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Verhetzende Beleidigung

§ 192a StGB (Verhetzende Beleidigung)

Der Gesetzestext ist weitgehend aus sich selbst heraus verständlich. Der Tatbestand schließt die Lücke zwischen § 130 StGB (Volksverhetzung) sowie der Beleidigung im Sinne von § 185 StGB (Beleidigung).

Anders ausgedrückt: Der verhetzenden Beleidigung fehlt es an der Störung des öffentlichen Friedens, um als Volksverhetzung angesehen werden zu können.

Verhetzend ist eine Beleidigung dann, wenn eine besondere Gruppe oder eine Einzelperson dieser Gruppe dazu geeignet ist, Angriffen auf ihre Menschenwürde ausgesetzt zu werden.

Die Tathandlung besteht darin, unaufgefordert, zum Beispiel durch das Zusenden, Anbieten oder Zugänglichmachen von Inhalten an die in Betracht kommenden Tatopfer deren Menschenwürde zu verletzen. Diese Inhalte müssen sozusagen in den Gewahrsamsbereich des Tatopfers gelangt sein, so dass ihm zumindest die Möglichkeit zur Verfügung stand, diese Inhalte zur Kenntnis zu nehmen.

§ 192a StGB (Verhetzende Beleidigung) wurde im September 2021 neu in das Strafgesetzbuch eingeführt. Damit soll eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die bisher für das Versenden volksverhetzender Inhalte an Betroffene bestand. Ziel der Vorschrift ist es, Betroffene vor einer ungewollten Konfrontation mit bestimmten Inhalten zu schützen. Bei der Tat handelt es sich um ein als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltetes Inhaltsverbreitungsdelikt.

Änderungsantrag zur BT 19/28678: Der Prüfungsmaßstab für die Beurteilung des Inhalts ergibt sich somit aus § 130 StGB. Erfasst sind Inhalte, die eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpfen, böswillig verächtlich machen oder verleumden und hierdurch die Menschenwürde der betroffenen Personen verletzen können. Auch die vorgeschlagene Überschrift „Verhetzende Beleidigung“ soll das Anliegen verdeutlichen, gerade die Inhalte zu erfassen, die in anderer Fallkonstellation unter den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c StGB) fallen würden und nun auch in einem Zweipersonen-Verhältnis oder in Bezug auf einen geschlossenen Personenkreis unter Strafe gestellt werden sollen.

Tathandlung des § 192a StGB-E ist das Gelangenlassen (Zusenden, Anbieten, Überlassen, Zugänglichmachen) an eine andere Person, die einer bestimmten Personenmehrheit zugehörig ist. Die Tathandlung entspricht derjenigen in § 184 Absatz 1 Nummer 6 StGB (Verbreitung pornografischer Inhalte). Auch diese Strafvorschrift zielt auf den Schutz vor ungewollter Konfrontation mit bestimmten Inhalten ab. Das Gelangenlassen ist mit dem Zugehen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergleichbar und bedeutet, dass der in einer Schrift, E-Mail, SMS usw. enthaltene Inhalt (§ 11 Absatz 3 StGB) so in den Verfügungsbereich eines anderen überführt wird, dass dieser vom Inhalt Kenntnis nehmen kann; dass er tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist nicht erforderlich. Der Tatbestand ist allerdings nur erfüllt, wenn die betroffene Person Gewahrsam an dem Inhalt erlangt. Dies ist der Fall, wenn der Inhalt den Verfügungsbereich der Person erreicht. Auf eine tatsächliche Ehrverletzung kommt es indessen nicht an. Das Delikt ist somit als (konkretes) Gefährdungsdelikt ausgestaltet.

Durch § 192a StGB-E soll nur das Gelangenlassen oder Zuleiten von Inhalten an Personen, die dieses nicht wollen, unter Strafe gestellt werden. Zur Berücksichtigung dieses Abwehrrechts ist es erforderlich, Handlungen, die auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Person erfolgen, aus dem Tatbestand auszuschließen. Hierzu dient die Formulierung „ohne hierzu aufgefordert zu sein“, die bereits in § 184 Absatz 1 Nummer 6 StGB Verwendung findet.

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 19/28678 –

Deliktscharakter: Beleidigungen, üble Nachreden und Verleumdungen sind Privatklagedelikte. Das heißt, die Staatsanwaltschaft leitet grundsätzlich kein Ermittlungsverfahren ein, wenn kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, sondern verweist die Verletzten auf den Privatklageweg. Der oder die Verletzte muss dann die Straftat selbst vor Gericht bringen und das Prozesskostenrisiko tragen.

Bei LSBTI-feindlichen Beleidigungen liegt die öffentliche Klageerhebung durch die Staatsanwaltschaft aber immer im öffentlichen Interesse. Homophobe, biphobe, interfeindliche und transfeindliche Beleidigungen gelten als sogenannte Hassdelikte und damit als politisch motivierte Kriminalität. In diesen Fällen besteht immer ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.

Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)

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Allgemeines

(1) Sobald der Staatsanwalt von einer Straftat erfährt, die mit der Privatklage verfolgt werden kann, prüft er, ob ein öffentliches Interesse an der Verfolgung von Amts wegen besteht.

(2) Ein öffentliches Interesse wird in der Regel vorliegen, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z.B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung, wegen der Rohheit oder Gefährlichkeit der Tat, der rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründe des Täters oder der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben. Ist der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus nicht gestört worden, so kann ein öffentliches Interesse auch dann vorliegen, wenn dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, die Privatklage zu erheben, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.

(3) Der Staatsanwalt kann Ermittlungen darüber anstellen, ob ein öffentliches Interesse besteht.

LSBTI: Akronym für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen.

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