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Einführungstext zur StPO Inhaltsverzeichnis
01 Einführung 01 Einführung Die Erforschung und Verfolgung von Straftaten gehört, neben der Gefahrenabwehr, der Überwachung des Straßenverkehrs und der Wahrnehmung versammlungsrechtlicher Aufgaben, zu den polizeilichen Kernaufgaben. Die Zuständigkeit zur Erforschung und Verfolgung von Straftaten ist in der StPO enthalten, siehe § 163 Abs. 1 StPO (Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren.
§ 163 StPO (Aufgaben
der Polizei im Ermittlungsverfahren) Bei dieser Norm handelt es sich sowohl um eine Zuständigkeitsregelung, siehe Satz 1, als auch um die „Generalklausel der StPO“, die sich aus Satz 2 ableiten lässt. Natürlich sind auch zur Strafverfolgung die Kreispolizeibehörden sachlich zuständig. Diesbezüglich heißt es im § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden) wie folgt:
§ 11 Abs. 1 Nr. 2
POG NRW (Sachliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden) Der Vollständigkeit halber seien hinsichtlich der Zuständigkeitsregelungen zur Strafverfolgung, auch die nachfolgenden Regelungen genannt:
§ 1 Abs. 4 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei)
§ 10 Satz 1 POG NRW
(Allgemeine sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden) Die beiden letztgenannten Normen beziehen sich auf § 163 StPO (Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren), denn bei der StPO handelt es sich um eine „andere Rechtsvorschrift“ im Sinne von § 1 PolG NRW (Aufgaben der Polizei) und § 10 POG NRW (Allgemeine sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden). Mehr sachliche Zuständigkeit geht nicht. Bei § 163 StPO (Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren) handelt es sich aber auch, wie bereits schon festgestellt, um eine Generalklausel, also um eine Befugnis, die es der Polizei erlaubt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, die spezialgesetzlich in der StPO nicht geregelt sind. Außerdem lässt sich aus § 163 StPO in Verbindung mit § 160 StPO (Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung) die Pflicht der Polizei ableiten, beim Bekanntwerden von Straftaten diese zu verfolgen. Diese Strafverfolgungspflicht entsteht für die Polizei, sobald sie Kenntnis von einer Straftat erhält. Hinsichtlich aller Befugnisse, die in der StPO enthalten sind und die es der Polizei unter den dort genannten Voraussetzungen erlauben, in die Grundrechte von Personen einzugreifen, ist anzumerken, dass es sich bei den Maßnahmen der StPO, im Gegensatz zu den Maßnahmen, die auf der Grundlage des Polizeigesetzes erlassen werden, nicht um Verwaltungsakte und auch nicht um Justizverwaltungsakte, sondern um nichts anderes als um StPO-Maßnahmen handelt, die, soweit sie als Zwangsbefugnisse zu bezeichnen sind, erforderlichenfalls auch erzwungen werden dürfen. Wird zum Beispiel die Entnahme einer Blutprobe von einer Polizeibeamtin oder einem Polizeibeamten angeordnet, weil der Führer eines Kraftfahrzeuges im Verdacht steht, eine Trunkenheitsfahrt begangen zu haben, dann ordnet die Beamtin oder der Beamte die Entnahme einer Blutprobe auf der Grundlage von § 81a StPO (Körperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe) an, indem der Fahrzeugführer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass von ihm von einem approbierten Arzt eine Blutprobe entnommen wird. Sollte der Beschuldigte, denn um einen solchen handelt es sich, wenn sich eine strafprozessuale Maßnahme gegen ihn richtet, diese Maßnahme nicht dulden wollen, dann kann die angeordnete Maßnahme auf der Grundlage von § 81a StPO erzwungen werden, denn bei dieser Befugnis handelt es sich um eine strafprozessuale Zwangsbefugnis. Das gilt aber nicht für alle StPO-Maßnahmen. Heimlich durchgeführte Maßnahmen (Telefonüberwachung oder Große Lauschangriffe, Online-Durchsuchungen u.a.) werden durchgeführt, ohne dass der Beschuldigte davon überhaupt Kenntnis hat, so dass ein Erzwingen im Sinne von Gewaltanwendung gar nicht möglich ist. Auch andere StPO-Maßnahmen dürfen nicht erzwungen werden. Das gilt insbesondere für Vernehmungen. Grund dafür ist, dass jegliche Zwangsanwendung zur Abgabe einer Erklärung als Folter anzusehen ist und somit von vornherein rechtswidrig ist. 02 Ladendiebstahl in einem Supermarkt Die statistischen Zahlen belegen, dass die Polizei oftmals Maßnahmen im Zusammenhang mit Ladendiebstählen zu treffen hat. Allein die Anzahl der Ladendiebstähle, die von der Polizei in den Jahren von 2019 bis 2021 registriert wurden, machen deutlich, dass es sich bei Ladendiebstählen sozusagen um polizeiliche Routineeinsätze handelt.
2019 325.786 registrierte Fälle
Die Dunkelziffer dürfte deutlich
darüber liegen. Auf der Website Rundschau.de vom 28. Juli 2020 heißt es: EHI-Studie: Schäden durch Ladendiebstahl gestiegen: Rund 3,8 Milliarden Euro sind dem deutschen Handel im vergangenen Jahr durch Diebstahl entgangen. Dies zeigt eine Studie des EHI Retail Institute. Insgesamt beliefen sich die Inventurdifferenzen auf 4,4 Milliarden Euro. Dass auch ein Routineeinsatz rechtliche Fragen aufwerfen kann, die für das Verstehen des Strafprozessrechts bedeutsam sind, sollen jetzt anhand eines Beispiels erörtert werden. 03 Ein Ladendieb im Flegelalter Wer Kinder im Flegelalter hat oder hatte, weiß, dass es sich bei dieser Altersgruppe, egal ob Jungen oder Mädchen, um Frechlinge, Rotznasen, Schlingel, Lauser bzw. um vorwitzige Lausbuben oder Lausmädchen handeln kann, deren Alter oftmals schwer einzuschätzen ist. Nach meiner Erfahrung beginnt dieses Flegelalter mit 10 und findet dann irgendwann sein Ende, meist nach der Pubertät.
Beispiel:
Lars und Mia erhalten den Auftrag, zum Supermarkt Kaufparadies zu fahren.
Der Ladendetektiv würde dort auf das Eintreffen der Polizei warten. Nachdem
Lars den Einsatz angenommen hat, sagt er zu Mia: „Das ist jetzt schon das
fünfte Mal in dieser Woche, dieser Supermarkt wird allmählich lästig. Lass
mich das mal machen.“ Mia ist damit einverstanden. Beim Eintreffen im Büro
des Ladendetektives werden die beiden mit folgender Situation konfrontiert: Bevor dieser polizeiliche Lebenssachverhalt, der Sie vielleicht amüsiert, weiter erörtert wird, ist es zuerst einmal unverzichtbar, zu beschreiben, wie Lars und Mia die Situation wahrnehmen. Was meine ich damit? Vor Lars und Mia steht ein aufgebrachter Junge, dessen Alter sie nicht einschätzen können. Ob der nun 12, 13, 14 oder gar 15 Jahre alt ist, das können die Beamten mit Sicherheit nicht feststellen. Die erste Frage, die sich somit zuerst einmal stellt, lautet, ist der Junge überhaupt strafmündig, oder ist das noch ein Kind. 04 Strafmündigkeit Kinder unter 14 Jahren sind schuldunfähig, so dass gegen Kinder ein Strafverfahren nicht betrieben werden kann. Jugendliche von 14 bis einschließlich 17 Jahre sind strafrechtlich nur unter der Voraussetzung verantwortlich, dass sie zum Zeitpunkt der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht ihrer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Als Heranwachsende werden Menschen bezeichnet, die 18 aber noch nicht 21 Jahre alt sind. Diese Personen werden hinsichtlich ihrer Schuldfähigkeit wie Erwachsene behandelt. Zurück zum Fallbeispiel:
Lars sagt zu Mia: „Wie alt
schätzt du diesen Jungen?“ Mit dieser Unsicherheit werden Lars und Mia so lange „leben“ müssen, bis sie wissen, wie der Junge heißt, wo er wohnt und wie alt er ist. Bis zur endgültigen Klärung dieser Frage gehen Lars und Mia von der Annahme aus, dass es sich bei dem Jungen nicht um ein Kind, sondern um einen bedingt strafmündigen Jugendlichen handelt. Anders ausgedrückt: Begeht ein Jugendlicher, also jemand, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, eine Straftat, dann ist es Aufgabe der Polizei, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Jugendlichen zu ermitteln, denn Jugendliche sind gemäß § 3 JGG des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) zumindest bedingt strafrechtlich verantwortlich.
§ 3 JGG
(Verantwortlichkeit) Von dieser Verantwortlichkeit gehen Lars und Mia aus. Das bedeutet, dass den Beamten nunmehr grundsätzlich alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die die StPO auch gegenüber Erwachsenen vorhält.
Lars sagt zu dem Jungen: „Ich
werde dich jetzt anfassen und deine Hosentaschen durchsuchen, weil dir
vorgeworfen wird, einen Diebstahl begangen zu haben und ich davon ausgehe,
dass sich die Beute in deinen Hosentaschen befindet.“ Lars findet in den Hosentaschen des Jungen mehrere Samsung USB-Sticks und natürlich auch das für Jugendliche in diesem Alter obligatorische Smartphone.
Zu dem Jungen sagt Lars: „Ich
brauche jetzt noch deinen Namen!“ Daraufhin öffnet Mia das Smartphone, notiert sich die Nummer der SIM-Karte und gibt die über Funk an die Einsatzleitstelle mit der Bitte weiter, den Anschlussinhaber festzustellen. Kurze Zeit später kommt die Antwort. Anschlussinhaber ist der Rechtsanwalt Bodo Alpha, wohnhaft in Münster, Königsallee 11. Dort sind 3 Personen gemeldet, Frau Zeta Alpha und Bodo Alpha, ein Junge im Alter von 14 Jahren. Von diesem Moment an verhält sich der jugendliche Ladendieb kooperativ. Er bittet darum, seine Eltern nichts von diesem Vorfall zu erzählen. Hinweis: Sie haben ein Vorstellungsbild darüber, wie polizeiliche Einsatzsituationen aussehen können. Jetzt ist es an der Zeit, die Maßnahmen zur Verfolgung von Straftaten, die Lars und Mia getroffen haben, zuerst einmal aufzulisten, um sie dann auf Rechtmäßigkeit zu prüfen. Folgende Maßnahmen wurden, bzw. werden von den Beamten getroffen und sind folglich zu prüfen:
05 Durchsuchung des Jugendlichen Um in die Grundrechte von Personen eingreifen zu können, müssen Lars und Mia zuständig und ermächtigt sein. Der Zweck der Durchsuchung des Jugendlichen besteht darin, die sich in seiner Kleidung des Jungen befindlichen Sticks zu finden, die der Jugendliche gestohlen hat. Dass Lars und Mia zur Erfüllung dieser polizeilichen Aufgabe (Strafverfolgung) sowohl örtlich als auch sachlich zuständig sind, soll hier nur festgestellt werden. Bei der Durchsuchung des Jugendlichen handelt es sich um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das sich aus Art 2 Abs. 1 GG ableiten lässt und darin besteht, dass es sich bei einer körperlichen Durchsuchung immer um einen Eingriff in die Intimsphäre der jeweils zu durchsuchenden Person handelt, denn solch eine Durchsuchung umfasst auch das Abtasten intimer Körperzonen. Das macht es grundsätzlich erforderlich, dass zu durchsuchende Personen nur von Polizeibeamten gleichen Geschlechts durchsucht werden. Als Ermächtigung für die Durchsuchung kommt § 102 StPO (Durchsuchung bei Beschuldigten) in Betracht.
§ 102 StPO
(Durchsuchung bei Beschuldigten) Lars durchsucht den tatverdächtigen Jugendlichen. Dadurch macht er den Jugendlichen zu einem Beschuldigten. Das wiederum setzt einen hinreichenden Tatverdacht voraus, der aber gegeben ist, weil der Ladendetektiv gesehen hat, wie der Jugendliche die Sticks in seine Hosentaschen gesteckt hat. Folglich kann die Person des Jugendlichen sowie die von dem Jugendlichen mitgeführten Sachen, sollte er zum Beispiel einen Rucksack mit sich führen, durchsucht werden, weil über den Grad bloßer Vermutungen hinausgehend Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Lars in der Kleidung des Jungen die Diebesbeute finden wird. Somit kann festgestellt werden, dass die von Lars durchgeführte Maßnahme auf der Grundlage von § 102 StPO rechtmäßig ist. Auch wenn es sich bei einer Durchsuchung auf der Grundlage von § 102 StPO um eine „Kannvorschrift“ handelt, wird Lars auf die Durchsuchung allein aus Rechtsgründen nicht verzichten dürfen, denn das Legalitätsprinzip verpflichtet ihn dazu, „alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten“, siehe § 163 StPO (Aufgaben der Polizei). Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig, weil mit geringerem Aufwand die Diebesbeute gefunden und an den Geschädigten zurückgegeben werden kann. Da Lars eine Person gleichen Geschlechts durchsucht hat, wurden von ihm auch die zu beachtende Formvorschrift beachtet, die darin besteht, dass Personen nur von Polizeibeamten gleichen Geschlechts durchsucht werden sollen. Dieser Grundsatz lässt sich aus § 81d StPO (Durchführung körperlicher Untersuchungen durch Personen gleichen Geschlechts) nur bedingt ableiten.
§ 81d StPO
(Durchführung körperlicher Untersuchungen durch Personen gleichen
Geschlechts)(1) Kann die
körperliche Untersuchung das Schamgefühl verletzen, so wird sie von einer
Person gleichen Geschlechts oder von einer Ärztin oder einem Arzt
vorgenommen. Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch, die Untersuchung
einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen,
entsprochen werden. Auf Verlangen der betroffenen Person soll eine Person
des Vertrauens zugelassen werden. Die betroffene Person ist auf die
Regelungen der Sätze 2 und 3 hinzuweisen. Was das Gesetz anlässlich körperlicher Untersuchungen zulässt, sollte auch anlässlich körperlicher Durchsuchungen zulässig sein, denn eine Durchsuchung ist ein Weniger im Vergleich zu einer Untersuchung. Denkbar ist aber auch, im hier zu erörternden Sachzusammenhang zur Schließung der erkannten sprachlichen Lücke, denn eine körperliche Untersuchung ist etwas anderes als eine körperliche Durchsuchung, auf eine Regelung zurückzugreifen, die sich aus dem Polizeirecht ergibt.
§ 39 Abs. 3 PolG NRW
(Durchsuchung von Personen) Diese Regelung ist eindeutiger und sollte für alle Durchsuchungen gelten, bei denen Personen durchsucht werden. Festzustellen ist, dass Lars sowohl die gestohlenen Sticks als auch ein Smartphone gefunden hat, das der Junge bei sich führte. Dass Lars die gestohlenen Sachen dem Jungen abnehmen kann, darf und wird, bedarf keiner weiteren Erklärung. Was aber hat mit dem Smartphone zu geschehen? Ist das dem Jungen sofort wieder zurückzugeben, denn es hat ja mit dem Durchsuchungszweck gar nichts zu tun. Lars weiß, dass der Junge nichts sagen will, insoweit muss Lars davon ausgehen, dass der Junge auch Angaben zur Person verweigern wird, obwohl er dazu gesetzlich verpflichtet ist, siehe § 111 OWiG (Falsche Namensangabe).
§ 111 OWiG (Falsche
Namensangabe) Dieses Wissen hat Lars mit in die Durchsuchung einfließen lassen, was im Klartext bedeutet, dass er nicht nur nach Beweismitteln (Beute) sondern auch nach Hinweisen gesucht hat, die es ihm ermöglichen, die Identität des Jungen feststellen zu können, denn das von Lars bei der Durchsuchung gefundene Smartphone macht es möglich, verwertbare Hinweise zur Identitätsfeststellung des Jungen in Erfahrung zu bringen. Voraussetzung für die Benutzung des Smartphones zur Ermittlung von Hinweisen, die bei der Identitätsfeststellung des Jungen von großem Nutzen sind ist, dass das Gesetz eine Identitätsfeststellung des jugendlichen Tatverdächtigen zulässt. 06 Identitätsfeststellung des Tatverdächtigen Die Identität eines Tatverdächtigen kann auf der Grundlage von § 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung) festgestellt werden.
§ 163b StPO
(Maßnahmen zur Identitätsfeststellung) Übertragen auf das Beispiel lässt sich Folgendes feststellen. Bei dem Jugendlichen handelt es sich um einen Tatverdächtigen. Erforderliche Maßnahmen zur Identitätsfeststellung sind gesetzlich zugelassen. Dem Jugendlichen ist zu eröffnen, was ihm vorgeworfen wird, siehe § 163a Abs. 4 S. 1 StPO:
§ 163a Abs. 4 S. 1 StPO (Vernehmund des
Beschuldigten) Zwar vernimmt Lars den Jugendlichen nicht, dennoch hat er dem Jungen zu eröffnen, was ihm vorgeworfen wird, denn jeder Tatverdächtige und auch jeder Beschuldigte hat einen Anspruch auf ein faires Verfahren, das ohne Transparenz nicht möglich ist. Eine Belehrung dient diesem Zweck. Da Lars das Smartphone dem Jungen bereits abgenommen hat, braucht danach nicht mehr im Sinne von § 163b StPO gesucht zu werden, denn zum Zweck der Identitätsfeststellung ließe es die Befugnis auch zu, die Person des Verdächtigen zu durchsuchen, um dabei Ausweispapiere oder andere Hinweise zu finden, die zur Feststellung der Identität dienlich sein können. Ein Smartphone eröffnet solche Möglichkeiten, da in diesem Gerät sich eine SIM-Karte befindet, deren Nummer es zulässt, den Anschlussinhaber in kürzester Zeit ermitteln zu können. 07 Durchsuchung des Smartphones Die Beamten wissen, dass ein Smartphone nur geöffnet werden muss, um die Nummer der SIM-Karte ablesen zu können. Bei dieser Suche nach der SIM-Karten-Nummer handelt es sich um eine Durchsuchung im Sinne von § 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung), denn dieses Ziel soll durch die Maßnahme erreicht werden. Das aber setzt voraus, dass es eine gesetzliche Regelung gibt, die es der Polizei zum Zweck der Identitätsfeststellung des Jungen erlaubt, tatverdächtiger Personen und auch die von diesen Personen mitgeführten Sachen (das Smartphone ist eine mitgeführte Sache) durchsuchen zu können. Eine solche Regelung enthält § 163b StPO, denn zum Zweck der Feststellung der Identität lässt es die Befugnis zu, sowohl die Person des Verdächtigen als auch die von ihm mitgeführten Sachen zu durchsuchen. Dass Lars diesen Zweck zeitgleich mit einem anderen Durchsuchungszweck verbunden hat, nämlich mit dem Motiv, die Diebesbeute zu finden, ist rechtlich unbedeutend, denn zum Zeitpunkt der Durchsuchung durfte der tatverdächtige Jugendliche sowohl auf der Grundlage von § 102 StPO (Durchsuchung bei Beschuldigten) aus auch auf der Grundlage von § 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung) durchsucht werden.
§ 163b StPO (Maßnahmen zur
Identitätsfeststellung) Ich möchte mich kurzfassen: Während Lars sich um den immer noch unbekannten Jungen kümmert, hat Mia das Smartphone geöffnet und die Nummer der SIM-Karte über Funk an die Einsatzleitstelle mit der Bitte übermittelt, eine Bestandsdatenabfrage durchzuführen. 08 Bestandsdatenabfrage Bei einer Bestandsdatenabfrage handelt es sich um einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (RiS), das sich aus Art 2 Abs. 1 GG ableiten lässt. Wie Sie bereits wissen, setzen Eingriffe in Grundrechte voraus, dass die einschreitenden Beamten örtlich und sachlich zuständig und ermächtigt sein müssen. Als Ermächtigung für die Bestandsdatenabfrage kommt § 163 StPO (Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren) in Betracht. Danach ist die Polizei dazu ermächtigt „alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln“.
§ 163 Abs. 1 StPO (Aufgaben der Polizei
im Ermittlungsverfahren) Bei der Bundesnetzagentur handelt es sich um eine Behörde. Diese Behörde hat Zugriff auf alle Bestandsdaten von Personen, die über Telekommunikationsmittel verfügen, mit denen „telefoniert“ werden kann. Smartphones dienen diesem Zweck. Zu klären ist jetzt nur noch, was unter Bestandsdaten zu verstehen ist. Das sind die personenbezogenen Daten, die beim Abschluss eines Telekommunikationsvertrages mit einem Telekommunikationsdiensteanbieter von diesem erhoben worden sind. Dazu zählen alle personenbezogenen Daten, wie Name, Geburtsdatum, Wohnanschrift u.a.. Allein durch das Abfragen der SIM-Karten-Nummer im Wege des automatisierten Abrufverfahrens ist es der Bundesnetzagentur möglich, die personenbezogenen Daten innerhalb von Sekundenbruchteilen in Erfahrung zu bringen, die Mia vor Ort benötigt, um Hinweise zu erhalten, die es ihr ermöglichen, auf der Grundlage dieser Daten die Identität des Jugendlichen feststellen zu können. Auf diese Daten kann auch die Polizei zugreifen. An die Reaktion des Jugendlichen erinnern Sie sich sicherlich noch, als er zur Kenntnis nehmen musste, was der Beamte der Einsatzleitstelle über Funk den vor Ort einschreitenden Polizeibeamten mitteilte. Für den Jungen war jetzt klar, dass er das Ende der Fahnenstange erreicht hatte und ihm nur noch die Möglichkeit blieb, Lars und Mia zu bitten, seine Eltern von dem Vorfall nicht in Kenntnis zu setzen. Festzustellen ist, dass alle Maßnahmen, die bisher im Büro des Ladendetektives getroffen wurden, vollumfänglich geltendem Eingriffsrecht entsprachen und somit rechtmäßig gewesen sind. 09 Rückgabe der USB-Sticks an den Ladendetektiv Die USB-Sticks werden als Beweismittel für das einzuleitende Verfahren nicht benötigt. Folglich brauchen diese Gegenstände auch nicht in amtliche Verwahrung genommen werden. Die Feststellungen durch den Ladendetektiv und die Erkenntnisse, die Lars und Mia vor Ort gewinnen konnten, reichen völlig aus, um den Beweis erbringen zu können, dass der Jugendliche einen Ladendiebstahl begangen hat. 10 Benachrichtigung der Eltern Wenn Lars und Mia das für erforderlich halten, wird sie niemand daran hindern können. Andererseits wissen Lars und Mia aber auch, dass es in NRW einen Erlass gibt, der die „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ regelt.
4.3.3 In allen Kreispolizeibehörden begleiten zum Zwecke der Prävention speziell geschulte Beamtinnen und Beamte die örtlichen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität. Zu diesem Zweck halten sie Verbindung zu den Dienststellen ihrer Behörde, die Sachverhalte bearbeiten, an denen Kinder und Jugendliche beteiligt sind. Gerade der erste Kontakt von tatverdächtigen Kindern und Jugendlichen mit den Strafverfolgungsbehörden kann wesentlichen Einfluss auf ihre zukünftige Entwicklung haben. Die Bearbeitung von Jugendsachen erfolgt durch besonders geschulte und mit der Jugendkriminalität vertraute Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte, durch sogenannte Jugendsachbearbeiterinnen und Jugendsachbearbeiter. Ich denke, dass es besser ist, wenn die Benachrichtigung der Erziehungsberechtigten von Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten vorgenommen wird, die mit der Durchführung von Strafverfahren, die sich gegen Jugendliche richten, bestens vertraut sind. Das bedeutet: Wenn Lars und Mia alle Maßnahmen getroffen haben, die getroffen werden mussten, um eine festgestellte Straftat verfolgen zu können, dann ist der Junge wieder frei zu lassen. Das bedeutet nicht, dass damit für ihn die Angelegenheit erledigt ist. Das, was den Jugendlichen erwartet, ist ein so genanntes Diversionsverfahren, dessen Ziel es ist, jugendlichen Straftäter erfahren zu lassen, wie sich ein gründlich durchgeführtes Strafverfahren tatsächlich als „Erlebnis“ anfühlt. Dieses Erlebnis ist von hohem pädagogischen Wert, denn es dient dem Zweck, dem Jugendlichen seine Grenzen aufzuzeigen. In Anlehnung an die vom Duden verwendete Wortbedeutung im Strafrecht bedeutet Diversion das »Absehen von einer Strafverfolgung zugunsten einer Resozialisierung des Täters«. Das Jugendstrafrecht geht von der Vorstellung aus, dass eine abschreckende Wirkung mit dem Jugendstrafrecht verfolgt wird. Das Verfahren soll dem Jugendlichen die Konsequenzen seines Handelns verdeutlichen und ihm aufzeigen, dass es so nicht geht. Ziel des Jugendstrafrechts hat es bei Ersttätern zu sein, zukünftige Straftaten zu verhindern. Eine Verurteilung kann durch Diversion legal vermieden werden. 11 Der Junge war noch ein Kind Sollte sich im Rahmen der Identitätsfeststellung herausstellen, dass es sich bei dem „jugendlichen Ladendieb“ nicht um einen Jugendlichen, sondern um ein Kind handelt, dann hat das zur Folge, dass alle oben geprüften StPO-Maßnahmen gar nicht hätten durchgeführt werden dürfen, denn gegen Kinder dürfen sich, mangels Schuldfähigkeit, strafprozessuale Maßnahmen nicht richten. Von diesem Grundsatz kann nur dann abgewichen werden, wenn ein Kind von einem erwachsenen Täter sozusagen als Werkzeug missbraucht wird, also ein Kind eine Straftat für den im Hintergrund agierenden Haupttäter begeht, denn dann dient die Identitätsfeststellung eines Kindes dem Zweck, die Person des Haupttäters ermitteln zu können. Dafür bietet das Beispiel aber keinerlei Hinweise. Festzustellen ist, dass gegen ein Kind ein Strafverfahren nicht betrieben werden darf was strafprozessuale Maßnahmen, die sich gegen ein Kind richten, zwangsläufig ausschließt. Alter des Jungen: Nachdem die Identität von Bodo festgestellt worden ist, wissen Lars und Mia, dass der Junge 13 Jahre alt ist und übermorgen, also in zwei Tagen, Geburtstag hat. Der Junge hat Glück gehabt, zum Tatzeitpunkt ist er noch ein Kind und muss wie ein Kind behandelt werden. In zwei Tagen hätte gegen ihn das Strafverfahren betrieben werden können, denn dann hätte er das 14. Lebensjahr vollendet. Was bedeutet diese Sachverhaltsänderung für Lars und Mia? Im Prinzip nichts anderes, als dass die Maßnahmen, die die Beamten getroffen haben, nunmehr auf andere Befugnisse gestützt werden müssen. In Betracht kommen die Befugnisse des Polizeigesetzes. Das setzt aber voraus, dass es sich bei den Maßnahmen, die Lars und Mia durchgeführt haben, auch um erforderliche Maßnahmen handeln kann, die dem Zweck dienen, eine Gefahr abzuwehren. 12 Anwendung von Polizeirecht Bevor die von Lars und Mia getroffenen Maßnahmen in Anlehnung an Befugnisse im Polizeigesetz des Landes NRW (alle anderen Polizeigesetze enthalten vergleichbare Ermächtigungen) geprüft werde, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Ladendetektive Personen, bei denen es sich nicht erkennbar um Kinder handelt, auf der Grundlage von § 127 Abs. 1 StPO (Vorläufige Festnahme) festnehmen dürfen, wenn sie diese Personen auf frischer Tat betreffen. Weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Durchsuchung der Person oder die Feststellung ihrer Identität, lässt das Gesetz Privatpersonen nicht zu. Handelt es sich bei der Person, die von einem Ladendetektiv festgehalten wird, erkennbar um eine Person im Kindesalter, dann kann ein Festhalten nicht mehr auf § 127 Abs. 1 StPO, sondern nur noch auf Selbsthilferechte gestützt werden, die sich aus dem BGB ergeben. In Betracht kommt § 229 BGB (Selbsthilfe).
§ 229 BGB
(Selbsthilfe) Durchsuchungen und Identitätsfeststellungen sieht dieses Selbsthilferecht nicht vor. Aus diesem Grunde hat der Ladendetektiv ja auch die Polizei hinzugezogen, denn nur mit deren Hilfe kann er die Rechte des Geschäftsinhabers schützen, die zu schützen die Aufgabe von Ladendetektiven ist. Aus dieser Perspektive betrachtet fordert der Ladendetektiv von der Polizei Maßnahmen ein, die geeignet sind, private Rechte (die der Geschäftsführung des Supermarktes) zu schützen. Hinsichtlich der polizeilichen Zuständigkeit, die den Schutz privater Rechte betrifft, die auch durch ein Kind bedroht werden können, heißt es im § 1 Abs. 2 PolG NRW (Aufgaben der Polizei) wie folgt:
§ 1 Abs. 2 PolG NRW
(Aufgaben der Polizei) Um solch eine Situation handelt es sich, wenn ein Kind einen „Ladendiebstahl“ begangen hat, und polizeiliche Maßnahmen zum Schutz privater Rechte notwendig sind. Diesen Lösungsweg hätten Lars und Mia zur Anwendung kommen lassen, wenn sie davon überzeugt gewesen wären, dass es sich bei dem jungen Ladendieb um ein Kind handelt, wenn das äußere Erscheinungsbild des Jungen diese Sichtweise sozusagen aufdrängt. Auf die Beamten machte der Junge aber einen älteren Eindruck, so dass ihre Fehleinschätzung der Rechtsstellung des Jungen mit der Realität nicht übereinstimmte. Wenn diese Fehleinschätzung bekannt wird, dann hat das aus Sicht von Lars und Mia zur Folge, dass sie ihr Einschreiten, sollten die Beamten dazu aufgefordert werden, nunmehr nur unter Inanspruchnahme eines anderen, gleichermaßen rechtmäßigen Lösungsweges, begründen. Solch einen gleichwertigen Lösungsweg gibt es im Polizeirecht. Anders ausgedrückt: Lars und Mia sind sowohl örtlich und sachlich zuständig, wenn es darum geht, private Rechtsansprüche zu sichern, und zwar auch dann, wenn die „Bedrohung dieser Rechte“ von Kindern ausgehen, denn bei der Anspruchnahme von Personen zum Zweck der Abwehr von Gefahren kommt es auf deren Schuldfähigkeit nicht an. Anders ausgedrückt: Maßnahmen zur Gefahrenabwehr können sich gegen die Person richten, die die Gefahr verursacht hat, das ist in diesem Fall ein 13-jähriger „Ladendieb“. Da Lars und Mia auch zum Schutz privater Rechte zuständig sind, bleibt jetzt nur noch zu klären, welche Befugnisse des Polizeigesetzes die nachfolgend aufgelisteten polizeilichen Maßnahmen zulassen:
13 Durchsuchung des Kindes Dass es sich beim Abtasten der Kleidung des Kindes um eine körperliche Durchsuchung einer Person handelt, das bedarf keiner weiteren Prüfung. Fraglich ist nur, welche Befugnis des PolG NRW körperliche Durchsuchungen von Personen zulässt.
§ 39 Abs. 1 Nr. 1
PolG NRW (Durchsuchung von Personen) Die Voraussetzungen für ein Festhalten des Kindes für die Dauer der Zeit, die erforderlich ist, um die Identität des Kindes in Erfahrung zu bringen, ist gegeben, siehe § 12 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW (Identitätsfeststellung). Dort heißt es: Die betroffene Person kann festgehalten werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Den Absatz 3 dieser Befugnis kennen Sie schon. Nur zur Erinnerung: (3) Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchsucht werden; das gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. 14 Identitätsfeststellung des Kindes Die Identität des Kindes ist festzustellen, um dem Ladendetektiv bzw. der Geschäftsleitung die Möglichkeit zu geben, gegenüber dem Jungen ein Hausverbot aussprechen zu können. Dazu bedarf es einer postalischen Anschrift, denn Hausverbote werden schriftlich verfügt. Anders ausgedrückt: Die Identität des Kindes ist festzustellen, um eine Gefahr abzuwehren, die darin besteht, dem „Supermarkt“ die Möglichkeit zu geben, ihm zustehende Rechte wahrnehmen zu können. Darüber hinausgehend ist eine Identitätsfeststellung des Kindes auch aus dem Grunde erforderlich, um eine Gefahr abzuwehren, die die „Funktionsfähigkeit der Polizei“ bedrohen würde, wenn Lars und Mia darauf verzichten würden, die Identität des Jungen festzustellen, denn von einer Polizei, die an Gesetz und Recht gebunden ist, muss einfach erwartet werden können, dass sie weiß, gegen welche Personen polizeiliche Maßnahmen getroffen wurden. Auch das ist Gefahrenabwehr. Als Ermächtigung für die Identitätsfeststellung kommt § 12 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW (Identitätsfeststellung) in Betracht.
§ 12 Abs. 1 PolG NRW
(Identitätsfeststellung) Diese Voraussetzungen sind gegeben. 15 Durchsuchung des Smartphones Zweck dieser Suche ist es, die SIM-Karten-Nummer zu finden, um die notwendige Identitätsfeststellung des Jungen zum Zweck der Gefahrenabwehr dadurch zu ermöglichen. Als Ermächtigung für diese Suche kommt § 12 PolG NRW (Identitätsfeststellung) in Betracht, die, genauso wie das bei § 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfestellung) der Fall ist, es der Polizei erlaubt, Personen und von diesen Personen mitgeführte Sachen zu durchsuchen, um Ausweispapiere oder aber andere Hinweise zu finden, die Rückschlüsse auf die Person zulassen.
§ 12 Abs. 2 PolG NRW
(Identitätsfeststellung) 16 Bestandsdatenabfrage Auch diese Maßnahme dient dem Zweck, Hinweise auf die Identität des Kindes zu finden. Auch wenn das Kind selbst den Vertrag mit dem Telekommunikationsdiensteanbieter nicht abgeschlossen haben kann, ist es dennoch naheliegend, das dies Erziehungsberechtigte für den Jungen getan haben, und über deren Bestandsdaten (Name, Wohnort, Anschrift etc.) die Identität des Jungen in Erfahrung gebracht werden kann. In Ermangelung einer spezialgesetzlichen Regelung im PolG NRW in Bezug auf die Durchführung von Bestandsdatenabfragen, kommt als Befugnis für diese polizeiliche Maßnahme die Generalklausel des PolG NRW in Betracht, siehe § 8 PolG NRW (Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung). Dort heißt es:
§ 8 Abs. 1 PolG NRW
(Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung) Gleichermaßen rechtsvertretbar wäre es aber auch, eine Bestandsdatenabfrage als eine besondere Form der eines Datenabgleichs im Sinne von § 25 PolG NRW (Datenabgleich) anzusehen.
§ 25 PolG NRW
(Datenabgleich) Festzustellen ist, dass Mia personenbezogene Daten, dazu zählt auch die Nummer einer SIM-Karte, erhoben hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Polizei über eine eigene Schnittstelle zu den Datenbeständen der Bundesnetzagentur verfügt und somit direkt auf die Daten dieser Behörde zugreifen kann, wenn diese Daten zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben benötigt werden. Hinweis: 2020 haben staatliche Stellen über 17 Millionen Mal Bestandsdatenabfragen durchgeführt, um zum Beispiel feststellen zu können, wem eine Telefonnummer gehört bzw. eine SIM-Kartennummer zugeordnet werden kann. Das bedeutet, dass Behörden sozusagen alle zwei Sekunden eine Bestandsdatenauskunft vornehmen. In der Statistik, die die Bundesnetzagentur jährlich veröffentlicht, heißt es: Im Jahr 2020 wurden insgesamt 17,79 Millionen Ersuchen über das [Automatisierte Auskunftsverfahren] bei der Bundesnetzagentur beauskunftet. Im Vergleich zum Vorjahr wurden damit rund 1,8 Millionen Ersuchen mehr an die Bundesnetzagentur gestellt und von dieser beantwortet. Automatisiertes Auskunftsverfahren bedeutet, dass mit Computern der Zugriff auf diese Datenbestände in Sekundenschnelle durchgeführt werden kann. 17 Rückgabe des USB-Sticks an den Ladendetektiv Für jeden so genannten objektiven Beobachter ist es nachvollziehbar, dass Gegenstände, die dem Verfügungsberechtigten durch eine rechtswidrige Handlung entzogen wurden, dem Geschädigten von der Polizei sofort zurückgegeben werden, wenn das möglich ist und dadurch zugleich auch die abzuwehrende Gefahr im Hinblick auf die weitere Verfügungsgewalt über Eigentum beendet werden kann. Dieser Vernunft folgt auch der § 46 des PolG NRW, der die Herausgabe sichergestellter Sachen an berechtigte Personen regelt. Dass es sich bei dem Ladendetektiv um eine berechtigte Person in diesem Sinne handelt, dürfte offenkundig sein. Diese Form von „Rückgewinnungshilfe“ führt dazu, dem Geschädigten die Verfügungsgewalt über sein Eigentum wieder vollständig zurückzugeben. 18 Benachrichtigung der Eltern Wenn Kinder und Jugendliche strafbare Handlungen begehen, sollte das immer Anlass sein, die Gründe hierfür herauszufinden. Größtenteils sind solche Straftaten entwicklungsbedingte Erscheinungen, die sich mit zunehmendem Alter unter dem Einfluss erzieherischer Maßnahmen wieder verlieren. Lars und Mia wären sicherlich überfordert, diese Gründe im Rahmen ihrer dienstlichen Verwendung herauszufinden und um Lösungswege aufzuzeigen. Dazu gibt es in den Kreispolizeibehörden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die über die dafür erforderlichen Kenntnisse verfügen. Im Übrigen heißt es in der Polizeidienstvorschrift (PDV) 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“, die bundesweit für alle Polizeibehörden gilt, wie folgt:
3.1.1 Sind Kinder verdächtig, eine rechtswidrige Tat begangen zu haben, sind Ermittlungen nur darauf auszurichten, ob
Länderspezifische Regelungen sind zu beachten. Daraus ist zu schließen, dass dann, wenn ein Verbringen zu den Erziehungsberechtigten zur Abwehr einer Gefahr erforderlich gewesen wäre, Lars und Mia den Bodo zu seinen Eltern hätten bringen können. Bei einem 13-jährigen Jungen ist aber wohl kaum anzunehmen, dass er nach seinem Erlebnis mit der Polizei sich das Leben nehmen wird oder aus Angst vor den Folgen von zu Hause weglaufen wird. Ich denke, dass es die bessere Lösung ist, die Bearbeitung von Kinder- und Jugendsachen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu überlassen, denen diese Aufgabe übertragen worden ist. Das ist die so genannte institutionelle Zuständigkeit. 19 Schlussbetrachtung Obwohl Sie sich in diesem Aufsatz mit vielen Detailinformationen beim Lesen auseinandersetzen mussten, bin ich mir sicher, dass, wenn Sie sich die Rahmenhandlung heute, morgen oder auch nächste Woche, bildlich vor Augen führen, Sie sich an vieles erinnern werden, von dem Sie vielleicht jetzt schon meinen, dass Sie das Meiste schon vergessen haben. Das ist aber nicht der Fall, Ihr Gehirn behält mehr, als Sie sich das vielleicht denken. Zumindest dann, wenn Sie sich die Zeit nehmen, sich erinnern zu wollen, wird Ihnen bewusst werden, an wie viele Einzelheiten Sie sich erinnern werden, wenn Sie sich erneut in eine Rahmenhandlung hineinversetzen, die Sie bereits gedanklich verarbeitet haben. Wie dem auch immer sei. Eines dürfte Ihnen beim Lesen deutlich geworden sein, dass auch unter Verzicht auf „gutachterliches Schreiben“ polizeiliches Eingriffsrecht sozusagen in erzählender Form vermittelt werden kann. Dazu gehört auch die Erkenntnis für jeden, der sich auf polizeiliches Eingriffsrecht einlässt, dass es sich dabei um ein Eingriffsrecht handelt, das nicht nur eine Fülle von Detailwissen, sondern auch eine gewisse Anwenderkreativität voraussetzt, polizeiliches Eingriffsrecht so anzuwenden, wie das sich ständig ändernde polizeiliche Alltagslagen nun einmal einfordern. Flexibilität und Kreativität aber sind Elemente, die sich einer gutachterlichen Betrachtung weitgehend entziehen. Gutachterliches Denken ist nur dann sinnvoll und angebracht, wenn es darum geht, bereits abgeschlossenes polizeiliches Handeln einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen, die in anderen Aufsätzen auf dieser Website im Laufe der Zeit von mir vorgestellt werden. Mir ist es zuerst einmal wichtig, Sie für ein Polizeirecht zu interessieren, das aufzeigt, wie polizeiliches Handeln in lebendigen Einsatzlagen sich den jeweils vorgefundenen Gegebenheiten anzupassen hat. Was ich damit meine, das dürfte beim Lesen dieses Aufsatzes deutlich geworden sein.
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