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Einführungstext zum AVR

Als Verwaltungsrecht wird das Recht der Exekutive (Verwaltung) bezeichnet. Dieses Recht dient dem Zweck, die Beziehungen zwischen dem Staat und seinen Bürgern zu regeln. In vielen Fällen sind diese Beziehungen jedoch im „Besonderen Verwaltungsrecht“ geregelt, was bei allen Polizeigesetzen in Deutschland der Fall ist.

Das hat zur Folge, dass auf "Allgemeines Verwaltungsrecht" nur dann zurückgegriffen werden muss, wenn die Polizeigesetze entsprechende Regelungslücken enthalten.

Das ist in Bezug auf polizeilich zu treffende Maßnahmen nicht der Fall.

In der Bundesrepublik Deutschland, bei der es sich um einen föderativ aufgebauten Staat mit 16 Bundesländern handelt, gibt es eine Vielzahl von Gesetzen, die sowohl das „Allgemeine Verwaltungsrecht“ als auch das „Besondere Verwaltungsrecht“ regeln.

Für beide Regelungsbereiche gibt es sowohl bundesrechtliche als auch landesrechtliche Gesetze. Hinsichtlich der Regelungen, die das „Allgemeine Verwaltungsrecht“ betreffen, ist anzumerken, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze in Deutschland mehr oder weniger wortgleich sind.

Aus dem Schlüsselwort „Verwaltungsverfahrensgesetz“, in dem das "Allgemeine Verwaltungsrecht" geregelt ist, lässt sich schließen, dass es bei den dort enthaltenen Regelungen vorrangig darum geht, ein Verwaltungsverfahren so zu gestalten, dass es  dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz vollumfänglich entspricht.

Als unverzichtbare verfassungsrechtliche Mindestanforderungen allgemeiner Art sind alle Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze anzusehen, die sicherstellen, dass ein Verwaltungsverfahren angemessen, sachgerecht, geeignet und zumutbar durchgeführt wird.

Hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) heißt es im § 1 VwVfG NRW (Anwendungsbereich) wie folgt:

§ 1 VwVfG NRW (Anwendungsbereich)
(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit nicht Rechtsvorschriften des Landes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.
(2) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

Polizeibehörden sind Behörden im Sinne der oben zitierten Regelung. Das hat zur Folge, dass alle in den Polizeibehörden des Landes NRW eingeleitete Verwaltungsverfahren sich hinsichtlich ihrer Durchführung an den Vorgaben des VwVfG NRW zu halten haben, soweit es sich dabei nicht um Aufgaben handelt, die dem Zweck der Ermittlung und Verfolgung von Straftaten dienen.

Für die Durchführung solcher Verfahren ist die Strafprozessordnung (StPO) maßgeblich.

Zurück zum Verwaltungsverfahrensgesetz:

Das Verwaltungsrecht ist, wie schon bereits festgestellt, das Recht der Exekutive. Es regelt insbesondere die Beziehungen zwischen dem Staat und seinen Bürgern, aber auch die Funktionsweise der verschiedenen Verwaltungsinstitutionen und deren Verhältnis zueinander sowie den Rechtsschutz des Bürgers gegen Akte der Exekutive, der damit beginnt, dass schriftlich erlassene Verwaltungsakte immer mit einer Rechtsbehelfsbelehrung verbunden sein müssen, also mit dem Hinweis, dass innerhalb von vier Wochen gegen diesen Verwaltungsakt Widerspruch eingelegt werden kann.

Schriftliche Verwaltungsakte werden von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort aber nicht erlassen, denn im polizeilichen Berufsalltag werden die dort tätig werdenden Beamtinnen und Beamten mit Sofortlagen konfrontiert, die kommunikativ gelöst werden müssen.

Solche Maßnahmen bedürfen keiner Rechtsmittelbelehrung, wenn es sich bei den jeweils durchzusetzenden Verwaltungsakten um so genannte unaufschiebbare Verwaltungsakte handelt, siehe § 80 Abs. 2 VwGO.

Dort heißt es:

§ 80 Abs. 2 VwGO
Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. [...].
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 2. bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten.

Aber auch für unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten gilt, dass erlassene mündliche Verfügungen, bei denen es sich zweifellos um Verwaltungsakte handelt, hinreichend bestimmt sein müssen, siehe § 37 Abs. 1 und 2 VwVfG NRW.

§ 37 Abs. 1, 2 und 6 2 VwVfG (Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes, Rechtsbehelfsbelehrung)
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. [...].
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). [...].

Von der Polizei mündlich erlassene Verwaltungsakte bedürfen keiner Rechtsmittelbelehrung, siehe § 37 Abs. 6 VwVfG NRW. Dennoch können auch von der Polizei mündlich erlassene Verwaltungsakte sozusagen im Nachhinein verwaltungsgerichtlich überprüft werden, siehe Schlüsselwort: "Feststellungsklage bei polizeilichen Sofortmaßnahmen".

Das Schlüsselwort „Verwaltungsakt“, das ich in diesem Einführungstext bereits mehrfach verwendet habe, ist eine Sprachfigur, die zum Verständnis sowohl des "Allgemeinen Verwaltungsrechts" als auch zum Verständnis des "Besonderen Verwaltungsrechts" von ausschlaggebender Bedeutung ist, denn bei diesem unbestimmten Rechtsbegriff handelt es sich um das Verwaltungshandeln, das die Beziehungen zwischen einer Behörde und dem Betroffenen, an den sich dieses Verwaltungshandeln richtet, regelt.

In allen Verwaltungsverfahrensgesetzen in der Bundesrepublik Deutschland ist diese zentrale Sprachfigur des "Allgemeinen Verwaltungsrechts" wie folgt definiert:

§ 35 VwVfG (Begriff des Verwaltungsaktes)
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Das, was über den Erlass und die Wirksamkeit und Nichtigkeit von Verwaltungsakten geschrieben wurde, füllt ganze Bibliotheken. Insoweit bitte ich um Verständnis dafür, dass dieser Einführungstext nur einen kurzen Blick in ein Rechtsgebiet gewähren kann, zu dessen Verständnis ein mehrjähriges Studium erforderlich ist.

Solch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Allgemeinen Verwaltungsrecht ist jedoch nicht erforderlich, um polizeiliche Aufgaben sachgerecht und rechtsfehlerfrei ausüben zu können, denn die nachfolgend aufgeführten Bereiche, die Gegenstand der Verwaltungsverfahrensgesetze sind, werden beim Einschreiten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort nicht benötigt.

Einige dieser Bereiche haben folgenden Wortlaut:

  • Heilung von Verfahrens- und Formfehlern

  • Folgen von Verfahrens- und Formfehlern

  • Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes

  • Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes

  • Verpflichtung zur Anhörung von Beteiligten

  • Anfechtung der Entscheidung

  • Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte.

Hinsichtlich des letzten Schlüsselwortes „Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte“ ist anzumerken, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wissen müssen, was sich hinter dem Schlüsselwort „Widerspruch“ und hinter den Schlüsselwörtern „Anfechtungsklage/Feststellungsklage“ verbirgt. Diesbezüglich verweise ich auf die „Schlüsselwörter“ zu dieser Einleitung.

Fragen, die die zwangsweise Durchsetzung von Verwaltungsakten betreffen, sind in den jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder geregelt.

Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes NRW wird von den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Landes NRW jedoch nicht angewendet, weil alle Fragen, die die zwangsweise Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen betreffen, abschließend im Polizeigesetz des Landes NRW geregelt sind.

Diese Regeln sind anzuwenden, wenn es darum geht, erlassene Verwaltungsakte zu erzwingen, aber auch (eingeschränkt) dann, wenn es darum geht strafprozessuale Maßnahmen erzwingen zu müssen. Eingeschränkt deshalb, weil zur Durchsetzung strafprozessualer Maßnahmen nur das Regelwerk des PolG NRW Anwendung findet, das die Anwendung unmittelbaren Zwangs betrifft, einschließlich der Regelungen, die den Schusswaffengebrauch betreffen.

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