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Home Inhaltsverzeichnis: Umgang mit der Demokratie

Hitlergrüße und Antisemitismus im Klassenzimmer

Inhaltsverzeichnis:

01 Einführung
02 Warum muss gerade mir das passieren?
03 Reaktion des Schulleiters
04 Politische Straftaten
05 Paragraf 86a StGB
06 Verbotene Kennzeichen
07 Tatort Klassenzimmer
08
StA Halle zum Hitlergruß im Klassenzimmer
09 Was bedeutet das für eine Schulklasse?
10 Einstellung von Verfahren durch die StA
11 Reaktion der Schule auf Hitlergrüße/Antisemitismus
12 Ermessen
13 Pflichtgemäßes Ermessen
14 Ausmaß Rechtsextremismus an Schulen
15 Juden in Deutschland
16 Antisemitismus im Lernort Schule
17 Judenhass von Muslimen und Migranten
18 Islamfeindliche Straftaten
19 Islamische Strömungen in Deutschland
20 Innenminister NRW fordert Vereinsverbote
21 Schlusssätze

01 Einführung

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Schulen sollten sowohl Lern- als auch Schonräume sein, in denen junge Menschen die Bildung erhalten, die erforderlich ist, um eine Demokratie zukunftsfähig machen zu können. Diese Fähigkeit setzt jedoch voraus, dass Schülerinnen und Schüler an solchen besonderen Orten mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht nur vertraut gemacht werden, sondern dieses Menschenbild im Lernraum Schule auch erfahren, denn das, was erfahren wird, lässt sich leichter verinnerlichen als das, was sich in der Praxis lediglich als eine blasse und nicht der Wirklichkeit entsprechende Theorie darstellt.

Wie dem auch immer sei: Das Menschenbild des Grundgesetzes, wurde bereits im Jahr 1954 von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wie folgt beschrieben:

BVerfG 1954: Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines isolierten souveränen Individuums; das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum - Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. Das ergibt sich insbesondere aus einer Gesamtsicht [der Grundrechte, die im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes aufgeführt sind]. Das heißt: Der Einzelne muss sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, dass dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt.

BVerfG, Urteil vom 20.07.1954 - 1 BvR 459

Um dieses Menschenbild leben zu können, bedarf es einer staatlichen Ordnung, die sicherstellt, dass die Menschenrechte des Einzelnen durch diese staatliche Ordnung vor Übergriffen des Staates geschützt werden. Das ist eine Aufgabe, der sich auch Lehrerinnen und Lehrer – trotz ihres pädagogischen Auftrags oder gerade deswegen – nicht entziehen dürfen, indem sie einfach wegsehen oder denken, dass es sich sowieso nicht lohnt, dort, wo es erforderlich ist, jungen Menschen Grenzen zu setzen, denn das könnte für sie ja durchaus gefährlich sein, zumal sich die Angriffe auf Lehrerinnen und Lehrer in einem Besorgnis erregenden Umfang häufen und sogar mit einem Mord enden können, nur weil zwei Teenager sich ungerecht benotet fühlten.

Wie dem auch immer sei. Das von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts skizzierte Menschenbild setzt, wenn es tatsächlich gelebt werden soll, voraus, dass im Schonraum Schule Toleranz, Meinungsvielfalt und vor allen Dingen auch Respekt vor der Persönlichkeit des jeweils anderen nicht nur gelehrt, sondern auch erlebt wird. Das wiederum schließt nicht aus, dass dort, wo Grenzen des Erträglichen überschritten werden, Maßnahmen getroffen werden müssen. Dazu später mehr.

Zuerst einmal soll darauf hingewiesen werden, dass es wohl wirklichkeitsfremd ist, davon auszugehen, dass jegliche Form von Meinungen und Verhalten im Schonbereich Schule geäußert und ausgelebt werden kann und darf. Das gilt sowohl für die Lehrenden als auch für die vielen Schülerinnen und Schüler, die sich im Lernort Schule täglich begegnen.

Warum? Wer Demokratie will, der muss auch dazu bereit sein, Demokratie nicht nur zu lehren, sondern auch dazu bereit sein, Demokratie zu erlernen, woraus geschlossen werden kann, dass Lehrende und Lernende aufeinander angewiesen sind, wenn sie dieses Ziel erreichen sollen, denn erzwingen lässt sich diese Gemeinsamkeit nicht.

Anders ausgedrückt: Wer nicht lernen will und nicht dazu bereit ist, demokratische Regeln zu verinnerlichen, den wird auch die beste Lehrerin und auch nicht der beste Lehre davon überzeugen können, dass es sich lohnt, sich auf das Abenteuer Demokratie einzulassen.

Die Frage, die sich deshalb im hier zu erörternden Sachzusammenhang nunmehr stellt, lautet: Wie ist mit Schülerinnen und Schülern umzugehen, die sich im Lernort Schule auf eine nicht mehr zu tolerierende Art und Weise verhalten, indem sie dort Hitlergrüße zelebrieren, antisemitische Parolen verbreiten, die israelitische Fahne verbrennen, gegen Juden hetzen, Adolf Hitler als ein Vorbild ansehen, oder gar Auschwitz als einen Ort der Befreiung bezeichnen.

Darüber zu theoretisieren ist eine Sache, zielführender dürfte es jedoch sein, am Beispiel aufzuzeigen, was heute – man mag das bedauern – durchaus zum schulischen Alltag gehören kann.

02 Warum muss gerade mir das passieren?

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Ein fiktives Beispiel, das Lars, einem Mathematiklehrer, der als Zweitfach Geschichte unterrichtet, an einer Gesamtschule in Münster heute erlebt hat. Dieses Beispiel könnte sich auch an einem anderen Lernort in Deutschland ereignet haben. Aber hören wir uns an, was Lars in der ersten Stunde erlebt:

Lars: Als ich heute Morgen die Tür zum Klassenzimmer aufmachte, stand Tom neben seinem Arbeitstisch und schlug zackig die Hacken zusammen, als ich die Tür gerade hinter mir geschlossen hatte. Dann streckte er ruckartig den rechten Arm zum Hitlergruß aus und sagte laut und deutlich: »Heil Hitler!«

Die anderen lachten.

Ich war sprachlos und verwirrt.

Wie sollte ich mit dieser Situation umgehen?

Viel Zeit zum Überlegen blieb mir nicht.

Gerade so viel Zeit, um zum Pult zu gehen, dort meine Tasche abzulegen um dann, spätestens dann, das wusste ich, musste mir etwas eingefallen sein.

Ich legte also meine Tasche auf das Pult und forderte Tom dann auf, aufzustehen und nach vorne zu mir zu kommen. Und als er vor mir stand, sagte ich:

Das, was du dir gerade geleistet hast, das kann ich nicht akzeptieren. Das geht gar nicht. Auf jeden Fall ist das kein Jungenstreich mehr. Du bist 16 Jahre alt, also ein Jugendlicher, und du solltest wissen, dass sowohl der Hitlergruß als auch das Skandieren nationalsozialistischer Parolen, wozu auch „Heil Hitler!“gehört, als eine Straftat anzusehen ist.

Und wie diese Schule mit deinem Verhalten umgehen wird, darüber ist noch längst nicht das letzte Wort gesprochen.

Setze dich jetzt wieder hin und wage es nicht noch einmal, die Hacken zusammenzuschlagen und den Film erneut ablaufen zu lassen, den wir gerade alle gesehen haben. Unglaublich! Dein Verhalten ist unmöglich.

Zur Klasse gewandt sagte ich:

Und jetzt, was machen wir jetzt? Nach Mathematik ist mir heute wirklich nicht mehr zumute. Nach solch einer erbärmlichen Show zur Tagesordnung überzugehen, das geht nicht. Ihr wisst ja, gravierende Störungen haben immer Vorrang. Und solch eine Störung wie die, die wir gerade alle hier erlebt haben, das ist schon ein starkes Stück.

Und dann stellte ich folgende Fragen:

Wie hat denn auf euch der Auftritt von Tom gewirkt?
Fandet ihr das etwa cool?

Es würde zu weit führen, hier den ganzen Gesprächsverlauf der Stunde wiederzugeben, denn zuerst war da nur beredtes Schweigen. Hin und wieder ein Kichern. Die Klasse wusste ja auch nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Aber ein Zurück in die Welt des Ungeschehenen gab es nicht. Da mussten wir jetzt alle durch. Und warum nicht den Verursacher dieser unmöglichen Situation in die Pflicht nehmen?

Zu Tom gewandt sagte ich:

Tom, wie du siehst, hast du uns alle hier mehr oder weniger sprachlos gemacht. Deshalb frage ich dich: Was weißt du über Adolf Hitler?

Und als keine Antwort kam, wandte ich mich mit der gleichen Frage mit etwas mehr Erfolg an die Klasse.

Immerhin war bekannt, wer Adolf Hitler war, auch wenn sich das Wissen über diesen Diktator in Grenzen hielt. Mir musste also etwas einfallen, um Betroffenheit erzeugen zu können.

In dieser Situation erinnerte ich mich an eine Redepassage des ehemaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger, der am 10. November 1988 in seiner Rede zur Gedenkstunde im Deutschen Bundestag im Hinblick auf den 50. Jahrestag der Reichspogromnacht u.a. Folgendes gesagt hatte:

Philipp Jenninger: »Hören wir dazu einen Augenzeugen, der deutschen Wirklichkeit des Jahres 1942:

Die von den Lastwagen abgestiegenen Menschen, Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, mussten sich auf Aufforderung eines SS-Mannes, der in der Hand eine Reif- oder Hundepeitsche hielt, ausziehen und ihre Kleider nach Schuhen, Ober- und Unterkleidern getrennt an bestimmten Stellen ablegen ... Ohne Geschrei oder Weinen zogen sich diese Menschen aus, standen in Familiengruppen beisammen, küssten und verabschiedeten sich und warteten auf den Wink eines anderen SS-Mannes, der an der Grube stand und ebenfalls eine Peitsche in der Hand hielt. ...

Ich beobachtete eine Familie von etwa acht Personen, einen Mann und eine Frau, beide von ungefähr 50 Jahren, mit deren Kindern, so ungefähr 1-, 8- und 10-jährig, sowie zwei erwachsene Töchter von 20 bis 24 Jahren. Eine alte Frau mit schneeweißem Haar hielt das einjährige Kind auf dem Arm und sang ihm etwas vor und kitzelte es. Das Kind quietschte vor Vergnügen. Das Ehepaar schaute mit Tränen in den Augen zu. Der Vater hielt an der Hand einen Jungen von etwa 10 Jahren, sprach leise auf ihn ein. Der Junge kämpfte mit den Tränen. Der Vater zeigte mit dem Finger zum Himmel, streichelte ihn über den Kopf und schien ihm etwas zu erklären. Da rief schon der SS-Mann an der Grube seinem Kameraden etwas zu. Dieser teilte ungefähr 20 Personen ab und wies sie an, hinter den Erdhügel zu gehen ...

Ich ging um den Erdhügel herum und stand vor einem riesigen Grab. Dicht aneinandergepresst lagen die Menschen so aufeinander, dass nur die Köpfe zu sehen waren. Von fast allen Köpfen rann Blut über die Schultern. Ein Teil der Erschossenen bewegte sich noch. Einige hoben ihre Arme und drehten den Kopf, um zu zeigen, dass sie noch lebten. Die Grube war bereits dreiviertelvoll. Nach meiner Schätzung lagen darin bereits ungefähr 1 000 Menschen. Ich schaute mich nach dem Schützen um. Dieser, ein SS-Mann, saß am Rand der Schmalseite der Grube auf dem Erdboden, ließ die Beine in die Grube herabhängen, hatte auf seinen Knien eine Maschinenpistole liegen und rauchte eine Zigarette. Die vollständig nackten Menschen gingen an einer Treppe, die in die Lehmwand der Grube gegraben war, hinab, rutschten über die Köpfe der Liegenden hinweg bis zu der Stelle, die der SS-Mann anwies. Sie legten sich vor die toten oder angeschossenen Menschen, einige streichelten die noch Lebenden und sprachen leise auf sie ein. Dann hörte ich eine Reihe Schüsse. Ich schaute in die Grube und sah, wie die Körper zuckten oder Köpfe schon still auf den vor ihnen liegenden Körpern lagen ...

Schon kam die nächste Gruppe heran, stieg in die Grube hinab, reihte sich an die vorherigen Opfer an und wurde erschossen.“

Auch wenn Philipp Jenniger am Tag nach seiner Rede zurücktreten musste, weil man sich eine Gedenkfeier im Bundestag anders vorgestellt hatte, (nicht so ehrlich, nicht so verletzend, nicht so eindringlich), bleibt dennoch festzustellen, dass die, in der Rede geschildert Szene des alltäglich gewordenen Massenmordes im Nazideutschland sich für den Rest der Stunde auf jeden Fall dazu eignete, Betroffenheit zu erzeugen. Auch wenn ich andere Worte fand, aber ich glaube, dass ich die richtigen Worte benutzte. Zumindest an den Schluss erinnere ich mich noch gut.
Ich sagte:

Nicht nur die SS, aber insbesondere die, waren auf ihren Führer Adolf Hitler eingeschworen. Und ihr könnt sicher sein, dass diese Männer keine Gelegenheit ausließen, die Hacken zusammenzuknallen, die rechte Hand zum Hitlergruß hochzureißen und „Heil Hitler!“ zu brüllen, wenn sich dazu eine Gelegenheit bot.

Und übrigens: Auch Münster, das ist die Stadt, in der ihr gerade zur Schule geht, leistete einen entscheidenden Beitrag bei der Deportation von Juden, Sinti und Roma in die Vernichtungslager im Osten.

Heute erinnert die „Villa ten Hompel“ an diese dunkle Zeit. Der Schwerpunkt dieses geschichtsträchtigen Ortes dokumentiert nicht nur die Arbeit der Ordnungspolizei in Münster, die für den Abtransport von Juden in die Vernichtungslager in Polen und anderswo im Osten zuständig war, sondern auch, in welch einem erschreckenden Umfang von der Ortspolizei in Münster Polizei-Bataillone (Divisionen, Einheiten etc.) rekrutiert und eingesetzt wurden, deren einzige Aufgabe es war, Juden, Roma und Sinti zu erschießen.

Und auf die Frage eines Schülers, welchen Beitrag die Lehrer an den Naziverbrechen geleistet hätten, viel mir spontan nur eine Antwort ein:

Lehrer legten damals größten Wert darauf, dass der Hitlergruß in den Klassenräumen korrekt ausgeführt wurde.

Und damit sich so etwas nie wiederholt, ist und bleibt Adolf Hitler in unserem Rechtsstaat und somit auch an diesem Lernort eine Unperson. Ein Mensch, der zwar zur deutschen Geschichte gehört, den zu huldigen aber als eine Straftat anzusehen ist.

Und wer heute die rechte Hand zum Hitlergruß erhebt oder „Heil Hitler!“ruft, der begeht einen Tabubruch, der nicht folgenlos bleiben kann und auch nicht folgenlos bleiben wird.

Was das für Folgen für Tom haben wird, das werden wir hier nicht im Klassenraum besprechen, sondern das werde ich zuerst einmal dem Schulleiter dieser Schule vortragen, und dann sehen wir weiter.

Macht jetzt Pause.

03 Reaktion des Schulleiters

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Das Gespräch mit der Schulleitung verlief wie erwartet. Fassungslosigkeit über das von mir gemeldete Schülerverhalten. Natürlich waren wir uns sofort darüber einig, dass ein Hitlergruß in einer Schule, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung (fdGO) verpflichtet ist, als ein gravierender Ordnungsverstoß anzusehen ist.

Und nur für diejenigen, die nicht mehr ganz so genau wissen, was unter der Sprachfigur der „freiheitliche demokratischen Grundordnung“ (fdGO) zu verstehen ist, hier die Definition des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1952 zu diesem unbestimmten Rechtsbegriff, zu dem sich die Richter anlässlich des SRP-Verbots äußerten.

BVerfG 1952: Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 -- 1 BvB 1/51

Aber, fdGO hin und fdGO her: Was in dem gerade geschilderten Fall zu tun ist, dazu äußerten sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht.

Und was liegt in solch einem Fall näher, als zuerst einmal nach geeigneten Maßnahmen Ausschau zu halten, die in Bezug auf das gerade geschilderte Ereignis als angemessen anzusehen sind. Diesbezüglich schien es zumindest nach meiner Art zu denken, zuerst einmal sinnvoll zu sein, in den Erlass zu schauen, der die „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ in NRW regelt, und in dem nachzulesen ist, was Schulen - neben der Polizei und dem Jugendamt - zu veranlassen haben. Solche Erlasse gibt es in allen Bundesländern.

Erlass NRW
Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität

Dort heißt es in der Ziffer 3.2.3 unter der Überschrift: „Was Straftaten an der Schule oder im unmittelbaren Umfeld betrifft“ wie folgt:

Erlass NRW: Besteht gegen Schülerinnen oder Schüler der Verdacht der Begehung eines Verbrechens [was bei einem Hitlergruß nicht der Fall ist], so hat die Schulleitung die Strafverfolgungsbehörden zu benachrichtigen.

Soweit sich der Verdacht einer sonstigen strafbaren Handlung (Vergehen) ergibt, hat die Schulleitung zu prüfen, ob pädagogische/schulpsychologische Unterstützung, erzieherische Einwirkungen beziehungsweise Ordnungsmaßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat eine Benachrichtigung der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erforderlich ist.

Dies ist regelmäßig der Fall bei:

  • Gefährlichen Körperverletzungen,

  • Einbruchsdiebstählen,

  • Verstößen gegen das Waffengesetz,

  • Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz,

  • gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr,

  • erheblichen Fällen von Bedrohung, Sachbeschädigung oder Nötigung sowie

  • politisch motivierten Straftaten.

04 Politische Straftaten

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Politische Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden, werden im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst.

Mit Stand vom 21.04.2023 heißt es in dem Bericht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur „Politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2022“ wie folgt:

Mit einem Anteil von 27,73 % an den Gesamtfallzahlen stellten Propagandadelikte (Verbreiten von Propagandamitteln oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, §§ 86, 86a StGB) im Jahr 2022 die am häufigsten registrierten Delikte der PMK dar. Im Bereich PMK-rechts - machten sie mehr als die Hälfte aller Straftaten aus (60,15 %).

Über den folgenden Link kann der Bericht aufgerufen werden:

Politisch motivierte Kriminalität 2022

Und dass es sich bei dem Vorfall im Klassenraum um eine Straftat im Sinne von § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) gehandelt haben könnte, dafür spricht zumindest die Vernunft eines jeden aufgeklärten und geschichtsbewussten Staatsbürgers.

§ 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)

Ob diese Annahme zutrifft, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.

05 Paragraf 86a StGB

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Der Schutzzweck von § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) besteht darin, den Staat vor der Wiederbelebung verbotener Organisationen zu schützen. Dieses Schutzziel ist bereits gegeben, wenn der bloße Anschein besteht, dass tatbestandliches Handeln im Sinne des Straftatbestandes gegeben sein könnte.

§ 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)

Natürlich sind vom Tatbestand die Handlungen nicht erfasst, die zu wissenschaftlichen Zwecken zusammengetragen werden. Das gilt auch für Ausstellungen in Museen, in Lehrbüchern enthalten Bilder oder im Film gezeigte verfassungswidrige Kennzeichen, Gesten oder Symbole.

Wie dem auch immer sei: Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich dazu wie folgt positioniert:

BVerfG 2006: § 86a StGB soll sowohl die symbolhaft durch die Verwendung eines Kennzeichens ausgedrückte Wiederbelebung bestimmter Organisationen als auch die symbolhaft gekennzeichnete Wiederbelebung der von solchen Organisationen verfolgten Bestrebungen abwehren. Zu diesem Zweck wird die Verwendung der Kennzeichen dieser Organisationen mit Strafe bedroht. Dabei wehrt § 86a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt Gefahren ab, die schon allein mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Kennzeichens verbunden sind. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob das Kennzeichen gerade mit dem Willen gebraucht wird, die von ihm symbolisierte Organisation zu unterstützen (...). Auf diese Weise verbannt die Norm derartige Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland und errichtet so ein kommunikatives Tabu.

An anderer Stelle heißt es:

Dem Ziel des § 86a StGB, die Verwendung bestimmter Symbole in der öffentlichen Auseinandersetzung auszuschließen, dient auch die Regelung in dessen Absatz 2 Satz 2. Danach werden von dem strafbewehrten Verbot auch andere Symbole erfasst, wenn und weil sie wegen einer Verwechslungsgefahr auf diese Auseinandersetzung in derselben Weise einzuwirken drohen wie die verbotenen Symbole. Wo eine solche Gefahr nicht besteht, weil das benutzte Symbol nicht mit einem verbotenen Kennzeichen verwechselt werden kann, greift der Normzweck des § 86a StGB dagegen nicht. In einem solchen Fall kann eine Beschränkung der Meinungsfreiheit durch diese Norm daher nicht begründet werden.

Beschluss des BVerfG vom 01. Juni 2006 - 1 BvR 150/03

Hinweis: Im hier zu erörternden Sachzusammenhang scheint die Rechtslage hingegen klar zu sein, denn ein Schüler hat nicht nur den Hitlergruß zelebriert, sondern auch eine verbotene Parole skandiert „Sieg, Heil!“

06 Verbotene Kennzeichen

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Auch wenn es sich bei Gesten und Worten, gemeint sind der Hitlergruß und die Parole „Heil Hitler!“, nicht um verbotene Kennzeichen im materiellen Sinne handelt, sind solche Gesten und Worte dennoch vom Tatbestand des § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) erfasst:

Verbotene Formeln sind:

Heil Hitler! - Grußparole der Nazis
Gruß 88 - die 8 im Alphabet
steht für ein H = Heil Hitler

Sieg heil! - Parteitags- und Massenparole der Nazis
Mit deutschem Gruß - briefliche Grußform der Nazis
Meine (unsere) Ehre heißt Treue - Losung der SS, der „Schutzstaffel“ der Nazis
Blut und Ehre - Losung der Hitlerjugend
Ein Volk, ein Reich, ein Führer
Rotfront verrecke
Deutschland erwache.

Verbotene Gesten:

Hitlergruß - ausgestreckter rechter Arm
Kühnen- bzw. Widerstandsgruß - wie Hitlergruß, nur mit abgespreiztem Daumen, Zeige- und Mittelfinger; benannt nach einem Neonazi-Führer.

Verbotene Lieder:

Horst-Wessel-Lied
Afrika-Lied der verbotenen Neonazi-Band Landser
Im Text heißt es: „Afrika für Affen, Europa für Weiße. Steckt die Affen in ein Klo und spült sie weg wie Scheiße.“
u.a.

Das Singen des so genannten „U-Bahn-Songs“ erfüllt hingegen nicht den Tatbestand des § 86a StGB, wohl aber den des § 130 StGB (Volksverhetzung):

Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir!

Oftmals gesungenes Lied von Ultrafans im Ligafußball.

Zurück zu den Tathandlungen im Klassenzimmer.

07 Tatort Klassenzimmer

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Tatbestandliches Handeln im Sinne von § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) setzt u.a. voraus, dass im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in Schriften (§ 11 Abs. 3) verbreitet werden.

Die anderen, in der Norm mit Strafe bedrohten Tathandlungen, kommen beim Hitlergruß im Klassenzimmer nicht in Betracht und brauchen deshalb hier nicht erörtert zu werden. Die Erörterungen in diesem Aufsatz greifen im Übrigen auch für andere Formen der Verwendung verbotenen Kennzeichen und Symbole im Klassenzimmer, wie zum Beispiel Hakenkreuze auf Etuis, SS-Runen auf Schultaschen und anderen Gebrauchsgegenständen.

Wie dem auch immer sei. Die Frage, auf die es eine Antwort zu finden gibt lautet: Handelt es sich bei einem Klassenzimmer um einen „öffentlichen“ Raum im Sinne des § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)?

08 StA Halle zum Hitlergruß im Klassenzimmer

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In einem Artikel auf SpiegelOnline vom 21.03.2019 heißt es dazu wie folgt:

SpiegelOnline: Kein öffentlicher Raum: Ermittlungen nach Hitlergruß im Klassenzimmer eingestellt.

Der Hitlergruß ist nur in der Öffentlichkeit strafbar.

Mit dieser Begründung hat die Staatsanwaltschaft Halle an der Saale Ermittlungen gegen einen Schüler eingestellt - und damit Befremden in der Politik ausgelöst.

An anderer Stelle heißt es:

Es ist nicht strafbar, im Klassenraum den Hitlergruß zu zeigen und zu skandieren. Diese Auffassung vertritt die Staatsanwaltschaft Halle an der Saale. Die Behörde stellte ein entsprechendes Ermittlungsverfahren ein und stieß damit bei der betroffenen Schule und dem Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt auf Unverständnis.

Der Grund der Einstellung:

Die Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen sei laut Gesetz nur in der Öffentlichkeit verboten. Öffentlich bedeute, dass „ein nicht mehr überschaubarer Personenkreis dies zur Kenntnis nehmen kann“, hieß es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Halle, das über Twitter verbreitet wurde. Das sei bei Äußerungen im Klassenraum selbst bei geöffneter Tür normalerweise nicht der Fall.

Festzustellen ist, dass es sich bei dieser Rechtsauffassung nicht um eine gerichtlich bestätigte Rechtsauffassung handelt, denn bisher wurde der Hitlergruß eines Schülers im Klassenzimmer noch nicht vor Gericht verhandelt. In Bezug auf § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) gibt es jedoch eine Fülle gerichtlicher Entscheidungen, von denen hier nur aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2015 zitiert werden soll.

BGH 2015: Für das öffentliche Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt es nicht entscheidend auf die Öffentlichkeit des gewählten Ortes an, sondern darauf, ob die Art der Verwendung die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis begründet.

BGH, Urteil vom 09. Juli 2015 - BGH 3 StR 33/15

Ob dazu auch Klassenräume gehören, dazu haben sich die Richter des BGH nicht geäußert, wohl aber Kommentatoren:

Schönke/Schröder zu § 86a StGB: Öffentlich: „Die Verwendung des Kennzeichens muss öffentlich, in einer Versammlung oder in vom Täter verbreiteten Schriften erfolgen. Entscheidend für öffentliches Verwenden ist die Wahrnehmbarkeit, nicht die tatsächliche Wahrnehmung durch einen größeren Personenkreis. [...]. Eine Versammlung soll [...] nur eine Zusammenkunft mehrerer zur Erörterung öffentlicher Angelegenheiten oder zu einer gemeinsamen Kundgebung sein. Ein solcher Versammlungsbegriff ist jedoch zu eng. Die Veranstaltung muss der Meinungsbildung dienen.

Und unter Bezugnahme auf Fischer § 80a Rn. 4 heißt es, dass auch geschlossene Veranstaltungen öffentlich sein können und auch dann, wenn anlässlich von Vereinsveranstaltungen lediglich vereinsinterne Angelegenheiten erörtert werden. Wörtlich heißt es bei Schönke/Schröder weiter:

Ob etwa in einer Vereinsversammlung öffentliche oder vereinsinterne Angelegenheiten erörtert werden, begründet für die propagandistisch wirksame Verwendung der genannten Kennzeichen und damit für die potenzielle Gefährlichkeit der Verwendung keinen erheblichen Unterschied.

Im Nemos-Kommentar zu § 86a StGB heißt es im Hinblick auf das Ansprechen einer Personenvielheit wie folgt:

Nemos: Das Verwenden muss öffentlich, in einer Versammlung [....] erfolgen. Damit ist eine unbestimmte Personen-Vielheit anzusprechen, was Sachverhalte ausblendet, in denen einem Dritten im privaten Kreis derartige Objekte gezeigt werden.

Öffentlichkeit des jeweiligen Ortes ist hingegen weder erforderlich noch für sich genommen ausreichend. Keine Öffentlichkeit besteht beim Gebrauch [gemeint sind die verbotenen Kennzeichen] gegenüber einem einzelnen oder wenigen Polizeibeamten.

Wie dem auch immer sei. Der Meinungsvielfalt sind auch hier keine Grenzen gesetzt, denn nach herrschender Meinung ist der Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Täter mit der Verwendung des Kennzeichens nur Aufmerksamkeit erregen und provozieren will und keine weiteren politisch werbenden Absichten verfolgt.

Eine Versammlung soll nach h.M. schon dann vorliegen, wenn mehr als drei Personen zu einem gemeinsamen Zweck nicht nur zufällig zeitweilig beisammen sind. Allerdings sollte man eine Zusammenkunft im engsten Familienkreis nicht genügen lassen.

Im Leipziger Kommentar heißt es zum Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit des Ortes im Sinne von § 86a StGB wie folgt:

Leipziger Kommentar: Nicht die Öffentlichkeit des Ortes, an dem das Kennzeichen verwendet wird, sondern die Möglichkeit der Wahrnehmung durch einen größeren, nicht beschränkten Personenkreis ist ausschlaggebend.

Und in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal Versammlung heißt es:

Eine Versammlung ist als nicht nur zufälliges, zeitweiliges Beisammensein von mehr als drei Personen zu einem gemeinsamen Zweck zu verstehen. Entsprechend dem Schutzzweck muss im Hinblick auf die gleichwohl gegebene abstrakte Gefährlichkeit grundsätzlich ein irgendwie gearteter gemeinsamer Zweck ausreichen.

09 Was bedeutet das für eine Schulklasse?

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In Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung und in Anlehnung an die oben zitierten Aussagen, die aus Kommentaren zum Strafgesetzbuch stammen, kommt es für das öffentliche Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne von § 86a StGB nicht entscheidend auf die Öffentlichkeit des gewählten Ortes an, sondern darauf, ob die Art der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis begründet.

Mit anderen Worten: Schulen, Behörden und auch Gerichtssäle kommen als Tatorte durchaus in Betracht. Das gilt auch für Vereinssitzungen, Klassentreffen und andere Veranstaltungen in Räumen, die von anderen Personen zur Zeit der Tat nicht genutzt werden können.

Fraglich ist dennoch, inwieweit eine Klassengemeinschaft als eine Gemeinschaft angesehen werden kann, die „maßgeblich durch persönliche Beziehungen“ gekennzeichnet ist.

Festzustellen ist, dass eine Klassengemeinschaft mit einer Familie oder mit dem Treffen guter Freunde in einem abgeschlossenen Privatraum nicht zu vergleichen ist. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass Klassengemeinschaften sozusagen als besondere „Ausformungen der Schulpflicht“ verstanden werden müssen, in die Schülerinnen und Schüler sich einzufügen haben, weil sie sich diesen „Gemeinschaften“ nicht entziehen können, denn wenn sie das tun würden, würde die Schule ihr Erscheinen letztendlich erzwingen.

Wie dem auch immer sei: Es ist zwar möglich, dass in Klassengemeinschaften Freundschaften gepflegt werden, Rivalitäten und die Bereitschaft, andere zu mobben, dürften dort aber gleichermaßen verbreitet sein, möglicherweise sogar im größeren Ausmaß.

Auch wenn die Schülerinnen und Schüler einer Klasse sich mit ihren Vornahmen anreden, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch wissen, wo ihre Mitschüler wohnen, wie sie leben und inwieweit man ihnen wirklich vertrauen kann.

Kurzum: Von echten persönlichen Beziehungen solcher Klassengemeinschaften kann wohl kaum ausgegangen werden. Bei einer Schulklasse handelt es sich, zumindest nach der hier vertretenen Auffassung, somit sowohl um einen Raum, in dem tatbestandlich im Sinne von § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) gehandelt werden kann, als auch um einen „Versammlungsraum einer Gemeinschaft von Schülern und Lehrern“, die nicht zwangsläufig durch besondere persönliche Beziehungen miteinander verbunden ist.

10 Einstellung von Verfahren durch die StA

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Die Strafprozessordnung sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft dazu berechtigt ist, eingeleitete Strafverfahren einzustellen.

Bei einem Jugendlichen, der einen Hitlergruß zelebrierte und in einem Klassenraum „Heil Hitler!“ skandierte, hat die StA Halle an der Saale, wie oben bereits mitgeteilt, das angängige Strafverfahren eingestellt. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn bei jugendlichen Ersttätern ist das ein übliches, der Regel entsprechendes Verfahren (Diversionsverfahren).

Ein solches Verfahren setzt aber voraus, dass ein tatbestandlich und rechtswidrig handelnder Jugendlicher dennoch die Erfahrung machen sollte/muss, wie sich ein Strafverfahren anfühlt, auch wenn an dessen Ende die Einstellung steht.

Dazu gleich mehr.

Der StA stehen im Übrigen mehrere Möglichkeiten zu, ein Strafverfahren einzustellen.

  • Einstellung wegen Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts (§ 170 Abs. 2 StPO)

  • Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO)

  • Einstellung gegen Weisungen oder Auflagen (§ 153a StPO)

  • Einstellungsmöglichkeiten im Jugendstrafrecht (§ 45 JGG).

Es würde zu weit führen an dieser Stelle die Einstellungsmöglichkeiten zu erörtern, die sich allein aus dem Jugendstrafrecht ergeben, siehe insbesondere § 45 JGG (Absehen von der Verfolgung).

§ 45 JGG (Absehen von der Verfolgung)

Tatbestandliche Handlungen im Sinne von § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sind dennoch auch für Kinder und Jugendliche mit einem Tabu belegt. Und wenn insbesondere Jugendliche solch ein Tabu brechen, sollte, nein muss der Jugendliche die Erfahrung machen, dass und vor allen Dingen wie der Staat und seine Organe auf diesen Tabubruch reagieren.

Trotzdem: Nicht auf die Bestrafung kommt es bei Jugendlichen an, sondern auf die Erfahrung, dass gegen sie ermittelt wird. Dass darüber die Schulleitung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, ändert an dieser Feststellung eigentlich nichts. Davon Gebrauch zu machen, könnte aber das pädagogische Werteverständnis eines Schulleiters durchaus überfordern.

11 Reaktion der Schule auf Hitlergrüße/Antisemitismus

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Das, was bisher erörtert wurde, sollte bekannt sein, bevor anlassbezogen nach angemessenen Maßnahmen gesucht wird, um tatbestandliches und rechtswidriges Verhalten von Schülerinnen und Schülern im Klassenzimmer und anderswo im Schulbereich gemäß § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) aufarbeiten zu können.

Als angemessene Maßnahmen kommen in Betracht:

  • Anzeige des festgestellten Fehlverhaltens bei der Polizei

  • Unabhängig davon ist auch die Einleitung eines Ordnungsverfahrens auf der Grundlage von § 2 SchulG NRW (Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule) iVm § 53 SchulG NRW (Erzieherische Einwirkungen, Ordnungsmaßnahmen) einzuleiten.

Beide Wege können, nein sollten unabhängig voneinander gleichzeitig begangen werden.

Wird auf eine Strafanzeige verzichtet, sind auf jeden Fall Ordnungsmaßnahmen einzuleiten. Wie zu verfahren ist, kann aber nur in genauer Kenntnis des Einzelfalls bestimmt werden. Dabei wird das bisherige Verhalten des Jugendlichen, der den Hitlergruß zelebriert hat, mit in die zu treffende Entscheidung einfließen müssen. In jedem Fall aber handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ist.

12 Ermessen

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Der § 40 VwVfG NRW (Ermessen) regelt die Ausübung von Ermessen in den Fällen, in denen einer Behörde in den maßgeblichen Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätzen für eine von ihr zu treffende Entscheidung ein Ermessensspielraum eingeräumt ist.

Auch schon vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW konnte eingeräumtes Ermessen niemals frei sein, sondern sich immer nur um pflichtgemäßes Ermessen handeln, siehe Kopp/Ramsauer § 40 VwVfG Rn. 1.

Ermessen setzt voraus, dass einer Behörde in der von ihr anzuwendenden Rechtsnorm Ermessen eingeräumt wird, also eine Eingriffsermächtigung gegeben sein muss, die durch die Worte wie: »kann«, »darf« oder »soll« Ermessen gewährt. Gleiches gilt auch für die Sprachfigur »ist befugt«.

Im Zweifelsfall ist von einer Ermessenseinräumung auszugehen.

Ist einer Behörde Ermessen eingeräumt, dann ergibt sich daraus sozusagen im Gegenzug für Betroffene behördlicher Maßnahmen das Recht, dass die Behörde ihr eingeräumtes Ermessen ermessensfehlerfrei auszuüben hat.

Auch Schulen sind Behörden in diesem Sinne, denn der Behördenbegriff wird im deutschen Recht nicht einheitlich verwendet.

Die Eröffnung eines Ermessensspielraums bedeutet, dass sich die Schule, wenn ihr Ermessen eingeräumt ist, zwischen verschiedenen Verhaltensweisen sachgerecht entscheiden muss.

Diese Wahl findet gedanklich auf zwei Ebenen statt.

Die Schule kann einmal darüber befinden, ob sie überhaupt einschreiten will. Hat sie sich zum Einschreiten entschlossen, so stellt sich die Frage, welche Maßnahmen und Mittel zu ergreifen sind und gegen wen sie sich richten sollen.

In Anlehnung an den Wencker Beschluss des BVerfG aus dem Jahre 1965 bedeutet das:

BVerfG 1965: Der Ermessensspielraum kommt vor allem darin „zum Ausdruck, dass - trotz genauer Umschreibung der Voraussetzungen für die jeweils zu treffende oder getroffene Maßnahme, diese niemals obligatorisch ist, sondern stets im pflichtmäßigen Ermessen des anordnenden Amtswalters steht; das folgt zum Beispiel aus dem Wort „darf“.

BVerfG, Beschluss vom 15.12.1965 - 1 BvR 513/65.

Die zwei Ebenen des Ermessens sind:

  • Entschließungsermessen

  • Auswahlermessen.

Beim Entschließungsermessen hat die Schule zu prüfen, ob sie tätig werden muss, oder aber auch untätig bleiben kann.

Auswahlermessen ist dadurch gekennzeichnet, dass einem einschreitenden Amtswalter (auch Lehrerinnen und Lehrer sind aus verwaltungsrechtlicher Sicht Amtswalter) mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, eine Situation klären zu können.

Stehen dem Amtswalter mehrere denkbare Maßnahmen zur Verfügung, hat er diejenige zu wählen, die den Betroffenen am geringsten belastet.

Auswahlermessen gibt Amtswaltern (Lehrerinnen, Lehrern und natürlich auch der Schulleitung) die Möglichkeit, Maßnahmen näher auszugestalten. Der Schule ist es aber nicht erlaubt, in ihre Ermessensbeurteilung sachfremde Erwägungen rechtlicher oder tatsächlicher Art einfließen zu lassen. Sie darf insbesondere nicht von unzutreffenden, in Wahrheit nicht entsprechenden Voraussetzungen ausgehen.

13 Pflichtgemäßes Ermessen

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Diese Sprachfigur bedeutet, dass die Maßnahmen von Amtswaltern ausschließlich nach sachlichen und am Zweck der Ermächtigung ausgerichteten Zielen zu treffen sind.

Dabei ist stets eine Lösung zu suchen, die sich an den Werten zu orientieren hat, die von der Verfassung vorgegeben werden. Die Besonderheiten des Einzelfalls sind stets zu prüfen.

Bei Ermessensentscheidungen kommt es somit immer darauf an, dass die Entscheidungsfindung sich unbeeinflusst von Fehlern vollzieht.

Grund dafür ist, dass sich allein am Entscheidungsergebnis die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Maßnahme regelmäßig nicht feststellen lässt.

Anzeigen von Straftaten im Schulbereich: Fraglich ist, ob es sich bei der Entscheidung, eine Straftat anzuzeigen, die im Schulbereich begangen wurde, überhaupt um eine Ermessensentscheidung handelt.

Festzustellen ist, dass eine Anzeigepflicht nur in den Fällen gesetzlich verpflichtend ist, wenn es sich um Straftaten handelt, die im § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) genannt sind. Solch eine Unrechtsqualität hat weder ein „Hitlergruß im Klassenzimmer“ noch eine antisemitische Diskriminierung. Auch das Verbrennen einer Israelfahne ist kein Verbrechen, sondern ein Vergehen.

Insoweit besteht keine gesetzliche Verpflichtung, den Hitlergruß oder „antisemitische Diskriminierungen“, rassistische Äußerungen oder Aufforderungen zum Hass, anzuzeigen.

Festzustellen ist somit, dass es sich bei der Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt.

Mit anderen Worten: Durch Erlasse wird das Ermessen von Amtswaltern (Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitung etc.) näher bestimmt. Obwohl es sich bei Erlassen nicht um Rechtsnormen mit Außenwirkung, sondern nur um innerdienstliche Weisungen handelt, sind Amtswalter aus Gründen der Gleichbehandlung an bestehende Erlassregelungen gebunden.

Erlasse steuern somit das Ermessen. Sie sind in der Regel verpflichtend.

Im Fall des „Hitlergrußes im Klassenzimmer“ ist somit nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob Anzeige erstattet wird oder nicht.

Wird Anzeige erstattet, dann liegt die Benachrichtigung der Eltern vom festgestellten Fehlverhalten des Schülers nicht mehr im Aufgabenbereich der Schule, sondern ist dann Aufgabe der Polizei.

Wird Anzeige erstattet, dann wird das im Klassenzimmer festgestellte Fehlverhalten, um das es im hier zu erörternden Beispiel geht, und das von einem 16-Jährigen begangen wurde, der unter das Jugendstrafrecht fällt, zum Gegenstand strafprozessualer Ermittlungen.

Auch bei Kindern und erst recht bei Heranwachsenden würde die Polizei tätig werden, wenn diese im Klassenzimmer den Hitlergruß zelebrieren würden. Bei Kindern würde zwar kein Strafverfahren eingeleitet, weil dies das Gesetz nicht erlaubt, wohl aber ermittelt, wie zum Beispiel ein 12-Jähriger dazu kommt, solch einen Tabubruch zu begehen. Bei tatbestandlich handelnden Kindern wäre es aber auch durchaus denkbar, auf die Erstattung einer Anzeige zu verzichten und den unliebsamen Vorgang schulintern zu regeln.

14 Ausmaß Rechtsextremismus an Schulen

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Tagesschau.de vom 28.06.2023: Ende April 2023 haben Lehrer aus Burg in Brandenburg mit einem Brandbrief auf rechtsextreme Vorkommnisse im Umfeld ihrer Schule aufmerksam gemacht. Sie berichteten etwa von Schülern, die den Arm zum Hitlergruß heben, von rassistischen Sprüchen sowie von Hakenkreuzen auf Autos. Nun gibt es erste Zahlen, die zeigen: Derartige Vorfälle an Schulen sind offenbar ein bundesweites Problem.

Im Zeitraum 2018 bis 2021 haben sich nach Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste ein Drittel der rechten Straftaten, bei denen minderjährige Tatverdächtige ermittelt wurden, im Umfeld von Schulen ereignet. Das ergab eine Sonderauswertung der beim Bundeskriminalamt (BKA) geführten Statistik Politisch motivierte Kriminalität (PMK), wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke mitteilte.

Es sei in dem betrachteten Zeitraum zu fremdenfeindlichen, rassistischen oder antisemitischen Äußerungen oder Beleidigungen und teils tätlichen Angriffen gekommen. Als häufigste Delikte werden in der Antwort das Zeigen des Hitlergrußes sowie das Ausrufen von Parolen wie „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ genannt. Weiter habe es vor allem Schmierereien, Kritzeleien oder Einritzungen von einschlägigen Symbolen und Parolen gegeben. Außerdem seien besonders oft Abbilder und Nachrichten über Messenger-Dienste versendet worden. Konkrete Zahlen nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht.

15 Juden in Deutschland

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Sowohl die Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz, haben die Verpflichtung hinsichtlich des Schutzes jüdischen Lebens in Deutschland als auch die Gewährleistung des Existenzrechtes des Staates Israel zur Staatsräson erklärt.

Michael Wolffsohn: Nach der Katastrophe lastete auf Deutschland ein herem, ein Bann. Niemand hatte ihn verhängt, und doch war er allgegenwärtig, obwohl es im (religiösen) Judentum keinen ortsbezogenen Bann gibt.

An anderer Stelle heißt es:

Reingebeten wurden Juden nach 1945/49 weder von der alten Bundesrepublik noch von der DDR. Trotz des Bannes kamen trotzdem Juden: Überlebende der deutschen Hölle in Osteuropa. Nur wenige blieben. Die meisten zogen nach Israel – nachdem die britische Mandats-, faktisch: Kolonialmacht abgezogen war. Es gab auch Rückkehrer. Wenige. Sie kamen nicht los von Deutschland. Trotz allem, nach allem. Kaum wahrnehmbar, etwa 28.000, das war bis 1989 die Zahl der jüdischen Rückkehrer und Zuwanderer nach Westdeutschland. Als die Mauer fiel, lebten in der DDR knapp 500 Juden.

Ab 1990, in der Ära der Wiedervereinigung, als „Angst vor Deutschland“ grassierte, brauchte die neue Bundesrepublik Imagepflege. Kanzler Kohl schnappte Israel rund 200.000 Juden weg, die aus der Sowjetunion eigentlich in den jüdischen Staat sollten. Ohne sie wäre das 1990 nur noch winzige Judentum in Deutschland ausgestorben. [...]. Unglaublich, aber wahr: Trotz allem und nach allem leben heute in Deutschland wieder etwa 200 000 Juden.

An anderer Stelle:

Erstens hatte Kanzler Kohl verkündet: Wenn Juden nach Deutschland kommen wollen, könne und werde Deutschland keinen Juden vor die Tür setzen. Zweitens hatte der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, dem Bundeskanzler mehr als nur den Rücken gestärkt. Er hatte sich mit der israelischen Regierung angelegt. Weitsichtig hatte er angesichts der demografischen Situation der seinerzeit 28.000 Juden in Deutschland erkannt, dass diese Minigemeinschaft, weil überaltert, ohne Zuzügler in absehbarer Zeit aussterben würde. Israel wollte mehr Juden nach Israel, Galinski wollte mehr Juden nach Deutschland. Er gewann. Jüdische „Kontingentflüchtlinge“ aus der ehemaligen Sowjetunion durften seit 1991 nach Deutschland.

Michael Wolffsohn. Eine andere jüdische Weltgeschichte, Herder 2022, Seite 64 und Seite 225

Die Zweifel an den gesunden Menschenverstand der in Deutschland lebenden Juden, lässt sich wohl auch dadurch erklären, dass Aktenfunde belegen, dass sich der Kanzler und sein Umfeld, gemeint ist der 2017 verstorbene ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl, in den achtziger Jahren negativ über Juden äußerte. Wegen der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen fürchtete Kohl nämlich um den guten Ruf Deutschlands.

Irgendwann kam dann aber doch das Einsehen im Kanzleramt.

Anders lässt sich auch wohl die Zusage von Helmut Kohl nicht verstehen, 1990 etwa 200.000 Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland aufzunehmen, obwohl diese Zusage auf Kritik im Auswärtigen Amt stieß. Dort hieß es: Es kommen zu viele und oft auch die Falschen. Doch Zuzugsbeschränkungen scheut der Kanzler, denn die würden ihn in Konflikt mit der Organisation der Juden in Deutschland bringen.

SpiegelPolitik vom 26.05.1996: 1990 schloss Kanzler Helmut Kohl mit dem damaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, einen humanitären Pakt über die Aufnahme jüdischer Emigranten. Deutschland erklärte sich bereit, Juden aus der untergehenden UdSSR die Übersiedlung in die frisch vereinigte Bundesrepublik zu erlauben. So sollte den Opfern von Diskriminierungen im Kreml-Reich geholfen werden.

Spiegel vom 26.05.1996

16 Antisemitismus im Lernort Schule

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Angesichts des zunehmenden Antisemitismus im Hier und im Jetzt, prüft die Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Dorothee Feller (CDU), zurzeit weitere Maßnahmen zum Ausbau der Demokratiekompetenz und der Wertevermittlung an den Schulen in Nordrhein-Westfalen, um dort antisemitischen Tendenzen entschieden entgegentreten zu können. Richtig ist, dass Antisemitismus, dort wo er erkannt wird, am besten sofort und an Ort und Stelle zu thematisieren ist, egal ob im Unterricht, auf dem Schulhof oder in der Sporthalle.

Aber das ist nichts Neues.

Bereits im April 2023 hieß es auf der Website des Schul- und Bildungsministeriums wie folgt:

Nordrhein-Westfalen wird weiter vehement gegen Antisemitismus vorgehen.

Ob es ausreicht, dieses Ziel durch Fortbildung in den Griff zu bekommen, setzt eine Glaubensfähigkeit voraus, die zu teilen schwer fällt. Das schließt aber nicht aus, sondern führt sozusagen zwanghaft zu dem Reflex, mehr Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer und zusätzliche Beratungsstellen zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen einzufordern.

Da solche Forderungen aber kaum schnell umgesetzt werden können, wurde sozusagen als eine Vorbereitung auf zu erwartende antisemitische Vorfälle an den Schulen in NRW vom Schulamt Düsseldorf eine Broschüre herausgegeben, die Schulleiterinnen und Schulleitern und natürlich auch Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit geben soll, besser auf solche Vorfälle reagieren zu können.

Die Broschüre ist zwar, so wie ich sie gelesen habe, korrekt gegendert, ob sie aber auch von praktischem Gebrauchswert sein wird, möchte ich bezweifeln, denn ihr fehlt es am Konkreten. Sie sieht schön aus, ist bunt und wird dennoch nichts ändern. Aber überzeugen Sie sich selbst. Sie können die Broschüre über den folgenden Link aufrufen.

Was tun bei Antisemitismus an Schulen?

17 Judenhass von Muslimen und Migranten

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Hat die deutsche Politik diesen Antisemitismus, den zu leugnen eine besorgniserregende Sehschwäche auf beiden Augen voraussetzt, nicht sehen wollen oder sogar jahrelang unterschätzt? Unbestreitbar ist, dass Hamas­Terroristen am 7. Oktober 2023 einen Krieg in Nahost begonnen haben, der sich gegen Israel und dessen Existenzrecht richtet und der als Folge davon auch in Deutschland angekommen ist, denn auch dort werden die Unterstützer mobilisiert, indem der sich selbst verteidigende Staat Israel sozusagen zum Täter stilisiert werden soll, denn die eigentlichen Opfer seinen die Palästinenser, deren Genozid Israel sozusagen billigend in Kauf nehme.

Wie dem auch immer sei. Tatsache ist, dass Judenfeindlichkeit an Schulen heute bereits eine andere Dimension hat, als das noch vor Monaten der Fall gewesen ist, obwohl es bereits vor dem Angriff der Hamas auf Israel an deutschen Schulen im besorgniserregenden Umfang Antisemitismus und Judenfeindlichkeit gab.

Bereits im Mai 2023, also gut 5 Monate vor dem Angriff der Hamas auf Israel, beklagte sich die Altbundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Videopodcast über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Antisemitische Vorfälle bei Demonstrationen in Deutschland Verurteilte sie erneut scharf.

Wer Hass gegen Juden auf unsere Straßen trägt, wer volksverhetzende Beleidigungen äußert, stellt sich außerhalb unseres Grundgesetzes“, sagte Merkel am Samstag in ihrem wöchentlichen Videopodcast. Sie sprach von „unerträglichen antisemitischen Äußerungen“ auf einigen Demonstrationen der vergangenen Tage.

Das Grundgesetz garantiert das Recht zur freien Meinungsäußerung und friedlichen Versammlung. Aber es lässt keinen Raum für Angriffe gegen Menschen anderen Glaubens, keinen Raum für Gewalt, Rassismus und Hetze“, sagte Merkel. Solche Taten müssten konsequent geahndet werden und für die Täterinnen und Täter spürbare Folgen haben.

Merkel hob zugleich hervor, sie sei froh, „dass sich so viele Menschen gegen solche Tendenzen stellen, dass sie sich klar für die Werte unseres Grundgesetzes und den Schutz der Menschenwürde einsetzen“.

Videopodcast ab 01:58

An den zunehmenden Antisemitismus an den Schulen dachte die Altbundeskanzlerin möglicherweise nicht, der aber hat in den wenigen Monaten danach ein Ausmaß angenommen, der sogar Lehrerinnen und Lehrer überrascht hat.

Am 13.10.2023 heißt es diesbezüglich in einem Artikel auf Welt.de wie folgt:

Welt.de: Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zum Thema Antisemitismus an Schulen: Die Lage wird regional immer angespannter. Das gilt besonders für solche Schulen, an denen viele Schüler mit Wurzeln im arabischen Raum unterrichtet werden.

Häufig herrsche hier ein gefestigtes antisemitisches Weltbild, das die Kinder und Jugendlichen zu Hause oder in den Schulen ihrer Heimatländer vermittelt bekommen hätten. Ein großes Problem seien zudem soziale Netzwerke. Dort wird Antisemitismus vielfach offen aus- und vorgelebt.

Link zum Artikel

18 Islamfeindliche Straftaten

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Es würde in einer offenen Gesellschaft, und das wollen Demokratien ja sein, mehr als ungewöhnlich sein, wenn nicht auch die Zahl islamfeindlicher Straftaten zunehmen würde. Richtig: Bereits heute liegen sie über dem Vorjahresniveau.

Nach vorliegenden Daten des Bundesinnenministeriums ist die Anzahl islamfeindlicher Straftaten in den ersten drei Quartalen auf 686 angestiegen und liegt damit bereits jetzt über der Gesamtzahl des Vorjahres. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf einer Anfrage aus der Linken-Bundestagsfraktion (die es schon heute nicht mehr gibt) hervor. Demnach kam es im dritten Quartal zu 271 islamfeindlichen Übergriffen. Im ersten Halbjahr wurden einschließlich Nachmeldungen 415 solcher Straftaten erfasst. Für 2022 wurden nach Zahlen des Bundeskriminalamts insgesamt 610 islamfeindliche Straftaten gemeldet.

Das eint die Muslime mit den Ängsten der Juden, obwohl zahlenmäßig auf jeden Juden in Deutschland fünfzig Muslime kommen.

19 Islamische Strömungen in Deutschland

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Nicht mehr zu übersehen ist, dass es radikalislamischen Gruppierungen in Deutschland gelungen ist, öffentlichkeitswirksam, gemeint ist eine Demonstration in Essen, ein Kalifat auf deutschem Boden einzufordern.

In einem Interview, das die Moderatorin von Kulturzeit mit Susanne Schröter, Professorin an der Uni Frankfurt und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums globaler Islam, führte, lässt sich wie folgt zusammenfassen.

Auf die Frage muss man das ernst nehmen, lautete die Antwort: Die Generation Islam hatte damit einen großen Aufmerksamkeitserfolg, vor allen Dingen in den Medien. Man nutzte diesen Auftritt, um Mitglieder zu werben. Das eint auch die beiden anderen Gruppierungen, die gleiche Ziele verfolgen.

Gemeint sind:

  • Muslim interaktiv – im Großraum Hamburg

  • Realität Islam - im Rhein-Mein-Gebiet

  • Generation Islam – in Berlin

Die drei Organisationen unterscheiden sich kaum voneinander. Auch verfügen alle Gruppierungen über professionelle und auch gut gebildete Frontmänner.
Ihre Botschaften lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Muslime haben andere Werte als der Rest der Bevölkerung

  • Verweigert euch den deutschen Werten

  • Deutschland ist eine Wertediktatur.

Die Botschaft heißt: Segregation, nur so kann die Umma des Islam in Deutschland überleben. Und diese Umma hat eine große Aufgabe, nämlich letztendlich ein Weltkalifat zu realisieren, das aber zuerst einmal voraussetzt, dass die Werte in den jeweiligen Nationalstaaten überwunden werden müssen. Wir müssen, um dieses Ziel zu erreichen, große Opfer bringen, so die Argumentation aus diesem Kreis. Das aber lässt irgendwann unsere Mission Wirklichkeit werden, nämlich die, dass die Welt islamisch wird.

Dafür nutzen diese Gruppierungen auch TikTok, Instagram und Co. und das mit großem Erfolg, insbesondere bei Gymnasten und Studenten.

Die Propaganda für dieses zunehmende Weltbild ist die Botschaft: Ihr seid die besten, mit euerer Hilfe werden wir das schaffen. Und auf euch wartet wirklich Großes.

Hier in Deutschland seid ihr unterdrückt, wie in anderen Ländern auch, aber wir werden das ändern.

Gemeinsam sind wir stark.

Vgl. Kulturzeit vom 8.11.2023: Interview mit Susanne Schröter, Professorin an der Uni Frankfurt und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums globaler Islam.

Abschließend noch einige Anmerkungen zu den drei oben genannten islamradikalen Gruppierungen:

Muslim Interaktiv: Die Gruppierung richtet sich vor allem an junge Leute. Eloquent und mit professionellen Videos inszeniert sie sich als Verteidigerin der Muslime. Dem Verfassungsschutz bereitet das Sorgen.

Realität Islam: Ein Video zur Notwendigkeit der Einrichtung von Gebetsräumen in Schulen, macht deutlich, dass diese Gruppe über eine hohe Medienkompetenz verfügt.

Link zum Video

Dieses Video hat eine Endlosschleife. Erst wenn Sie das Video stoppen, hört die Berieselung auf.

Generation Islam: Auf der Website dieser Gruppierung heißt es unter anderem:

Generation-Islam ist ein Team motivierter und entschlossener Muslime, das im deutschsprachigen Raum für das unveräußerliche Glaubensfundament und die Werte des Islam einsteht. Motiviert durch die aktuelle Lage, in der die Entfremdung zwischen Muslimen und Mehrheitsgesellschaft immer stärker zunimmt, haben sich hier aufgewachsene engagierte Muslime zusammengefunden, um durch Aufklärungsarbeit positive Akzente zu setzen und durch konstruktive Kritik gesellschaftliche Spannungen abzubauen. Basierend auf islamischen Normen strebt das Team einen offenen, schonungslosen aber sachlichen Diskurs an. Nur auf diese Weise können Lösungsansätze entwickelt werden, die sowohl der islamischen Identität, als auch der Mehrheitsgesellschaft gerecht werden.

Generation Islam

20 Innenminister NRW fordert Vereinsverbote

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NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte am 8. November 2023 ein Verbot von „Generation Islam“, „Realität Islam“ und „Muslim Interaktiv“.

Abzuwarten bliebt, ob dieser Forderung überhaupt entsprochen werden kann. Da die Gruppierungen nicht zur Gewalt aufrufen, keine Hassbotschaften verbreiten, nicht die Existenz Israels in Frage stellen, sondern auf legalem Wege und mit professioneller Medienkompetenz für die Verbreitung des Islam in Deutschland sorgen wollen, dürfte das kein leicht umzusetzenden Verlangen sein.

Ob diese Demokratie dazu überhaupt die Kraft hat, darf bezweifelt werden, zumindest so lange, wie diese Demokratie auch an dem „Werte ihrer eigenen Selbstaufgabe“ beharrlich festhält.

21 Schlusssätze

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Nur zur Erinnerung: Auf der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend heißt es auch heute immer noch, dass die am 12.5.2021 beschlossenen Eckpunkte eines neuen Gesetzes beschlossen wurden, dessen Ziel es sein soll, das Engagement für Demokratie dauerhaft zu stärken.

Zitat: Um die Demokratie zu schützen und demokratisches Engagement zu stärken, ist eine nachhaltige und verlässliche Förderung notwendig. Die Bundesregierung beschloss nun Eckpunkte für ein Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie.

Am 12. Mai hat das Bundeskabinett Eckpunkte für ein Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie beschlossen. Es soll den Staat in die Lage versetzen, die freiheitliche demokratische Grundordnung vor Angriffen von innen und außen zukünftig noch besser schützen zu können. Außerdem soll das Gesetz verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen für die Fördertätigkeit des Bundes in diesem Bereich schaffen. Die beschlossenen Eckpunkte sind ein zentraler Teil der Gesamtstrategie der Bundesregierung zur Bekämpfung von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus. Gleichzeitig setzt die Bundesregierung damit ein Vorhaben aus dem Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus um. Das Bundesfamilienministerium und das Bundesinnenministerium beabsichtigen, die Eckpunkte in einem Artikelgesetz zusammenhängend zu regeln. Zudem hat das Bundeskabinett am 12. Mai auch den Abschlussbericht des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen, der über die Umsetzung des Maßnahmenkataloges informiert.

Link zur Quelle

Seitdem sind mehr als 2 Jahre vergangen.

So viel zur Wehrhaftigkeit des Grundgesetzes, auf die diese Demokratie so stolz ist. Schöne Worte. Wehrhaftigkeit sieht aber anders aus.

Anlässlich des 85 Jahrestages zum Gedenken an die Reichspogromnacht, der in der Beth Zion in Berlin begangen wurde, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD):

Wir dulden Antisemitismus nicht. Nirgendwo“

Link zum Redebeitrag

Im Anschluss an so viel Feierlichkeit möchte ich Ihnen den Kommentar von Boris Reitschuster nicht vorenthalten.

Auf seiner Website heißt es am 9. November 2023 wie folgt:

Am 9. November ist es wieder so weit: Mit gesenkten grauen Häuptern werden Regierungsmit- und OhnegliederInnen traurig auf den Boden gucken und an die „Reichskristallnacht“ erinnern. Irgendwoher wird man auch noch einen KZ-Überlebenden zerren, der mit seinen über 90 Jahren schildern wird, wie er den 9.11.1938 erlebt hat, alle werden betroffen gucken und im Hintergrund spielt ein Streichquartett Brahms. Es wird eine schöne Gedenkfeier sein, alle Anwesenden werden wieder ihre Floskeln in die wohlgefälligen Kameras des öffentlichen Rundfunks hauchen, sie werden „wehret den Anfängen“ und „nie wieder“ sagen und die „besondere Verantwortung für Israel, gerade im Hinblick auf unsere Geschichte“ betonen.

Link zum Artikel

Schlusssatz:

Es bleibt die Hoffnung, dass Boris Reitschuster sich mit seiner Sicht der Dinge, gegebenen Versprechen auch weiterhin keine Taten folgen zu lassen, irrt.



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