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Recht am eigenen Bild
und am eigenen Wort
Inhaltsverzeichnis:
01 Einsatz von Bodycams 02
Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort 03
Identitätsfeststellung nach Aufzeichnungen
04 Beschlagnahme eines Smartphones mit
Aufzeichnungen
01
Einsatz von Bodycams
TOP
Polizeien, die ihre
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit Bodycams ausgerüstet
haben, können von ihren
Amtswaltern
erwarten, dass diese Aufzeichnungsgeräte auch regelmäßig
eingesetzt werden. Die dafür nachzuweisenden gesetzlichen
Anforderungen sind gering. Diesbezüglich heißt es zum Beispiel
im Polizeigesetz des Landes NRW wie folgt:
§ 15c Abs. 1 und 3
PolG
NRW (Datenerhebung durch den Einsatz körpernah getragener
Aufnahmegeräte)
(1) Die
Polizei kann bei der Durchführung von Maßnahmen zur
Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten oder
Ordnungswidrigkeiten mittels körpernah getragener Aufnahmegeräte
offen Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und
Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine konkrete Gefahr
für Leib oder Leben erforderlich ist. Die Erhebung
personenbezogener Daten kann auch dann erfolgen, wenn Dritte
unvermeidbar betroffen sind. Über die Anfertigung der
technischen Aufzeichnungen entscheidet die das Aufnahmegerät
tragende Polizeivollzugsbeamtin oder der das Aufnahmegerät
tragende Polizeivollzugsbeamte
anhand der konkreten Umstände des
Einzelfalls.
(3) Der
Einsatz der Aufnahmegeräte ist durch geeignete Maßnahmen
erkennbar zu machen und den betroffenen Personen mitzuteilen.
Bei Gefahr im Verzug kann die Mitteilung unterbleiben.
Vereinfachend lässt sich dazu feststellen, dass es sich bei den
Tatsachen um subjektive Tatsachen handelt, die bereits dann
erfüllt sind, wenn einschreitende Polizeibeamte es für
erforderlich halten, zur Eigensicherung die Bodycam
einzuschalten.
Wie dem
auch immer sei: Der Wirklichkeit von heute entsprechend müssen
einschreitende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten davon
ausgehen, dass ihr Einschreiten auch von den Personen, die von
der Polizei kontrolliert werden, aufgezeichnet wird. Das wirft
die Frage nach dem Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort der
einschreitenden Polizisten auf.
02 Recht am eigenen Bild und am gesprochenen
Wort
TOP
Es ist
hier nicht der Raum, dieser Frage bis ins Einzelne nachzugehen.
Zum Verstehen der Sachzusammenhänge reicht es aus, dass
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten anlässlich
öffentlichkeitswirksamer Einsätze sowohl fotografiert, als auch
videografiert werden dürfen, soweit bei der Veröffentlichung
dieser Bilder/Videos eine Identifizierung der einschreitenden
Beamten , zum Beispiel durch Verpixelungen etc.
nicht möglich ist. Im Gegensatz dazu begeht derjenige bzw.
diejenige eine Straftat auf der Grundlage des
Kunsturheberschutzgesetzes, wenn Porträtaufnahmen von
öffentlichkeitswirksam einschreitenden Beamten gefertigt und
ohne deren Erlaubnis verbreitet werden, zum Beispiel in den
sozialen Medien.
Einen noch größeren Schutz des Rechtes am
eigenen Bild und am eigenen Wort steht einschreitenden
Polizeibeamten dann zu, wenn ihr ganz normales, alltägliches
Einschreiten, zum Beispiel ihr Einschreiten im Rahmen einer
allgemeinen Verkehrskontrolle per Smartphone videografiert wird.
Die Wirklichkeit von heute:
Das
Videografieren „von allem und von nichts“ unter Verwendung
eines Smartphones hat sich heute sozusagen zu einer
unverzichtbaren Kulturgewohnheit entwickelt, auf die zu
verzichten, vielen Menschen kaum noch möglich ist. Aus diesem
Grund sind die Gerichte zwischenzeitlich dazu übergegangen,
Verletzungen am eigenen Bild und am eigenen Wort nur noch dann
als strafbare Handlungen anzusehen, wenn durch deren Verbreitung
Persönlichkeitsrechte einschreitender Polizisten tatsächlich
verletzt werden.
03 Identitätsfeststellung nach Fotografieren
TOP
Mittlerweile ist es normal geworden, Polizeibeamte bei Maßnahmen
zu filmen oder zu fotografieren. Vor allem bei Demos werden
einschreitende Polizisten videografiert, um dann, zum Beispiel,
über die Gesichtserkennung von Facebook etwas über deren
Identität herausfinden zu können. Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten, die das nicht hinnehmen wollen, steht in
Anlehnung an einen Beschluss des
OVG
Niedersachsen das Recht zu, die Identität der Person
festzustellen, die fotografiert oder Videos gefertigt haben.
OVG
Lüneburg 2013:
Werden von Polizeibeamten im Einsatz Nahaufnahmen erstellt und
liegen aus Sicht der Polizeibeamten hinreichende Anhaltspunkte
für die Gefahr vor, dass diese unter Verstoß gegen §§ 22, 23
KunstUrhG
verbreitet werden, sind sie berechtigt, Maßnahmen zur
Identitätsfeststellung der betreffenden Person zu ergreifen.
Niedersächsisches
OVG,
Beschluss vom 19.06.2013 - 11 LA 1/13
Wird die
Feststellung der Identität fotografierender bzw.
videografierender Personen festgestellt, um Straftaten auf der
Grundlage des "Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der
bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG
oder KUG)" verfolgen zu können, dann sollten die Personen, deren
Identität festgestellt wurde, darauf hingewiesen werden, dass
sie mit einer Strafverfolgung zu rechnen hat, wenn gefertigte
Fotos/Videos rechtswidrig verbreitet werden.
Weitergehende
Maßnahmen, zum Beispiel die Beschlagnahme eines Smartphones
setzt Umstände voraus, die sich ex ante, also aus der zeitlichen
Perspektive im Hier und im Jetzt im Hinblick auf zu erwartende
künftige Ereignisse ergeben können.
Nur wenn solch eine
Gefahrenprognose sachlich begründet werden kann, kann nach der
hier vertretenen Rechtsauffassung ein Smartphone in amtliche
Verwahrung genommen werden. Diese Sicht der Dinge wird durch einen
Beschluss der Richter des Bundesverfassungsgerichts erhärtet,
der im Juli 2025 getroffen wurde.
04 Beschlagnahme eines Smartphones mit
Aufzeichnungen
TOP
Im Juli
2025 haben die Richter des Bundesverfassungsgerichts einen
diesbezüglich für die polizeiliche Praxis durchaus bedeutsamen
Beschluss gefasst.
Anlass:
Die
Beschwerdeführerin geriet in eine Verkehrskontrolle durch
mehrere Polizeibeamte, in deren Verlauf einer der Polizeibeamten
seine Bodycam aktivierte. Die Beschwerdeführerin begann
nun ebenfalls, mit ihrem Smartphone ein Video von der
Kontrollsituation aufzunehmen. Im weiteren Verlauf
beschlagnahmten die Polizeibeamten auf telefonische Anordnung
der Staatsanwaltschaft ihr Smartphone wegen des Verdachts einer
Strafbarkeit im Sinne von § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes.
§ 201
Abs. 1 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes)
(1) Mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird
bestraft, wer
unbefugt
1. das
nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen
Tonträger aufnimmt oder
2. eine
so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich
macht.
[2 bis
4]
(5) Die
Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer
verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.
Die
Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht deshalb
nicht angenommen, weil die Beschwerdeführerin den Rechtsweg
nicht ausgeschöpft hatte.
„Es
kann daher offenbleiben“,
so heißt es
in dem Beschluss,
„ob die Beschlagnahmeanordnung und die Entscheidung über die
Beschwerde in der Sache sich noch als verfassungsgemäß erweisen,
auch wenn diese
verfassungsrechtlichen Bedenken
begegnen.“
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken haben sich die
Verfassungsrichter wie folgt positioniert:
BVerfG 2025:
So unterliegt bereits die Annahme der Fachgerichte, dass in der
vorliegenden Konstellation einer Verkehrskontrolle durch
Polizeibeamte im öffentlichen Straßenraum mit
Bodycamaufzeichnung ein Anfangsverdacht einer Straftat nach §
201 Abs. 1 StGB vorliege, zumindest gewissen Zweifeln.
Anders ausgedrückt:
Wenn eine Person - vergleichbar mit der Aufzeichnung einer
Bodycam durch die Polizei – von der Möglichkeit Gebrauch macht,
eine Polizeikontrolle zu dokumentieren, die sich gegen diese
Person richtet, dann stellen sich hinsichtlich des
Anfangsverdachts einer Straftat im Sinne von § 201 Abs. 1 StGB,
so die Formulierung in dem Beschluss, dafür
„zumindest gewisse Zweifel“
ein.
BVerfG 2025:
Auch das staatliche Interesse an der andauernden Beschlagnahme
des Smartphones selbst ist jedenfalls vorliegend als nicht
besonders hoch zu bewerten. Denn schon abstrakt weist § 201 Abs.
1 StGB eine nicht besonders hohe Strafdrohung auf. Es liegen
auch bereits erhebliche Beweismittel zum Tatnachweis vor, sodass
die Beweisbedeutung des Smartphones als Tatmittel und auch des
auf dem Smartphone gespeicherten Videos selbst nicht besonders
hoch ist. Den Aspekten, die das staatliche Interesse an einer
über drei Monate andauernden Beschlagnahme des Smartphones als
schwach erscheinen lassen, stehen hier durchaus gewichtige
private Interessen der Beschwerdeführerin aus dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz
gegenüber.
Zumindest in der vorliegenden Konstellation einer prognostisch
nur geringen Beweisbedeutung auf dem Endgerät gespeicherter
Daten und des hier nur geringen Gewichts der vorgeworfenen
Straftat, in der die Beschwerdeführerin sich nach den Gründen
der angegriffenen Entscheidungen jedenfalls bereiterklärt hat,
die PIN für ihr Smartphone herauszugeben, bestehen in einer
Zusammenschau verfassungsrechtliche Zweifel an dessen
andauernder Beschlagnahme.
BVerfG,
Beschluss vom 9. Juli 2025 - 1
BvR
975/25
Für die
polizeiliche Praxis kann aus diesem Beschluss abgeleitet werden,
dass die „Beweissicherung einer polizeilichen Kontrolle durch
die Aufzeichnung des Vorgangs mittels eines Smartphones durch
die kontrollierte Person oder durch einen Beifahrer“, eine
Beschlagnahme des Aufzeichnungsgerätes aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit wohl kaum zu rechtfertigen vermag.
Da
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte für die Rechtmäßigkeit der
von ihnen getroffenen Maßnahmen die volle persönliche
Verantwortung tragen – auch wenn hinsichtlich der getroffenen
Beschlagnahme die Anordnung der Staatsanwaltschaft eingeholt
wurde – dürfte Zurückhaltung geboten sein.
Wie dem
auch immer sei: Hinsichtlich der Anordnung strafprozessualer
Maßnahmen, die, wie die Richter des Bundesverfassungsgerichts
das in ihrem Beschluss zum Ausdruck gebracht haben – als einen
durchaus gewichtigen Eingriff in Grundrechte anzusehen ist - kann
von einschreitenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten
erwartet werden, bereits sozialüblich gewordenem Verhalten
(gemeint ist das Videografieren mit einem Smartphone) mit
Großmut zu begegnen, also mit Nachsicht, Verständnis, Toleranz
und Duldsamkeit, die durchaus auch als milde Akzeptanz
bezeichnet werden kann.
Anders ausgedrückt:
Im Gegensatz zu Politikern, die sich schon dann beleidigt
fühlen, wenn sie als Schwachkopf bezeichnet werden, sollten
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte über mehr Charakterstärke
verfügen, und somit nicht jedes Foto und jedes Video als
Majestätsbeleidigung einstufen und verfolgen.
Diese
Nachsicht lässt sich auch aus einem Urteil des BGH aus dem Jahr
2018 ableiten, in dem es um Dashcam-Aufnahmen ging, deren
pauschale Verwertung zwar unzulässig ist, wohl aber in
Zivilprozessen zur Klärung von Unfallschuldfragen Bedeutung
zukommen kann, obwohl die Aufzeichnungen einer Dashcam oft
datenschutzrechtliche Grenzen überschreiten.
Daraus
lässt sich im Hinblick auf die hier zu erörternden Rechtsfragen
schließen, dass Videoaufzeichnungen auch in
öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten Bedeutung zukommen können.
Die im Folgenden zitierten Sätze aus dem Urteil lassen zumindest
eine analoge Anwendung durchaus zu.
BGH 2018:
a)
Die
permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens
ist mit den datenschutzrechtlichen Regelungen des
Bundesdatenschutzgesetzes nicht vereinbar.
b) Die
Verwertung von sogenannten Dashcam-Aufzeichnungen, die ein
Unfallbeteiligter vom Unfallgeschehen gefertigt hat, als
Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess ist dennoch zulässig.
BGH,
Urteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 233/17
Ich
denke, dass die Ausführungen in diesem Aufsatz deutlich gemacht
haben, dass „Videografieren von allem und von nichts“ heute
nicht nur ein Volkssport, sondern auch eine polizeiliche
Notwendigkeit geworden ist, der Eigensicherung die Bedeutung
zukommen zu lassen, die ihr tatsächlich zukommt.
Das heißt: Die
Bodycam ist einzuschalten, wann immer das geht.
Dennoch:
Trotz
aller Notwendigkeit, Maßnahmen zur Eigensicherung zur Gewohnheit
werden zu lassen, wirft das Videografieren polizeilicher
Einsätze mittels einer Bodycam auch die Frage
der Verwertung von
Videoaufnahmen auf.
Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des LG Düsseldorf aus
dem Jahr 2019, den Einsatz von Bodycams in Wohnungen betreffend,
wie folgt:
LG Düsseldorf 2019:
1. Die durch den Einsatz einer der Gefahrenabwehr dienenden sog.
Bodycam erstellten Aufzeichnungen können auch für Zwecke eines
Strafverfahrens verwertbar sein. Dies gilt auch dann, wenn der
Betrieb des Aufnahmegeräts unbewusst erfolgte.
2. Lagen die polizeirechtlichen
Voraussetzungen für den Einsatz der Bodycam nicht vor, so hängt
die Verwertbarkeit der Aufzeichnungen von einer
Rechtsgüterabwägung ab; insoweit kommt es entscheidend auf das
Gewicht des Rechtsverstoßes, die Bedeutung des Beweismittels und
die Schwere des Tatvorwurfs an.
LG
Düsseldorf, Beschl. v. 15.2.2019 - 1 Ks 19/18
Quelle: Kriminalistik. Unabhängige Zeitschrift
für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis. Ausgabe Mai
2019.
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