen Teilnehmern als Hinweis, wo mit Fußgängern zu rechnen ist, und wird durch eine dünne unterbrochene Linie gekennzeichnet.

Bild einer Fußgängerfurt

Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung einer Fußgängerfurt heißt es in einem Urteil des OLG München aus dem Jahr 2022 wie folgt:

OLG München 2022: Im Übrigen gilt auch zu beachten, dass es sich bei einer Fußgängerfurt gerade nicht um einen Fußgängerüberweg nach § 26 StVO handelt. Ein Fußgängerüberweg im Sinne des § 26 StVO, räumt Fußgängern, „auch wenn sie ein Rad schieben (nicht aber, wenn sie damit fahren), und ihnen gleichgestellten Verkehrsteilnehmern (radfahrenden Kindern; Roll- und Krankenfahrstuhlfahrern, auch motorisierten)“ nur „auf den durch Z 293 („Zebrastreifen“) gekennzeichneten Überwegen, nicht aber auf anderen Übergängen, den Vorrang vor dem Fahrverkehr ein. Die an Lichtzeichenanlagen [...] markierten Fußgängerfurten, bei denen keine deutliche, durchgehende Kennzeichnung mit sog. Zebrastreifen (Z 293) besteht, sind somit keine Fußgängerüberwege im Sinne des § 26 StVO, so dass insoweit auch kein Vorrang vor dem Fahrverkehr besteht. Vielmehr gelten für Fußgänger, die eine Fußgängerfurt benutzen, weiterhin die Sorgfaltsanforderungen des § 25 III StVO. Entsprechend der Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung sind Fußgänger nur dann bevorrechtigt, wenn die Lichtzeichenanlage Grünlicht anzeigt.

OLG München, Urteil vom 16.02.2022 - 10 U 6245/20

07 Fußgängervorrang auf gemeinsamem Rad- und Gehweg

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2012 hatten die Richter des OLG Frankfurt am Main über einen Verkehrsunfall zu urteilen, dem folgender Anlass zugrunde lag.

Anlass: Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad den mit Zeichen 240 StVO gekennzeichneten Fuß- und Radweg, der an dem Grundstück entlangführte, an dem es zum Unfall kam. Die Beklagte trat aus dem Tor des sich dort befindlichen Gemeindezentrums auf den Gehweg. Der Lenker des Fahrrads des Klägers verfing sich in der Handtasche der Beklagten, sodass der Kläger mit dem Fahrrad stürzte und sich schwer am Kopf verletzte.

Zeichen 240 StVO

Bereits im Leitsatz heißt es:

OLG Frankfurt 2012: Tritt ein Fußgänger aus einem Hofeingang auf einen gemeinsamen Geh- und Radweg gemäß Zeichen 240 zu § 41 StVO, muss er nicht mit einem nah an der Fassade entlangfahrenden Radfahrer rechnen. Er haftet deshalb nicht für Schäden, die durch eine Kollision in dieser Situation entstehen.

In der Begründung heißt es:

Ein fahrlässiges Fehlverhalten beim Heraustreten auf den Bürgersteig kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden. Bei einem gemeinsamen Fuß- und Radweg gemäß Zeichen 240 zu § 41 StVO treffen den Radfahrer höhere Sorgfaltspflichten als den Fußgänger. Diese können ihn zur Herstellung von Blickkontakt, Verständigung und notfalls Schrittgeschwindigkeit zwingen. Radfahrer haben auf kombinierten Geh- und Radwegen keinen Vorrang, Fußgänger müssen sie aber vorbeifahren lassen. Dabei müssen die Radfahrer jede Gefährdung vermeiden. Fußgänger dürfen den gemeinsamen Fuß- und Radweg auf der ganzen Breite benutzen und dort auch stehenbleiben. Sie brauchen, da dort Radfahrer keinen Vorrang haben, nicht fortwährend nach Radfahrern, die etwa von hinten herankommen könnten, Umschau zu halten. Sie dürfen darauf vertrauen, dass Radfahrer rechtzeitig durch Glockenzeichen auf sich aufmerksam machen, um dann aber ein Passage freizugeben. Radfahrer haben demnach die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen und insbesondere bei unklaren Verkehrslagen gegebenenfalls Schrittgeschwindigkeit zu fahren, um ein sofortiges Anhalten zu ermöglichen. Auf betagte oder unachtsame Fußgänger muss der Radfahrer besondere Rücksicht nehmen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss er rechnen. Für die Geschwindigkeit von Radfahrern gilt zusätzlich § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO. Ein Radfahrer muss innerhalb der übersehbaren Strecke halten können. Dazu gehört allerdings auch, dass er damit rechnet, dass aus Eingängen oder Ausfahrten Personen oder Fahrzeuge auf den Gehweg gelangen können.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.10.2012 - 22 U 10/11

08 Fußgängerfehlverhalten durch unvermitteltes Überqueren der Fahrbahn

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Diesbezüglich heißt es im § 25 Abs. 3 StVO wie folgt:

§ 25 Abs. 3 StVO
(3) Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf kurzem Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten. Wenn die Verkehrsdichte, Fahrgeschwindigkeit, Sichtverhältnisse oder der Verkehrsablauf es erfordern, ist eine Fahrbahn nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen, an Fußgängerquerungshilfen oder auf Fußgängerüberwegen (Zeichen 293) zu überschreiten. [...].

Daraus ergibt sich, dass es Fußgängern nicht erlaubt ist, unvermittelt auf die Fahrbahn zu treten, um diese zu überqueren. So 2016 auch die Sichtweise der Richter des Landgerichts Bochum.

Anlass: Dem Urteil lag ein Verkehrsunfall zugrunde, der sich nachts auf einer regennassen Straße ereignet hatte. Zwei dunkel gekleidete Personen wurden von einem Pkw erfasst und schwer verletzt, als sie unvermittelt auf die Fahrbahn traten.

Die Richter des Landgerichts gingen davon aus, dass der grob fahrlässige Verstoß der beiden Fußgänger, der sich aus § 25 Abs. 3 StVO ergibt, die Betriebsgefahr des beklagten Pkw-Fahrers sozusagen vollends zurücktreten lässt. In der Urteilsbegründung heißt es dazu:

LG Bochum 2016: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Gerichts, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (§ 286 ZPO), fest, dass die Kläger die Fahrbahn überquert haben, ohne den Vorfahrt berechtigten Verkehr gewähren zu lassen.

Hierfür spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins. Ereignet sich ein Verkehrsunfall in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Überqueren der Fahrbahn durch einen Fußgänger, so streitet der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Fußgänger unter Missachtung der Sorgfaltsanforderungen des § 25 Abs. 3 StVO ohne hinreichende Beachtung des Fahrzeugverkehrs auf die Fahrbahn getreten ist. Diesen Anscheinsbeweis haben die Kläger nicht erschüttert. Sie haben keine Umstände dargelegt, die für eine atypische Verkehrsunfallsituation sprechen, noch dargelegt, dass der Beklagte bei Beginn der Überquerung noch nicht wahrgenommen werden konnte. Der Fahrzeugverkehr ist auf Fahrbahnen bevorrechtigt. Ihm ist durch den Fußgänger der Vorrang zu gewähren. Auch hat dieser beim Überqueren der Fahrbahn besondere Vorsicht zu wahren. Der Fußgänger muss auf den Verkehr achten und auf ihn Rücksicht nehmen. Er muss darauf bedacht sein, nicht in die Fahrbahn eines sich nähernden Fahrzeugs zu geraten. Wenn ein Fußgänger sich nicht entsprechend einrichtet, handelt er in der Regel grob fahrlässig. Nach den Feststellungen des Gerichts ist davon auszugehen, dass sich die Kläger vor dem Betreten der Straße nicht im ausreichenden Maße davon überzeugt haben, dass sie den herannahenden fließenden Verkehr nicht behindern.

An anderer Stelle heißt es:

Der Beklagte durfte auch darauf vertrauen, dass keine Fußgänger die Fahrbahn unachtsam betreten. Abwehrmaßnahmen muss der Beklagte erst ergreifen, wenn er ein Fehlverhalten eines Fußgängers bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen muss. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Beklagte das Verhalten der Kläger auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht ohne weiteres erkennen konnte, da diese für ihn vor Einfahrt der Kurve nicht sichtbar waren. Bereits nach eigenen Angaben der Kläger waren diese dunkel gekleidet. Angesichts des Umstandes, dass zum Unfallzeitpunkt bereits Dunkelheit geherrscht hat, steht für das Gericht fest, dass die Kläger für den Beklagten vor dem Betreten der Fahrbahn nicht sichtbar gewesen waren. Erst als dieser die Kurve passierte und die Kläger die Fahrbahn unvermittelt überquerten, waren die Kläger für den Beklagten erkennbar. [...]. In diesem Zusammenhang kann letztlich dahinstehen, ob sich der Beklagte wie ein Idealfahrer verhalten hat und der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis war. Denn nicht jeder vermeidbare Unfall beruht auf einem Sorgfaltsverstoß des Fahrers. Selbst wenn er sich nicht wie ein Idealfahrer verhalten hat, kann die lediglich einfache Betriebsgefahr hinter dem groben Verschulden eines Fußgängers zurücktreten. Das Verschulden der Kläger, hier in Form des grob fahrlässigen Verkehrsverstoßes überwiegt derart, dass die vom Beklagten ausgehende Ursache, seine einfache Betriebsgefahr, völlig zurücktritt.

LG Bochum, Urteil vom 04.08.2016 - 6 O 233/14

In dem Urteil nehmen die Richter des LG Bochum auf die Rechtssprechung anderer Landgerichte Bezug, die im Folgenden kurz skizziert wird.

Leitsatz Saarländisches OLG 2010: Ereignet sich ein Verkehrsunfall in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Überqueren der Fahrbahn durch einen Fußgänger, so kann der Anscheinsbeweis dafür streiten, dass der Fußgänger unter Missachtung der Sorgfaltsanforderungen des § 25 Abs. 3 StVO ohne hinreichende Beachtung des Fahrzeugverkehrs auf die Fahrbahn trat.

In der Begründung heißt es:

Ein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO kommt zunächst dann in Betracht, wenn der Beklagte ohne hinreichende Beachtung des von rechts nahenden Straßenverkehrs auf die Landstraße trat. [...]. Der Anscheinsbeweis erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den auf der Lebenserfahrung beruhenden Schluss, dass ein Ereignis auf einer bestimmten Ursache oder einem bestimmten Ablauf beruht. Die Anknüpfungstatsachen des Erfahrungssatzes müssen entweder unstreitig oder nach Maßgabe des § 286 ZPO bewiesen sein.

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 13.04.2010 – 4 U 425/09 - 120, 4 U 425/09

In Fällen, in denen nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, welche Ursache einen Verkehrsunfall verursacht hat, ist die Ursache im freien Verfahren (freie Beweisführung) zu bestimmen.

§ 286 ZPO (Freie Beweiswürdigung)
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Das Landgericht Schwerin entschied 2012, dass, wenn Fußgänger die ihnen obliegenden Pflichten nicht nachkommen, die sich aus § 25 Abs. 3 StVO ergeben, ihnen sogar grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

LG Schwerin 2012: Die Klägerin hat schuldhaft die ihr als Fußgängerin gemäß § 25 Abs. 3 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt. Sie hat danach sowohl beim Betreten als auch beim Überschreiten der Fahrbahn auf sich nähernde Fahrzeuge zu achten und den fließenden Verkehr nicht zu behindern. Der Fußgänger hat also vor dem Betreten und beim Überschreiten der Fahrbahn besondere Vorsicht walten zu lassen. Denn die Straße dient in erster Linie dem Kraftfahrzeugverkehr. Der Fußgänger muss auf diesen achten und auf ihn Rücksicht nehmen. Er muss darauf bedacht sein, nicht in die Fahrbahn eines sich nähernden Fahrzeugs zu geraten. Wenn ein Fußgänger sich nicht entsprechend einrichtet, handelt er in der Regel grob fahrlässig.

LG Schwerin – Az.: 1 O 8/12 – Urteil vom 14.12.2012

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