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§ 38 StVO – Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht

Inhaltsverzeichnis:

01 Einordnung der Befugnis
02 Sorgfaltsanforderungen bei Wegerechtsfahrten
03 Wahrnehmbarkeit des Wegerechts
04 Nur blaues Blinklicht
05 Gelbes Blinklicht

01 Einordnung der Befugnis

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Aus der Perspektive anderer Verkehrsteilnehmer bedeutet die Wahrnehmung von blauem Blinklicht in Verbindung mit dem Martinshorn Folgendes:

  • Sofort Platz machen

  • Höchste Eile von Rettungsfahrzeugen geboten ist

  • Menschenleben in Gefahr ist

  • Schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden sind

  • Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht.

§ 38 StVO (Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht)

Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen für das Einschalten von Blaulicht und Martinshorn nicht gegeben sind.

Der Fahrer eines Wegerechtsfahrzeuges darf sich über die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer jedoch nur dann hinwegsetzen, wenn er erkennt, dass ihm tatsächlich Vorrang gewährt wird.

Anders ausgedrückt: Geltende Verkehrsregeln dürfen zudem nur dann missachtet werden, wenn die Voraussetzungen der Inanspruchnahme von Sonderrechten im Sinne von § 35 StVO (Sonderrechte) greifen.

§ 35 StVO (Sonderrechte)

Nur Blaulicht und Martinshorn zusammen verpflichten nicht nur die Fahrer anderer Fahrzeuge, sondern auch Fußgänger, dem Wegerechtsfahrzeug sofort Platz zu machen.

02 Sorgfaltsanforderungen bei Wegerechtsfahrten

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2023 hatten die Richter des OLG Frankfurt über einen Fall zu entscheiden, bei dem es trotz eingeschalteten Blaulichts und trotz des eingeschalteten Martinshorns in einem Kreuzungsbereich zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Pkw kam.

OLG Frankfurt 2023: Die hohen Sorgfaltsanforderungen hat der [Fahrer des Wegerechtsfahrzeugs] nicht ausreichend beachtet, als er bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren ist. Hätte der [Fahrer des Wegerechtsfahrzeuges] die Geschwindigkeit des Rettungsfahrzeugs so weit reduziert, dass er bei einem die Kreuzung querenden Fahrzeug hätte anhalten können, wäre der Unfall vermieden worden. Stattdessen ist der [Fahrer des Wegerechtsfahrzeugs] zum Zeitpunkt der Kollision mit einer Geschwindigkeit von 35 bis 38 km/h gefahren, die es ihm nicht erlaubte, kollisionsvermeidend anzuhalten. [...]. Es gibt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass hat, keinen allgemeinen Vertrauensgrundsatz zugunsten des bevorrechtigten Fahrers, durch Einschaltung des Blaulichts und des Martinshorns seien die übrigen Verkehrsteilnehmer schon in ausreichender Weise gewarnt oder auf die Inanspruchnahme des Sonderrechts hingewiesen. Vielmehr muss sich der Fahrer in geeigneter und ausreichender Weise vergewissern, ob die durch seine Fahrweise gefährdeten übrigen Verkehrsteilnehmer seine durch Blaulicht und Martinshorn kundgetane Absicht erkannt haben und sich demgemäß verhalten. Nur wenn er nach den Umständen annehmen darf, dass alle im Gefahrenbereich befindlichen Verkehrsteilnehmer seine Warnzeichen wahrgenommen haben, darf er darauf vertrauen, dass sie ihrer Pflicht nachkommen, freie Bahn zu schaffen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2023 - 17 U 121/23

Die Inanspruchnahme von Sonderrechten trotz eingeschalteten Blaulichts und trotz des eingeschalteten Martinshorns kann sogar grob fahrlässig sein.

Beispiel: Max und Moritz wollen einen Pkw-Fahrer anhalten, der mit defekter Beleuchtung vor ihnen herfährt. Als der Fahrer bei Spätgelb in einem Kreuzungsbereich nach links abbiegt, schaltet Moritz das Blaulicht ein, während Max in den Kreuzungsbereich einfährt. Dabei kommt es zu einem Zusammenstoß mit einem Pkw-Fahrer, der bereits Grün hatte. Rechtslage?

In einem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Bautzen aus dem Jahr 2023 in dem es um die Frage ging, wer für den dadurch eingetretenen Schaden haftbar zu machen ist heißt es unter anderem:

SächsOVG Bautzen 2023: Der Kläger [der Fahrer des Wegerechtsfahrzeuges] habe eine ihm obliegende Pflicht grob fahrlässig verletzt und damit den haftungsausfüllenden Tatbestand des § 48 Abs. 1 BeamtStG erfüllt. Insbesondere habe er bei dem Unfall gegen die Vorschriften des Sonderwegerechtes für Polizeifahrzeuge nach §§ 35, 38 StVO verstoßen, weil er nicht habe davon ausgehen dürfen, allein wegen der beabsichtigten Kontrolle eines Pkw mit defekter Kennzeichenbeleuchtung und zügiger Fahrweise das Wegerecht nach § 38 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen zu können. Die vorliegenden Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit hätten nach Art und Schwere nicht das Gewicht für die konkrete Gefährdung erheblicher Rechtsgüter oder einer konkreten Gefahr für die öffentliche Ordnung, die ausnahmsweise gemäß § 35 Abs. 8 StVO die Ausübung der Sonderrechte rechtfertigen könne. Darüber hinaus habe der Kläger bei der Ausübung der Sonderrechte den übergeordneten Geboten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bereits deswegen nicht hinreichende Beachtung geschenkt, weil er ohne Benutzung des Martinshorns, als erforderliches Sonderzeichen neben dem Blaulicht, bei „Rot“ ohne deutliche Drosselung der Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren und eine Kontrolle der rechten Seite offenbar unterblieben sei. Der Kläger habe auch grob fahrlässig gehandelt. Ihm hätte insbesondere in subjektiver Hinsicht klar sein müssen, dass er bei Einfahrt in eine für ihn mit Rotlicht gesperrte Kreuzung - insbesondere bei Dunkelheit - größte Sorgfalt anzuwenden und beide Richtungen besonders sorgfältig auf herannahende Fahrzeuge zu kontrollieren gehabt hätte. Das Gericht habe nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger seine Fahrgeschwindigkeit vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich deutlich gedrosselt habe; es liege somit ein besonderes Maß an Leichtfertigkeit vor. Anhaltspunkte für ein etwaiges Mitverschulden des Unfallgegners gebe es nicht.

Hinsichtlich der Haftung für den angerichteten Schaden heißt es an anderer Stelle in dem Beschluss wie folgt:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verhält sich ein Beamter grob fahrlässig im Sinne des § 48 BeamtStG, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt. Dieser Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten; er enthält einen subjektiven Vorwurf. Daher muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Handelnden beurteilt werden, ob und in welchem Maß sein Verhalten fahrlässig war. Welchen Grad der Fahrlässigkeitsvorwurf erreicht, hängt von einer Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände im Einzelfall ab und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln.

Wegen der Beschädigung des Dienstfahrzeugs im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall wurde der Kläger [der Fahrer des Wegerechtsfahrzeuges] nach § 48 Abs. 1 BeamtStG in Höhe von 31.028 Euro in Anspruch genommen. Sein Widerspruch blieb erfolglos.

Sächsisches Oberverwaltungsgericht Bautzen, Beschluss vom 28. Juli 2013 – 2 A 411/22

Hinweis: Es empfiehlt sich für jede Polizeibeamtin und jeden Polizeibeamten sich hinsichtlich seiner dienstlichen Haftung durch eine "dieses Risiko abdeckende Berufshaftpflichtversicherung" abzusichern.

Dazu heißt es auf der Website der Gewerkschaft der Polizei wie folgt:

Jedem Polizeibeschäftigten kann im Dienst ein Missgeschick unterlaufen. Zum Umfang der bestehenden Diensthaftpflicht-Regressversicherung gehört es, die im aktiven Dienst stehenden Mitglieder der GdP vor Rückgriffs- und Haftpflichtansprüchen des Bundes bzw. der Länder aus Schäden, die die versicherten Polizeiangehörigen im Dienst (grob fahrlässig) anrichten, zu schützen.

03 Wahrnehmbarkeit des Wegerechts

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Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des Kammergerichts Berlin aus dem Jahr 2020 wie folgt:

KG Berlin 2020: Nach § 38 Abs. 1 StVO hat jeder Verkehrsteilnehmer unmittelbar, nachdem er das Blaulicht und das Einsatzhorn wahrgenommen hat oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen können, sofort freie Bahn zu schaffen. Demnach muss der Betroffene dafür Sorge tragen, dass er das Einsatzhorn rechtzeitig hören kann. Im Falle von eingeschränkter oder gar fehlender Wahrnehmbarkeit des Einsatzhorns durch den Betroffenen in Folge körperlicher Einschränkungen oder – wie hier – der Eigengeräusche des Fahrzeuges ist dies stets durch eine besonders aufmerksame Beobachtung der Verkehrslage auszugleichen.

KG, Beschluss vom 18. Februar 2020 - 3 Ws (B) 11/20

Daraus lässt sich ableiten, dass die Fahrer von Pkw und auch andere Verkehrsteilnehmer dafür Sorge zu tragen haben, dass sie das Einsatzhorn hören können. Wer mit starken Innengeräuschen fährt und deshalb das Einsatzhorn nicht hören kann, muss dies durch besondere Aufmerksamkeit ausgleichen, zum Beispiel, indem er sich auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer anpasst, die rechts heranfahren oder gar anhalten.

04 Nur blaues Blinklicht

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Blaues Blinklicht allein gewährt keinen Vorrang und darf nur als ein Warnzeichen verwendet werden, zum Beispiel um eine Unfallstelle zu sichern, oder um vor anderen Gefahrenstellen zu warnen.

Wer in eine solchermaßen gesicherte Gefahrenstelle hineinfährt, ohne die Geschwindigkeit den jeweiligen Verkehrsverhältnissen anzupassen, und dadurch andere gefährdet oder gar einen Unfall verursacht, handelt grob fahrlässig.

05 Gelbes Blinklicht

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(3) Gelbes Blinklicht warnt vor Gefahren. Es kann ortsfest oder von Fahrzeugen aus verwendet werden. Die Verwendung von Fahrzeugen aus ist nur zulässig, um vor Arbeits- oder Unfallstellen, vor ungewöhnlich langsam fahrenden Fahrzeugen oder vor Fahrzeugen mit ungewöhnlicher Breite oder Länge oder mit ungewöhnlich breiter oder langer Ladung zu warnen.

Gelbes Blinklicht gewährt kein Vorrecht. Verwendet werden darf gelbes Blinklicht auch nur dann, wenn Gefahren von dem Fahrzeug ausgehen, das mit gelbem Blinklicht ausgestattet ist.

Gelbes Blinklicht hat nur eine Warnfunktion. Es geht den anderen Regelungen und Verkehrszeichen der StVO nicht vor.

Welche Fahrzeuge mit gelbem Blinklicht ausgestattet sein Dürfen ist im § 52 Abs. 4 StVZO (Zusätzliche Scheinwerfer und Leuchten) geregelt.

§ 52 Abs. 4 StVZO (Zusätzliche Scheinwerfer und Leuchten)

(4) Mit einer oder, wenn die horizontale und vertikale Sichtbarkeit es erfordert, mehreren Warnleuchten für gelbes Blinklicht – Rundumlicht – dürfen ausgerüstet sein:

1. Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung von Straßen oder von Anlagen im Straßenraum oder die der Müllabfuhr dienen und durch rot-weiße Warnmarkierungen (Sicherheitskennzeichnung), die dem Normblatt DIN 30 710, Ausgabe März 1990, entsprechen müssen, gekennzeichnet sind,

2. Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart oder Einrichtung zur Pannenhilfe geeignet und nach dem Fahrzeugschein als Pannenhilfsfahrzeug anerkannt sind. Die Zulassungsbehörde kann zur Vorbereitung ihrer Entscheidung die Beibringung des Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr darüber anordnen, ob das Kraftfahrzeug nach seiner Bauart oder Einrichtung zur Pannenhilfe geeignet ist. Die Anerkennung ist nur zulässig für Fahrzeuge von Betrieben, die gewerblich oder innerbetrieblich Pannenhilfe leisten, von Automobilclubs und von Verbänden des Verkehrsgewerbes und der Autoversicherer,

3. Fahrzeuge mit ungewöhnlicher Breite oder Länge oder mit ungewöhnlich breiter oder langer Ladung, sofern die genehmigende Behörde die Führung der Warnleuchten vorgeschrieben hat,

4. Fahrzeuge, die aufgrund ihrer Ausrüstung als Schwer- oder Großraumtransport-Begleitfahrzeuge ausgerüstet und nach dem Fahrzeugschein anerkannt sind. Andere Begleitfahrzeuge dürfen mit abnehmbaren Warnleuchten ausgerüstet sein, sofern die genehmigende Behörde die Führung der Warnleuchten vorgeschrieben hat,

5. Fahrzeuge der Bodendienste von Flugplätzen oder der behördlichen Luftaufsicht.

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