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Home Inhaltsverzeichnis: Umgang mit der Demokratie

Zeitenwende der Illusionen

Inhaltsverzeichnis:

01 Vom Wesen der Demokratie
02 Demokratie heute
03 Die LNG-Illusion
04 Was ist LNG?
05 Fracking
06 LNG-Terminals
07 Transport von LNG
08 Erforderliche Infrastruktur
09 Grüner Wasserstoff
10 Herstellung im Ausland
11 Transport von Wasserstoff
12 Grüner Wasserstoff in Deutschland
13 Produktionsbedingte Umweltgefahren
14 Wasserstoff und Klimaschutz
15 Komplexität von Wasserstoff und Umwelt
16 Wundermittel Wasserstoff?

01 Vom Wesen der Demokratie

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Demokratie setzt voraus, dass diejenigen, die im Auftrag des Volkes entscheiden – zumindest lässt die Demokratietheorie diese Vermutung zu – auch über die Tragweite ihrer Entscheidungen hinreichend nachgedacht haben. Das aber setzt ein „Informiertsein“ voraus, das durch ideologisches Denken nicht verdrängt werden darf. Dort, wo Ideologie die Überhand gewinnt, hört Demokratie auf, eine Demokratie zu sein.

Warum?

Zum Wesenskern einer Demokratie gehört der Wettbewerb der Ideen. Wo dieser Wettbewerb unterdrückt wird, versiegt der Lebensnerv dieser Staatsform. Darüber hinausgehend handelt es sich bei einer Demokratie um eine Art des Zusammenlebens, in der alle daran interessiert sein müssen, den Wandel der Zeit für alle erträglich zu machen. Die Zeitenwende, von der heute in Deutschland landauf und landab gesprochen wird, kann somit nur als ein Kulturwandel verstanden werden, der niemals von heute auf morgen funktionieren wird, sondern wohlüberlegt sein will und vor allen Dingen auch seine Zeit erfordert, in der die Zukunft Schritt für Schritt sichtbar wird und die es erlaubt, eingeschlagene Schritte erforderlichenfalls auch noch korrigieren zu können, was bei einer alternativlosen Transformation, so die Steigerungsform der Nachhaltgkeitsideologie von heute, nicht mehr der Fall sein dürfte. Wie dem auch immer sei: Wer die Zeitenwende in einer Demokratie als einen harten Schnitt definiert, der alternativlose Maßnahmen einfordert, der bereitet, ob er das will oder nicht, damit auch das Ende der Demokratie vor.

Anders ausgedrückt: Entscheider, die nicht informiert sind, weil sie nur eine Sicht der Dinge zu akzeptieren bereit sind, und alle davon abweichenden Meinungen für dummes Geschwätz halten, entzieht der Demokratie den Boden, auf dem sie gewachsen ist. Das ist der Boden der Meinungsvielfalt.

Demokratiegefährdend und auch demokratiezersetzend wird solch ein „Politik des alternativlosen Denkens“ dann, wenn die „Machtinhaber im Staate“ die ihnen zur Verfügung stehenden Machtmittel dazu missbrauchen, zu verhindern, dass die Leute sich umfassend informiert werden, wozu auch die Risiken gehören, die bei jeder Innovation zu erwarten sind.

Das aber kann nach dem hier vertretenen Demokratieverständnis nur kontraproduktiv sein, denn es gehört zu den Aufgaben und Pflichten der Regierenden, das Wahlvolk sowohl über die Vorteile als auch über die Nachteile ihrer Entscheidungen angemessen zu informieren.

Daran fehlt es heute. Mit anderen Worten: Es drängt sich sozusagen der Eindruck auf, dass der Sieg der Gesinnung bereits dazu geführt hat, die Urteilsfähigkeit von Andersdenkenden gänzlich in Frage zu stellen. Das gilt auch für Fragen, die den Bereich des Klimaschutzes betreffen. Auch hier zeichnet sich ab, dass der Sieg der Gesinnung die rationale Urteilsfähigkeit sozusagen eliminiert hat. Solch eine Polarisierung der politischen Überzeugungen kann für eine Demokratie aber nur gefährlich sein. Wie dem auch immer sei. In diesem Aufsatz geht es darum, die beiden Schlüsselwörtern „LNG“ und „Grüner Wasserstoff“ von dem Mythos zu befreien, in deren Aura eine nachhaltige Zukunft Wirklichkeit werden soll, was im Übrigen auch für die anderen Zauberwörter der „Grünen Zukunft“ zutrifft, die hier nicht erörtert werden, als da sind: Windkraft, Sonnenenergie und Elektromobilität.

Damit Sie mich nicht missverstehen, Bei den oben genannten Zauberwörtern der Nachhaltigkeit handelt es sich nicht um technischen Innovationen, die es abzulehnen gilt. Das ist nicht der Fall. Das, was hingegen zum Nachdenken zwingt, ist die Größenordnung, die diese innovative Technik haben muss, um das zu bewirken, was sie bewirken soll: noch mehr, sozusagen grenzenloses Wachstum.

Das, was gemeint ist, lässt sich mit einfachen Worten an Zahlen illustrieren, deren Dimensionen jeder nachempfinden kann.

  • Energieverbrauch in Deutschland 2023 = 100 %

  • Energieverbrauch in Deutschland 2030 = 200 %

  • Energieverbrauch in Deutschland 2050 = 300 %

Anders ausgedrückt: Gesetzt den Fall, dass im Jahr 2050 in Deutschland dreimal so viel Energie benötigt wird, als das bereits heute der Fall ist, dann würde das eine Industrie voraussetzen, deren Ausmaß sich wirklich niemand vorstellen kann. Wer daran glaubt, dass solch eine Industrie nachhaltig im Sinne von „grün“ also klimaneutral geschaffen und dann auch noch klimaneutral betrieben werden kann, der verfügt über eine Glaubensfähigkeit, die nicht einmal die Weltreligionen von ihren Gläubigen einfordern.

02 Demokratie heute

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Am 3. Dezember 2003 sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) im letzten Talk unter der Leitung von Anne Will:

Wir haben die Wirklichkeit noch nicht ganz reingeholt in die politische Diskssion!“

Ob das der Politik jemals gelingen wird, das ist eine Frage, auf die es keine überzeugende Antwort, wohl aber unterschiedlichste Sichtweisen gibt, insbesondere dann, wenn es darum geht, die Zukunftsziele und die damit verbundenen Entscheidungen der Politik, sozusagen schönzureden. Da nimmt das Zukunftsziel der Nachhaltigkeit keine Sonderstellung ein, denn diese Sprachfigur suggeriert, dass nur so der Planet Erde gerettet werden kann.

Dass es dabei auch zu Fehleinschätzungen kommen kann, das soll in diesem Aufsatz nur an zwei Beispielen aufgezeigt werden, deren historische Halbwertzeit schon jetzt deutliche Risse bekommen hat, also kaum Aussicht haben dürfte, sich in Zukunft als die "nachhaltige Wirklichkeit" präsentieren zu können, von deren klimaneutrale Wirkung viele Politiker von heute immer noch fest überzeugt sind.

Genug der Vorrede, denn die Wirklichkeit lässt sich auf Dauer nicht verdrängen.

03 Die LNG-Illusion

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Ich erspare mir das Loblied auf die LNG-Lüge, die dazu geführt hat, mit dem Ton der Überzeugung dem Wahlvolk versprochen zu haben, dass ein preiswerter, sicherer und zukunftsfähiger Ersatzkraftstoff, nämlich LNG, den nicht mehr im ausreichenden Maße zur Verfügung stehenden und überwiegend aus Russland importierten fossilen Rohstoff Erdgas ersetzen zu können. Zwar etwas teuerer, dafür aber auch umweltfreundlicher und nachhaltiger als das bei russischem Erdgas der Fall ist.

Dieses Versprechen hat zwischenzeitlich Risse bekommen, denn seit Mitte November 2023 lassen sich auch in den deutschen Leitmedien Aussagen finden, die zumindest darauf hinweisen, dass LNG alles andere als klimafreundlich ist.

In einem Artikel vom 16. November 2023 heißt es auf Welt.de wie folgt:

Importiertes LNG soll viel klimaschädlicher als Kohle sein.

"Einer neuen US-Studie zufolge ist es viel klimaschädlicher, Energie aus importiertem Flüssiggas (LNG) zu gewinnen, als auf das Verfeuern von herkömmlicher Kohle zu setzen. „Die absoluten Treibhausgasemissionen von LNG sind im schlimmsten Fall um 274 Prozent höher als die von Kohle“, heißt es in der noch nicht veröffentlichten Analyse des Methan-Forschers Robert W. Howarth von der Cornell University".

Wie dem auch immer sei: In unserer kurzlebigen Zeit, in der Meldungen von gestern am Tag darauf meist schon wieder vergessen sind, muss man schon aufpassen, um auch dem Vergessen wissenschaftlicher Erkenntnisse entgegenzuwirken, die zudem wirklich alles andere als neu sind.

Sie erscheinen uns nur neu, denn Mitte November hieß es auch in anderen Medien:

  • ZDF: LNG: Zu viel, zu teuer, schlecht fürs Klima

  • MDR: Klimabilanz: Ist Flüssiggas wirklich schädlicher als Steinkohle?

  • FR: Umweltschädliches LNG: Bundesregierung hat Klima-Folgen kaum berücksichtigt.

Wer durch solche Meldungen überrascht ist, lebt treu nach dem Motto: Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Und das gilt auch für die vergessene Umweltschädlichkeit von LNG, die bereits in Tausenden von Fachartikeln beschrieben worden ist. Im Übrigen sind wir alle daran gewöhnt, die Wirklichkeit nur in einem Spiegel sehen zu wollen und zu können, der die Wirklichkeit schöner erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist.

Wenden wir uns deshalb jetzt der Wirklichkeit zu, die als LNG bezeichnet wird.

04 Was ist LNG?

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Liquified Natural Gas ist zuerst einmal eine Bezeichnung, wie sie unzutreffender nicht sein könnte. Warum? Flüssiges Gas gibt es in der Natur nicht, denn zur Herstellung von LNG ist ein sehr aufwändiges Verfahren erforderlich, denn das an die Oberfläche geholte Gas muss dort auf 160 Grad unter dem Gefrierpunkt abgekühlt werden, damit es überhaupt flüssig wird. Katar dürfte in naher Zukunft wohl der weltweit größte Hersteller von LNG sein, denn die politischen Vertreter dieses Landes haben sich bereits im November 2022 dazu vertraglich verpflichtet, ab 2026 gut 2 Millionen Tonnen LNG an Deutschland zu liefern.

Anders ausgedrückt: Deutschland verbraucht jährlich ungefähr 3 Milliarden Kubikmeter Gas, so dass die Liefermenge aus Katar maximal auf drei Prozent des deutschen Jahresverbrauchs geschätzt wird. Dieses Gas aus Katar zu beziehen ist dennoch befremdlich, weil sich Katar - wegen seiner Haltung gegenüber den Menschenrechten - wohl kaum als ein Vertragspartner für ein Land anbietet, mit dessen Werteverständnis solch eine Politik nicht zu vereinbaren ist.

Zum Glück gibt esda  ja auch noch Exportländer wie Australien oder die USA, deren LNG ebenfalls in Deutschland dringend benötigt wird. Ein kurzer Blick auf die Gewinnung von LNG in den USA, einem Land, das schon seit 2021 bereits der größte Lieferant von LNG für Europa ist.

05 Fracking

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Das flüssig gemachte Gas - zumindest das aus den USA importierte LNG - wird dort durch Fracking gewonnen, also mit einem absolut umweltschädlichen Verfahren dem Menschen nutzbar gemacht. Aber nicht nur das. Auch auf dem Transport geht viel Gas verloren. Schätzungen gehen von 20 Prozent Transportverlusten aus. Weltweit werden diese Verluste von LNG pro Jahr etwa 400 bis 800 Milliarden Kubikmeter Erdgas geschätzt, die in die Atmosphäre entweichen und dabei den Treibhauseffekt verstärken.

Übrigens: Durch Fracking „gewonnenes“ Flüssiggas beziehen wir zurzeit hauptsächlich aus den USA, aus Australien und natürlich auch schon aus Katar. Ein kurzer Blick in die USA, in der zurzeit etwa 85 Prozent des LNG durch Fracking gewonnen wird, soll aufzeigen, wie umweltschädlich dort Flüssiggas gewonnen wird.

Dort werden, um das Erdgas aus dem Gestein pressen zu können, zuerst einmal große Mengen Wasser, Sand und Chemikalien eingesetzt. Man bohrt bis zu mehreren 1000 Metern tief. In den Bohrlöchern entstehen dann, durch das hineingepresste Gemisch von Wasser und Zusatzstoffen, im Gestein lange Risse, so dass das dadurch freigewordene Gas nunmehr an die Oberfläche gelangen kann. Das zurückbleibende Abwasser ist hochgiftig und gelangt natürlich auch ins Grundwasser. Für Mensch und Umwelt ist diese Form der Förderung belastend, zumal für eine Bohrung etwa 19 Millionen Liter Wasser benötigt werden, wobei es sich überwiegend um Süßwasser handelt.

Hinzu kommt ein Fracking-Fluid, das ein Prozent des Wasserverbrauchs ausmacht, also etwa 190 000 Liter „Umweltgift“ pro Bohrung.

Bei diesem Fracking-Fluid handelt es sich um eine giftige und somit äußerst umweltbelastende Substanz, die, wenn sie wieder an die Oberfläche kommt, wie Sondermüll entsorgt werden muss. Zum Glück sind die Bohrlöcher in den USA weit weg von Deutschland. Was hat es uns also zu kümmern, wie LNG in den USA gefördert wird? Hauptsache wir erhalten Gas. Dem Klima wird das wohl kaum schaden. Oder etwa doch? Während in Deutschland Fracking verboten ist, (fragt sich nur, wie lange noch) haben die USA ihre Bohrungen wegen der hohen Nachfrage nach LNG verstärkt, obwohl das Fracking dort zerstörtes Land, vergiftetes Wasser und verseuchte Gebiete zurücklässt.

Warum?

Mit Fracking lässt sich viel Geld verdienen.

Anders ausgedrückt: Wir lagern die Umweltprobleme also nur aus und bezahlen dafür noch viel Geld. Aber auch jenseits der Fördermethode ist flüssiges Erdgas keine sauberere Energie im Vergleich zu Öl und Kohle. Erdgas verbrennt zwar mit weniger Rückständen, als das zum Beispiel bei Kohle der Fall ist, die Gesamtbilanz ist aber trotz allem nicht gut, weil Erdgas, auch NLG, nicht klimaverträglicher als Kohle ist, denn Erdgas besteht zu seinem größten Teil aus Methan, einem extrem starken Treibhausgas, von dem bekannt und nachgewiesen ist, dass dieses Treibhausgas in der gesamten Lieferkette, beginnend bei der Förderung, beim Transport und auch bei der Rückgewinnung von flüssigem Gas in „normales“ Gas und natürlich auch bei der Nutzung dieses Energieträgers, in die Atmosphäre entweicht. Das macht Flüssigerdgas dann in der "Gesamtschau" genauso klimaschädlich wie Kohle.

Wissen von heute: Diese Sichtweise dürfte aber seit Mitte November als nicht mehr zutreffend angesehen werden, denn eine in den USA durchgeführte Studie (Cornell University in Ithaca, New York), geht davon aus, dass LNG gut 274 Prozent mehr Umweltgifte freisetzt, als das Verbrennen von Kohle zur Erzeugung der gleichen Menge Energie.

Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Studie mit solch einem Ergebnis nicht im Auftrag der Frackingindustrie erfolgte.

Übrigens: Methan gilt unter Forschern – und das wird oftmals übersehen - als 80-mal schädlicher für das Klima als CO2. Wer kann das noch als nachhaltig oder gar als zukunftstauglich bezeichnen? Vielleicht sollten wir deshalb doch eher darüber nachdenken, wie wir Erdgas einsparen können, zumal ein Drittel unseres Erdgases im Gebäudesektor verbrannt wird, aber frieren will natürlich auch niemand. Die Fragen, die sich nunmehr stellen, lauten:

  • Wie soll klimafreundlicher geheizt werden?

  • Durch Wärmepumpen und neue Heizungen?

  • Durch eine bessere Wärmedämmung?

  • Durch sparsameren Umgang mit Energie?

Fest steht: Verhaltensänderungen und auch andere - technische - Veränderungen werden unverzichtbar sein. Die Modifizierung des Heizungsgesetzes, auf das sich die Regierungsparteien Ende Juni nach langem Hin und Her 2023 einigten, sieht vor, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden kann. Damit soll die Wärmewende im Gebäudebereich erreicht werden. Es sollen aber keine funktionierenden Öl- und Gasheizungen ausgetauscht werden müssen, zudem sollen defekte Heizungen repariert werden dürfen. Das Heizungsgesetz sieht nunmehr auch vor, dass bei Investitionen in eine klimafreundliche Heizung eine weitere Modernisierungsumlage eingeführt wird, die Vermietern einen Anreiz dazu geben soll, alte Heizungen durch neue zu ersetzen, denn die Förderung und die darüber hinausgehenden Kosten können natürlich an die Mieter weitergegeben werden.

Mieterhöhung soll dann aber geringer ausfallen als ohne Förderung.

Die Jahresmiete soll sich jedoch nicht um mehr als 50 Cent je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen dürfen. Das hört sich neu an, ist es aber nicht, denn diese Mieterhöhungsgrenze entspricht den bisherigen 3 Euro, die innerhalb von 6 Jahren eingefordert werden darf.

Was solls.

Wir sind daran gewohnt, dass Altes nur anderer Worte bedarf, um als eine innovative Neuerung verwendet werden zu können.

Kaum, dass die Modifizierung des Heizungsgesetzes der Öffentlichkeit in den Medien präsentiert wurde, wurde am 29.06.2023 in den Medien darüber berichtet, dass die Union gegen Robert Habecks (Bündnis 90/die Grünen) geplantes Heizungsgesetz Klage bereits beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat. Mehr Dramatik auf der politischen Bühne in Deutschland ist wohl kaum noch möglich.

Doch: Im Ende Juni 2023 konnte noch niemand erahnen (außer denen, die es wissen mussten), dass im November 2023 die Richter des Bundesverfassungsgerichts dem bis dahin üblichen großzügigen Umgang der Regierung mit den Staatsschulden sozusagen ein Ende bereitetet wurde.

Zurück zum LNG.

06 LNG-Terminals

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Um die Klimaschädlichkeit der Nutzung von LNG im Großen, also im industriellen Umfang vertreten und durchsetzen zu können, wird diese „vorübergehende Nutzung fossiler Energien“, so der Sprachgebrauch der Politiker, als ein notwendiges Übel angesehen, das aber bereits dann zumindest kurzfristige Sorgenfreiheit verspricht, wenn nur zwei oder drei schwimmende LNG-Terminals in Betrieb genommen werden.

Eine industrielle Nutzung von LNG sieht aber anders aus. Dazu gleich mehr.

Das große Transportproblem lässt sich nämlich durch solch eine Verniedlichung nur verschleiern, denn der Lieferung von NLG liegen Verträge mit langen Laufzeiten zugrunde, in denen Vertragskürzungen nicht vorgesehen sind. Diese Verträge werden eingehalten werden müssen, oder aber Unsummen von Steuermitteln für entgangene Gewinne zu zahlen sein, wenn LNG nicht mehr benötigt werden sollte. So weit ist es aber noch nicht, denn erst seit September 2022 kommt LNG als flüssiges Erdgas in Wilhelmshaven an. In einem LNG-Terminal, das am 17. Dezember 2022 in Betrieb genommen wurde, wird das angelieferte LNG wieder in Gas umgewandelt.

Diese Anlage ist die erste in Deutschland. Sie wurde in Rekordzeit genehmigt und in Betrieb genommen. In den nächsten vier Jahren sollen noch weitere Terminals entstehen. Acht schwimmende Spezialschiffe, die das Flüssiggas aufnehmen und weiterleiten und drei sehr viel größere Anlagen an Land sollen die Versorgung von Industrie und Privathaushalten mit LNG-Gas sicherstellen.

Anders ausgedrückt: Etwa 400 Tankerladungen sollen die Gasmenge ersetzen, die Deutschland im Jahr 2020 aus Russland importiert hat.

Was weniger bekannt ist: Bei dem (ersten) LNG-Terminal in Wilhelmshaven handelt es sich um ein riesiges Schiff mit dem Namen Hoegh Esperanza. Dieses Schiff konnte nur deshalb in Wilhelmshaven vor Anker gehen, weil der Bundesstaat Victoria in Australien, nahe Melbourne, wegen der hohen zu erwartenden Umweltschäden dieses Terminal nicht haben wollte. Auf gut 80 Seiten begründete das australische Umweltministerium den Verzicht auf das LNG-Terminal, also auf die Hoegh Esperanza damit, dass wegen der hohen zu erwartenden Umweltschäden darauf verzichtet werden müsse, denn die zu erwartenden Chloreinleitungen in die Gewässer des den vorgesehenen Ankerplatz umgebenden Naturschutzgebietes seien einfach zu hoch.

Diese Überlegungen haben jedoch bei der Entscheidung, das Terminal in Wilhelmshaven vor Anker gehen zu lassen, keine Rolle gespielt, obwohl der Ankerplatz sich unweit des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer befindet.

Auf der Website Premier of Victoria vom 30. März 2021 heißt es:

Gasvorschlag aufgrund von Umweltauswirkungen abgelehnt
Zitate von Planungsminister Richard Wynne:

Dies [gemeint ist die Ablehnung] war ein umfassender, offener und transparenter Prozess und das ist das richtige Ergebnis für die lokale Gemeinschaft, die Umwelt und Victoria als Ganzes. Mir ist völlig klar, dass dieses Projekt inakzeptable Auswirkungen auf die Umwelt des Westhafens und die Ramsar-Feuchtgebiete haben würde – es ist wichtig, dass diese Gebiete geschützt werden." [En01]

Das hat die Bundesregierung aber nicht daran gehindert, die Hoegh Esperanza vor Wilhelmshaven vor Anker gehen zu lassen. Vielleicht noch eine Anmerkung am Rande. Dem Eigner der Hoegh Esperanza zahlt der deutsche Steuerzahler ein „Tageshonorar“ in Höhe von 200.000 Euro [En02].

Ein Bild der Höeg Esperanza steht im Internet zur Verfügung [En03].

07
Transport von LNG

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Für den Transport muss das Gas auf minus 160 Grad abgekühlt werden, denn nur dann steht LNG als flüssige Energie zur Verfügung. Dadurch verringert sich das Volumen von Erdgas um das 600-Fache.

Die beiden größten LNG-Transportschiffe waren noch vor wenigen Jahren die Mozah und ihr Schwesterschiffe die Nakilat. Beide LNG-Tanker gehören der Q-Max-Klasse an. Die zwischen 2007 und 2010 gebauten Riesen sind 345 Meter lang und haben eine Kapazität von je 266.000m³. Im Jahr 2021 waren von diesen Transportschiffen bereits 15 Tanker im Betrieb und weitere 249 andere Tanker, die zwischen 170.000 und 210.000m³ LNG transportieren können, sind ebenfalls weltweit im Einsatz. Tendenz steigend, denn LNG soll, nach dem Willen der Bundesregierung, neben Importen aus den USA, vor allem aus den arabischen Staaten per Schiff nach Deutschland transportiert werden, da die zu überwindenden Entfernungen einfach zu groß für eine Pipelinelösung sind.

08 Erforderliche Infrastruktur

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Die neue LNG-Infrastruktur ist heikel: Unfälle oder gar Anschläge könnten katastrophale Folgen haben. Doch nicht nur die Industrie, auch die Politik beruhigt.

Auf der Website der Bundesregierung mit Stand vom 20. Januar 2023 hieß es im Hinblick auf LNG wie folgt:

"Klimafreundlich und krisensicher: Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Energieversorgung in Deutschland klimafreundlicher und zugleich krisensicher zu gestalten - auch als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Wie kann das gelingen?

Durch den Aufbau der Infrastruktur für Flüssiggas-Importe.

Mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz hat die Bundesregierung die Infrastruktur für den Import von Flüssigerdgas zügig ausgebaut. Außerdem mietet die Bundesregierung schwimmende Flüssigerdgas-Terminals an. Dabei war und ist immer klar, dass beim Ausbau der LNG-Infrastruktur für eine bessere Versorgungssicherheit auch die Belange des Umwelt- und Naturschutzes, des Tourismus und der Menschen vor Ort gewährleistet bleiben.

Brücke zur Wasserstoffnutzung:

Das fossile Flüssiggas wird zudem nur vorübergehend eine Rolle spielen. Die neuen Terminals dienen nicht nur dazu, einen beträchtlichen Teil der weggefallenen russischen Gaslieferungen zu ersetzen, sondern stellen auch eine wichtige Brücke zum Umstieg auf künftigen klimafreundlichen grünen Wasserstoff dar. Die Bundesregierung plant von Anfang an, diese Infrastruktur in Zukunft auch für grünen Wasserstoff nutzen zu können. Deshalb sieht das Gesetz für fossiles LNG auch eine Befristung vor. Danach muss auf grüne Energieträger wie Wasserstoff umgestellt werden, damit die Klimaziele erreicht werden". [En04]

09 Grüner Wasserstoff

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Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen. Mit seiner Hilfe ist es möglich, Deutschlands größte Treibhausgas-Verursacher klimafreundlich umzugestalten und gleichzeitig den Technologiestandort Deutschland zu stärken [En05].

Was ist Wasserstoff?

Wasserstoff wird heute zu 95 Prozent unter Verwendung von Erdgas als Energieträger hergestellt. Dabei entsteht viel CO2. Bei der Herstellung von einer Tonne Wasserstoff entstehen bis zu 13 Tonnen CO2 (9 bis 13 t). In Deutschland verursacht alleine diese Produktionsweise ca. 19 Millionen Tonnen CO2.

Fakt ist: Wasserstoff kommt in der Natur nur in gebundener Form vor. Folglich muss es durch den Einsatz enormer Energie gewonnen werden, um dann als Wasserstoff (H2) verfügbar zu sein. Die Herstellung von Wasserstoff erfolgt bei Temperaturen von 800 bis 900 Grad Celsius und einem hohen Druck von etwa 2,5 MPa, was einem Druck von 25.493 Kilogramm pro Quadratzentimeter entspricht. Wasserstoff hat von allen Brenn- und Treibstoffen die höchste massebezogene Energiedichte: 1 kg Wasserstoff enthält ebenso viel Energie wie 2,1 kg Erdgas oder 2,8 kg Benzin.

Im hier zu skizzierenden Sachzusammenhang ist anzumerken, dass, wenn Wasserstoff zum Beispiel als Brennstoff für Nutzfahrzeuge (Pkw, Lkw etc.) eingesetzt werden soll, dafür Brennstoffzellen erforderlich sind, die den Energieträger Wasserstoff verbrennen können. Brennstoffzellen wiederum können zumindest zurzeit noch nicht klimaneutral hergestellt werden. Dennoch haben sie den Vorteil, bei ihrem Einsatz als einziges „Abgas“ reines Wasser zu erzeugen. Das Verbrennen von Wasserstoff ist dennoch nicht emissionsfrei, auch wenn reines Wasser andere Assoziationen erzeugt.

Warum?

Je näher „reines Wasser als Emission verbrannten Wasserstoffs“ an die Grenze der Erdatmosphäre gelangt, umso größer die damit verbundenen Gefahren für die Umwelt. Das hat zur Folge, dass das Verbrennen von Wasserstoff durch Flugzeuge weitaus schädlichere Folgen hätte, als das bei der Nutzung im Straßenverkehr der Fall ist.

Anders ausgedrückt: Wasserdampf, der in die Stratosphäre gelangt, hat dort eine Überlebensdauer von bis zu 1000 Jahren. Erdnah verbrannter Wasserstoff verflüchtigt sich innerhalb einer Woche.

Das hört sich zuerst - was den normalen Straßenverkehr anbelangt - recht gut an.

Dennoch: Wie die Umwelt auf Dauer auf den massenhaft an die Umwelt abgegebenen Rest von mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen reagieren wird, das kann heute noch nicht realistisch eingeschätzt werden. Schätzungen, die auf Studien beruhen, die in Österreich gemacht wurden, gehen davon aus, dass beim erdnahen Freisetzen von Wasserdampf, allein in Österreich dabei etwa 0,5 kg Wasserdampfemissionen pro Quadratmeter pro Jahr anfallen werden, wenn dort in Zukunft so viele mit Wasserstoff betriebene Autos fahren, wie Pkw mit Verbrennungsmotoren heute. Das würde dann in etwa die Hälfte der gesamten Niederschlagsmenge pro Quadratmeter in Österreich ausmachen [En06].

Auch ohne meteorologische Kenntnisse gehe ich als Laie davon aus, dass solch eine gravierende Veränderung der Niederschlagsmenge in Österreich weitreichende Veränderungen nach sich ziehen wird, die eher negativ als positiv zu bezeichnen sind. Vergleichbare Folgen dürften auch in Deutschland zu erwarten sein, wenn dort grüner Wasserstoff in einem Umfang verbrannt wird, den sich heute noch niemand vorstellen kann.

Zurück zur Herstellung von Wasserstoff.

Wasserstoff wird derzeit fast ausschließlich mittels Dampfreformation aus Erdgas hergestellt, also durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe. Herstellungsverfahren unter Verwendung regenerativen Rohstoffen (Wind- oder Sonnenenergie) sind aber schon im Einsatz.

10 Herstellung im Ausland

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"Für die Herstellung von grünem Wasserstoff eignen sich nur solche Länder, mit hoher Sonnenscheindauer. Welche Länder dafür in Betracht kommen, das kann dem ersten globalen PtX-Atlas, den das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) im Sommer 2021 vorgelegt hat, entnommen werden". [En07]

Es lohnt sich, einen Blick auf diesen PtX-Atlas zu werfen, um sozusagen auf einen Blick erkennen zu können, wo grüner Wasserstoff hergestellt werden kann, um dann auch dort – mal mehr und mal weniger kostengünstig – in PtX-Folgeprodukte umgewandelt zu werden, was den Transport über weite Strecken nicht nur vereinfachen, sondern auch wirtschaftlicher, weil kostengünstiger macht.

Europäische Länder sind als mögliche Wasserstoffproduzenten dort nicht ausgewiesen, wohl aber alle Küstenländer des afrikanischen Kontinents die an das Mittelmeer, an das Rote Meer, an Somalia und an den Atlantischen Ozean bis hinunter nach Süd Afrika reichen. Geeignete Produktionsstätte für grünen Wasserstoff gibt es auch in Australien, in Südamerika und natürlich auch in den USA. Bedauerlicherweise sind all diese Produktionsstätten zu weit von Deutschland entfernt, um den dort gewonnenen grünen Wasserstoff per Pipeline nach Deutschland exportieren zu können.

11 Transport von Wasserstoff

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Festzustellen ist, dass es beim Export von Wasserstoff nach Deutschland unvermeidbar sein wird, dafür lange Transportwege in Kauf nehmen zu müssen, denn unbestritten ist, dass Wasserstoff über weite Strecken nicht wie Gas in einer Pipeline transportiert werden kann. Sogar die Entfernung von Katar bis Deutschland wäre dafür einfach zu groß, denn die Strecke von Katar nach Deutschland beträgt immerhin gut 5.800 km, was im Vergleich zu den anderen Exportländern wie Südafrika (Kapstadt ca. 13.000 km) oder Australien (Melbourne ca. 16.000 km) irgendwie doch noch per Pipeline möglich erscheint. Aber entscheiden Sie selbst.

Die beiden zerstörten Gaspipelines in der Ostsee, Nord Stream 1 hatte eine Länge von 1.222 Kilometer und Nord Stream 2, eine Länge von 1.230 Kilometern. Diese Fernleitungen benötigten eine Bauzeit von vielen Jahren. Der Beginn dieses Vorhabens lässt sich auf das Jahr 1969 datieren, als das so genannte Gas-Röhren-Abkommen abgeschlossen wurde.

Beide Rohrleitungen wurden im September 2022 zerstört.

Für mehrere tausend Kilometer lange Transportwege kommt somit nur der Schiffstransport in Betracht, für den schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden muss, damit diese Tanker auch „grün“ fahren können, denn allein der Schiffsverkehr ist für gut 2,6 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.

12 Grüner Wasserstoff in Deutschland

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Auf der Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung heißt es sinngemäß: Grüner Wasserstoff ist zentral für das Erreichen der Pariser Klimaschutz-Ziele: Mit seiner Hilfe ist es möglich, Deutschlands größte Treibhausgas-Verursacher klimafreundlich umzugestalten und gleichzeitig den Technologiestandort Deutschland zu stärken. Wichtigster Anwendungsbereich ist die Industrie: Grüner Wasserstoff kann als alternativer Brennstoff Öfen anfeuern oder zusammen mit CO2 zum Beispiel als Baustein von Polymeren dabei helfen, die fossile Rohstoffbasis der Chemieindustrie zu ersetzen.

An anderer Stelle heißt es: „Nur grüner Wasserstoff ist wirklich klimafreundlich. Denn nur grüner Wasserstoff ist ohne fossile Rohstoffe produzierbar. Erdgas, das für Grauen, Blauen oder Türkisen Wasserstoff eingesetzt wird, muss gefördert werden. Dabei entstehen erhebliche Emissionen, da dabei kleine Mengen an Methan (CH4) entweichen, das etwa 25-mal klimaschädlicher als CO2 ist. Zusätzlich fallen bei der Wasserstoffproduktion, der nicht „Grün“ ist, CO2-Emissionen an. Bei herkömmlichem (Grauem) Wasserstoff fallen während der Spaltung von Erdgas pro Tonne Wasserstoff rund zehn Tonnen CO2 als Abfallprodukt an. Bei Blauem Wasserstoff wird dieses CO2 zwar eingefangen und meist unterirdisch gespeichert – allerdings birgt die Speicherung Risiken, hohe Kosten und wird in Deutschland von der Gesellschaft nicht akzeptiert“. [En08]

Ich denke, dass die bisherigen Ausführungen in ihrer Gesamtschau ausreichen, um einschätzen zu können, ob es sich bei diesen ambitionierten Zukunftsvisionen um menschliche Selbstüberschätzungen oder um realisierbare Pläne handelt, die in diesem Jahrhundert noch umgesetzt werden können, was sowieso nur realisierbar ist, wenn tatsächlich nur grüner Wasserstoff importiert wird, der unter Beachtung ressourcenschonender Herstellung dieses „Gütesiegel“ auch tatsächlich verdient.

Auch dazu gleich mehr.

Noch ein letztes Wort zu den Kosten und zu der Frage, woher der grüne Wasserstoff kommt. Diesbezüglich heißt auf der Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, dass die genauen Kosten derzeit noch nicht absehbar sind. Sicher ist allerdings, dass grüner Wasserstoff umso günstiger wird, je günstiger sich erneuerbarer Strom produzieren lässt und je weiter die Entwicklung der Wasser-Elektrolyse fortschreitet.

An anderer Stelle heißt es: "Deutschland kann den Bedarf an grünem Wasserstoff nicht alleine decken. Wind und Sonne liefern hierzulande nicht genügend Energie. Die Bundesregierung setzt in der Nationalen Wasserstoffstrategie daher auf Kooperationen – unter anderem mit Afrika. Übrigens: Noch ist unklar, wie hoch Deutschlands Bedarf an grünem Wasserstoff 2050 genau sein wird. Fest steht allerdings: Deutschland wird auf Exporte aus dem Ausland angewiesen sein. Denn der Energiebedarf der Bundesrepublik ist höher als die Energiemenge, die Deutschland selbst produzieren kann. So geht das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion zumindest derzeit davon aus, dass Deutschland bis 2050 rund 45 Millionen Tonnen Wasserstoff wird importieren müssen. Das entspricht einer Energiemenge von 1500 Terawattstunden" [En09].

Auch im Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht, ab 2050 in Deutschland nur Energien einsetzen zu wollen, die klimaneutral erzeugt werden. Zumindest für mich stellt sich die Frage, ob solche Phantasien wirklich ernst genommen werden können, zumal es bereits in einer Meldung auf Tagesschau.de vom 17.01.2022 hieß, dass der Leverkusener Chemiekonzern Covestro große Pläne hat, um in Zukunft CO2-Emission zu vermeiden. Er will in gewaltigem Ausmaß grünen Wasserstoff einsetzen, der in Australien von dem dort ansässigen Hersteller Fortescue Future Industries (FFI) produziert werden soll. Die Lieferungen von FFI könnten sich auf bis zu 100.000 Tonnen grünem Wasserstoff und Wasserstoffverbindungen pro Jahr belaufen. Erste Lieferungen soll es bereits im Jahr 2024 geben.

Nur zum Vergleich:

Die deutsche Chemieindustrie benötigt nach Angaben des Branchenverbandes VCI jährlich gut eine Million Tonnen Wasserstoff [En10].

Wie viel Wasserstoff die gesamte Industrie allein in Deutschland benötigen wird, darüber gibt es nicht einmal Schätzungen. Am einfachsten wird es sein, die heute transportierte Menge Rohöl durch die Sprachfigur grüner Wasserstoff zu ersetzen. Und wenn Sie sich jetzt daran erinnern, wie viele Spezialschiffe benötigt werden, um solch eine gigantische Menge grünen Wasserstoffs transportieren zu können, spätestens dann ist es naheliegend, solche Vorstellungen, die in wenigen Jahren realisiert sein sollen, zumindest zu hinterfragen.

13 Produktionsbedingte Umweltgefahren

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Grüner Wasserstoff wird meist mittels Wasserelektrolyse hergestellt, bei der Wasser unter Einsatz von Elektrizität in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Die Elektrizität stammt - im Idealfall - dabei aus erneuerbaren Energien, wie Solarenergie oder Windkraft. Weniger bekannt ist, dass es sich bei der Herstellung von Wasserstoff um einen gefährlichen Eingriff in den Wasserhaushalt handelt. Dies gilt insbesondere für wasserarme Regionen wie Südeuropa, Nordafrika oder für die arabische Halbinsel. Natürlich lässt sich Wasserstoff auch aus Meerwasser und sogar auch aus der Luft gewinnen, was aber, um auf die Gewinnung aus Meereswasser zurückzukommen, dazu führt, dass etwa die Hälfte des benutzten Wassers als Salzlake dem Meer wieder zugeführt werden muss.

Während für die Herstellung eines Kilogramms grüner Wasserstoff 9 Liter Süßwasser benötigt werden, sind bei der Verwendung von Meereswasser 22 Liter erforderlich, von denen 11 Liter als Lake wieder ins Meer zurückgeführt werden. Welche verheerenden Folgen die Entsalzung von Meereswasser für die Umwelt haben kann, dafür gibt es bereits heute eine Vielzahl von Beispielen, die Anlass zur Besorgnis geben. Denn nicht einmal für die Gewinnung von Trinkwasser kann die Entsalzung von Meereswasser als umweltschonend angesehen werden, woraus geschlossen werden kann, dass Meerwasserentsalzung für die Gewinnung von grünem Wasserstoff erst recht auf der Roten Liste stehen sollte/müsste.

Warum?

Zum einen hat die Entsalzung nicht nur Vorteile, sondern auch erhebliche Schattenseiten, denn Entsalzungsanlagen erzeugen heute schon täglich weltweit etwa 142 Millionen Kubikmeter konzentrierter Salzlauge, die entweder dem Meer wieder zugeführt, in Flüssen oder Seen entsorgt, oder anderweitig der Natur überlassen wird. Zurzeit gibt es etwa 16.000 Entsalzungsanlagen in 177 Ländern. Ihre Zahl hat sich seit den 1980er Jahren fast verzehnfacht. Zusammen produzieren diese Anlagen jeden Tag gut 95 Millionen Kubikmeter „frisches“ Trinkwasser [En11].

Hinzuzufügen wäre, dass dabei ebenfalls 95 Millionen Kubikmeter Salzlake täglich anfallen. Aber nicht nur die starke Salzlake, auch die in der Lake enthaltenen Chemikalien, wie Magnesium, Natrium, Calcium, Kalium, Brom, Kupfer, Chlor und Lithium schaden der Natur. Festzustellen ist, dass durch die Sole in den Gewässern der Sauerstoff und der Anteil an gelöstem Sauerstoff vermindert werden [En12].

Aber nicht nur die Umweltunverträglichkeit, auch der für die Entsalzung benötigte Energieaufwand ist in Anlehnung an Frank Rogalle, dem Innovationsdirektor bei Aqualia in Madrid, Spanien, das Wasserdienstleistungen für 20 Millionen Menschen bereitstellt, von ausschlaggebender Bedeutung.

Um Wasser zu entsalzen, braucht man das Zehnfache an Energie als bei jeder anderen Wasserquelle.“ Der CO2-Fußabdruck der Wasserentsalzung ist beträchtlich: Entsalzungsanlagen von industriellem Ausmaß wie die riesige Anlage in Ras al-Khair in Saudi-Arabien benötigen in der Regel dafür ein eigenes Kraftwerk.“

Aus diesem Grunde rät der Fachmann:

Zuerst sollten wir den Wasserverbrauch minimieren und Wasser dann wiederverwenden, wenn es möglich ist. Die Entsalzung ist nur für den dringendsten Bedarf gedacht. Ohne diese anderen Maßnahmen ist sie einfach nicht nachhaltig.“ [En13]

Das gilt erst recht, wenn zur Gewinnung grünen Wasserstoffs Meereswasser in einem Umfang entsalzt werden muss, dessen Ausmaß die Entsalzung von Meerwasser zur Trinkwassergewinnung wahrscheinlich als bedeutungslos erscheinen lassen wird.

Warum wird das so sein?

Entsalzungsanlagen produzieren schon heute mehr giftige Sole als erwartet. Mit dem jährlich anfallenden Abwasser könnte man Österreich und die Niederlande etwa 30 Zentimeter hoch mit Salzlake bedecken [En14].

Wenn erst einmal der weltweite Energiebedarf durch grünen Wasserstoff, der wohl überwiegend aus Meerwasser gewonnen werden wird, weil die Menschheit sonst verdursten würde, zur Verfügung steht, dann kann davon ausgegangen werden, dass ganz Europa mit der dabei anfallenden Salzlake mindestens 30 Zentimeter unter Wasser gesetzt werden könnte.

Sollte diese Menge Salzlake wieder dem Meer zugeführt werden, dann lassen sich die damit verbundenen Umweltauswirkungen auf das Leben in den Ozeanen nur erahnen. In Verbindung mit dem sich bereits dort befindlichen Plastikmüll dürfte es dann wohl keinem Meerestier mehr möglich sein, sich dort heimisch zu fühlen.

14
Wasserstoff und Klimaschutz

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Der „Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU)“, der seit 1972 die Bundesregierung berät und somit als eine der ältesten Institutionen wissenschaftlicher Beratung für die deutsche Umweltpolitik anzusehen ist, hat sich in einer Stellungnahme zum „Wasserstoff im Klimaschutz“ wie folgt positioniert:

Das globale Angebot für grünen Wasserstoff hängt davon ab, wie schnell der weltweite Ausstieg aus fossiler Energieerzeugung und der Ausbau erneuerbarer Energien in den Exportländern vorangehen. Aus heutiger Sicht werden Importe erst im Laufe der 2030er Jahre eine signifikante Rolle spielen. [...]. Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass grüner Wasserstoff vor allem aus dem europäischen Ausland und den Anrainerregionen wirtschaftlich per Pipeline importiert werden kann.“

Anders ausgedrückt:

Grüner Wasserstoff sollte aus Spanien, Italien und anderen europäischen Regionen importiert werden, in denen die Sonne scheint. Als Grund dafür gibt der SRU an, dass transkontinentale Importe von Wasserstoff auch langfristig nur bedingt wettbewerbsfähig sind, soweit es sich bei den Importen nicht um PtX-Folgeprodukte wie Ammoniak, synthetische Kraftstoffe oder E-Fuels handelt, also um Folgeprodukte, die auch von weiter entfernt liegenden Standorten importiert werden können.

Aber so der Sachverständigenrat:

Alleine der Einsatz erneuerbarer Energien ist nicht hinreichend, um eine umweltfreundliche und nachhaltige Wasserstoffherstellung und -nutzung sicherzustellen. Weitere notwendige Bedingungen sind, dass Suffizienz- und Effizienzmaßnahmen den Wasserstoffbedarf insgesamt begrenzen und die Wasserstoffherstellung umfassende Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt.“

Daher die Mahnung des Sachverständigenrates:

Wird nicht frühzeitig auf ambitionierte Nachhaltigkeitskriterien innerhalb eines transparenten und überprüfbaren Zertifizierungssystems geachtet, droht eine Externalisierung des ökologischen Fußabdrucks Deutschlands in Form von Flächen-, Rohstoff- und Wasserverbrauch. Gerade der Wasserverbrauch könnte im Ausland gravierendere soziale Auswirkungen haben als im Inland, beispielsweise wenn die exportierenden Länder in trockenen Regionen liegen." [En15]

Hinsichtlich der Kostenfrage habe ich der Stellungnahme entnehmen können, dass grüner Wasserstoff stets erheblich teurer sein wird als grüner Strom und PtX-Folgeprodukte wiederum teurer sein werden als Wasserstoff.

Dennoch wird in einigen Industriezweigen, etwa der Stahl- und der chemieschen Industrie, aber auch in der Zementherstellung sowie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr auf PtX-Folgeprodukte wohl nicht verzichtet werden können.

Unahbängig davon: Ehrlich gesagt kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sich die Manager von Zementwerken sich irgendwann doch dazu entschließen werden, auf das Verbrennen von Plastik zu verzichten, das zwar eigentlich recycelt werden sollte, was aber nicht geschieht, weil die Betreiber von Zementwerken Plastik gern verbrennen. Grund dafür ist, dass sie dafür vom Staat noch einen angemessenen Geldbetrag erhalten.

Anders ausgedrückt: Eine billige Verfahrensweise durch eine kostenpflichtige zu ersetzen, das ist nicht jedermanns Sache. Das gilt auch für die Betreiber von Zementwerken.

Zurück zu den PtX-Folgeprodukten. Beim Schwerlastverkehr werden PtX-Folgeprodukte als Energieträger dann erforderlich werden, wenn sich der Schwerverkehr nicht elektrifizieren lässt. Zwischenzeitlich wissen wir, dass dieses Problem wohl nicht mit Oberleitungen gelöst werden kann, die auf Bundesautobahnen den Schwerverkehr mit elektrischem Strom versorgen, das erfuhr die bundesdeutsche Öffentlichkeit am 7. August 2023 in den Nachrichten der Tagesschau.

Tagesschau.de: „Sie [die Oberleitungen], sollten den Lastverkehr auf Deutschlands Straßen umweltfreundlich und klimaneutral machen: Lkw mit Oberleitungen. In drei Bundesländern gibt es Teststrecken. Doch eine Zwischenbilanz fällt eher nüchtern aus“. [En16]

Die Wahrheit lässt sich auch anders formulieren, etwa so:

Durch dieses aberwitzige Klimarettungsprojekt wurden insgesamt 190 Millionen Euro an Steuergeldern verbrannt. Vernichtender kann die Niederlage eines Klimarettungsprojekts gar nicht ausfallen. Trotzdem: Wer schon im Vorfeld an der Nachhaltigkeit solcher Projekte zweifelt, und der Zweifler gab es viele, der steht nicht nur dem Fortschritt im Weg, der kann sogar, zumindest aus Sicht der Klimaideologen, nicht einmal richtig denken.

15 Komplexität von Wasserstoff und Umwelt

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Bei dem folgenden Versuch, komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen, kann es sich nur um ein vorsichtiges Herantasten an die Folgen handeln, die eintreten werden, wenn wirklich weltweit grüner Wasserstoff an die Stelle fossiler Energieträger treten würde. Deshalb möchte ich dieses Kapitel mit einem Satz von Ortega y Gasset beginnen:

Wir wissen nicht, was geschieht, und das ist es, was geschieht.“

Dieser Satz ist wahr, denn sogar die Gegenwart kann von jedem von uns nur an ihrer Oberfläche wahrgenommen werden. Außerdem wird das Erkennen der Wirklichkeit nicht nur durch die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit und deren Veränderungen, sondern auch durch die Komplexität der Globalisierung sozusagen aus dem Gleichgewicht gebracht.

Anders ausgedrückt: Wir sind verwirrt, eigentlich ratlos, aber dennoch darum bemüht, durch unkalkulierbaren Aktivismus das in Ordnung zu bringen, was uns bedroht. Diesen Zustand einer verloren gegangenen Ordnung wieder herzustellen, das wird nicht einfach sein. Was bedeutet das bei der Herstellung von grünem Wasserstoff?

Grüner Wasserstoff setzt zur Herstellung desselben eine Unmenge von Energie voraus, die damit der Wasserstoff überhaupt "grün" sein kann, natürlich ebenfalls  „grün“ erzeugt worden sein muss. Ich denke, dass es ausreicht, die klimaneutrale Illusion dieses Vorhabens am Beispiel der Sonnenenergie kurz aufzuzeigen:

Dort, wo grüner Wasserstoff produziert werden soll, handelt es sich um Länder mit hoher Sonnenscheindauer. Wie Sie bereits wissen, wird es erforderlich sein, für Produktionsstätten, die grünen Wasserstoff herstellen sollen, eigene Kraftwerke zu errichten, die im ausreichenden Maße elektrische Energie aus dem Sonnenlicht erzeugen können, die für die riesige Menge benötigten grünen Wasserstoffs nun einmal benötigt wird. Dafür sind Solarparks von unvorstellbar großem Umfang erforderlich.

Platz 1:
Solarpark
Bhadla in Indien

57 Quadratkilometern groß mit einer Leistung von 2.245 Megawatt.

Platz 2:
Huanghe
Hydropower Hainan Solar-Park in China

Der Solarpark besteht insgesamt aus 672 Photovoltaikanlagen.
Insgesamt verfügt die Anlage über mehr als 7 Millionen Photovoltaik-Module.

Platz 3:
Pavagada-Solar-Park
in Indien
Die Anlage umfasst eine Fläche von 53 Quadratkilometern
[En17].

Bei der Suche nach geeigneten Bildern im Internet habe ich kein Bild finden können, dass eine dieser Anlagen in Gänze abgebildet hätte. Dennoch: Schon die Teilausschnitte machten deutlich, dass Menschen keine Grenzen akzeptieren wollen.

Übrigens: Dass von Anlagen in dieser Größenordnung wirklich sehr viele benötigt werden, um auf fossile Energien verzichten zu können, das halte ich eher für eine Unter- als eine Übertreibung. Natürlich werden zur Herstellung der Solarmodule auch die dafür erforderlichen Rohstoffe benötigt und, da solche Anlagen eine Lebensdauer von maximal 30 Jahre haben, sollte auch im Hinblick auf die absehbare Entsorgung und Erneuerung solcher Anlagen zumindest ein Plan vorgehalten werden, der den Anforderungen von Nachhaltigkeit zu entsprechen vermag, soweit dieses Wort in der politischen Diskussion von heute überhaupt ernst zu nehmen ist.

Dass die dafür erforderliche Produktions- und Infrastruktur zuerst einmal zu schaffen sein wird, das sei nur am Rande angemerkt.

Natürlich muss der gewonnene grüne Wasserstoff auch transportiert werden. Wie groß die dafür erforderliche Flotte von „Tankerschiffen“ sein muss, darüber möchte ich lieber nicht spekulieren. Gleiches gilt natürlich auch für die Infrastruktur in den Importländern, die natürlich auch dort gigantische Investitionen voraussetzen, um mit dem grünen Wasserstoff das tun zu können, wovon die Träumer von heute träumen.

Zurück in die „Wasserstoff für Deutschland“ herstellenden Exportländer.

In einem Land wie Südafrika zum Beispiel, in dem die Bevölkerung ihren Energiebedarf zu 90 Prozent aus Energien abdeckt, die aus fossilen Rohstoffen erzeugt werden, wirkt es zumindest auf mich befremdlich, wenn gerade solche Länder es sein sollen, die klimaneutralen grünen Wasserstoff nach Deutschland exportieren sollen, anstatt den "klimaneutral" erzeugten Strom für die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu nutzen, um dadurch zugleich auch im eigenen Land einen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können.

Eine Antwort darauf, warum das so nicht sein wird, lässt sich mit einem Satz zum Ausdruck bringen. Folge der Spur des Geldes und du weißt, wie auch der neue, bezahlte Kolonialismus funktionieren wird.

16 Wundermittel Wasserstoff?

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Bisher hat es noch keine Erfindung gegeben, die die Bezeichnung Wundermittel tatsächlich verdient, denn Wundermittel dürfen per Definition keine negativen Begleiterscheinungen aufzeigen, denn wenn sie das tun, dann können sie keine Wundermittel sein, es sei denn, dass gerade diese Unvorhersehbarkeit jedem Wundermittel als eine immanente Wahrheit zugesprochen wird und es somit – sozusagen  wirklich - ein Wunder wäre, wenn Nebenwirkungen ausblieben.

Dieser Mut zur Wahrheit fehlt jedoch im Zusammenhang mit der Sprachfigur des „Grünen Wasserstoffs“. Allein das Wort „grün“ macht das dazugehörige Substantiv „Wasserstoff“ so sympathisch, dass sich dadurch kritisches Denken sozusagen verbietet, denn grüner Wasserstoff ist alternativlos. Punkt.

Unterstellte Wunder vermag grüner Wasserstoff aber nur dann zu leisten, wenn die dafür erforderliche Infrastruktur vorhanden ist.

Dazu heißt es auf der Website des BMBF vom 26. Juli 2023 wie folgt:

BMBF 2023: "Grundvoraussetzung für den Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft ist, dass Wasserstoff überhaupt in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Und zwar dort, wo er gebraucht wird. Ein über 11.000 Kilometer langes Wasserstoff-Kernnetz soll daher bis 2032 alle großen Wasserstoff-Einspeiser mit allen großen Verbrauchern verbinden. Zudem soll das Wasserstoff-Tankstellennetz umfangreich ausgebaut werden. Parallel arbeitet das Wasserstoff-Leitprojekt TransHyde bereits daran, alle marktrelevanten Wasserstoff-Transport-Technologien weiterzuentwickeln, zu testen und zu analysieren, wann, wo und unter welchen Voraussetzungen welche Transportmethode die beste ist". [En18]

Die bis 2032 zur Verfügung stehende Zeit wird dafür wohl kaum ausreichen, denn zurzeit wir ja noch daran geforscht, aus welchem Material die dafür benötigten Rohre bestehen müssen, damit der Wasserstoff nicht durch die Rohrwände entweicht.

Es gibt nicht einmal ein Planfeststellungsverfahren und erst recht noch keine Ausschreibung für die 11.000 Kilometer umfassende Investition in das Fernleitungssystem der Zukunft. Also: Weder Kapital noch Investoren und auch noch keine Genehmigungen stehen für dieses ehrgeizige Projekt zur Verfügung. Und was ebenfalls noch in weiter Ferne liegen dürfte, das ist eine insgesamt funktionierende Wasserstoffwirtschaft.

Anders ausgedrückt: Zur Realisierung dieses Großprojektes wird es wohl erforderlich sein, ein Sondervermögen in einer bisher noch nie dagewesenen Größenordnung sozusagen an der Schuldenbremse des Grundgesetzes vorbeizuleiten.

Übrigens: Wasserstoff ist auch gefährlich.

Nur zur Erinnerung:

Explodierender Wasserstoff hat dafür gesorgt, dass der Zeppelin Hindenburg, das Raumschiff „Challenger“ sowie die Reaktorblöcke in Fukushima nicht so funktionierten, wie das eigentlich hätte der Fall sein müssen. Sie wurden durch die Explosion von Wasserstoff zerstört.

Dennoch: Wasserstoff ist das Energiewundermittel von morgen. Auch wenn dieser Stoff eine große Zerstörungskraft hat: Was solls. Dieser Stoff soll garantieren, dass unsere Art zu leben klimaneutral werden wird, denn dieser Stoff wird den Verkehr, das Heizen, die Stromerzeugung, aber auch die Industrie revolutionieren, anders ausgedrückt: kohlendioxidfrei machen.

Und das, obwohl Wasserstoff in Deutschland nicht einmal im ausreichenden Umfang hergestellt werden kann. Aus diesem Grunde scheint es ja auch ein Ziel der Bundesregierung zu sein, eine ganze Industrie nach Afrika auszulagern und ein dazugehöriges weltumspannendes Transportsystem zu finanzieren, damit Wasserstoff im erforderlichen Umfang überhaupt nach Deutschland gelangen kann.

Wenn die dafür erforderlichen Billionen von Euro durch die Erhöhung der Geldmenge in Deutschland geschaffen werden sollen, dann dürfte die Inflation eine Größenordnung erreichen, die bereits heute in der Türkei anzutreffen ist. Und wenn dieses Geld von privaten Geldgebern geliehen werden soll, dann wird der Steuerzahler für die anfallenden Zinszahlungen zur Kasse gebeten werden, denn es dürfte wohl kaum zu erwarten sein, dass zum Beispiel Bayer Leverkusen die Kosten für die Pipelines tragen wird, die gebaut werden müssen, um dieses Industrieunternehmen mit grünem Wasserstoff zu versorgen.

Anders ausgedrückt: Die Zukunft wird Verteilungskämpfe hervorbringen, an denen die bundesdeutsche Demokratie möglicherweise zerbrechen wird. Anzunehmen ist, dass im Gegensatz zur Neujahrsansprache des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brand (SPD) zum Jahreswechsel 1970/71, der heute amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wohl nicht mehr ernst genommen werden würde, wenn er zum Jahreswechsel 2023/24 den Altbundeskanzler Willy Brandt (1913 bis 1992) zitieren würde, der 1970/71 von „Geborgenheit im gesicherten Fortschritt“ sprach.

Diesen Zustand des Wohlbefindens verstand Willy Brand ganz im Sinne eines Satzes, der aus seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 stammt, und der sozusagen zu einem geflügelten Wort wurde. Dieser Satz hatte folgenden Wortlaut: „Wir wollen mehr Demokratie wagen!“

Der Zustrand der Selbstzufriedenheit, den Willy Brand "Geborgenhzeit im gesicherten Fortschritt" nannte, dauerte aber nicht lange, denn bereits kurz nach dem Ausbruch des arabisch-israelischen Jom-Kippur-Krieges am 6. Oktober 1973, der die Welt an den Rand eines Atomkrieges führte, wurde der "gesicherte Fortschritt" sozusagen abrupt durch die durch den Krieg ausgelöste Ölkrise sozusagen zum Stillstand gebracht, einer Rezession, die erst gegen Ende der 1970er Jahre von den Wachstumskräften der Stabilitätspolitik der 1980er Jahre wieder in ihr Gegenteil verkehrt werden konnte, denn die 1980er Jahre können durchaus als eine langanhaltende konjunkturelle Aufwärtsentwicklung verstanden werden, die Wohlstand für 80 bis 90 Prozent der Gesellschaft schaffte und die heute wohl als die ökonomisch beste Zeit der alten Bundesrepublik angesehen werden kann.

Die theoretische Grundlage für die damalige Stabilitätspolitik lieferte John Maynard Keynes (1883 bis 1946).

Die neue Bundesrepublik, also die nach der Zeitenwende, die Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 im Deutschen Bundestag verkündete, lässt sich heute, fast zwei Jahre später, nur als ein Eingeständnis verstehen, dass es mit den guten Zeiten der alten Bundesrepublik Deutschland zumindest für eine nicht absehbare Zeit zuerst einmal vorbei ist. Wie dem auch immer sei.

Der Glaube an eine erneute Stabilitätspolitik auf der Grundlage der ökonomischen Erkenntnisse von John Maynard Keynes, hat auch heute noch seine Anhänger, obwohl eine noch größere, als die bereits bestehende Geldmengenvermehrung Probleme schaffen wird, die dann wohl letztendlich nicht mehr beherrschbar sind. Aber der Glaube stirbt ja bekanntermaßen zum Schluss.

Das Rezept von heute heißt sparen und investieren.

Anders ausgedrückt: So tun, als ob es ausreichen würde, durch ein wenig Schönfärberei am Preis von Massengütern (Strom, Gas, Benzin und Diesel) eine verängstigte Volkswirtschaft sozusagen wieder auf Trab bringen zu können, daran zu glauben fällt wirklich schwer.

Das Gegenteil hat dieses Vorhaben bereits bei den Landwirten ausgelöst.

Deren Reaktion auf die von der Bundesregierung angekündigte Streichung der Subventionen für Diesel, hat diesen Berufsstand sozusagen zum Kochen gebracht. Während die Grünen diese Entscheidung(noch) verteidigen, hat Finanzminister Lindner bereits die Bereitschaft verkündet, die Beschlüsse durch andere Kürzungsmaßnahmen zu ersetzen.

Deutschlandfunk vom 16.12.2023: "Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Rukwied, forderte SPD, Grüne und FDP auf, die Pläne zu den Streichungen zurückzuziehen. Ansonsten habe die Landwirtschaft keine Zukunft. Für Montag kündigte der Bauernverband eine Demonstration am Brandenburger Tor an. Bereits gestern gab es in mehreren Bundesländern erste Proteste". [En19]

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Februar 2022 angekündigte Zeitenwende wird noch so manche Merkwürdigkeit, insbesondere im Hinblick auf den Zustand der Demokratie von heute in Deutschland, zu Tage bringen, denn die eigentliche Zeitenwende steht uns wohl noch bevor.


17 Quellen

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Endnote_01
Gas Proposal Ruled Out Due To Environmental Impacts. Quotes attributable to Minister for Planning Richard Wynne.
www.premier.vic.gov.au/gas-proposal-ruled-out-due-environmental-impacts. Übersetzung von mir.
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Endnote_02
Focus.de vom 14. Mai 2022. Import von Flüssiggas 200.000 Euro Miete pro Tag: Der deutsche Gas-Plan mit schwimmenden Terminals.
https://www.focus.de/finanzen/news/import-von-fluessiggas-mietkosten-200-000-euro-pro-tag-
der-deutsche-gas-plan-mit-schwimmenden-terminals_id_96733556.html
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Endnote_03
Bild der Höeg Esperanza
https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6egh_Esperanza#/media/
Datei:HOEGH_ESPERANZA_3750.jpg
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Endnote_04
Klimafreundlich und krisensicher
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/
energieversorgung-sicherheit-2040098
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Endnote_05
Bundesministerium für Bildung und Forschung. Wissenswertes zu grünem Wasserstoff. Nationale Wasserstoffstrategie.
https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/
wissenswertes-zu-gruenem-wasserstoff.html
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Endnote_06
Umweltbundesamt Österreich 2006. Emissionen von Wasserstofffahrzeugen - Abschätzung der Emissionen von wasserstoff- und brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen.
https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0012.pdf
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Endnote_07
Fraunhofer IEE | Global PtX Atlas.
https://maps.iee.fraunhofer.de/ptx-atlas/
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Endnote_08
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Warum brauchen wir grünen Wasserstoff:
https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/
wissenswertes-zu-gruenem-wasserstoff.html
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Endnote_09
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Warum brauchen wir grünen Wasserstoff:
https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/
woher-soll-der-gruene-wasserstoff-kommen.html
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Endnote_10
Tagesschau.de vom 17.01.2022. Grüner Wasserstoff für Covestro. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gruener-wasserstoff-australien-covestro-101.html
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Endnote_11
Vgl. Scinexx.de vom 16. Januar 2019. Die Schattenseite der Entsalzung.
https://www.scinexx.de/news/geowissen/die-schattenseite-der-entsalzung/
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Endnote_12
Vgl. br24.de vom 9.7.2019. Wasserverschmutzung durch Meerwasserentsalzungsanlagen.
https://www.br.de/nachrichten/wissen/wasserverschmutzung-durch-
salzlauge-meerwasserentsalzungsanlagen,RF8J1Ui
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Endnote_13
Cordis.europa.eu. Forschungsergebnisse der EU: Warum können wir unser Trinkwasser nicht aus dem Meer gewinnen?
https://cordis.europa.eu/article/id/435727-why-can-t-we-get-
our-drinking-water-from-the-ocean/de
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Endnote_14
Nationalgeographic.de vom 21. Januar 2019. Entsalzungsanlagen produzieren mehr giftige Sole als erwartet.
https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2019/01/
entsalzungsanlagen-produzieren-mehr-giftige-sole-als-erwartet
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Endnote_15
Vgl.: SRU. Juni 2021: Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse.
https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_
Stellungnahmen/2020_2024/2021_06_
stellungnahme_wasserstoff_im_klimaschutz.pdf?__blob=publicationFile&v=4
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Endnote_16
Tagesschau.de vom 7. August. Klimafreundliche Lkw. Zweifelhafte Versuche mit Oberleitungen.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/
lkw-klimaneutral-lastwagen-100.html
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Endnote_17
Vgl. Photovoltail.one vom 18. Februar 2022. Die größten Photovoltaikanlagen der Welt.
https://photovoltaik.one/top-3-der-groessten-
photovoltaikanlagen-der-welt
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Endnote_18
https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/energiewende-und-nachhaltiges-
wirtschaften/nationale-wasserstoffstrategie/nationale-wasserstoffstrategie_node.html
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Endnote_19
Deutschlandfunk vom 16.12.2023: Landwirtschaft: Bauern laufen Sturm gegen geplante Kürzung der Agrardiesel-Subventionen – Habeck verteidigt Entscheidung
https://www.deutschlandfunk.de/bauern-laufen-sturm-gegen-geplante-kuerzung-
der-agrardiesel-subventionen-habeck-verteidigt-entscheid-102.html
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