Hitlergrüße und
Antisemitismus im Klassenzimmer
Inhaltsverzeichnis:
01
Einführung 02 Warum muss gerade mir das
passieren? 03 Reaktion des Schulleiters
04 Politische Straftaten 05
Paragraf 86a StGB 06 Verbotene Kennzeichen
07 Tatort Klassenzimmer
08
StA
Halle zum Hitlergruß im Klassenzimmer
09 Was bedeutet das für eine
Schulklasse? 10 Einstellung von Verfahren
durch die StA 11 Reaktion der Schule auf
Hitlergrüße/Antisemitismus 12 Ermessen
13 Pflichtgemäßes Ermessen 14
Ausmaß Rechtsextremismus an Schulen 15
Juden in Deutschland 16 Antisemitismus im
Lernort Schule 17 Judenhass von Muslimen
und Migranten 18 Islamfeindliche Straftaten
19 Islamische Strömungen in Deutschland 20
Innenminister NRW fordert Vereinsverbote 21
Schlusssätze
01
Einführung
TOP
Schulen sollten sowohl
Lern- als auch Schonräume sein, in denen junge Menschen die
Bildung erhalten, die erforderlich ist, um eine Demokratie
zukunftsfähig machen zu können. Diese Fähigkeit setzt jedoch
voraus, dass Schülerinnen und Schüler an solchen besonderen Orten mit dem
Menschenbild des Grundgesetzes nicht nur vertraut gemacht
werden, sondern dieses Menschenbild im Lernraum Schule auch
erfahren, denn das, was erfahren wird, lässt sich leichter
verinnerlichen als das, was sich in der Praxis lediglich als
eine blasse und nicht der Wirklichkeit entsprechende Theorie
darstellt.
Wie dem auch immer sei:
Das Menschenbild des Grundgesetzes, wurde bereits im Jahr 1954
von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wie
folgt beschrieben:
BVerfG 1954:
Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines
isolierten souveränen Individuums; das Grundgesetz hat vielmehr
die Spannung Individuum - Gemeinschaft im Sinne der
Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der
Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. Das
ergibt sich insbesondere aus einer Gesamtsicht [der Grundrechte,
die im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes aufgeführt sind].
Das heißt: Der Einzelne muss sich diejenigen Schranken seiner
Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur
Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen
des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht,
vorausgesetzt, dass dabei die Eigenständigkeit der Person
gewahrt bleibt.
BVerfG,
Urteil vom 20.07.1954 - 1
BvR
459
Um
dieses Menschenbild leben zu können,
bedarf es einer staatlichen Ordnung, die sicherstellt, dass die
Menschenrechte des Einzelnen durch diese staatliche Ordnung vor
Übergriffen des Staates geschützt werden. Das ist eine Aufgabe,
der sich auch Lehrerinnen und Lehrer – trotz ihres pädagogischen
Auftrags oder gerade deswegen – nicht entziehen dürfen, indem
sie einfach wegsehen oder denken, dass es sich sowieso nicht
lohnt, dort, wo es erforderlich ist, jungen Menschen Grenzen zu
setzen, denn das könnte für sie ja durchaus gefährlich sein,
zumal sich die Angriffe auf Lehrerinnen und Lehrer in einem
Besorgnis erregenden Umfang häufen und sogar mit einem Mord
enden können, nur weil zwei Teenager sich ungerecht benotet
fühlten.
Wie dem auch immer sei. Das von
den Richtern des Bundesverfassungsgerichts skizzierte
Menschenbild setzt, wenn es tatsächlich gelebt werden soll,
voraus, dass im Schonraum Schule Toleranz, Meinungsvielfalt und
vor allen Dingen auch Respekt vor der Persönlichkeit des jeweils
anderen nicht nur gelehrt, sondern auch erlebt wird. Das
wiederum schließt nicht aus, dass dort, wo Grenzen des
Erträglichen überschritten werden, Maßnahmen getroffen werden
müssen. Dazu später mehr.
Zuerst
einmal soll darauf hingewiesen werden, dass es wohl
wirklichkeitsfremd ist, davon auszugehen, dass jegliche Form von
Meinungen und Verhalten im Schonbereich Schule geäußert und ausgelebt werden
kann und darf. Das gilt sowohl für die Lehrenden als auch für
die vielen Schülerinnen und Schüler, die sich im Lernort Schule
täglich begegnen.
Warum?
Wer Demokratie will, der muss auch dazu bereit sein, Demokratie
nicht nur zu lehren, sondern auch dazu bereit sein, Demokratie
zu erlernen, woraus geschlossen werden kann, dass Lehrende und
Lernende aufeinander angewiesen sind, wenn sie dieses Ziel
erreichen sollen, denn erzwingen lässt sich diese Gemeinsamkeit nicht.
Anders ausgedrückt:
Wer nicht lernen will und nicht dazu bereit ist, demokratische
Regeln zu verinnerlichen, den wird auch die beste Lehrerin und
auch nicht der beste Lehre davon überzeugen können, dass es sich
lohnt, sich auf das Abenteuer Demokratie einzulassen.
Die Frage,
die sich deshalb im hier zu erörternden Sachzusammenhang nunmehr stellt,
lautet: Wie ist mit Schülerinnen und Schülern umzugehen, die
sich im Lernort Schule auf eine nicht mehr zu tolerierende Art
und Weise verhalten, indem sie dort Hitlergrüße zelebrieren,
antisemitische Parolen verbreiten, die israelitische Fahne
verbrennen, gegen Juden hetzen, Adolf Hitler als ein Vorbild
ansehen, oder gar Auschwitz als einen Ort der Befreiung
bezeichnen.
Darüber zu
theoretisieren ist eine Sache, zielführender dürfte es jedoch
sein, am Beispiel aufzuzeigen, was heute – man mag das
bedauern
– durchaus zum schulischen Alltag gehören kann.
02 Warum muss gerade mir das passieren?
TOP
Ein
fiktives Beispiel, das Lars, einem Mathematiklehrer, der als
Zweitfach
Geschichte unterrichtet, an einer Gesamtschule in Münster heute
erlebt hat. Dieses Beispiel könnte sich auch an einem anderen Lernort in
Deutschland ereignet haben. Aber hören wir uns an, was Lars in
der ersten Stunde erlebt:
Lars:
Als ich
heute Morgen die Tür zum Klassenzimmer aufmachte, stand Tom
neben seinem Arbeitstisch und schlug zackig die Hacken zusammen,
als ich die Tür gerade hinter mir geschlossen hatte. Dann
streckte er ruckartig den rechten Arm zum Hitlergruß aus und
sagte laut und deutlich: »Heil Hitler!«
Die
anderen lachten.
Ich war
sprachlos und verwirrt.
Wie
sollte ich mit dieser Situation umgehen?
Viel
Zeit zum Überlegen blieb mir nicht.
Gerade
so viel Zeit, um zum Pult zu gehen, dort meine Tasche abzulegen
um dann, spätestens dann, das wusste ich, musste mir etwas
eingefallen sein.
Ich
legte also meine Tasche auf das Pult und forderte Tom dann auf,
aufzustehen und nach vorne zu mir zu kommen. Und als er vor mir
stand, sagte ich:
Das, was
du dir gerade geleistet hast, das kann ich nicht akzeptieren.
Das geht gar nicht. Auf jeden Fall ist das kein Jungenstreich
mehr. Du bist 16 Jahre alt, also ein Jugendlicher, und du
solltest wissen, dass sowohl der Hitlergruß als auch das
Skandieren nationalsozialistischer Parolen, wozu auch „Heil
Hitler!“gehört, als eine Straftat anzusehen ist.
Und wie
diese Schule mit deinem Verhalten umgehen wird, darüber ist noch
längst nicht das letzte Wort gesprochen.
Setze
dich jetzt wieder hin und wage es nicht noch einmal, die Hacken
zusammenzuschlagen und den Film erneut ablaufen zu lassen, den
wir gerade alle gesehen haben. Unglaublich! Dein Verhalten ist
unmöglich.
Zur
Klasse gewandt sagte ich:
Und
jetzt, was machen wir jetzt? Nach Mathematik ist mir heute
wirklich nicht mehr zumute. Nach
solch einer erbärmlichen Show zur Tagesordnung überzugehen, das
geht nicht. Ihr
wisst ja, gravierende Störungen haben immer Vorrang. Und
solch eine Störung wie die, die wir gerade alle hier erlebt
haben, das ist schon ein starkes Stück.
Und dann
stellte ich folgende Fragen:
Wie hat
denn auf euch der Auftritt von Tom gewirkt? Fandet
ihr das etwa cool?
Es würde
zu weit führen, hier den ganzen Gesprächsverlauf der Stunde
wiederzugeben, denn zuerst war da nur beredtes Schweigen. Hin
und wieder ein Kichern. Die Klasse wusste ja auch nicht, wie sie
mit dieser Situation umgehen sollte.
Aber ein
Zurück in die Welt des Ungeschehenen gab es nicht. Da
mussten wir jetzt alle durch. Und
warum nicht den Verursacher dieser unmöglichen Situation in die
Pflicht nehmen?
Zu Tom
gewandt sagte ich:
Tom, wie
du siehst, hast du uns alle hier mehr oder weniger sprachlos
gemacht. Deshalb frage ich dich: Was weißt du über Adolf Hitler?
Und als
keine Antwort kam, wandte ich mich mit der gleichen Frage mit
etwas mehr Erfolg an die Klasse.
Immerhin
war bekannt, wer Adolf Hitler war, auch wenn sich das Wissen
über diesen Diktator in Grenzen hielt. Mir musste also etwas
einfallen, um Betroffenheit erzeugen zu können.
In dieser
Situation erinnerte ich mich an eine Redepassage des ehemaligen
Bundestagspräsidenten Philipp
Jenninger,
der am 10. November 1988 in seiner Rede zur Gedenkstunde im
Deutschen Bundestag im Hinblick auf den 50. Jahrestag der
Reichspogromnacht u.a. Folgendes gesagt hatte:
Philipp
Jenninger:
»Hören wir
dazu einen Augenzeugen, der deutschen Wirklichkeit des Jahres
1942:
„Die
von den Lastwagen abgestiegenen Menschen, Männer, Frauen und
Kinder jeden Alters, mussten sich auf Aufforderung eines
SS-Mannes, der in der Hand eine Reif- oder Hundepeitsche hielt,
ausziehen und ihre Kleider nach Schuhen, Ober- und Unterkleidern
getrennt an bestimmten Stellen ablegen ... Ohne Geschrei oder
Weinen zogen sich diese Menschen aus, standen in Familiengruppen
beisammen, küssten und verabschiedeten sich und warteten auf den
Wink eines anderen SS-Mannes, der an der Grube stand und
ebenfalls eine Peitsche in der Hand hielt. ...
Ich
beobachtete eine Familie von etwa acht Personen, einen Mann und
eine Frau, beide von ungefähr 50 Jahren, mit deren Kindern, so
ungefähr 1-, 8- und 10-jährig, sowie zwei erwachsene Töchter von
20 bis 24 Jahren. Eine alte Frau mit schneeweißem Haar hielt das
einjährige Kind auf dem Arm und sang ihm etwas vor und kitzelte
es. Das Kind quietschte vor Vergnügen. Das Ehepaar schaute mit
Tränen in den Augen zu. Der Vater hielt an der Hand einen Jungen
von etwa 10 Jahren, sprach leise auf ihn ein. Der Junge kämpfte
mit den Tränen. Der Vater zeigte mit dem Finger zum Himmel,
streichelte ihn über den Kopf und schien ihm etwas zu erklären.
Da rief schon der SS-Mann an der Grube seinem Kameraden etwas
zu. Dieser teilte ungefähr 20 Personen ab und wies sie an,
hinter den Erdhügel zu gehen ...
Ich ging
um den Erdhügel herum und stand vor einem riesigen Grab. Dicht
aneinandergepresst lagen die Menschen so aufeinander, dass nur
die Köpfe zu sehen waren. Von fast allen Köpfen rann Blut über
die Schultern. Ein Teil der Erschossenen bewegte sich noch.
Einige hoben ihre Arme und drehten den Kopf, um zu zeigen, dass
sie noch lebten. Die Grube war bereits dreiviertelvoll. Nach
meiner Schätzung lagen darin bereits ungefähr 1 000 Menschen.
Ich schaute mich nach dem Schützen um. Dieser, ein SS-Mann, saß
am Rand der Schmalseite der Grube auf dem Erdboden, ließ die
Beine in die Grube herabhängen, hatte auf seinen Knien eine
Maschinenpistole liegen und rauchte eine Zigarette. Die
vollständig nackten Menschen gingen an einer Treppe, die in die
Lehmwand der Grube gegraben war, hinab, rutschten über die Köpfe
der Liegenden hinweg bis zu der Stelle, die der SS-Mann anwies.
Sie legten sich vor die toten oder angeschossenen Menschen,
einige streichelten die noch Lebenden und sprachen leise auf sie
ein. Dann hörte ich eine Reihe Schüsse. Ich schaute in die Grube
und sah, wie die Körper zuckten oder Köpfe schon still auf den
vor ihnen liegenden Körpern lagen ...
Schon
kam die nächste Gruppe heran, stieg in die Grube hinab, reihte
sich an die vorherigen Opfer an und wurde erschossen.“
Auch wenn
Philipp
Jenniger
am Tag nach seiner Rede zurücktreten musste, weil man sich eine
Gedenkfeier im Bundestag anders vorgestellt hatte, (nicht so
ehrlich, nicht so verletzend, nicht so eindringlich), bleibt
dennoch festzustellen, dass die, in der Rede geschildert Szene
des alltäglich gewordenen Massenmordes im Nazideutschland sich
für den Rest der Stunde auf jeden Fall dazu eignete,
Betroffenheit zu erzeugen.
Auch
wenn ich andere Worte fand, aber ich glaube, dass ich die
richtigen Worte benutzte.
Zumindest an den Schluss erinnere ich mich noch gut. Ich
sagte:
Nicht nur
die SS, aber insbesondere die, waren auf ihren Führer Adolf
Hitler eingeschworen. Und ihr könnt sicher sein, dass diese
Männer keine Gelegenheit ausließen, die Hacken
zusammenzuknallen, die rechte Hand zum Hitlergruß hochzureißen
und „Heil Hitler!“
zu
brüllen, wenn sich dazu eine Gelegenheit bot.
Und
übrigens: Auch Münster, das ist die Stadt, in der ihr gerade zur
Schule geht, leistete einen entscheidenden Beitrag bei der
Deportation von Juden, Sinti und Roma in die Vernichtungslager
im Osten.
Heute
erinnert die „Villa ten Hompel“ an diese dunkle Zeit. Der
Schwerpunkt dieses geschichtsträchtigen Ortes dokumentiert nicht
nur die Arbeit der Ordnungspolizei in Münster, die für den
Abtransport von Juden in die Vernichtungslager in Polen und
anderswo im Osten zuständig war, sondern auch, in welch einem
erschreckenden Umfang von der Ortspolizei in Münster
Polizei-Bataillone (Divisionen, Einheiten etc.) rekrutiert und
eingesetzt wurden, deren einzige Aufgabe es war, Juden, Roma und
Sinti zu erschießen.
Und auf
die Frage eines Schülers, welchen Beitrag die Lehrer an den
Naziverbrechen geleistet hätten, viel mir spontan nur eine
Antwort ein:
Lehrer
legten damals größten Wert darauf, dass der Hitlergruß in den
Klassenräumen korrekt ausgeführt wurde.
Und
damit sich so etwas nie wiederholt, ist und bleibt Adolf Hitler
in unserem Rechtsstaat und somit auch an diesem Lernort eine
Unperson. Ein Mensch, der zwar zur deutschen Geschichte gehört,
den zu huldigen aber als eine Straftat anzusehen ist.
Und wer
heute die rechte Hand zum Hitlergruß erhebt oder „Heil
Hitler!“ruft, der begeht einen Tabubruch, der nicht folgenlos
bleiben kann und auch nicht folgenlos bleiben wird.
Was das
für Folgen für Tom haben wird, das werden wir hier nicht im
Klassenraum besprechen, sondern das werde ich zuerst einmal dem
Schulleiter dieser Schule vortragen, und dann sehen wir weiter.
Macht
jetzt Pause.
03 Reaktion des Schulleiters
TOP
Das
Gespräch mit der Schulleitung verlief wie erwartet.
Fassungslosigkeit über das von mir gemeldete Schülerverhalten.
Natürlich waren wir uns sofort darüber einig, dass ein
Hitlergruß in einer Schule, die der freiheitlich demokratischen
Grundordnung (fdGO)
verpflichtet ist, als ein gravierender Ordnungsverstoß anzusehen
ist.
Und nur für
diejenigen, die nicht mehr ganz so genau wissen, was unter der
Sprachfigur der „freiheitliche demokratischen Grundordnung“ (fdGO)
zu verstehen ist, hier die Definition des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1952 zu diesem
unbestimmten Rechtsbegriff, zu dem sich die Richter anlässlich
des
SRP-Verbots
äußerten.
BVerfG 1952:
Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21
Abs. 2 GG ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher
Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche
Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des
Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit
und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser
Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im
Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem
Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die
Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit
der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die
Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die
Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht
auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
BVerfG,
Urteil vom 23. Oktober 1952 -- 1
BvB
1/51
Aber,
fdGO
hin und
fdGO
her: Was in dem gerade geschilderten Fall zu tun ist, dazu
äußerten sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht.
Und was
liegt in solch einem Fall näher, als zuerst einmal nach
geeigneten Maßnahmen Ausschau zu halten, die in Bezug auf das
gerade geschilderte Ereignis als angemessen anzusehen sind.
Diesbezüglich schien es zumindest nach meiner Art zu denken,
zuerst einmal sinnvoll zu sein, in den Erlass zu schauen, der die
„Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der
Jugendkriminalität“ in NRW regelt, und in dem nachzulesen ist,
was Schulen - neben der Polizei und dem Jugendamt - zu
veranlassen haben. Solche Erlasse gibt es in allen
Bundesländern.
Erlass NRW
Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der
Jugendkriminalität
Dort
heißt es in der Ziffer 3.2.3 unter der Überschrift: „Was
Straftaten an der Schule oder im unmittelbaren Umfeld betrifft“
wie folgt:
Erlass NRW:
Besteht gegen Schülerinnen oder Schüler der Verdacht der
Begehung eines Verbrechens [was bei
einem Hitlergruß nicht der Fall ist], so hat die Schulleitung die
Strafverfolgungsbehörden zu benachrichtigen.
Soweit
sich der Verdacht einer sonstigen strafbaren Handlung (Vergehen)
ergibt, hat die Schulleitung zu prüfen, ob
pädagogische/schulpsychologische Unterstützung, erzieherische
Einwirkungen beziehungsweise Ordnungsmaßnahmen ausreichen oder
ob wegen der Schwere der Tat eine Benachrichtigung der Polizei
oder der Staatsanwaltschaft erforderlich ist.
Dies
ist regelmäßig der Fall bei:
-
Gefährlichen Körperverletzungen,
-
Einbruchsdiebstählen,
-
Verstößen gegen das Waffengesetz,
-
Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz,
-
gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr,
-
erheblichen Fällen von Bedrohung, Sachbeschädigung oder Nötigung
sowie
-
politisch motivierten Straftaten.
04 Politische Straftaten
TOP
Politische
Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen
werden, werden im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch
motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK)
erfasst.
Mit Stand
vom 21.04.2023 heißt es in dem Bericht des Bundesministeriums
des Innern und
für Heimat
zur „Politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2022“ wie folgt:
Mit einem
Anteil von 27,73 % an den Gesamtfallzahlen stellten
Propagandadelikte (Verbreiten von Propagandamitteln oder
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, §§
86, 86a StGB) im Jahr 2022 die am häufigsten registrierten
Delikte der
PMK
dar. Im Bereich
PMK-rechts
- machten sie mehr als die Hälfte aller Straftaten aus (60,15
%).
Über den
folgenden Link kann der Bericht aufgerufen werden:
Politisch motivierte Kriminalität
2022
Und dass
es sich bei dem Vorfall im Klassenraum um eine Straftat im Sinne
von § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen) gehandelt haben könnte, dafür spricht zumindest
die Vernunft eines jeden aufgeklärten und geschichtsbewussten
Staatsbürgers.
§ 86a StGB (Verwenden
von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)
Ob diese
Annahme zutrifft, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.
05 Paragraf 86a StGB
TOP
Der
Schutzzweck von § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen) besteht darin, den Staat vor
der Wiederbelebung verbotener Organisationen zu schützen. Dieses
Schutzziel ist bereits gegeben, wenn der bloße Anschein besteht,
dass tatbestandliches Handeln im Sinne des Straftatbestandes
gegeben sein könnte.
§ 86a StGB (Verwenden
von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)
Natürlich sind vom Tatbestand die Handlungen nicht erfasst, die
zu wissenschaftlichen Zwecken zusammengetragen werden. Das gilt
auch für Ausstellungen in Museen, in Lehrbüchern enthalten
Bilder oder im Film gezeigte verfassungswidrige Kennzeichen,
Gesten oder Symbole.
Wie dem auch immer sei:
Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben sich dazu wie
folgt positioniert:
BVerfG 2006:
§ 86a StGB soll sowohl die symbolhaft durch die Verwendung eines
Kennzeichens ausgedrückte Wiederbelebung bestimmter
Organisationen als auch die symbolhaft gekennzeichnete
Wiederbelebung der von solchen Organisationen verfolgten
Bestrebungen abwehren. Zu diesem Zweck wird die Verwendung der
Kennzeichen dieser Organisationen mit Strafe bedroht. Dabei
wehrt § 86a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt Gefahren ab,
die schon allein mit dem äußeren Erscheinungsbild eines
Kennzeichens verbunden sind. Dagegen kommt es nicht darauf an,
ob das Kennzeichen gerade mit dem Willen gebraucht wird, die von
ihm symbolisierte Organisation zu unterstützen (...). Auf diese
Weise verbannt die Norm derartige Kennzeichen grundsätzlich aus
dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik
Deutschland und errichtet so ein kommunikatives Tabu.
An
anderer Stelle heißt es:
Dem Ziel
des § 86a StGB, die Verwendung bestimmter Symbole in der
öffentlichen Auseinandersetzung auszuschließen, dient auch die
Regelung in dessen Absatz 2 Satz 2. Danach werden von dem
strafbewehrten Verbot auch andere Symbole erfasst, wenn und weil
sie wegen einer Verwechslungsgefahr auf diese Auseinandersetzung
in derselben Weise einzuwirken drohen wie die verbotenen
Symbole.
Wo eine solche Gefahr nicht besteht, weil das benutzte Symbol
nicht mit einem verbotenen Kennzeichen verwechselt werden kann,
greift der Normzweck des § 86a StGB dagegen nicht. In einem
solchen Fall kann eine Beschränkung der Meinungsfreiheit durch
diese Norm daher nicht begründet werden.
Beschluss
des BVerfG vom 01. Juni 2006 - 1
BvR
150/03
Hinweis:
Im hier zu erörternden Sachzusammenhang scheint die Rechtslage
hingegen klar zu sein, denn ein Schüler hat nicht nur den
Hitlergruß zelebriert, sondern auch eine verbotene Parole
skandiert „Sieg, Heil!“
06 Verbotene Kennzeichen
TOP
Auch
wenn es sich bei Gesten und Worten, gemeint sind der Hitlergruß
und die Parole „Heil Hitler!“, nicht um verbotene Kennzeichen im
materiellen Sinne handelt, sind solche Gesten und Worte dennoch
vom Tatbestand des § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen) erfasst:
Verbotene Formeln sind:
Heil
Hitler! - Grußparole der Nazis Gruß 88 -
die 8 im Alphabet
steht für ein H
=
Heil Hitler Sieg
heil! - Parteitags- und Massenparole der Nazis Mit
deutschem Gruß - briefliche Grußform der Nazis Meine
(unsere) Ehre heißt Treue - Losung der SS, der „Schutzstaffel“
der Nazis Blut und
Ehre - Losung der Hitlerjugend Ein
Volk, ein Reich, ein Führer Rotfront
verrecke Deutschland erwache.
Verbotene Gesten:
Hitlergruß - ausgestreckter rechter Arm Kühnen-
bzw. Widerstandsgruß - wie Hitlergruß, nur mit abgespreiztem
Daumen, Zeige- und Mittelfinger; benannt nach einem
Neonazi-Führer.
Verbotene Lieder:
Horst-Wessel-Lied Afrika-Lied der verbotenen Neonazi-Band Landser Im Text heißt
es: „Afrika für Affen, Europa für Weiße. Steckt die Affen in ein
Klo und spült sie weg wie Scheiße.“ u.a.
Das
Singen des so genannten „U-Bahn-Songs“ erfüllt hingegen nicht
den Tatbestand des § 86a StGB, wohl aber den des § 130 StGB
(Volksverhetzung):
Eine
U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis
nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir!
Oftmals
gesungenes Lied von Ultrafans im Ligafußball.
Zurück
zu den Tathandlungen im Klassenzimmer.
07 Tatort Klassenzimmer
TOP
Tatbestandliches Handeln im Sinne von § 86a StGB (Verwenden von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) setzt u.a.
voraus, dass im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr.
1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet
oder öffentlich, in einer Versammlung oder in Schriften (§ 11 Abs. 3) verbreitet werden.
Die
anderen, in der Norm mit Strafe bedrohten Tathandlungen, kommen
beim Hitlergruß im Klassenzimmer nicht in Betracht und brauchen
deshalb hier nicht erörtert zu werden. Die Erörterungen in
diesem Aufsatz greifen im Übrigen auch für andere Formen der
Verwendung verbotenen Kennzeichen und Symbole im Klassenzimmer,
wie zum Beispiel Hakenkreuze auf Etuis, SS-Runen auf
Schultaschen und anderen Gebrauchsgegenständen.
Wie dem
auch immer sei. Die Frage, auf die es eine Antwort zu finden
gibt lautet: Handelt es sich bei einem Klassenzimmer um einen
„öffentlichen“ Raum im Sinne des § 86a StGB (Verwenden von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)?
08 StA
Halle zum Hitlergruß im Klassenzimmer
TOP
In einem
Artikel auf
SpiegelOnline
vom 21.03.2019 heißt es dazu wie folgt:
SpiegelOnline:
Kein öffentlicher Raum: Ermittlungen nach Hitlergruß im
Klassenzimmer eingestellt.
Der
Hitlergruß ist nur in der Öffentlichkeit strafbar.
Mit
dieser Begründung hat die Staatsanwaltschaft Halle an der Saale
Ermittlungen gegen einen Schüler eingestellt - und damit
Befremden in der Politik ausgelöst.
An
anderer Stelle heißt es:
Es ist
nicht strafbar, im Klassenraum den Hitlergruß zu zeigen und zu
skandieren. Diese Auffassung vertritt die Staatsanwaltschaft
Halle an der Saale. Die Behörde stellte ein entsprechendes
Ermittlungsverfahren ein und stieß damit bei der betroffenen
Schule und dem Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt auf
Unverständnis.
Der
Grund der Einstellung:
Die
Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen sei laut Gesetz
nur in der Öffentlichkeit verboten. Öffentlich bedeute, dass
„ein nicht mehr überschaubarer Personenkreis dies zur Kenntnis
nehmen kann“, hieß es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft
Halle, das über Twitter verbreitet wurde. Das sei bei Äußerungen
im Klassenraum selbst bei geöffneter Tür normalerweise nicht der
Fall.
Festzustellen ist, dass es sich bei dieser Rechtsauffassung
nicht um eine gerichtlich bestätigte Rechtsauffassung handelt,
denn bisher wurde der Hitlergruß eines Schülers im Klassenzimmer
noch nicht vor Gericht verhandelt. In Bezug auf § 86a StGB
(Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)
gibt es jedoch eine Fülle gerichtlicher Entscheidungen, von
denen hier nur aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes
(BGH) aus dem Jahr 2015 zitiert werden soll.
BGH 2015:
Für das öffentliche Verwenden von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr.
1 StGB kommt es nicht entscheidend auf die Öffentlichkeit des
gewählten Ortes an, sondern darauf, ob die Art der Verwendung
die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche
Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis begründet.
BGH, Urteil
vom 09. Juli 2015 - BGH 3
StR
33/15
Ob dazu
auch Klassenräume gehören, dazu haben sich die Richter des BGH
nicht geäußert, wohl aber Kommentatoren:
Schönke/Schröder
zu § 86a StGB:
Öffentlich: „Die Verwendung des Kennzeichens muss öffentlich, in
einer Versammlung oder in vom Täter verbreiteten Schriften
erfolgen. Entscheidend für öffentliches Verwenden ist die
Wahrnehmbarkeit, nicht die tatsächliche Wahrnehmung durch einen
größeren Personenkreis. [...]. Eine Versammlung soll [...] nur
eine Zusammenkunft mehrerer zur Erörterung öffentlicher
Angelegenheiten oder zu einer gemeinsamen Kundgebung sein. Ein
solcher Versammlungsbegriff ist jedoch zu eng. Die Veranstaltung
muss der Meinungsbildung dienen.
Und unter
Bezugnahme auf Fischer § 80a Rn. 4 heißt es, dass auch
geschlossene Veranstaltungen öffentlich sein können und auch
dann, wenn anlässlich von Vereinsveranstaltungen lediglich
vereinsinterne Angelegenheiten erörtert werden. Wörtlich heißt
es bei
Schönke/Schröder
weiter:
Ob etwa
in einer Vereinsversammlung öffentliche oder vereinsinterne
Angelegenheiten erörtert werden, begründet für die
propagandistisch wirksame Verwendung der genannten Kennzeichen
und damit für die potenzielle Gefährlichkeit der Verwendung
keinen erheblichen Unterschied.
Im
Nemos-Kommentar zu § 86a StGB heißt es im Hinblick auf das
Ansprechen einer Personenvielheit wie folgt:
Nemos:
Das Verwenden muss öffentlich, in einer Versammlung [....]
erfolgen.
Damit ist eine unbestimmte Personen-Vielheit anzusprechen, was
Sachverhalte ausblendet, in denen einem Dritten im privaten
Kreis derartige Objekte gezeigt werden.
Öffentlichkeit des jeweiligen Ortes ist hingegen weder
erforderlich noch für sich genommen ausreichend. Keine
Öffentlichkeit besteht beim Gebrauch [gemeint sind die
verbotenen Kennzeichen] gegenüber einem einzelnen oder wenigen
Polizeibeamten.
Wie dem
auch immer sei. Der Meinungsvielfalt sind auch hier keine
Grenzen gesetzt, denn nach herrschender Meinung ist der
Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Täter mit der Verwendung
des Kennzeichens nur Aufmerksamkeit erregen und provozieren will
und keine weiteren politisch werbenden Absichten verfolgt.
Eine
Versammlung soll nach h.M. schon dann vorliegen, wenn mehr als
drei Personen zu einem gemeinsamen Zweck nicht nur zufällig
zeitweilig beisammen sind. Allerdings sollte man eine
Zusammenkunft im engsten Familienkreis nicht genügen lassen.
Im
Leipziger Kommentar heißt es zum Tatbestandsmerkmal der
Öffentlichkeit des Ortes im Sinne von § 86a StGB wie folgt:
Leipziger Kommentar:
Nicht die Öffentlichkeit des Ortes, an dem das Kennzeichen
verwendet wird, sondern die Möglichkeit der Wahrnehmung durch
einen größeren, nicht beschränkten Personenkreis ist
ausschlaggebend.
Und in
Bezug auf das Tatbestandsmerkmal Versammlung heißt es:
Eine
Versammlung ist als nicht nur zufälliges, zeitweiliges
Beisammensein von mehr als drei Personen zu einem gemeinsamen
Zweck zu verstehen. Entsprechend dem Schutzzweck muss im
Hinblick auf die gleichwohl gegebene abstrakte Gefährlichkeit
grundsätzlich ein irgendwie gearteter gemeinsamer Zweck
ausreichen.
09 Was bedeutet das für eine Schulklasse?
TOP
In
Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung und in
Anlehnung an die oben zitierten Aussagen, die aus Kommentaren
zum Strafgesetzbuch stammen, kommt es für das öffentliche
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im
Sinne von § 86a StGB nicht entscheidend auf die Öffentlichkeit
des gewählten Ortes an, sondern darauf, ob die Art der
Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen die Wahrnehmbarkeit
für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht
zusammenhängenden Personenkreis begründet.
Mit anderen Worten:
Schulen,
Behörden und auch Gerichtssäle kommen als Tatorte durchaus in
Betracht. Das gilt auch für Vereinssitzungen, Klassentreffen und
andere Veranstaltungen in Räumen, die von anderen Personen zur
Zeit der Tat nicht genutzt werden können.
Fraglich
ist dennoch, inwieweit eine Klassengemeinschaft als eine
Gemeinschaft angesehen werden kann, die „maßgeblich durch
persönliche Beziehungen“ gekennzeichnet ist.
Festzustellen ist, dass eine Klassengemeinschaft mit einer
Familie oder mit dem Treffen guter Freunde in einem
abgeschlossenen Privatraum nicht zu vergleichen ist. Vielmehr
kann davon ausgegangen werden, dass Klassengemeinschaften
sozusagen als besondere „Ausformungen der Schulpflicht“
verstanden werden müssen, in die Schülerinnen und Schüler sich
einzufügen haben, weil sie sich diesen „Gemeinschaften“ nicht
entziehen können, denn wenn sie das tun würden, würde die Schule
ihr Erscheinen letztendlich erzwingen.
Wie dem auch immer sei:
Es ist zwar möglich, dass in Klassengemeinschaften
Freundschaften gepflegt werden, Rivalitäten und die
Bereitschaft, andere zu mobben, dürften dort aber gleichermaßen
verbreitet sein, möglicherweise sogar im größeren Ausmaß.
Auch
wenn die Schülerinnen und Schüler einer Klasse sich mit ihren
Vornahmen anreden, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch
wissen, wo ihre Mitschüler wohnen, wie sie leben und inwieweit
man ihnen wirklich vertrauen kann.
Kurzum:
Von echten persönlichen Beziehungen solcher
Klassengemeinschaften kann wohl kaum ausgegangen werden. Bei
einer Schulklasse handelt es sich, zumindest nach der hier
vertretenen Auffassung, somit sowohl um einen Raum, in
dem tatbestandlich im Sinne von § 86a StGB (Verwenden von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) gehandelt werden
kann, als auch um einen „Versammlungsraum einer Gemeinschaft von
Schülern und Lehrern“, die nicht zwangsläufig durch besondere
persönliche Beziehungen miteinander verbunden ist.
10 Einstellung von
Verfahren durch die
StA
TOP
Die
Strafprozessordnung sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft dazu
berechtigt ist, eingeleitete Strafverfahren einzustellen.
Bei einem
Jugendlichen, der einen Hitlergruß zelebrierte und in einem
Klassenraum „Heil Hitler!“
skandierte,
hat die
StA Halle
an der Saale, wie oben bereits mitgeteilt, das angängige
Strafverfahren eingestellt. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn
bei jugendlichen Ersttätern ist das ein übliches, der Regel
entsprechendes Verfahren (Diversionsverfahren).
Ein
solches Verfahren setzt aber voraus, dass ein tatbestandlich und
rechtswidrig handelnder Jugendlicher dennoch die Erfahrung
machen sollte/muss, wie sich ein Strafverfahren anfühlt, auch
wenn an dessen Ende die Einstellung steht.
Dazu
gleich mehr.
Der
StA
stehen im Übrigen mehrere Möglichkeiten zu, ein Strafverfahren
einzustellen.
-
Einstellung wegen Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts (§ 170
Abs. 2 StPO)
-
Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO)
-
Einstellung gegen Weisungen oder Auflagen (§ 153a StPO)
-
Einstellungsmöglichkeiten im Jugendstrafrecht (§ 45 JGG).
Es würde zu
weit führen an dieser Stelle die Einstellungsmöglichkeiten zu
erörtern, die sich allein aus dem Jugendstrafrecht ergeben,
siehe insbesondere § 45
JGG
(Absehen von der Verfolgung).
§ 45
JGG
(Absehen von der Verfolgung)
Tatbestandliche Handlungen im Sinne von § 86a StGB (Verwenden
von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sind dennoch
auch für Kinder und Jugendliche mit einem Tabu belegt. Und wenn
insbesondere Jugendliche solch ein Tabu brechen, sollte, nein
muss der Jugendliche die Erfahrung machen, dass und vor allen
Dingen wie der Staat und seine Organe auf diesen Tabubruch
reagieren.
Trotzdem:
Nicht auf die Bestrafung kommt es bei Jugendlichen an, sondern
auf die Erfahrung, dass gegen sie ermittelt wird. Dass darüber
die Schulleitung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden
hat, ändert an dieser Feststellung eigentlich nichts. Davon
Gebrauch zu machen, könnte aber das pädagogische
Werteverständnis eines Schulleiters durchaus überfordern.
11 Reaktion der Schule auf
Hitlergrüße/Antisemitismus
TOP
Das, was
bisher erörtert wurde, sollte bekannt sein, bevor anlassbezogen
nach angemessenen Maßnahmen gesucht wird, um tatbestandliches
und rechtswidriges Verhalten von Schülerinnen und Schülern im
Klassenzimmer und anderswo im Schulbereich gemäß § 86a StGB
(Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen)
aufarbeiten zu können.
Als
angemessene Maßnahmen kommen in Betracht:
-
Anzeige
des festgestellten Fehlverhaltens bei der Polizei
-
Unabhängig
davon ist auch die Einleitung eines Ordnungsverfahrens auf der
Grundlage von § 2
SchulG
NRW (Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule)
iVm
§ 53
SchulG
NRW (Erzieherische Einwirkungen, Ordnungsmaßnahmen) einzuleiten.
Beide
Wege können, nein sollten unabhängig voneinander gleichzeitig
begangen werden.
Wird auf
eine Strafanzeige verzichtet, sind auf jeden Fall
Ordnungsmaßnahmen einzuleiten. Wie zu
verfahren ist, kann aber nur in genauer Kenntnis des Einzelfalls
bestimmt werden. Dabei wird das bisherige Verhalten des
Jugendlichen, der den Hitlergruß zelebriert hat, mit in die zu
treffende Entscheidung einfließen müssen. In jedem
Fall aber handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die
nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ist.
12 Ermessen
TOP
Der § 40
VwVfG NRW (Ermessen) regelt die Ausübung von Ermessen in den
Fällen, in denen einer Behörde in den maßgeblichen
Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätzen für eine von ihr zu
treffende Entscheidung ein Ermessensspielraum eingeräumt ist.
Auch schon
vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW konnte
eingeräumtes Ermessen niemals frei sein, sondern sich immer nur
um pflichtgemäßes Ermessen handeln, siehe Kopp/Ramsauer § 40
VwVfG
Rn.
1.
Ermessen
setzt voraus, dass einer Behörde in der von ihr anzuwendenden
Rechtsnorm Ermessen eingeräumt wird, also eine
Eingriffsermächtigung gegeben sein muss, die durch die Worte
wie: »kann«, »darf« oder »soll« Ermessen gewährt. Gleiches gilt
auch für die Sprachfigur »ist befugt«.
Im
Zweifelsfall ist von einer Ermessenseinräumung auszugehen.
Ist
einer Behörde Ermessen eingeräumt, dann ergibt sich daraus
sozusagen im Gegenzug für Betroffene behördlicher Maßnahmen das
Recht, dass die Behörde ihr eingeräumtes Ermessen
ermessensfehlerfrei auszuüben hat.
Auch
Schulen sind Behörden in diesem Sinne, denn der Behördenbegriff
wird im deutschen Recht nicht einheitlich verwendet.
Die
Eröffnung eines Ermessensspielraums bedeutet, dass sich die
Schule, wenn ihr Ermessen eingeräumt ist, zwischen verschiedenen
Verhaltensweisen sachgerecht entscheiden muss.
Diese
Wahl findet gedanklich auf zwei Ebenen statt.
Die
Schule kann einmal darüber befinden, ob sie überhaupt
einschreiten will. Hat sie sich zum Einschreiten entschlossen,
so stellt sich die Frage, welche Maßnahmen und Mittel zu
ergreifen sind und gegen wen sie sich richten sollen.
In
Anlehnung an den
Wencker
Beschluss des BVerfG aus dem Jahre 1965 bedeutet das:
BVerfG 1965:
Der Ermessensspielraum kommt vor allem darin „zum Ausdruck, dass
- trotz genauer Umschreibung der Voraussetzungen für die jeweils
zu treffende oder getroffene Maßnahme, diese niemals
obligatorisch ist, sondern stets im pflichtmäßigen Ermessen des
anordnenden
Amtswalters
steht; das folgt zum Beispiel aus dem Wort „darf“.
BVerfG,
Beschluss vom 15.12.1965 - 1 BvR 513/65.
Die zwei
Ebenen des Ermessens sind:
-
Entschließungsermessen
-
Auswahlermessen.
Beim
Entschließungsermessen hat die Schule zu prüfen, ob sie tätig
werden muss, oder aber auch untätig bleiben kann.
Auswahlermessen ist dadurch gekennzeichnet, dass einem
einschreitenden
Amtswalter
(auch Lehrerinnen und Lehrer sind aus verwaltungsrechtlicher
Sicht
Amtswalter)
mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, eine Situation
klären zu können.
Stehen dem
Amtswalter
mehrere denkbare Maßnahmen zur Verfügung, hat er diejenige zu
wählen, die den Betroffenen am geringsten belastet.
Auswahlermessen gibt
Amtswaltern
(Lehrerinnen, Lehrern und natürlich auch der Schulleitung) die
Möglichkeit, Maßnahmen näher auszugestalten. Der Schule ist es
aber nicht erlaubt, in ihre Ermessensbeurteilung sachfremde
Erwägungen rechtlicher oder tatsächlicher Art einfließen zu
lassen. Sie darf insbesondere nicht von unzutreffenden, in
Wahrheit nicht entsprechenden Voraussetzungen ausgehen.
13 Pflichtgemäßes Ermessen
TOP
Diese
Sprachfigur bedeutet, dass die Maßnahmen von
Amtswaltern
ausschließlich nach sachlichen und am Zweck der Ermächtigung
ausgerichteten Zielen zu treffen sind.
Dabei
ist stets eine Lösung zu suchen, die sich an den Werten zu
orientieren hat, die von der Verfassung vorgegeben werden. Die
Besonderheiten des Einzelfalls sind stets zu prüfen.
Bei
Ermessensentscheidungen kommt es somit immer darauf an, dass die
Entscheidungsfindung sich unbeeinflusst von Fehlern vollzieht.
Grund
dafür ist, dass sich allein am Entscheidungsergebnis die
Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Maßnahme regelmäßig
nicht feststellen lässt.
Anzeigen von Straftaten im Schulbereich:
Fraglich ist, ob es sich bei der Entscheidung, eine Straftat
anzuzeigen, die im Schulbereich begangen wurde, überhaupt um
eine Ermessensentscheidung handelt.
Festzustellen ist, dass
eine
Anzeigepflicht
nur in den Fällen gesetzlich verpflichtend ist, wenn es sich um
Straftaten handelt, die im § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter
Straftaten) genannt sind. Solch eine Unrechtsqualität hat weder
ein „Hitlergruß im Klassenzimmer“ noch eine antisemitische
Diskriminierung. Auch das Verbrennen einer Israelfahne ist kein
Verbrechen, sondern ein Vergehen.
Insoweit
besteht keine gesetzliche Verpflichtung, den Hitlergruß oder
„antisemitische Diskriminierungen“, rassistische Äußerungen oder
Aufforderungen zum Hass, anzuzeigen.
Festzustellen ist somit, dass es sich bei der Entscheidung um
eine Ermessensentscheidung handelt.
Mit
anderen Worten:
Durch
Erlasse wird das Ermessen von Amtswaltern (Lehrerinnen und
Lehrer, Schulleitung etc.) näher bestimmt. Obwohl es sich bei
Erlassen nicht um Rechtsnormen mit Außenwirkung, sondern nur um
innerdienstliche Weisungen handelt, sind
Amtswalter
aus Gründen der Gleichbehandlung an bestehende Erlassregelungen
gebunden.
Erlasse
steuern somit das Ermessen. Sie sind in der Regel verpflichtend.
Im Fall
des „Hitlergrußes im Klassenzimmer“ ist somit nach
pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob Anzeige erstattet
wird oder nicht.
Wird
Anzeige erstattet, dann liegt die Benachrichtigung der Eltern
vom festgestellten Fehlverhalten des Schülers nicht mehr im
Aufgabenbereich der Schule, sondern ist dann Aufgabe der
Polizei.
Wird
Anzeige erstattet, dann wird das im Klassenzimmer festgestellte
Fehlverhalten, um das es im hier zu erörternden Beispiel geht,
und das von einem 16-Jährigen begangen wurde, der unter das
Jugendstrafrecht fällt, zum Gegenstand strafprozessualer
Ermittlungen.
Auch bei
Kindern und erst recht bei Heranwachsenden würde die Polizei
tätig werden, wenn diese im Klassenzimmer den Hitlergruß
zelebrieren würden. Bei Kindern würde zwar kein Strafverfahren
eingeleitet, weil dies das Gesetz nicht erlaubt, wohl aber
ermittelt, wie zum Beispiel ein 12-Jähriger dazu kommt, solch
einen Tabubruch zu begehen. Bei tatbestandlich handelnden
Kindern wäre es aber auch durchaus denkbar, auf die Erstattung
einer Anzeige zu verzichten und den unliebsamen Vorgang
schulintern zu regeln.
14 Ausmaß Rechtsextremismus
an Schulen
TOP
Tagesschau.de
vom 28.06.2023:
Ende April 2023 haben Lehrer aus Burg in Brandenburg mit einem
Brandbrief auf rechtsextreme Vorkommnisse im Umfeld ihrer Schule
aufmerksam gemacht. Sie berichteten etwa von Schülern, die den
Arm zum Hitlergruß heben, von rassistischen Sprüchen sowie von
Hakenkreuzen auf Autos. Nun gibt es erste Zahlen, die zeigen:
Derartige Vorfälle an Schulen sind offenbar ein bundesweites
Problem.
Im Zeitraum
2018 bis 2021 haben sich nach Informationen des
ARD-Politikmagazins Kontraste ein Drittel der rechten
Straftaten, bei denen minderjährige Tatverdächtige ermittelt
wurden, im Umfeld von Schulen ereignet. Das ergab eine
Sonderauswertung der beim Bundeskriminalamt (BKA) geführten
Statistik
Politisch
motivierte Kriminalität (PMK),
wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der
Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole
Gohlke
mitteilte.
Es sei
in dem betrachteten Zeitraum zu fremdenfeindlichen,
rassistischen oder antisemitischen Äußerungen oder Beleidigungen
und teils tätlichen Angriffen gekommen. Als häufigste Delikte
werden in der Antwort das Zeigen des Hitlergrußes sowie das
Ausrufen von Parolen wie „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ genannt.
Weiter habe es vor allem Schmierereien, Kritzeleien oder
Einritzungen von einschlägigen Symbolen und Parolen gegeben.
Außerdem seien besonders oft Abbilder und Nachrichten über
Messenger-Dienste versendet worden. Konkrete Zahlen nennt die
Bundesregierung in ihrer Antwort nicht.
15 Juden in Deutschland
TOP
Sowohl
die Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch der
amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz, haben die Verpflichtung
hinsichtlich des Schutzes jüdischen Lebens in Deutschland als
auch die Gewährleistung des Existenzrechtes des Staates Israel
zur Staatsräson erklärt.
Michael
Wolffsohn:
Nach der Katastrophe lastete auf Deutschland ein
herem,
ein Bann. Niemand hatte ihn verhängt, und doch war er
allgegenwärtig, obwohl es im (religiösen) Judentum keinen
ortsbezogenen Bann gibt.
An
anderer Stelle heißt es:
Reingebeten wurden Juden nach 1945/49 weder von der alten
Bundesrepublik noch von der DDR. Trotz des Bannes kamen trotzdem
Juden: Überlebende der deutschen Hölle in Osteuropa. Nur wenige
blieben. Die meisten zogen nach Israel – nachdem die britische
Mandats-, faktisch: Kolonialmacht abgezogen war. Es gab auch
Rückkehrer. Wenige. Sie kamen nicht los von Deutschland. Trotz
allem, nach allem. Kaum wahrnehmbar, etwa 28.000, das war bis
1989 die Zahl der jüdischen Rückkehrer und Zuwanderer nach
Westdeutschland. Als die Mauer fiel, lebten in der DDR knapp 500
Juden.
Ab 1990,
in der Ära der Wiedervereinigung, als „Angst vor Deutschland“
grassierte, brauchte die neue Bundesrepublik Imagepflege.
Kanzler Kohl schnappte Israel rund 200.000 Juden weg, die aus
der Sowjetunion eigentlich in den jüdischen Staat sollten. Ohne
sie wäre das 1990 nur noch winzige Judentum in Deutschland
ausgestorben. [...]. Unglaublich, aber wahr: Trotz allem und
nach allem leben heute in Deutschland wieder etwa 200 000 Juden.
An
anderer Stelle:
Erstens hatte Kanzler Kohl
verkündet: Wenn Juden nach Deutschland kommen wollen, könne und
werde Deutschland keinen Juden vor die Tür setzen. Zweitens
hatte der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in
Deutschland, Heinz
Galinski,
dem Bundeskanzler mehr als nur den Rücken gestärkt. Er hatte
sich mit der israelischen Regierung angelegt. Weitsichtig hatte
er angesichts der demografischen Situation der seinerzeit 28.000
Juden in Deutschland erkannt, dass diese Minigemeinschaft, weil
überaltert, ohne Zuzügler in absehbarer Zeit aussterben würde.
Israel wollte mehr Juden nach Israel,
Galinski
wollte mehr Juden nach Deutschland. Er gewann. Jüdische
„Kontingentflüchtlinge“ aus der ehemaligen Sowjetunion durften
seit 1991 nach Deutschland.
Michael
Wolffsohn.
Eine andere jüdische Weltgeschichte, Herder 2022, Seite 64 und
Seite 225
Die
Zweifel an den gesunden Menschenverstand der in Deutschland
lebenden Juden, lässt sich wohl auch dadurch erklären, dass
Aktenfunde belegen, dass sich der Kanzler und sein Umfeld,
gemeint ist der 2017 verstorbene ehemalige Bundeskanzler Helmut
Kohl, in den achtziger Jahren negativ über Juden äußerte. Wegen
der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen fürchtete Kohl nämlich um
den guten Ruf Deutschlands.
Irgendwann kam dann aber doch das Einsehen im Kanzleramt.
Anders lässt sich auch wohl
die Zusage von Helmut Kohl nicht verstehen, 1990 etwa 200.000
Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland aufzunehmen,
obwohl diese Zusage auf Kritik im Auswärtigen Amt stieß. Dort
hieß es: Es kommen zu viele und oft auch die Falschen. Doch
Zuzugsbeschränkungen scheut der Kanzler, denn die würden ihn in
Konflikt mit der Organisation der Juden in Deutschland bringen.
SpiegelPolitik
vom 26.05.1996:
1990 schloss Kanzler Helmut Kohl mit dem damaligen
Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz
Galinski,
einen humanitären Pakt über die Aufnahme jüdischer Emigranten.
Deutschland erklärte sich bereit, Juden aus der untergehenden
UdSSR die Übersiedlung in die frisch vereinigte Bundesrepublik
zu erlauben. So sollte den Opfern von Diskriminierungen im
Kreml-Reich geholfen werden.
Spiegel vom 26.05.1996
16 Antisemitismus im Lernort Schule
TOP
Angesichts des zunehmenden
Antisemitismus im Hier und im Jetzt, prüft die Ministerin für Schule und Bildung des
Landes Nordrhein-Westfalen, Dorothee
Feller
(CDU), zurzeit weitere Maßnahmen zum Ausbau der
Demokratiekompetenz und der Wertevermittlung an den Schulen in
Nordrhein-Westfalen, um dort antisemitischen Tendenzen
entschieden entgegentreten zu können. Richtig ist, dass
Antisemitismus, dort wo er erkannt wird, am besten sofort und an
Ort und Stelle zu thematisieren ist, egal ob im Unterricht, auf
dem Schulhof oder in der Sporthalle.
Aber das
ist nichts Neues.
Bereits
im April 2023 hieß es auf der Website des Schul- und
Bildungsministeriums wie folgt:
Nordrhein-Westfalen wird weiter vehement gegen Antisemitismus
vorgehen.
Ob es ausreicht, dieses Ziel
durch Fortbildung in den Griff zu bekommen, setzt eine
Glaubensfähigkeit voraus, die zu teilen schwer fällt. Das
schließt aber nicht aus, sondern führt sozusagen zwanghaft zu
dem Reflex, mehr Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer und zusätzliche Beratungsstellen zum
Umgang mit Antisemitismus an Schulen einzufordern.
Da solche Forderungen aber kaum schnell umgesetzt werden können,
wurde sozusagen
als eine Vorbereitung auf zu erwartende antisemitische
Vorfälle an den Schulen in NRW vom Schulamt Düsseldorf
eine Broschüre herausgegeben, die Schulleiterinnen und
Schulleitern und natürlich auch Lehrerinnen und Lehrern die
Möglichkeit geben soll, besser auf solche Vorfälle reagieren zu
können.
Die Broschüre ist zwar, so wie ich sie gelesen habe,
korrekt gegendert, ob sie aber auch von praktischem
Gebrauchswert sein wird, möchte ich bezweifeln, denn ihr fehlt
es am Konkreten. Sie sieht schön aus, ist bunt und wird dennoch
nichts ändern. Aber überzeugen Sie sich selbst. Sie können die
Broschüre über den folgenden Link aufrufen.
Was tun bei Antisemitismus an Schulen?
17 Judenhass von Muslimen und Migranten
TOP
Hat die
deutsche Politik diesen Antisemitismus, den zu leugnen eine
besorgniserregende Sehschwäche auf beiden Augen voraussetzt,
nicht sehen wollen oder sogar jahrelang unterschätzt? Unbestreitbar
ist, dass HamasTerroristen am 7. Oktober 2023 einen Krieg in
Nahost begonnen haben, der sich gegen Israel und dessen
Existenzrecht richtet und der als Folge davon auch in
Deutschland angekommen ist, denn auch dort werden die
Unterstützer mobilisiert, indem der sich selbst verteidigende
Staat Israel sozusagen zum Täter stilisiert werden soll, denn
die eigentlichen Opfer seinen die Palästinenser, deren Genozid
Israel sozusagen billigend in Kauf nehme.
Wie dem auch immer
sei. Tatsache ist, dass Judenfeindlichkeit an Schulen heute
bereits eine andere Dimension hat, als das noch vor Monaten der
Fall gewesen ist, obwohl es bereits vor dem Angriff der Hamas
auf Israel an deutschen Schulen im besorgniserregenden Umfang
Antisemitismus und Judenfeindlichkeit gab.
Bereits
im Mai 2023, also gut 5 Monate vor dem Angriff der Hamas auf
Israel, beklagte sich die Altbundeskanzlerin Angela Merkel in
ihrem Videopodcast über den wachsenden Antisemitismus in
Deutschland. Antisemitische Vorfälle bei Demonstrationen in
Deutschland Verurteilte sie erneut scharf.
„Wer
Hass gegen Juden auf unsere Straßen trägt, wer volksverhetzende
Beleidigungen äußert, stellt sich außerhalb unseres
Grundgesetzes“, sagte Merkel am Samstag in ihrem wöchentlichen
Videopodcast. Sie sprach von „unerträglichen antisemitischen
Äußerungen“ auf einigen Demonstrationen der vergangenen Tage.
„Das
Grundgesetz garantiert das Recht zur freien Meinungsäußerung und
friedlichen Versammlung. Aber es lässt keinen Raum für Angriffe
gegen Menschen anderen Glaubens, keinen Raum für Gewalt,
Rassismus und Hetze“, sagte Merkel. Solche Taten müssten
konsequent geahndet werden und für die Täterinnen und Täter
spürbare Folgen haben.
Merkel
hob zugleich hervor, sie sei froh, „dass sich so viele Menschen
gegen solche Tendenzen stellen, dass sie sich klar für die Werte
unseres Grundgesetzes und den Schutz der Menschenwürde
einsetzen“.
Videopodcast ab 01:58
An den
zunehmenden Antisemitismus an den Schulen dachte die
Altbundeskanzlerin möglicherweise nicht, der aber hat in den
wenigen Monaten danach ein Ausmaß angenommen, der sogar Lehrerinnen und Lehrer
überrascht hat.
Am 13.10.2023 heißt es
diesbezüglich in einem Artikel auf
Welt.de
wie folgt:
Welt.de:
Der Vorsitzende des
Deutschen
Lehrerverbands, Stefan
Düll,
sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zum Thema Antisemitismus
an Schulen: Die Lage wird regional immer angespannter. Das gilt
besonders für solche Schulen, an denen viele Schüler mit Wurzeln
im arabischen Raum unterrichtet werden.
Häufig
herrsche hier ein gefestigtes antisemitisches Weltbild, das die
Kinder und Jugendlichen zu Hause oder in den Schulen ihrer
Heimatländer vermittelt bekommen hätten. Ein großes Problem
seien zudem soziale Netzwerke. Dort wird Antisemitismus vielfach
offen aus- und vorgelebt.
Link zum Artikel
18 Islamfeindliche Straftaten
TOP
Es würde
in einer offenen Gesellschaft, und das wollen Demokratien ja
sein, mehr als ungewöhnlich sein, wenn nicht auch die Zahl islamfeindlicher Straftaten zunehmen
würde. Richtig: Bereits heute liegen sie über dem
Vorjahresniveau.
Nach
vorliegenden Daten des Bundesinnenministeriums ist die Anzahl
islamfeindlicher Straftaten in den ersten drei Quartalen auf 686
angestiegen und liegt damit bereits jetzt über der Gesamtzahl
des Vorjahres. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf
einer Anfrage aus der Linken-Bundestagsfraktion (die es schon
heute nicht mehr gibt) hervor. Demnach
kam es im dritten Quartal zu 271 islamfeindlichen Übergriffen.
Im ersten Halbjahr wurden einschließlich Nachmeldungen 415
solcher Straftaten erfasst. Für 2022 wurden nach Zahlen des
Bundeskriminalamts insgesamt 610 islamfeindliche Straftaten
gemeldet.
Das eint die Muslime mit den
Ängsten der Juden, obwohl zahlenmäßig auf jeden Juden in
Deutschland fünfzig Muslime kommen.
19 Islamische Strömungen in Deutschland
TOP
Nicht mehr zu übersehen ist, dass es radikalislamischen
Gruppierungen in Deutschland gelungen ist,
öffentlichkeitswirksam, gemeint ist eine Demonstration in Essen,
ein Kalifat auf deutschem Boden einzufordern.
In einem
Interview, das die Moderatorin von Kulturzeit mit Susanne
Schröter, Professorin an der Uni Frankfurt und Leiterin des
Frankfurter Forschungszentrums globaler Islam, führte, lässt
sich wie folgt zusammenfassen.
Auf die Frage muss man das
ernst nehmen, lautete die Antwort:
Die
Generation Islam hatte damit einen großen Aufmerksamkeitserfolg,
vor allen Dingen in den Medien. Man nutzte diesen Auftritt, um
Mitglieder zu werben. Das eint auch die beiden anderen
Gruppierungen, die gleiche Ziele verfolgen.
Gemeint
sind:
-
Muslim
interaktiv – im Großraum Hamburg
-
Realität Islam - im Rhein-Mein-Gebiet
-
Generation Islam – in Berlin
Die drei Organisationen unterscheiden sich kaum voneinander.
Auch verfügen alle Gruppierungen über professionelle und auch
gut gebildete Frontmänner. Ihre Botschaften lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
-
Muslime
haben andere Werte als der Rest der Bevölkerung
-
Verweigert
euch den deutschen Werten
-
Deutschland ist eine Wertediktatur.
Die
Botschaft heißt: Segregation, nur so kann die Umma des Islam in
Deutschland überleben. Und diese Umma hat eine große Aufgabe,
nämlich letztendlich ein Weltkalifat zu realisieren, das aber
zuerst einmal voraussetzt, dass die Werte in den jeweiligen
Nationalstaaten überwunden werden müssen. Wir müssen, um dieses
Ziel zu erreichen, große Opfer bringen, so die Argumentation aus
diesem Kreis. Das aber lässt
irgendwann unsere Mission Wirklichkeit werden, nämlich die, dass
die Welt islamisch wird.
Dafür
nutzen diese Gruppierungen auch TikTok, Instagram und Co. und
das mit großem Erfolg, insbesondere bei Gymnasten und Studenten.
Die
Propaganda für dieses zunehmende Weltbild ist die Botschaft:
Ihr
seid die besten, mit euerer Hilfe werden wir das schaffen. Und
auf euch wartet wirklich Großes.
Hier in
Deutschland seid ihr unterdrückt, wie in anderen Ländern auch,
aber wir werden das ändern.
Gemeinsam sind wir stark.
Vgl.
Kulturzeit vom 8.11.2023: Interview mit Susanne Schröter,
Professorin an der Uni Frankfurt und Leiterin des Frankfurter
Forschungszentrums globaler Islam.
Abschließend noch einige Anmerkungen zu den drei oben genannten
islamradikalen Gruppierungen:
Muslim
Interaktiv:
Die Gruppierung richtet sich vor allem an junge Leute. Eloquent
und mit professionellen Videos inszeniert sie sich als
Verteidigerin der Muslime. Dem Verfassungsschutz bereitet das
Sorgen.
Realität
Islam:
Ein Video zur Notwendigkeit der Einrichtung von Gebetsräumen in
Schulen, macht deutlich, dass diese Gruppe über eine hohe
Medienkompetenz verfügt.
Link zum Video
Dieses
Video hat eine Endlosschleife. Erst wenn Sie das Video stoppen,
hört die Berieselung auf.
Generation Islam:
Auf der Website dieser Gruppierung heißt es unter anderem:
Generation-Islam ist ein Team motivierter und entschlossener
Muslime, das im deutschsprachigen Raum für das unveräußerliche
Glaubensfundament und die Werte des Islam einsteht. Motiviert
durch die aktuelle Lage, in der die Entfremdung zwischen
Muslimen und Mehrheitsgesellschaft immer stärker zunimmt, haben
sich hier aufgewachsene engagierte Muslime zusammengefunden, um
durch Aufklärungsarbeit positive Akzente zu setzen und durch
konstruktive Kritik gesellschaftliche Spannungen abzubauen.
Basierend auf islamischen Normen strebt das Team einen offenen,
schonungslosen aber sachlichen Diskurs an. Nur auf diese Weise
können Lösungsansätze entwickelt werden, die sowohl der
islamischen Identität, als auch der Mehrheitsgesellschaft
gerecht werden.
Generation Islam
20 Innenminister NRW fordert Vereinsverbote
TOP
NRW-Innenminister Herbert
Reul
(CDU) forderte am 8. November 2023 ein Verbot von „Generation
Islam“, „Realität Islam“ und „Muslim Interaktiv“.
Abzuwarten bliebt, ob dieser Forderung überhaupt entsprochen
werden kann. Da die Gruppierungen nicht zur Gewalt aufrufen,
keine Hassbotschaften verbreiten, nicht die Existenz Israels in
Frage stellen, sondern auf legalem Wege und mit professioneller
Medienkompetenz für die Verbreitung des Islam in Deutschland
sorgen wollen, dürfte das kein leicht umzusetzenden Verlangen
sein.
Ob diese
Demokratie dazu überhaupt die Kraft hat, darf bezweifelt werden,
zumindest so lange, wie diese Demokratie auch an dem „Werte
ihrer eigenen Selbstaufgabe“ beharrlich festhält.
21 Schlusssätze
TOP
Nur zur
Erinnerung:
Auf der Website des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
heißt es auch heute immer noch, dass die am 12.5.2021
beschlossenen Eckpunkte eines neuen Gesetzes beschlossen wurden,
dessen Ziel es sein soll, das Engagement für Demokratie
dauerhaft zu stärken.
Zitat:
Um die Demokratie zu schützen und demokratisches Engagement zu
stärken, ist eine nachhaltige und verlässliche Förderung
notwendig. Die Bundesregierung beschloss nun Eckpunkte für ein
Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie.
Am 12. Mai hat das
Bundeskabinett Eckpunkte für ein Gesetz zur Stärkung und
Förderung der wehrhaften Demokratie beschlossen. Es soll den
Staat in die Lage versetzen, die freiheitliche demokratische
Grundordnung vor Angriffen von innen und außen zukünftig noch
besser schützen zu können. Außerdem soll das Gesetz verlässliche
rechtliche Rahmenbedingungen für die Fördertätigkeit des Bundes
in diesem Bereich schaffen. Die beschlossenen Eckpunkte sind ein
zentraler Teil der Gesamtstrategie der Bundesregierung zur
Bekämpfung von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus.
Gleichzeitig setzt die Bundesregierung damit ein Vorhaben aus
dem Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und
Rassismus um. Das Bundesfamilienministerium und das
Bundesinnenministerium beabsichtigen, die Eckpunkte in einem
Artikelgesetz zusammenhängend zu regeln. Zudem hat das
Bundeskabinett am 12. Mai auch den Abschlussbericht des
Kabinettausschusses
zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen,
der über die Umsetzung des Maßnahmenkataloges informiert.
Link zur Quelle
Seitdem
sind mehr als 2 Jahre vergangen.
So viel
zur Wehrhaftigkeit des Grundgesetzes, auf die diese Demokratie
so stolz ist. Schöne Worte. Wehrhaftigkeit sieht
aber anders aus.
Anlässlich des 85 Jahrestages zum Gedenken an die
Reichspogromnacht, der in der Beth Zion in Berlin begangen
wurde, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD):
„Wir
dulden Antisemitismus nicht. Nirgendwo“
Link zum Redebeitrag
Im
Anschluss an so viel Feierlichkeit möchte ich Ihnen den
Kommentar von Boris Reitschuster nicht vorenthalten.
Auf
seiner Website heißt es am 9. November 2023 wie folgt:
Am 9. November ist es wieder
so weit: Mit gesenkten grauen Häuptern werden
Regierungsmit-
und
OhnegliederInnen
traurig auf den Boden gucken und an die „Reichskristallnacht“
erinnern. Irgendwoher wird man auch noch einen KZ-Überlebenden
zerren, der mit seinen über 90 Jahren schildern wird, wie er den
9.11.1938 erlebt hat, alle werden betroffen gucken und im
Hintergrund spielt ein Streichquartett Brahms. Es wird eine
schöne Gedenkfeier sein, alle Anwesenden werden wieder ihre
Floskeln in die wohlgefälligen Kameras des öffentlichen
Rundfunks hauchen, sie werden „wehret den Anfängen“ und „nie
wieder“ sagen und die „besondere Verantwortung für Israel,
gerade im Hinblick auf unsere Geschichte“ betonen.
Link zum Artikel
Schlusssatz:
Es bleibt die Hoffnung, dass
Boris Reitschuster sich mit seiner Sicht der Dinge, gegebenen
Versprechen auch weiterhin keine Taten folgen zu lassen, irrt.
Fehler, Verbesserungsvorschläge und Fragen richten Sie bitte an:
info@rodorf.de
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Die Pflege
und der Unterhalt dieser Webseite sind mit Kosten verbunden. Aus
diesem Grunde können die anderen Kurse, die das polizeiliche
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