§ 188 StGB (Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete
Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung)
Der Straftatbestand schützt Personen, die im politischen öffentlichen
Leben stehen vor Beleidigungen, übler Nachrede und vor Verleumdungen,
die dazu geeignet sind, das öffentliche Wirken dieser Personen erheblich
zu beeinträchtigen.
Christian
Rühs sinngemäß: § 188 StGB enthält einen
Qualifikationstatbestand für Beleidigungstaten, die sich gegen im
politischen Leben des Volkes stehende Personen richten. Vielfach wird
angenommen, § 188 StGB schütze ebenso wie die §§ 185, 186 und 187 StGB
lediglich die individuelle Ehre des Betroffenen. Die härtere Bestrafung
von Beleidigungstaten gegen Personen des politischen Lebens, so der
Autor kann aber nur durch den Schutz überindividueller Interessen
legitimiert werden. Das durch § 188 StGB geschützte Rechtsgut kann somit
als „Funktionsfähigkeit des politisch-demokratischen Gemeinwesens“
beschrieben werden.
Der Tatbestand des § 188 StGB ist im Lichte dieses Rechtsguts
auszulegen. Hierdurch kann insbesondere die in § 188 Abs. 1 S. 1 StGB
beschrieben Gruppe der im politischen Leben des Volkes stehenden
Personen eingegrenzt werden: Es sind Amts- und Mandatsträger oder
entsprechende Bewerber jeder gesetzlich anerkannten politischen Ebene
des Inlands sowie je nach Funktion auch der supranationalen Ebene der
Europäischen Union, die im Rahmen staatlichinstitutioneller Prozesse
politische Funktionen erfüllen.
Zeitschrift für
Internationale Strafrechtswissenschaft 1 2022 - Dr. Christian Rühs,
Bochum
§ 188
StGB schützt nur Politiker, keine weiteren Personen. Geschützt wird auch
nur die Person, nicht das von ihm ausgeübte Amt.
Christians Rühs: Es ist
diese Funktionsfähigkeit des politisch-demokratischen Gemeinwesens, die
spezifisch von § 188 StGB geschützt wird. § 188 StGB dient dagegen nicht
vorrangig einem individuellen Ehrschutz im Sinne einer besonders
geschützten Politikerehre.
An anderer Stelle:
Eine im politischen
Leben des Volkes stehende Person zeichnet sich dadurch aus, dass sie
sich für eine gewisse Dauer mit Angelegenheiten befasst, die den Staat,
seine Gesetzgebung und Verfassung, Verwaltung oder auch internationale
Beziehungen betreffen. [...]. Zum geschützten Personenkreis gehören zum
Beispiel Regierungs- oder Oppositionsmitglieder, der Bundespräsident,
Richter des Bundesverfassungsgerichts, sowie Bundes- und
Landesabgeordnete oder andere führende Mitglieder politischer Parteien.
Es ist außerdem erforderlich, dass der Täter aus Beweggründen handelt,
die mit der Stellung des Betroffenen zusammenhängen. Kommt es dem Täter
nicht auf die Stellung der Person an, können andere Straftatbestände
greifen.
Zeitschrift für Internationale
Strafrechtswissenschaft 1 2022 - Dr. Christian Rühs, Bochum
Die Tathandlung bei diesem Delikt kann grundsätzlich eine
Beleidigung, eine üble Nachrede oder eine Verleumdung sein. Die
Tathandlung des spezielleren § 188 StGB zeichnet sich aber dadurch aus,
dass die Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung öffentlich, in
einer Versammlung oder durch die Verbreitung von Schriften begangen
werden muss. Hinzukommen muss, dass das öffentliche Wirken des
Betroffenen durch die Tathandlung erheblich erschwert werden muss oder
werden könnte.
Die Tat wird grundsätzlich nur auf Antrag
verfolgt.
Hinweis: Aufgrund der extensiven Interpretation der
Meinungsfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift
nur eine geringe Bedeutung.
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