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§ 15 StVO (Liegenbleiben von Fahrzeugen)

Inhaltsverzeichnis:

01 Allgemeines
02
TBNR gemäß Bußgeldkatalog 2023
03 Liegenbleiben oder Anhalten
04 Auffahrunfall auf liegengebliebenes Fahrzeug
05 Anscheinsbeweis trifft den
Auffahrenden
06 Erstunfall plus Zweitunfall
07 Außergewöhnliche Gefahrensituation
08 Anhalten auf Autobahnen ohne Warnblinklicht und Warndreieck

01 Allgemeines

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Die Vorschrift betrifft nur mehrspurige Fahrzeuge, die nicht ohne Weiteres aus dem Verkehrsbereich entfernt werden können, in dem sie liegengeblieben sind, also nicht vom Fahrzeugführer selbst willentlich angehalten wurden.

§ 15 StVO (Liegenbleiben von Fahrzeugen)

Sicherungspflichten, die sich unmittelbar aus § 15 StVO (Liegenbleiben von Fahrzeugen) ergeben, wenn ein Fahrzeug liegengeblieben ist:

  • Warnblinklicht ist sofort einzuschalten

  • Mindestens ein auffällig warnendes Zeichen gut sichtbar in ausreichender Entfernung aufzustellen

  • Darüber hinaus gelten die Vorschriften über die Beleuchtung haltender Fahrzeuge.

§ 17 StVO (Beleuchtung)

Eine ergänzende Vorschrift, die ebenfalls dem Schutz des fließenden Verkehrs vor liegengebliebenen Fahrzeugen dient, ist in der StVZO enthalten.

§ 53a StVZO (Warndreieck, Warnleuchte, Warnblinkanlage, Warnweste)

Danach müssen in jedem mehrspurigen Fahrzeug mitgeführt werden:

  • 1 Warndreieck: Innerhalb geschlossener Ortschaften reichen ca. 50 Meter Abstand zur Sicherung eines liegengebliebenen Fahrzeuges aus. Auf Landstraßen ca. 100 Meter und wegen der hohen Geschwindigkeiten auf Autobahnen sollte die Entfernung vom Pkw dort mindestens 150 Meter betragen

  • 1 Warnweste: Pro Fahrzeug muss nach dieser Vorschrift eine Warnweste für den Fahrer vorhanden sein, die er nach einer Panne oder einem Unfall, also dann, wenn ein mehrspuriges Fahrzeug liegengeblieben ist, zu tragen hat. Wird eine Warnweste nicht mitgeführt, kann dieser Verkehrsverstoß mit einem Bußgeld in Höhe von 15 Euro geahndet werden. Die Warnwestenpflicht gilt für alle in Deutschland zugelassenen Pkw, Lkw, Zug- und Sattelzugmaschinen und Busse. Motorräder bleiben von dieser Vorschrift ausgenommen.

02 TBNR gemäß Bußgeldkatalog 2023

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Die Anzahl der bußgeldbewehrten Tatbestände beim Verlassen liegengebliebener Fahrzeuge sind überschaubar, so dass sie hier in Gänze wiedergegeben werden:

115000
Sie sicherten Ihr liegen gebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig ab.
30,00 Euro

115006
Sie beleuchteten Ihr liegen gebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig.
30,00 Euro

11501
Sie machten Ihr liegen gebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig kenntlich.
30,00 Euro

115600
Sie sicherten Ihr liegen gebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht mit den vorgeschriebenen Sicherungsmitteln ab und gefährdeten dadurch Andere.
1 Punkt
60,00 Euro

115601
Sie sicherten Ihr liegen gebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht mit den vorgeschriebenen Sicherungsmitteln ab. Es kam zum Unfall.
1 Punkt
75,00 Euro

115606
Sie beleuchteten Ihr liegen gebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht mit der vorgeschriebenen Lichtquelle und gefährdeten dadurch Andere.
1 Punkt
60,00 Euro

115607
Sie beleuchteten Ihr liegen gebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht mit der vorgeschriebenen Lichtquelle. Es kam zum Unfall.
1 Punkt
75,00 Euro

03 Liegenbleiben oder Anhalten

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Vom Wesen her ist „Liegenbleiben“ als ein unfreiwilliges Halten zu verstehen, siehe Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 16.12.2020 - 14 U 77/1). Ein bloßes Anhalten erfüllt nicht den Tatbestand des Liegenbleibens.

OLG Celle 2007: Liegengeblieben ist ein Fahrzeug, das sich gleichgültig weshalb, aus eigener Kraft nicht mehr fort- oder aus dem Verkehrsbereich wegbewegen kann, d. h. entweder gegen den Willen des Fahrzeugführers nicht mehr bewegt werden kann oder dieser aus (primär im Fahrzeug liegenden) Umständen gezwungen ist, sein Fahrzeug anzuhalten. Vom Wesen her ist „Liegebleiben“ damit ein unfreiwilliges Halten.

Allerdings ist auch im Rahmen des Anhaltens die sofortige Verkehrssicherung erstes Gebot. Es hängt jedoch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, ob ein Fahrzeug, das auf dem Seitenstreifen einer Autobahn zum Stehen gekommen ist, entsprechend § 15 StVO gesichert werden muss. Hierfür sind unter anderem die Beschaffenheit der Straße, der Standort des Fahrzeugs sowie die Licht- und Sichtverhältnisse maßgeblich.

OLG Celle, Urteil vom 12.12.2007 - 14 U 80/07

Anders ausgedrückt: Ein Taxi-Fahrer, der sein Fahrzeug auf dem Seitenstreifen einer Autobahn anhält, um einen Fahrer einsteigen zu lassen, dessen Pkw liegengeblieben ist, hält an.

04 Auffahrunfall auf liegengebliebenes Fahrzeug

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Einem Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahr 2014 lag folgender Anlass zugrunde.

Anlass: Eine Mercedesfahrerin hielt mit ihrem Pkw vor einer Ampel auch dann noch, als diese auf Grün wechselte, weil vor ihr sich ein Unfall ereignet hatte. Ein Lkw erkannte nicht rechtzeitig das haltende Fahrzeug und fuhr auf den Mercedes auf.

Das OLG Hamm hatte zu entscheiden, ob die Mercedesfahrerin ihrer Verpflichtung aus § 15 StVO (Liegenbleiben von Fahrzeugen) nicht im gebotenen Umfang nachgekommen war. In dem Beschluss heißt es:

OLG Hamm 2014: Ein Verstoß gegen § 15 StVO wegen unterbliebener Absicherung einer Unfallstelle liegt dann nicht vor, wenn eine Absicherung durch Warnzeichen deshalb entbehrlich ist, weil das Fahrzeug rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte.

An anderer Stelle heißt es:

OLG Hamm 2014: Die von dem LKW [...] ausgehende Betriebsgefahr ist durch ein Verschulden des [Lkw-Fahrers] gegen § 1 Abs. 2 StVO erhöht. Nach dieser Vorschrift hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Dass der [Lkw-Fahrer] die sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebenden Sorgfaltsanforderungen nicht beachtet hat, weil er über einen Zeitraum von mehr als 7 Sekunden den Verkehrsraum vor ihm nicht beobachtet hat und ungebremst auf den Mercedes [...] aufgefahren ist, steht [...] fest, wie sich aus dessen schriftlicher Äußerung [...] ergibt. Danach hat der [Lkw-Fahrer] aus einer Entfernung von etwa 150 m den Wechsel der Lichtzeichenanlage an der Kreuzung auf Grünlicht bemerkt.

Ein Verstoß gegen § 15 StVO verneint der Senat mit folgender Begründung:

OLG Hamm 2014: Zum einen ist das Fahrzeug der [Mercedesfahrerin] nicht liegengeblieben, das heißt, nicht gegen ihren Willen zum Stehen gekommen. Aufgrund des Sachverhalts erster Instanz durfte das Landgericht davon ausgehen, dass Frau H ihr Fahrzeug gewollt hinter der Unfallstelle angehalten hat. [...]. Dafür, dass das Fahrzeug entgegen dem Willen der [Mercedesfahrerin] mangels Fahrfähigkeit an der späteren Kollisionsstelle ausgerollt ist, gibt der Sachverhalt aus erster Instanz nichts her. [...]. Der fehlende Nachweis, dass das Fahrzeug liegengeblieben ist, geht zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen [Lkw-Fahrers].

Ein Verstoß gegen § 15 StVO wegen unterbliebener Absicherung des Mercedes läge aber auch ungeachtet dessen nicht vor, weil eine Absicherung durch Warnzeichen nur dann erforderlich ist, wenn das Fahrzeug nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte.

Die Unfallstelle war für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer aus einer Entfernung von etwa 200 m gut erkennbar [...]. Da im Bereich der Unfallstelle zudem eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h bestand, war für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ausreichend Zeit, in Annäherung an den Mercedes rechtzeitig zu reagieren.

OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.2014 - 9 U 216/13

05 Anscheinsbeweis trifft den Auffahrenden

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Das OLG München hat 2018 entschieden, welche Anforderungen an den Anscheinsbeweis beim Auffahren eines Pkw im fließenden Verkehr auf einen auf der Linken von vier Fahrspuren zum Stillstand gekommenen Lkw zu stellen sind.

Grundsatz: Kommt es zu einem Auffahrunfall, dann spricht der erste Anschein dafür, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, indem er:

  • Den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO

  • Unaufmerksam war, also seiner Sorgfaltspflicht nicht genügte, § 1 Abs. 1 StVO, oder

  • Mit unangemessener Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO).

Der Anscheinsbeweis kann jedoch dadurch entkräftet werden, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug, das noch rechtzeitig dem liegengebliebenen Fahrzeug ausweichen konnte, dem Auffahrenden die Sicht auf das liegengebliebene Fahrzeug versperrte, so dass der Auffahrende das Hindernis nicht rechtzeitig erkennen konnte.

Im Urteil des Landgerichts München heißt es zum oben skizzierten Anlass wie folgt:

OLG München 2018: Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs [...] kommt eine Erschütterung des Anscheinsbeweises beim Auffahren auf den Vorausfahrenden auf einer Autobahn auch etwa dann in Betracht, wenn der Nachweis erbracht wird, dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches nach seiner Beschaffenheit geeignet war, dem Nachfahrenden die Sicht auf das Hindernis zu versperren, dieses Fahrzeug erst unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur gewechselt hat und dem Nachfahrenden ein Ausweichen nicht mehr möglich oder erheblich erschwert war.

Auf der Grundlage der obigen Ausführungen durfte das Landgericht die Annahme einer Anscheinsbeweislage nur mit der Begründung ablehnen [...], dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches nach seiner Beschaffenheit geeignet war, ihr als Nachfahrender die Sicht auf den Beklagten-LKW als Hindernis zu versperren, dass dieses Fahrzeug erst unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur gewechselt hat und dass ihr als Nachfahrender ein Ausweichen nicht mehr möglich oder erheblich erschwert war. Die bloße Möglichkeit eines solchen Ablaufs oder die Feststellung, dass der von dem Auffahrenden behauptete Ablauf nicht widerlegt sei, reicht nicht aus. Die Beweislast für das Vorliegen von Umständen, die zumindest die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs bedingen, liegt bei der Klägerin.

OLG München, Urteil vom 28.09.2018 – 10 U 4206/17

06 Erstunfall plus Zweitunfall

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Anlass: Auf einer dreispurigen Autobahn war die Fahrerin eines Opels aufgrund erhöhter Geschwindigkeit beim Fahrstreifenwechsel ins Schleudern gekommen, gegen die Leitplanke prallte und mit ihrem Pkw herumgeschleuderte worden, der schließlich quer ausgerichtet auf der rechten Fahrspur zum Stehen kam. Das Warnblinklicht wurde nicht eingeschaltet und die Unfallstelle wurde auch nicht abgesichert. Auf der Fahrbahn lagen zudem Fahrzeugteile des verunfallten Opel. Die Fahrerin eines Mercedes konnte dem Hindernis nicht ausweichen. Es kam zum Zweitunfall. Beide Fahrerinnen zogen sich Verletzungen zu.

Vor Gericht machte die Fahrerin des Opel geltend, dass die Mercedesfahrerin nicht auf Sicht gefahren sei und somit gegen § 3 StVO (Geschwindigkeit) verstoßen habe.

Die Fahrerin des Mercedes warf der Opelfahrerin vor, ihren Pflichten im Sinne von § 15 StVO nicht nachgekommen zu sein. Das angerufene Gericht hatte im Rahmen der Haftungsabwägung zu prüfen, welches Fehlverhalten schwerer wiegt: Der Verstoß gegen § 15 StVO oder der Verstoß gegen § 3 StVO.

OLG Frankfurt am Main 2020: § 15 Satz 1 StVO sieht vor, dass im Falle des Liegenbleibens eines mehrspurigen Fahrzeugs an einer Stelle, an der es nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden kann, sofort Warnblinklicht einzuschalten ist. Nach § 15 Satz 2 StVO ist danach mindestens ein auffällig warnendes Zeichen gut sichtbar in ausreichender Entfernung aufzustellen, und zwar bei schnellem Verkehr in etwa 100 m Entfernung, wobei vorgeschriebene Sicherungsmittel, wie Warndreiecke, zu verwenden sind. Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, ist die [Opelfahrerin] diesen Anforderungen nicht nachgekommen. Die Unfallstelle wurde [...] weder durch sofortiges Einschalten des Warnblinklichts noch durch Aufstellung eines gut sichtbaren Warndreiecks in ausreichender Entfernung abgesichert. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um andere Verkehrsteilnehmer, wie [Mercedesfahrerin], rechtzeitig vor dem verunfallten [Opel] zu warnen. Die Pflicht zur Aufstellung eines Warndreiecks ist grundsätzlich unverzüglich zu erfüllen. Soweit dem Fahrzeugführer ein gewisser Zeitraum einzuräumen ist, um der Pflicht nachzukommen, war dieser hier schon nach dem eigenen Vortrag der [Opelfahrerin] überschritten [denn die Opelfahrerin hat selbst vorgetragen] dass sich der Erstunfall längere Zeit vor der Zweitkollision zugetragen habe [...]. Die [Opelfahrerin] ist dennoch untätig geblieben und hat keine Sicherungsmaßnahmen zugunsten des nachfolgenden Verkehrs veranlasst.
An anderer Stelle:
Das verunfallte [Opelfahrzeug] bot für den nachfolgenden Verkehr eine typische Gefahrenquelle, für deren Beseitigung und Absicherung die [Opelfahrerin] die Verantwortung trug, weil sie die Gefahrenquelle geschaffen hatte (§ 1 StVO). So wie bei einem Verstoß gegen das Halteverbot auf Autobahnen (§ 18 Abs. 8 StVO) oder gegen die Beleuchtungspflicht (§ 17 Abs. 1 StVO), spricht bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn der Anschein dafür, dass die unterlassene Sicherungsmaßnahme für den Zusammenstoß ursächlich war.
Unangemessene Geschwindigkeit:
Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO darf der Fahrzeugführer nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann. Die Vorschrift soll davor schützen, auf Hindernisse aufzufahren und mit entgegenkommenden Fahrzeugen zu kollidieren. Auch auf Autobahnen muss der Kraftfahrer tags und nachts mit plötzlichen Hindernissen, wie mit ungesichert liegen gebliebenen Fahrzeugen, rechnen. Nach Anhörung der Klägerinnen und durchgeführter Beweisaufnahme ist das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der [Mercedesfahrerin] zwar ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot anzulasten ist, da entweder der Bremsweg des auffahrenden Klägerfahrzeugs länger als die Sichtweite gewesen ist oder die Reaktion der [Mercedesfahrerin] auf die rechtzeitig erkennbare Gefahr unzureichend gewesen ist. Zu Gunsten der [Mercedesfahrerin] hat das Landgericht nach Auswertung der Angaben [...] Indes aber gewertet, dass die Gefahrenlage „quer stehendes Fahrzeug“ aufgrund des sich um das verunfallte Beklagtenfahrzeug herum gebildeten weißen Rauchs (Qualmwolke) [der Opel] nur schwer erkennbar gewesen ist. [...]. Mangels freier Sicht auf das liegengebliebene [Opelfahrzeug] war eine Reaktion auf die unmittelbare eigentliche Gefahrenlage („quer stehendes Fahrzeug“) hingegen nicht möglich, was sich haftungsmildernd auswirkte.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.06.2020 - 10 U 49/19

07 Außergewöhnliche Gefahrensituation

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Nur außergewöhnliche Gefahrensituationen machen es erforderlich, liegen gebliebenen Fahrzeugen kenntlich zu machen. Diese Verpflichtung gilt nicht für Fahrzeuge, die angehalten wurden.

Anlass: Die Richter des Landgerichts Hildesheim hatten 2009 zu entscheiden, wie das Anhalten eines VW-Fahrers zu bewerten ist, der seinen Pkw auf einer Straße angehalten hatte, um dem vor einer Ampel liegengebliebenen Fahrer eines Fahrzeuges zu helfen, ohne die Warnblinkanlage einzuschalten und ein Warndreieck aufzustellen, was nach den Einlassungen eines BMW-Fahrers, der auf den VW auffuhr, unfallursächlich gewesen sei.

In der Einlassung des BMW-Fahrers heißt es:

Der [VW-Fahrer] sei verpflichtet gewesen, ein Warndreieck aufzustellen und zudem die Warnblinkanlage einzuschalten. Erstere Verpflichtung ergebe sich aus § 15 Straßenverkehrsordnung, welche Vorschrift auch auf das „helfende“ Fahrzeug anwendbar ist, zumindest aber aus § 1 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung, so dass das liegen gebliebene und das „helfende“ Fahrzeug eine gesamtschuldnerische Pflicht zur Aufstellung des Warndreieckes hätten. Im Übrigen sei dem Kläger die Sicht auf die Verkehrsunfallstelle durch ein vorausfahrendes Fahrzeug versperrt gewesen, was auch der Zeuge ... bekundet habe.

OLG Hildesheim 2003: Zu Unrecht nimmt der [BMW-Fahrer] an, dass der [VW-Fahrer] die Pflicht zum Aufstellen eines Warndreieckes hatte. Diese Pflicht ergibt sich weder aus § 15 StVO noch aus § 1 Abs. 2 StVO. § 15 StVO betrifft nur solche Fahrzeuge, die verkehrsbedingt auf der Straße liegengeblieben sind und sich nicht mehr aus eigener Kraft fortbewegen können. Haltende oder parkende Kraftfahrzeuge, deren Insassen Hilfe leisten, fallen hierunter schon nach dem eindeutigen und einer weiteren Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der Vorschrift nicht. Ob neben dem Einschalten der Warnblinkanlage auch ein Warndreieck aufgestellt werden muss, richtet sich für helfende Fahrzeuge nach § 1 Abs. 2 StVO. Eine solche Pflicht nach § 1 Abs. 2 StVO zum Aufstellen eines Warndreieckes neben der Einschaltung einer Warnblinkanlage besteht aber nur bei außergewöhnlichen Gefahrensituationen. Hier war die Unfallstelle nicht auf einer Autobahn, auf der erfahrungsgemäß viel höhere Geschwindigkeiten gefahren werden als auf dieser Straße und zudem im Bereich einer Ampelanlage, die jederzeit von Grün auf Rot umschalten kann, weshalb nachfolgende Fahrzeugführer ohnehin vorsichtiger fahren müssen. Es kommt hier hinzu, dass die Panne, bei welcher der [VW-Fahrer] helfen wollte, auf gerader Strecke in einem gut übersichtlichen Teil geschah, bei welchem bereits eine Warnblinkanlage die Gefahrenquelle hinreichend deutlich kenntlich macht.

An anderer Stelle, den BMW-Fahrer betreffend, heißt es:

Denn der [BMW-Fahrer] hat grob fahrlässig gegen die Verkehrsvorschriften des § 3 Abs. 1 S. 4 und gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Er hat nämlich, was der Fall zeigt, seine Geschwindigkeit nicht so gewählt, dass er auch noch rechtzeitig vor dem [VW-Fahrer] welcher auf der Fahrbahn stand, bremsen konnte, als er das Fahrzeug erstmals erblickte. Immerhin haben es zwei vor dem Klägerfahrzeug fahrende Pkw ohne Probleme geschafft, der Gefahrenstelle auszuweichen.

LG Hildesheim, Urteil vom 05.09.2003 - 1 S 124/03

08 Anhalten auf Autobahnen ohne Warnblinklicht und Warndreieck

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2013 hatten die Richter des OLG Hamm darüber zu entscheiden, welches Fehlverhalten einem Lkw-Wahrer anzulasten ist, der seinen Lkw auf dem Standstreifen angehalten hatte, weil er sich übergeben musste. Die Umrisse des Lkw ragten nach dem Anhalten deutlich in die rechte Fahrspur hineinragten, wodurch es zu einem Unfall mit einem BMW-Fahrer kam. Dieser machte geltend, dass es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn der Fahrer des Lkw sein Fahrzeug im erforderlichen Umfang als ein liegengebliebenes Fahrzeug gekennzeichnet hätte.

OLG Hamm 2013: Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahr hat der Senat berücksichtigt, dass der Verkehr auf der Autobahn wegen des Verbots gemäß § 18 Abs. 8 StVO grundsätzlich nicht mit haltenden Fahrzeugen rechnen muss, insbesondere nicht mit einem LKW, der noch recht weit in die Fahrspur hineinragt. Bereits aus diesem Grund ist ein Halten nur in zwingenden Fällen zulässig, erfordert dann aber alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen nach § 15 StVO. Insoweit ist unstreitig, dass [der Lkw-Fahrer trotz seines] berechtigten gesundheitlichen Notstopps zwar ein Warnblinklicht eingeschaltet, aber kein Warndreieck aufgestellt hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei seinem Verhalten, zunächst den Eimer auszukippen und sich selbst zu säubern statt entweder ein Warndreieck aufzustellen oder sofort weiterzufahren, sogar um eine schuldhafte Handlung handelt; denn in jedem Fall ist es dadurch zu einer erheblichen Erhöhung der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr gekommen, die vom Senat mit mindestens 50% angesetzt wird, und zwar auch unter Berücksichtigung der vom klägerischen [BMW] selbst ausgehenden Betriebsgefahr.

OLG Hamm, Urteil vom 29.10.2013 - 26 U 12/13

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