§ 27 StVO – Verbände
Inhaltsverzeichnis:
01 Was ist
ein geschlossener Verband? 02 TBNR gemäß
Bußgeldkatalog 2023 03 Voraussetzungen für
einen geschlossenen Verband 04 Nachzügler
müssen auf sich selber aufpassen 05
Verbände aus Fußgängern/Reitern 06
Ausführungen in der VwV-StVO 07 Quellen
01
Was ist ein geschlossener Verband?
TOP
Im Kommentar zum
Straßenverkehrsrecht von Hentschel/König/Dauer zum
Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, heißt es:
Definition:
[Ein]
geschlossener Verband ist eine geordnete, einheitlich geführte
und als Ganzes erkennbare Personen- oder Fahrzeugmehrheit.
Maßgebend sind einheitliche Kennzeichnung (Wimpel, Schilder,
Fahrzeugart und -farbe, Beleuchtung) und Fahren mit
vorgeschriebenem Abstand, weil die geschlossene Gliederung bei
ihnen sonst nicht ohne Weiteres erkennbar ist.
Anders
ausgedrückt: Ein geschlossener Verband wird wie ein Fahrzeug/Verkehrsteilnehmer behandelt; namentlich dürfen andere
Verkehrsteilnehmer den Verband nicht unterbrechen. Der sich
daraus ergebende Vorrang berechtigt nicht nur das erste, sondern
auch alle anderen folgenden Fahrzeugführer/Verkehrsteilnehmer dazu, in eine
Kreuzung einzufahren/zu gehen, auch wenn mittlerweile der eigentlich
vorfahrtsberechtigte Verkehr naht oder eine Lichtzeichenanlage
auf Rot gewechselt hat.
§ 27 StVO
(Verbände)
Im
Zusammenhang mit Verbänden sind auch die folgenden Regelungen in
der StVO bedeutsam:
§ 29
Abs. 2 S. 2 StVO (Übermäßige Straßenbenutzung) (2)
Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in
Anspruch genommen werden, insbesondere Kraftfahrzeugrennen,
bedürfen der Erlaubnis. Das ist der Fall, wenn die Benutzung der
Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der
Teilnehmenden oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge
eingeschränkt wird; Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband
nehmen die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch.
Veranstaltende haben dafür zu sorgen, dass die
Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen
befolgt werden.
§ 35
Abs. 2 Nr. 1 StVO (Sonderrechte) 1) Von den Vorschriften
dieser Verordnung sind die Bundeswehr und die von ihr
beauftragten gewerblichen Transportdienstunternehmen, die
Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die
Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung
hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. [1a] (2)
Dagegen bedürfen diese Organisationen auch unter den
Voraussetzungen des Absatzes 1 der Erlaubnis, 1. wenn sie mehr
als 30 Kraftfahrzeuge im geschlossenen Verband (§ 27) fahren
lassen wollen.
Zur
Erkennbarkeit eines Verbandes heißt es in einem Beschluss des
Kammergerichts Berlin aus dem Jahr 2020 wie folgt:
KG Berlin 2020:
Die
Erkennbarkeit der Kraftfahrzeuge als Verband ist deswegen
erforderlich, weil das Verbandsvorrecht andere Verkehrsregeln
zurückdrängt. D. h. für die weiteren Verkehrsteilnehmer, die
damit nicht so vertraut sind und deren Rechte zurückstehen, muss
die Verbandszugehörigkeit jedes einzelnen Fahrzeuges
unmissverständlich erkennbar sein. Aus § 27 Abs. 5 StVO ist
erkennbar, dass ein geschlossener Verband auch nur dann ein
solcher sein kann, wenn er einen verantwortlichen Führer hat,
der für die Einhaltung der einzelnen für den Verband geltenden
Vorschriften verantwortlich ist und auch die Kennzeichnung der
zu dem Verband gehörenden Fahrzeuge bestimmt [En01].
02 TBNR
gemäß Bußgeldkatalog 2023
TOP
Bei den
4 im Bußgeldkatalog aufgeführten Fehlverhalten die Verbände
betreffen, handelt es sich durchweg um geringfügige
Verkehrsordnungswidrigkeiten.
127000 Sie veranlassten
als Verantwortlicher nicht, dass eine Gruppe den Gehweg
benutzte. 10,00 Euro 127006 Sie unterbrachen
einen geschlossenen Verband in der Bewegung. 5,00 Euro
127007 Sie unterbrachen einen geschlossenen Verband in
der Bewegung. Es kam zum Unfall. 20,00 Euro 127012
Sie sorgten als Verantwortlicher nicht dafür, dass die für
geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt wurden.
10,00 Euro
03 Voraussetzungen für einen geschlossenen
Verband
TOP
Hinsichtlich der Voraussetzungen für einen geschlossenen Verband
und für die sich daraus abzuleitenden Vorrechte heißt in ein
einem Beschluss des Kammergerichts aus dem Jahr 2006 wie folgt:
KG Berlin 2006:
Voraussetzung für einen „geschlossenen Verband“ nach § 27 StVO
ist neben einer einheitlichen Kennzeichnung, dass die Fahrzeuge
als eine Zusammenfassung zueinander gehörender Glieder erkennbar
sind. Hierfür müssen die einzelnen Fahrzeuge zueinander einen so
geringen Abstand einhalten, dass sie den erforderlichen
Sicherheitsabstand gerade erreichen oder nur geringfügig
überschreiten. Mehrere Polizeifahrzeuge, die innerorts mit ca.
35 km/h in einem Abstand von fast 50 m hintereinanderfahren,
stellen keinen für den Querverkehr erkennbaren „geschlossenen
Verband“ i. S. d. § 27 StVO dar.
An
anderer Stelle heißt es:
KG Berlin 2006:
Die anderen Verkehrsteilnehmer müssen also die Geschlossenheit
des Verbandes zweifelsfrei erkennen können. Die Fahrzeuge des
Verbandes müssen sich nicht nur durch ähnliches Äußeres als
zueinander gehörig ausweisen, sondern auch durch ein ähnliches
Verkehrsverhalten. Zum ähnlichen Verkehrsverhalten zählt das
Fahren in gleicher Richtung mit annähernd gleicher
Geschwindigkeit und annähernd gleichem Abstand. Der Abstand
zwischen den Fahrzeugen darf dabei nicht so groß sein, dass ein
Zusammenhang der Fahrzeuge zueinander für die anderen
Verkehrsteilnehmer nicht mehr erkennbar ist.
Für die
Abstandsgröße lässt sich kein allgemein gültiges festes Maß
angeben. Maßgeblich sind vielmehr immer die Umstände des
Einzelfalles, wobei es u. a. auch auf die Verkehrsverhältnisse
und die eingehaltenen Geschwindigkeiten der einzelnen Fahrzeuge
ankommt. Während
Außerorts
möglicherweise ein Abstand von bis zu 100 m die
Verbandszugehörigkeit noch nicht aufheben wird, ist
Innerorts
von deutlich geringeren Abständen auszugehen, da in diesen
Verkehrsbereichen die Erkennbarkeit der Geschlossenheit des
Verbandes insbesondere für den Querverkehr nur durch die
Einhaltung möglichst geringer Abstände gewährleistet werden
kann. Innerorts können und müssen die Verbandsfahrzeuge dicht
aufgeschlossen fahren, d. h.sie können und müssen so geringe
Abstände einhalten, dass sie die Sicherheitsabstände gerade
erreichen oder nur geringfügig überschreiten. Nur so kann
gewährleistet werden, dass die anderen Verkehrsteilnehmer, denen
durch das Verbot des § 27 Absatz 2 Satz 2 StVO die Ausübung
eines ihnen sonst zustehenden Vorrechts untersagt wird,
unmissverständlich darauf hingewiesen werden, dass sie es nicht
mit Einzelfahrzeugen, sondern mit einem geschlossenen Verband zu
tun haben.
An
anderer Stelle:
Der
erforderliche Sicherheitsabstand richtet sich nach Örtlichkeit
und Lage sowie der Fahrgeschwindigkeit und ist bei normalen
Verhältnissen die in 1,5 Sekunden durchfahrene Strecke. Hieraus
errechnet sich vorliegend ein Abstand von 14,6 m. [...]. Den
einzuhaltenden Sicherheitsabstand haben die Polizeifahrzeuge,
wie das Landgericht zutreffend ausführt, mit einem Abstand von
fast 50 Metern so erheblich überschritten, dass von einer
Erkennbarkeit der Geschlossenheit des Verbandes für andere
Verkehrsteilnehmer, insbesondere für den Querverkehr, nicht mehr
ausgegangen werden kann. [...]. Einem Fahrzeug, das einem
geschlossenen Verband in größerem Abstand nachfolgt, kommt das
Kolonnenvorrecht nicht mehr zugute [En02].
04 Nachzügler müssen auf sich selber aufpassen
TOP
Es
gehört nicht zu den Sicherungspflichten des Verbandsführer,
dafür zu sorgen, dass auch Nachzügler gleichermaßen abzusichern
sind. In einem
Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 2014 heißt es dazu:
OLG Hamm 2014:
Eine
schuldhafte Verletzung von Sicherungspflichten liegt nicht vor,
wenn die Organisatoren durch Aufstellen von Warnposten ein
gefahrloses Überqueren übergeordneter Straßen durch die Gruppe
gewährleisten, eine vergleichbare Sicherung von einzeln
fahrenden Nachzüglern aber nicht erneut vornehmen. Für einzeln
fahrende Nachzügler ist insoweit kein Vertrauen darauf
gerechtfertigt, dass die im Hinblick auf das gruppenbedingt
atypische Verhalten der geschlossenen Radfahrergruppe
ergriffenen Vorkehrungen auch für sie aufrechterhalten oder
erneut veranlasst werden. Auch im Hinblick auf § 27 StVO lässt
sich kein haftungsbegründendes Verhalten des Vereinsvorstandes
oder der Organisatoren erkennen. Zwar dürfen mehr als 15
Radfahrer einen Verband im Sinne dieser Vorschrift bilden und
gemäß § 27 Abs. 5 StVO hat, wer einen solchen Verband führt, für
die Befolgung einschlägiger Vorschriften zu sorgen. Zum Vorteil
des Klägers lässt sich daraus aber schon aus dem Grunde nichts
herleiten, weil er unmittelbar vor dem Unfallgeschehen nicht als
Teil eines geschlossenen Verbandes, sondern separat fuhr. Für
die Einhaltung der Verkehrsvorschriften war er daher wie
grundsätzlich jeder Fahrzeugführer allein verantwortlich
[En03].
05 Verbände aus Fußgängern/Reitern
TOP
In
Betracht kommen: Demonstrationszüge, Prozessionen, Leichenzüge,
militärische Verbände. Auch für solche Verbände gilt – wie für
alle anderen auch – dass sie sich nicht nur an die allgemeinen
Verkehrsregeln zu halten, sondern auch die Zeichen und
Weisungen von Polizeibeamten zu befolgen haben. Bei
längeren Verbänden der oben bezeichneten Art haben die
Verbandsführer, das sind die Verantwortlichen, denen die
Sicherungspflichten obliegen, oder die Polizei, angemessene
Zwischenräume freizuhalten, wenn das die Größe des Verbandes
einfordert.
-
Kinder und Jugendliche sollten, wenn das möglich ist, die
Gehwege benutzen
-
Auf
Brücken darf nicht marschiert werden
-
Beleuchtungsregelungen sind einzuhalten
-
Verbandsführer sind für die Einhaltung der für Verbände
geltenden Regelungen verantwortlich.
Hinsichtlich detaillierterer Ausführungen wird auf § 27 StVO
(Verbände) verweisen, der diesbezüglich allgemeinverständlich formuliert
ist.
§ 27
StVO (Verbände)
06 Ausführungen in der VwV-StVO
TOP
Die
„Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung
(VwV-StVO)“ enthält in Bezug auf Verbände, die nachfolgend
zitierten Regelungen:
Zu Absatz 1
Abweichend von den (nur sinngemäß
geltenden) allgemeinen Verkehrsregeln ist darauf hinzuwirken,
dass zu Fuß marschierende Verbände, die nach links abbiegen
wollen, sich nicht nach links einordnen, sondern bis zur
Kreuzung oder Einmündung am rechten Fahrbahnrand geführt werden.
Zu Absatz 2
Leichenzügen und Prozessionen ist,
soweit erforderlich, polizeiliche Begleitung zu gewähren.
Gemeinsam mit den kirchlichen Stellen ist jeweils zu prüfen, wie
sich die Inanspruchnahme stark befahrener Straßen einschränken
lässt.
Zu Absatz 3
Bei geschlossenen Verbänden ist
besonders darauf zu achten, dass sie geschlossen bleiben; bei
Verbänden von Kraftfahrzeugen auch darauf, dass alle Fahrzeuge
die gleichen Fahnen, Drapierungen, Sonderbeleuchtungen oder
ähnlich wirksamen Hinweise auf ihre Verbandszugehörigkeit
führen.
Zu Absatz 4
Bedarf ein zu Fuß marschierender Verband eigener Beleuchtung, so
ist darauf zu achten, dass die Flügelmänner des ersten und des
letzten Gliedes auch dann Leuchten tragen, wenn ein Fahrzeug zum
Schutze des Verbandes vorausfährt oder ihm folgt.
07 Quellen
TOP
Endnote_01 Erkennbarkeit und Führung
eines Verbandes: KG, Beschl. v. 27.08.2020 – 3 Ws (B) 175/20
Zurück
Endnote_02 Abstand,
Nachzügler genießen kein Kolonnenvorrecht. KG, Beschluss vom
14.09.2006 - 12 U 190/05 Zurück
Endnote_03
Nachzügler gehören nicht zum Verband. Keine Sicherungspflicht
für den Veranstalter. OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2014 - 6 U
80/13 Zurück
Fehler, Verbesserungsvorschläge und Fragen richten Sie bitte an:
info@rodorf.de
--------------------------------------------------------------
Die Pflege
und der Unterhalt dieser Webseite sind mit Kosten verbunden. Aus
diesem Grunde können die anderen Kurse, die das polizeiliche
Grundlagenwissen betreffen, nicht unentgeltlich zur Verfügung
gestellt werden.
Polizeiliches Grundlagenwissen Printausgaben und E-Books
www.polizeikurse.de
|