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Berufsgefahren - Straftat durch Unterlassen möglich
Vor Schießerei davongelaufen:
AG Schwelm 2021: Die Angeklagten hatten [...] bedingten
Vorsatz in Bezug auf die Körperverletzung eines anderen Menschen und die
Körperverletzung durch Unterlassen. Sie wussten, dass der Kollege E
durch Schüsse verletzt werden könnte, und nahmen dies in Kauf. Sie haben
sich mit dem möglichen Erfolgseintritt abgefunden. [...]. Die
Angeklagten hatten Todesangst im Hinblick auf ihre eigene Person, aber
auch um den Kollegen E. Aus der Situation wollten sie aus Fluchtreflex
einfach nur weg. Darüber hinaus oblag den Angeklagten eine
Garantenpflicht. Die Angeklagten waren als Polizeibeamtinnen im Einsatz
und unterliegen damit der Garantenpflicht. Zudem war die ihnen
obliegende Handlung auch zumutbar. Die Angeklagten hatten nicht die
Pflicht, dem Schützen entgegenzurennen und sich dadurch in Gefahr zu
bringen. Aus der Position heraus, in der sich die Angeklagte C auch
zunächst befunden hatte, hätten beide aber sehr wohl zum Schutze der
Kollegen agieren können. Hinter dem eigenen Fahrzeug
in Deckung bestand die Möglichkeit,
Warnschüsse in die Luft abzugeben und auch, Verstärkung zu rufen. Auch
wenn beide Angeklagten ihr Funkgerät im Fahrzeug liegen ließen, bestand
die Möglichkeit in ihrer Deckung hinter dem eigenen Fahrzeug, sich einen
Überblick über die Situation zu verschaffen [...]. Die Angeklagte C
hatte ein Mobiltelefon bei sich, welches sie zum Rufen von Verstärkung
hätte benutzen können. Die Angeklagten befanden sich jedenfalls 25 Meter
entfernt von dem Schützen L. Es war ihnen zuzumuten, auch in der
Ausnahmesituation, in der sie sich befanden, sich nicht weiter von dem
Tatort zu entfernen. Bei der Bemessung der konkreten Strafe war zu
Gunsten beider Angeklagten zu berücksichtigen, dass sie nicht
vorbestraft sind, dass sie ein vollumfängliches Geständnis abgelegt
haben und dass die Tat schon einige Zeit zurückliegt. Außerdem war zu
berücksichtigen, dass die Tat im Versuchsstadium stecken geblieben ist.
Weiter war zu berücksichtigen, dass die Angeklagten durch die
vorprozessuale Berichterstattung in den Medien vorverurteilt wurden und
sich gewaltigen Anfeindungen gegenüber sahen. Weiter war zu ihren
Gunsten zu berücksichtigen, dass eine Verurteilung auch dienstrechtliche
Folgen bis hin zu einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis für die
Angeklagten haben kann. Außerdem war zu berücksichtigen, dass der Zeuge
E keinerlei Strafverfolgungsinteresse gegen die Angeklagten hat. Unter
Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen hielt das Gericht die
Verhängung einer Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr sowohl für die
Angeklagte C als auch für die Angeklagte T für tat- und
schuldangemessen.
AG Schwelm, Urteil vom 16. November 2021 - 59 Ls 25/20
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