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FCK-GRN-Sticker auf dem Privathandy eines Polizeibeamten ... ein Dienstvergehen?

Inhaltsverzeichnis:

01 Anzeige einer Straftat/eines Dienstvergehens
02 Zur Verwendung von Aufklebern
03
FCK-GRN-Sticker und die Polizei
04 Folgen der Anzeige/des Posts im Überblick
05 Strafverfahren gegen den Polizeibeamten
06 Dienstrechtliche Bewertung
07 Verletzung der Neutralitätspflicht
08 Verletzung der Pflicht zur politischen Mäßigung
09 Benutzung privater Smartphones im Dienst
10 Disziplinarrechtliche Würdigung
11 Strafrechtliche Würdigung des Anzeigenerstatters
12 Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
13 Regelungen im Kunsturheberschutzgesetz
14 Personen der Zeitgeschichte als Rechtfertigungsgrund
15 Was ist heute noch normal?
16 Quellen

01 Anzeige einer Straftat/eines Dienstvergehens

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Medien haben im November 2025 (gut 6 Monate nach Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen Polizeibeamten aufgrund der Anzeige eines Heilbronner Stadtrates Ende April 2025), darüber berichtet, dass die gegen den Polizeibeamten erhobene Beschuldigung – bei der es sich um eine Beleidigung gehandelt haben muss, denn die Verletzung der Neutralitätspflicht durch einen Polizeibeamten ist keine Straftat – eingestellt wurde.

Der im Gemeinderat der Stadt Heilbronn sitzende Stadtrat, dessen Namen hier nicht genannt wird, hatte anlässlich einer Verkehrsunfallaufnahme einen Polizeibeamten fotografiert, der sein privates Handy – das mit einem FCK GRN-Sticker" versehen war – benutzte, um Unfallfotos anzufertigen.

Durch den Sticker „FCKGR“ hatte sich der Stadtrat nicht nur persönlich beleidigt gefühlt, sondern in diesem Verhalten des Polizeibeamten auch eine Neutralitätspflichtverletzung durch die Polizei erkannt, die er ebenfalls zur Anzeige brachte. Das von dem Stadtrat gefertigte „Beweisfoto“ wurde nicht nur im Internet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sondern auch als Beweisstück für eine begangene polizeiliche Neutralitätspflichtverletzung verwendet, begangen durch den fotografierten Polizeibeamten der Polizei in Heilbronn, der das Beweisfoto mit der Aufforderung übersandt wurde, disziplinarische Maßnahmen gegen den Polizeibeamten zu ergreifen.

Sechs Monate nach dem Vorfall im April 2025 - im Novemner 2025:

Auf Anfragen von Medien zur bekannt gewordenen Verfahrenseinstellung wird der Standpunkt der Polizei in Heilbronn zu diesem Vorgang auf Stern.de vom 5.11.2025 wie folgt geschildert:

Stern.de vom 5.11.2025: Es habe sich aber nicht um ein Diensthandy gehandelt. In einem Disziplinarverfahren wurde dennoch ein Verstoß gegen das sogenannte Neutralitätsgebot festgestellt. Denn Polizeibeamte müssen politisch neutral sein. Es handle sich aber nicht um strafrechtlich relevantes Verhalten, sagte ein Sprecher der Polizei. Der Mann habe sich zudem einsichtig gezeigt. Den Sticker musste er entfernen.

Link zur Meldung des Stern

Auf der Instagram-Seite der Partei „Die Partei“, wurde kurz nach dem Vorfall im April 2025, am 30. April 2025 eine Presseerklärung mit folgendem Wortlaut auf Instagram veröffentlicht:

Partei.heilbronn

27 Wo.

PRESSEMITTEILUNG

Stadtrat [xxx] stellt Anzeige gegen Polizeibeamten wegen Neutralitätsverstoß.

Heilbronn, 30. April 2025 – Stadtrat [xxx] hat Strafanzeige gegen einen Polizeibeamten gestellt, nachdem dieser während eines Einsatzes ein Telefon mit einem deutlich sichtbaren Sticker der Aufschrift „FCK GRN“ genutzt hat. Die Abkürzung steht für „Fuck Grüne“ und richtet sich klar gegen die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Solche Sticker werden vor allem über einschlägig rechtsextreme Versandhäuser vertrieben.

Ob es sich bei dem Gerät um ein privates oder dienstliches Telefon handelt, ist derzeit unklar – fest steht jedoch, dass es im Rahmen eines offiziellen Einsatzes sichtbar genutzt wurde.

Dass ein Polizeibeamter im Dienst ein solches politisch aufgeladenes und inhaltlich aggressives Statement offen zeigt, ist mit dem staatlichen Neutralitätsgebot unvereinbar“, so [xxx]. „Und um es ganz klar zu sagen: Mir ist es völlig egal, gegen welche Partei sich ein solcher Sticker richtet – parteipolitische Meinungsäußerungen haben im Dienst nichts zu suchen. Das gilt für jede politische Richtung gleichermaßen.“

[xxx] warnt davor, den Vorfall zu unterschätzen: „Wenn Polizisten öffentlich mit Symbolen auftreten, die klar parteiisch oder sogar extremistisch aufgeladen sind, erschüttert das das Vertrauen in eine neutrale, rechtsstaatliche Polizei. Besonders betroffen sind davon Menschen, die ohnehin oft mit Vorurteilen oder Ausgrenzung konfrontiert sind.“

Ich selbst bin queer – und weiß, wie wichtig das Vertrauen in staatliche Institutionen ist, gerade für Menschen aus marginalisierten Gruppen. Wenn ich als Betroffener in einer Konfliktsituation auf einen Beamten treffe, der offen zeigt, dass er bestimmte politische Überzeugungen ablehnt oder sogar verachtet, stellt sich automatisch die Frage: Werde ich hier noch objektiv behandelt? Fühle ich mich hier sicher?“

Mit der Anzeige sollen sowohl mögliche strafrechtliche als auch disziplinarrechtliche Konsequenzen geprüft werden. [...] Fordert eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls.

Presseerklärung im Original auf Instagram

Da sich der Vorfall bereits im April 2025 ereignete, dürfte es zielführend sein, diesbezüglich aus der Rhein-Neckar Zeitung vom 8.5.2025 zu zitieren.

NRZ.de vom 8.5.2025: Heilbronn. Der Heilbronner Stadtrat xxx (Die Partei) hat, wie berichtet, bei der Polizei Heilbronn Anzeige erstattet, Anlass und Beweis war ein Foto, auf dem ein Polizeibeamter in Uniform, gut erkennbar, während eines Unfall-Einsatzes mit einem Handy fotografiert. Es trägt einen Sticker mit einer eindeutig herabwürdigenden Botschaft [En01].

Das Foto, das der Meldung beigefügt ist, lässt vermuten, dass es sich dabei nicht um das Beweisfoto handeln kann, denn keines der beiden folgenden Fotos lässt eine Identifizierung des Polizeibeamten zu, wohl aber die von einer uniformierten Person in Polizeiuniform begangene Verletzung der polizeilichen Neutralitätspflicht.

Anonymisierte Beweisfoto in der RNZ

Ein anonymisiertes Foto wird auch auf der Instagramseite der Partei „Die Partei“ verwendet.

Anonymisiertes Beweisfoto auf Instagram

Bevor dieser nunmehr in groben Zügen beschriebene Sachverhalt einer näheren Betrachtung unterzogen wird, ist festzustelolen, dass nicht nur das Verhalten des Polizeibeamten, sondern auch das des anzeigenden Stadtrates einer Prüfung bedarf.

  • Fehlverhalten des Polizeibeamten

  • Fehlverhalten des Anzeigenerstatters.

02 Zur Verwendung von Aufklebern

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Es entspricht nicht meinem Sprachgebrauch, mich der Vulgärsprache zu bedienen. Das gilt auch für die Beschreibung von Aufklebern, die sich der Vulgärsprache bedienen. Im hier zu erörternden Sachzusammenhang ist das bedauerlicherweise unvermeidbar, denn nur so kann aufgezeigt werden, auf was für einem niedrigen Niveau heute politische Meinungen geäußert werden. Das gilt zumindest für das drei Buchstaben umfassende FCK-Akronym, das für „fuck you“ steht:

Fuck you: Scheiß auf dich. Fuck you ist eine vulgäre englische Sprachfigur, die Verachtung oder Verachtung ausdrückt, die sich sowohl an eine, Person, aber auch an eine Vielzahl von Personen richten kann.

Und das mit so viel Geschmacklosigkeit sogar Geld verdient werden kann, das dürfte in der Welt von Heute wohl auch niemanden überraschen.

FCK-GRN-Sticker

Was jedoch mehr als die Käuflichkeit der Sticker anbelangt dürften erforderlich werdende Antworten auf die nachfolgend aufgelisteten fünf Fragen sein:

  • Was geht in den Köpfen von Menschen vor, die Vulgärsprache dem Denken vorziehen?

  • Was fordert der Rechtsstaat ein, wenn ein Polizeibeamter sich anlässlich dienstlicher Aufgabenwahrnehmung mittels eines Aufklebers, der ein privates Smartphone „ziert“, seine Neutralitätspflicht verletzt?

  • Was ist von einer Polizeibehörde zu halten, die es zulässt, dass private Smartphones zur Erledigung dienstlicher Aufgaben verwendet werden, zum Beispiel zur Dokumentation eines Unfallgeschehens?

  • Wiegt der Sticker „FCK GRN“ schwerer, als eine mögliche Missachtung von Datenschutzbestimmungen im Zusammenhang mit der Verbreitung des oben skizzierten Beweisfotos durch den Stadtrat im Internet?

  • Was geht in dem Kopf eines Stadtrats vor, der sozusagen ein Porträtfoto, das die Missachtung des Neutralitätsgebotes durch einen Polizeibeamten beweisen soll, für jedermann sichtbar in den sozialen Medien verbreitet?

  • Könnte es sich dabei sogar um eine Straftat im Sinne von § 164 StGB (Falsche Verdächtigung), um ein strafbares Verbreiten von Fotos im Sinne des Kunsturheberschutzgesetzes bzw. um ein verbotenes Handeln im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) handeln?

Auf all diese Fragen werde ich versuchen, vertretbare Antworten zu finden. Zuvor aber sind noch einige Fragen zu klären, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem „FCK-GRN-Sticker“ stehen.

03 FCK-GRN-Sticker und die Polizei

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Der oben skizzierte Heilbronner Fall zeigt, wie schnell Polizeibeamte in den Fokus eines „Disziplinarverfahrens“ geraten können, denn ein Polizeibeamter wurde während seines Dienstes fotografiert, auf dessen Smartphone ein Sticker mit der Aufschrift „FCK GRN“ klebte.

Das Foto verbreitete sich in Windeseile in den sozialen Medien und sorgte bundesweit für Schlagzeilen.

Nach meinem Kenntnisstand wurde von der Staatsanwaltschaft das Strafverfahren, das gegen den Polizeibeamten wegen eines Verstoßes gegen § 185 StGB (Beleidigung) eingeleitet worden war, eingestellt, der dann aber die Polizei in Heilbronn, so die Meldungen in den Medien, disziplinarrechtliche Maßnahmen folgen ließen, denn dort gingen Vorgesetzte davon aus, dass der Polizeibeamte, der mit einem Smartphone, das mit einem FCK-GRN-Sticker versehen war, Unfallaufnahmen fertigte, gegen das Neutralitäts- und Mäßigungsgebot verstoßen habe.

In einer Pressemeldung hieß es sogar, dass der Beamte den Sticker von seinem Smartphone entfernen musste.

Wie dem auch immer sei: Der Fall verdeutlicht, dass selbst Äußerungen, die durch ein Smartphone gemacht werden, das sich im Privatbesitz befindet, disziplinarrechtliche Folgen ausgelöst werden können, denn: egal ob Sticker, Social-Media-Posts oder politische Kommentar – was im privaten Umfeld noch als freie Meinungsäußerung gilt – kann im Polizeidienst schnell als Verstoß gegen die dienstliche Neutralität gewertet werden.

Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten kann somit nur geraten werden, sich sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass niemand daran Anstoß nehmen kann. In Anbetracht der auch in Polizeibehörden eingerichteten Meldestellen für "diskriminierende Äußerungen etc." und damit verbundenen Überlegungen, ob überhaupt und wann ein Unterlassen von Meldungen dienstrechtlich überhaupt noch zu rechtfertigen ist, sollte jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte darüber nachdenken, wohin sich der Polizeiberuf entwickelt. Die Vielzahl von Meldestellen und auch der nachfolgende Erlass des Innenministeriums des Landes NRW lassen erkennen, dass unüberlegte Worte durchaus dienstrechtliche Probleme erzeugen können.

Leitlinien für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen
RdErl. d. Innenministeriums v. 15.12.2008

Wichtig: Hingewiesen werden muss hinsichtlich der Meinungsfreiheit von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei der Ausübung ihres Berufs auch auf den "Erlass zur Errichtung und Organisation interner Meldestellen im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern Nordrhein-Westfalen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz - Runderlass des Ministeriums des Innern - 51-01.17.01 - vom 21. Juli 2023, der deutlich macht, dass dieser Erlass auch im Zusammenhang mit den Grenzen der politischen Meinungsfreiheit und wohl auch für nicht "meldepflichtiges Gerede" von Bedeutung ist.

In dem Erlass heißt es zum Beispiel:

4.2
Schutz der Identität
Die interne Meldestelle behandelt die Identität der hinweisgebenden Person vertraulich. Die Identität der hinweisgebenden Person darf ohne deren ausdrückliche Zustimmung keinen anderen Personen als gegenüber den befugten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der internen Meldestelle sowie den sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen bekannt werden. Dies gilt auch für alle anderen Informationen, aus denen die Identität der hinweisgebenden Person direkt oder indirekt abgeleitet werden kann.
5
Aufgabe, Rechte und Pflichten der internen Meldestelle

Die interne Meldestelle hat die Aufgabe, Meldungen nachzugehen, die Stichhaltigkeit der Meldung zu prüfen und dazu beizutragen, etwaige Verstöße abzustellen. Sie ergreift insbesondere die erforderlichen Folgemaßnahmen.
5.3
Dokumentation

Die interne Meldestelle ist verpflichtet, Meldungen, Rechercheergebnisse, Folgemaßnahmen sowie alle weiteren im Zusammenhang mit einer Meldung stehenden Dokumente in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots zu dokumentieren. Die Dokumentation ist drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens zu löschen. Die Dokumentation kann länger aufbewahrt werden, um die Anforderungen nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist (§ 11 des Hinweisgeberschutzgesetzes).

Erlass im Volltext

Anders ausgedrückt: Meinungsfreiheit, dienstliche Neutralität und auch der Gebrauch der Sprache müssen miteinander in Einklang gebracht werden, um nicht in den Fokus dienstrechtlicher Ermittlungen zu geraten. Wer als Polizeibeamtin oder als Polizeibeamter dennoch durch seine Sprache oder durch sein Kommunikationsverhalten in den Verdacht gerät, eine Dienstrechtsverletzung begangen zu haben, sollte wissen, dass er Rechte hat, und dass es rechtliche Wege gibt, nicht nur gegen überzogene Maßnahmen, sondern sich auch gegen ungerechtfertigte Anschuldigungen und natürlich auch gegen rechtswidrige Verletzungen von Persönlichkeitsrechten zur Wehr zu setzen.

Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Bilder im Internet verbreitet werden, auf denen handelnde Personen identifiziert werden können. Dazu mehr an anderer Stelle in diesem Aufsatz.

04 Folgen der Anzeige/des Posts im Überblick

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Folgen für den Polizeibeamten:

  • Den Pressemeldungen kann entnommen werden, dass gegen den Beamten ein Strafverfahren eingeleitet wurde, das dann aber, nach Abschluss der Ermittlungen, durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Das bedeutet, dass ein Smartphone, versehen mit einem „FCK GRN Sticker“, nicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, denn nur solch ein strafbares Handeln kam anlassbezogen überhaupt in Betracht.

  • Erst nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen, denn strafrechtliche Ermittlungen gehen dienstrechtlichen Ermittlungen immer vor, ist zu prüfen, ob es sich bei dem Verhalten des Polizeibeamten um ein dienstrechtliches Fehlverhalten handelt, das mit den Mitteln der Disziplinargesetze geahndet werden kann. Da sowohl der Bund, aber auch die Länder über eigene Disziplinargesetze verfügen, wird in diesem Aufsatz in Anlehnung an die Bestimmungen im Bundesdisziplinargesetz (BDG) das Fehlverhalten des fotografierenden Polizeibeamten erörtert.

Folgen für den Anzeigenerstatter:

Den Pressemitteilungen kann nicht entnommen werden, ob gegen den Anzeigenerstatter ebenfalls Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden.

In Betracht kommen nachfolgend aufgeführte Rechtsverstöße:

  • Falsche Verdächtigung im Sinne von § 164 StGB

  • Strafbares Handeln im Sinne des Kunsturheberschutzgesetzes (KunstUrhG) durch die Verbreitung von Bildnissen ohne das dafür erforderliche Einverständnis der fotografierten Person.

  • Unzulässige Verbreitung eines Porträtfotos eines Polizeibeamten im Internet ohne dessen Einwilligung gemäß Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Im Folgenden werden zuerst einmal die Handlungen erörtert, die dem Polizeibeamten vorgeworfen wurden/werden:

05 Strafverfahren gegen den Polizeibeamten

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Die Polizei hat, wenn ihr eine Straftat wegen Beleidigung angezeigt wird, diese auch dann entgegenzunehmen, wenn es sich bei der angezeigten Straftat um ein so genanntes Privatklagedelikt handelt. Eine Beleidigung ist ein Privatklagedelikt.

Diesbezüglich heißt es in der StPO wie folgt:

§ 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO (Zulässigkeit; Privatklageberechtigte)

(1) Im Wege der Privatklage können vom Verletzten verfolgt werden, ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf, 2. eine Beleidigung (§§ 185 bis 189 des Strafgesetzbuches), wenn sie nicht gegen eine der in § 194 Abs. 4 des Strafgesetzbuches genannten politischen Körperschaften gerichtet ist.

Kurzum: Besteht die anzeigende Person - in diesem Fall der Stadtrat - auf der Entgegennahme der Anzeige durch die Polizei, dann kann die Polizei den Anzeigenerstatter wohl auf den Privatklageweg hinweisen, nicht aber ihn auf den Privatklageweg verweisen. In der Regel werden solche Anzeigen, wenn der Anzeigenerstatter darauf besteht, ohne weitere Bearbeitung durch die Polizei direkt an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte weiterleiten, zu prüfen, ob das Verfahren einzustellen, bzw. welche Ermittlungshandlungen zu treffen sind, falls die StA Ermittlungen doch erforderlich halten sollte, oder den Anzeigenerstatter auf den Privatklageweg zu verweisen.

Wie dem auch immer sei: Die Geringfügigkeit des Anlasses lässt erkennen, dass hier ein Verhalten angezeigt wurde, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einmal als eine Straftat anzusehen ist.

Warum?

Die Verwendung eines „FCK-GRN-Stickers" kann nur dann als eine strafbare Handlung im Sinne von  § 185 StGB (Beleidigung) angesehen werden, wenn dadurch eine Person oder eine spezifische Personengruppe beleidigt wird. Allgemeine Sprüche wie „FCK CPS“ oder „ACAB“ sind aber in der Regel als Meinungsäußerungen zu bewerten, die durch die Meinungsfreiheit geschützt sind. Entscheidend ist, ob zum Beispiel der Aufdruck solcher Buchstaben auf einem Sticker eine individuelle oder allgemeine Kollektivbeleidigung darstellt.

Anders ausgedrückt: Sprüche wie „FCK CPS“ („Fuck Cops“) oder „ACAB“ („All Cops Are Bastards“) sind meist als allgemeine Meinungsäußerung zu verstehen und werden nicht als strafbare Beleidigung gewertet. Im Analogieverfahren gilt das auch für die Mitglieder der Partei „Die Grünen/Bündnis 90“, denn auch hier handelt es sich um ein zahlenmäßig unbestimmtes Kollektiv und nicht um Einzelpersonen oder überschaubare Gruppen, die durch den Sticker „FSC GRN“ beleidigt werden sollen. Solch ein Sticker drückt eine Meinung aus, daran ändert auch der Gebrauch der Vulgärsprache nichts.

BVerfG, Pressemitteilung Nr. 23/2015 vom 28. April 2015: Das Tragen eines mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ beschrifteten Ansteckers im öffentlichen Raum ist vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nicht ohne weiteres strafbar.[...]. Die Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (StGB) setzt voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht; ansonsten ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Beschwerdeführerin wurde von einer Polizeistreife angetroffen, wobei sie einen Anstecker trug, der mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ beschriftet war. Das Amtsgericht verurteilte die Beschwerdeführerin wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB. Das Gericht begründete die Verurteilung damit, dass „FCK CPS“ als Abkürzung für „Fuck Cops“ stehe und diese Äußerung eine Kundgabe der Missachtung sei, weil sie den sozialen Wert der betroffenen Personen im Amt betreffe und schmälern solle. Die Revision der Beschwerdeführerin zum Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg.

Wesentliche Erwägungen der Kammer: Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

1. Der Aufdruck „FCK CPS“ ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin greift in dieses Grundrecht ein [En02].

Anmerkung: Sollte der Anzeigenerstatter, bei dem es sich um einen Stadtrat handelte, meinen, durch § 188 StGB (Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung) besonders geschützt zu sein, ist anzumerken, dass der Beleidiger dann zumindest wissen muss, dass er es mit einer „im politischen Leben des Volkes stehenden Person“ zu tun hat, die darüber hinausgehend durch die Beleidigung dann auch noch „in ihrem öffentlichen Wirken erheblich beeinträchtigt worden sein muss“. Dazu bietet der hier zu erörternde Vorfall keinen Anlass.

Anzunmehmen ist, dass das Strafverfahren, das sich gegen den Polizeibeamten richtete, von der Staatsanwaltschaft auf der Grundlage von § 170 StPO eingestellt wurde.

§ 170 StPO (Entscheidung über eine Anklageerhebung)

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. [...].

06 Dienstrechtliche Bewertung

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Da dem Beamten, dessen privates Smartphone zum Zeitpunkt des Vorfalls mit einem „FCK-GRN-Sticker“ versehen war, weder ordnungswidriges noch strafbares Verhalten vorgeworfen werden kann, stellt sich dennoch – auch nach der Einstellung des Strafverfahrens durch die StA – die Frage, ob es sich bei der Handlung des Beamten um ein Fehlverhalten handelt, das disziplinarrechtlich zu ahnden ist.

Diesbezüglich heißt es im Bundesdisziplinargesetz (BDG) wie folgt:

§ 13 BDG (Bemessung der Disziplinarmaßnahme)

(1) Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

Da es sich bei der Bemessung um eine Ermessensentscheidung des Dienstvorgesetzten handelt, ist zuerst einmal zu klären, was für ein Fehlverhalten in Betracht kommt und wie schwer das Fehlverhalten wiegt, durch das der Polizeibeamte auffällig geworden ist.

Drei Fehlverhaltensweisen kommen hier in Betracht:

  • Verletzung der Neutralitätspflicht

  • Verletzung der Pflicht zur politischen Mäßigung

  • Benutzung eines privaten Smartphones zur Dokumentation eines Unfalls.

Ob das zuletzt genannte Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Bewertung des dienstlichen Verhaltens eines Polizeibeamten überhaupt bewertet wurde, kann den Presseveröffentlichungen nicht entnommen werden. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung wiegt dieses Fehlverhalten dennoch schwerer, denn mit privaten Smartphones dürfen grundsätzlich keine Beweise gesichert werden, die einer Person zugeordnet werden können, was bereits beim Fotografieren eines Autokennzeichens der Fall ist. Im Übrigen haben Polizeibehörden dafür Sorge zu tragen, dass ihre Beamten davon in Kenntnis gesetzt worden sind, dass private Datenendgeräte, wozu auch Smartphones gehören, zu dienstlichen Zwecken nicht eingesetzt werden dürfen. Polizeibehörden die das dennoch stillschweigend billigen, kommen ihrer Fürsorgepflicht nicht nach.

07 Verletzung der Neutralitätspflicht

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Hinsichtlich der Neutralitätspflicht wird im Folgenden aus Urteilen zitiert, die diesbezüglich eindeutig sind.

BVerfG 2022: Die Verpflichtung von Polizeivollzugsbeamten, im Dienst die vorgeschriebene Uniform zu tragen, sei vor allem durch das Erfordernis gerechtfertigt, die Legitimation der Beamten für polizeiliche Maßnahmen äußerlich kundzutun. Die Uniform sei einerseits sichtbares Zeichen für die Ausstattung ihrer Träger mit hoheitlichen Befugnissen. Zum anderen solle die Uniform die Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck bringen und sichtbares Zeichen dafür sein, dass die Individualität der Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter den Anforderungen des Amtes zurücktrete. Dieser durch die Uniform vermittelte „Anschein der Neutralität“ könne durch ein Erscheinungsbild uniformierter Polizeibeamter beeinträchtigt werden, das die Individualität übermäßig hervorhebe und daher aus dem Rahmen des Üblichen falle.

BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2022 - 2 BvR 1667/20

Davon kann auch dann ausgegangen werden, wenn Polizeibeamte Smartphones benutzen, die mit dem Sticker „FCK GRN“ versehen sind.

So auch die Richter des BGH in ihrem Urteil aus dem Jahr 2022.

BGH 2022: Er [der beklagte Polizeibeamte] trägt eine Uniform mit der Aufschrift „POLIZEI“ in Brusthöhe und darunter zwei Aufnäher. Einer davon zeigt ein Schwert mit Schild und Flügeln. Darüber steht: „RECTE FACIENDO NEMINEM TIMEAS“, übersetzt: „Tue Recht und scheue niemand“. Der andere zeigt ein griechisches Omega mit Spartanerhelm und gekreuzten Schwertern, darunter steht: „ΜΟΛΟΝ ΛΑΒΕ“ (Molon Labe), übersetzt: „Komm und hol sie dir“.

An anderer Stelle heißt es, im Hinblick auf die Verbreitung eines „Beweisfotos“ im Internet, wie folgt:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Wiedergabe seines unverpixelten Bildes im Zusammenhang mit der Berichterstattung. Bei dem verbreiteten Foto handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte [Hervorhebung von mir]. Es zeige den Kläger bei seinem Einsatz anlässlich des Festivals „Schild und Schwert“ im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit.

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Neutralität, Objektivität, Unparteilichkeit und Verfassungstreue der Polizei hängt zu einem erheblichen Teil vom Auftreten und dem äußeren Erscheinungsbild dieser Beamten ab. Auch nach außen müssen Polizeibeamte eine innere Haltung ausdrücken, die durch Neutralität, Distanz und Objektivität geprägt ist (...). Treten bei einem dienstlichen Einsatz aufgrund an der Uniform getragener Symbole Zweifel an dieser Haltung von Polizeibeamten auf, liegt eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung dieser Symbole und der dadurch möglicherweise zum Ausdruck kommenden Haltung im gesellschaftlichen Interesse.

Wer als Polizist bei einem dienstlichen Einsatz private Aufnäher auf seiner Uniform sichtbar trägt, tritt bewusst aus der Menge der einheitlich gekleideten Einsatzkräfte hervor. Er hinterlässt den Eindruck, eine Botschaft, eine private Meinung, kundtun zu wollen. Denn die Uniform soll die Neutralität ihres Trägers zum Ausdruck bringen. Sie soll sichtbares Zeichen dafür sein, dass die Individualität der Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter die Anforderungen des Amtes zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von der Person des handelnden Beamten als Maßnahmen des Staates empfunden werden (...). Diese Neutralität hat der Kläger durch die Verwendung von Aufnähern auf der Uniform bewusst aufgehoben.

BGH, Urteil vom 8. November 2022 - VI ZR 1319/20

Und auch in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2020 heißt es, die Neutralitätspflicht von Polizeibeamten betreffend und sich auf die (LT-Drs. 17/21474, S. 1) beziehend, wie folgt:

BVerwG 2020: Mit der Dienstkleidung und insbesondere der von Polizeivollzugsbeamten zu tragenden Uniform soll, neben einer Kennzeichnung der Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen, die Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck gebracht werden. Diese wäre insbesondere bei Tätowierungen oder auffallendem Körperschmuck (Piercings, Ohrtunnel o. Ä.) im sichtbaren Bereich beeinträchtigt. Individuelle Interessen müssen gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen/neutralen Erscheinungsbilds zurücktreten. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber - jedenfalls für Polizeivollzugsbeamte, die zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind - selbst die Entscheidung über ein generelles Verbot für Tätowierungen und andere nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale in dem beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich getroffen hat. Das Amt eines hoheitlich tätigen Polizeivollzugsbeamten erfordert nach dem für den Senat maßgeblichen Regelungswillen des bayerischen Gesetzgebers, dass der einzelne Polizeivollzugsbeamte im beim Tragen von Dienstkleidung sichtbaren Körperbereich auf äußerlich erkennbare dauernde Körpermodifikationen grundsätzlich zu verzichten hat.

Mit der Dienstkleidung und insbesondere der von Polizeivollzugsbeamten zu tragenden Uniform wird, neben einer Kennzeichnung der Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen, die Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck gebracht. Die Uniform ist sichtbares Zeichen dafür, dass die Individualität der Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter die Anforderungen des Amtes zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von der Person der handelnden Beamten als hoheitliche Maßnahmen des Staates wahrgenommen werden (...).

Das Vertrauen in die Neutralität, Objektivität und Unparteilichkeit von Personen, die - wie Polizeivollzugsbeamte - hoheitliche Maßnahmen durchsetzen, hängt zu einem erheblichen Teil von dem Auftreten und dem äußeren Erscheinungsbild dieser Beamten ab. Auch nach außen hin müssen Polizeivollzugsbeamte deshalb - vergleichbar dem neutralen Auftreten von Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern oder Rechtsreferendaren etwa während einer Verhandlung (...) - eine innere Haltung ausdrücken, die durch Neutralität, Distanz und Objektivität geprägt ist (...).

BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 2 C 13.1

Dem anzeigenden Stadtrat ist somit zuzustimmen, dass der Gebrauch eines Smartphones, versehen mit dem gut sichtbaren Sticker „FCK GRN“ als eine Verletzung der Pflicht zur Neutralität anzusehen ist.

08 Verletzung der Pflicht zur politischen Mäßigung

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2025 haben sich die Richter des Verwaltungsgerichts München zur Pflicht zur politischen Mäßigung wie folgt positioniert:

VG München 2025: Für die Anwendung und Auslegung der die Meinungsfreiheit des Beamten einschränkenden Vorschrift des § 33 Abs. 2 BeamtStG ist jeweils im konkreten Fall das Interesse des Beamten an der Betätigung der Meinungsfreiheit seinen besonderen Dienst- und Treuepflichten gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen. Der zu beachtende Schutzzweck besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Beamtentums dadurch zu gewährleisten, dass zum einen im Rahmen des Dienstbetriebes störende politische Auseinandersetzungen vermieden werden, andererseits die politische Neutralität der Amtsführung und das Vertrauen der Öffentlichkeit hierauf nicht gefährdet oder auch nur in Zweifel gezogen werden kann. Eine politische Meinungsäußerung liegt deshalb nicht nur dann vor, wenn sie sich auf die Darstellung von Programmen und politischen Zielen solcher Gruppierungen bezieht, die die Beteiligung an der politischen Meinungsbildung in den Institutionen der repräsentativen Demokratie – wie die hergebrachten politischen Parteien – erstreben, sondern auch bei Äußerungen und Aktivitäten von Gruppierungen, die solches nicht anstreben, wenn durch sie der Schutzzweck der Norm berührt wird. Dazu gehören Fragen, die von grundlegender Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger sind, die innerhalb und außerhalb politischer Parteien kontrovers diskutiert werden.

Wer gegen die politische Mäßigungspflicht verstößt, verstößt stets auch gegen die Neutralitätspflicht. [Hervorhebung von mir.]

Die Pflicht zu unparteiischer und gerechter Amtsführung ist die einfachrechtliche Konkretisierung eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Aus ihr folgt das an den Beamten gerichtete Gebot, sich nicht in einer die Besorgnis der Parteilichkeit begründenden Weise zu verhalten, sodass keine Zweifel an der unparteiischen Amtsführung durch den Beamten entstehen. Eine Besorgnis der Parteilichkeit ist dann angezeigt, wenn objektive Gründe vorliegen, die aus Sicht eines vernünftigen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Beamten erregen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Beamte tatsächlich parteiisch ist und dem Gerechtigkeitsgebot zuwiderhandelt. Es genügt insoweit der „böse Schein“. Bereits dieser ist nämlich geeignet, das Vertrauen in eine sachgerechte Dienstverrichtung schwerwiegend und nachhaltig zu erschüttern.

Innerdienstliche politische Meinungsäußerungen des Beamten unterliegen somit zusätzlichen Beschränkungen, die sich aus den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs ergeben. Die Mäßigungs- und Neutralitätspflicht des Beamten gebieten, dass er durch seine politische Betätigung im Dienst seine Arbeitsleistungspflicht nicht verletzt, den Dienstbetrieb nicht beeinträchtigt sowie keine Störung des Arbeitsfriedens hervorruft. Grundsätzlich gilt, dass sich der Beamte einer politischen Betätigung im Dienst regelmäßig zu enthalten hat.

Außerdem muss das Verhalten einer Beamtin oder eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr bzw. sein Beruf erfordern. Bei und im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit tritt der Beamte als Repräsentant des Staates auf, wobei von ihm ein unparteiisches, gerechtes und vertrauenswürdiges Verhalten erwartet werden darf. Die Wohlverhaltenspflicht ist etwa verletzt, wenn Meinungsäußerungen eines Beamten in ihrem jeweiligen Kontext den Bereich sachlicher Kritik verlassen und die Grenze dessen, was im Interesse eines störungsfreien Dienstbetriebs hingenommen werden kann, überschreiten.

VG München, Urteil v. 08.05.2025 – M 19L DB 23.4977

Anders ausgedrückt: Wer bei der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ein privates Smartphone mit einem für andere sichtbaren Sticker „FCK-GRN“ verwendet, dem fehlt es nicht nur an Sensibilität, sondern auch an einem einzufordernden polizeilichen Berufsverständnis. Wer so naiv seine politische Meinung als uniformierter Polizeibeamter kundtut, dem kann eigentlich nur noch geraten werden, sich zu schämen. Das aber ist keine Disziplinarmaßnahme, die das Disziplinargesetz des Landes NRW vorsieht.

09 Benutzung privater Smartphones im Dienst

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Die Benutzung eines privaten Smartphones, sowohl zur Beweissicherung als auch zur Erhebung personenbezogener Daten lässt das Gesetz nicht zu. Grund dafür ist, dass Daten, die Bestandteil von Ermittlungsakten oder von Verkehrsunfallanzeigen werden sollen, nicht in Privatbesitz gehören. Solche Daten dürfen deshalb nur mittels dienstlich zur Verfügung gestellter Hilfsmittel erhoben werden. Im Zusammenhang mit der fotografischen Sicherung von Unfallspuren und Fahrzeugbeschädigungen verfügt deshalb jede Streifenwagenbesatzung über dienstlich zur Verfügung gestellte Digitalkameras. Dadurch ist sichergestellt, dass erhobene Daten ausschließlich unter Nutzung polizeilicher Hardware weiterverarbeitet werden, wozu auch das Erheben solcher Daten gehört.

Beweisfotos können natürlich auch mit dienstlich zur Verfügung gestellten Smartphones gemacht werden, mit denen die Länderpolizeien zunehmend ihre Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ausrüsten. Dass auf solche Dienst-Smartphones keine Sticker gehören, das versteht sich hoffentlich von selbst.

Wie dem auch immer sei: Es kann davon ausgegangen werden, dass immer noch private Smartphones zur Erledigung polizeilicher Aufgaben von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten benutzt werden, obwohl das - von Ausnahmen abgesehen – nicht zulässig ist. In mehreren gerichtlichen Entscheidungen, bei denen es um Ersatzansprüche von Polizeibeamten ging, deren private Smartphones bei der Nutzung zu dienstlichen Zwecken beschädigt worden waren und die deshalb von ihren Dienstherren Schadenersatz einforderten, heißt es wie folgt:

OVG Niedersachsen 2007: Mit Bescheid vom 22. Februar 2002 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Schadensersatz ab mit der Begründung, nach dem Runderlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 23. Mai 1997 sei die Nutzung privater Mobilfunktelefone für dienstliche Zwecke nicht vorgesehen. Nach diesem Erlass seien auch keine Genehmigungen hierzu zu erteilen. Werde ein privates Mobiltelefon eigeninitiativ für dienstliche Zwecke genutzt, so bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung für die Reparatur des privaten Mobiltelefons.

OVG Niedersachsen, Urteil vom 27.11.2007 - 5 LB 190/05

So auch die Sichtweise der Richter beim Verwaltungsgericht Oldenburg.

VG Oldenburg 2003: Gemäß Ziffer 3.2 der Verwaltungsvorschriften zu § 96 sei ein Ersatz für private Gegenstände ausgeschlossen, die der Beamte anstelle dienstlich zur Verfügung stehender Gegenstände benutzt habe, es sei denn, der Dienstherr habe die Benutzung ausdrücklich gestattet. Gemäß Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 23. Mai 1997 seien bei der Polizei des Landes Niedersachsen für die überlagernde Sprech-Funk-Kommunikation Mobilfunktelefone in den öffentlichen Mobilfunkdiensten eingesetzt. Dafür stünden in ausreichendem Ausstattungsumfang dienstliche Mobilfunktelefone zur Verfügung. Die Nutzung privater Mobilfunktelefone für dienstliche Zwecke sei nicht vorgesehen. Insofern sei hier auch keine Genehmigung zu erteilen. Werde ein privates Mobiltelefon ausnahmsweise eigeninitiativ für dienstliche Zwecke genutzt, so bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung bzw. anteilige Kostenerstattung für die Beschaffung, Reparatur, oder Wiederbeschaffung des Mobiltelefons. Da keine Genehmigung des Dienstherrn zur Nutzung des privaten Handys vorgelegen habe, könne dem Kläger auch kein Schadensersatz gewährt werden.

VG Oldenburg, Urteil vom 27.08.2003 - 6 A 977/01

Auch auf der Website des Landesbeauftragten für den Datenschutz des Landes NRW heißt es, die Nutzung privater Mobilfunktelefone betreffend:

Landesbeauftragte Polizei NRW 2025: Polizei – Finger weg von der WhatsApp-Nutzung! Unter Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen wird anscheinend teils dienstlich über WhatsApp-Gruppen kommuniziert. Doch selbst wenn Behörden oder Vorgesetzte die Nutzung der Messenger-App im Dienst tolerieren, ist das hoch problematisch.

Mit anderen Worten: Es gibt keinen Erlass für die Nutzung privater Mobilfunktelefone für dienstliche Zwecke bei der Polizei NRW. Es kann dennoch davon ausgegangen werden, dass die Nutzung privater Datenendgeräte zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben in der Regel untersagt ist.

Die Benutzung von Datenendgeräten, zu denen auch Smartphones gehören, sind deshalb in allen Ländern durch Erlasse geregelt.

In NRW ist das die „Dienstanweisung zum Datenschutz beim Betrieb von Datenendgeräten der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (Datenschutzanweisung), RdErl.d. Innenministeriums v. 8.7.1987 – IV A 5 1805/3“. Dieser Erlass steht im Internet aber nur als Kopferlass zur Verfügung. Das bedeutet, dass der Inhalt des Erlasses – mit Ausnahme der Überschrift – im Internet nicht eingesehen werden kann.

Großzügiger verfährt in NRW jedoch die Justiz. In der „Dienstanweisung zum Datenschutz und zur Informationssicherheit beim Einsatz von IT-Geräten bei Justizbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen“ heißt es zum Beispiel wie folgt:

  • Die Speicherung von personenbezogenen Daten außerhalb der dafür bestimmten Speicherorte ist vorbehaltlich der Regelung zur Speicherung dienstlicher Informationen auf privaten IT-Geräten nach § 7 Abs. 2 zu unterlassen.

  • Auf einem privaten IT-Gerät gespeicherte Informationen sind umgehend revisionssicher zu löschen, soweit eine weitere Speicherung dort nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch bei Abschluss des Verfahrens.

  • Die Nutzung privater E-Mail-Accounts, privater Cloud-Dienste, Messenger-Dienste und sozialer Medien zum Austausch von vertraulichen Informationen und personenbezogenen Daten zu dienstlichen Zwecken ist untersagt. Dies gilt insbesondere auch für die Umleitung, Weiterleitung oder Speicherung dienstlicher Informationen.

  • Die Behördenleitung hat dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch regelmäßige Maßnahmen für die Anforderungen des Datenschutzes und der Informationssicherheit sensibilisiert werden. Dies gilt insbesondere bei der Ausgabe mobiler Geräte oder anlässlich der Anzeige privater Geräte.

  • Die Behördenleitung hat dafür Sorge zu tragen, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine sachgerechte Ausstattung mit IT-Geräten für ihre Diensterfüllung zur Verfügung steht. Erforderlichenfalls hat sie den Bedarf der zuständigen Stelle rechtzeitig anzuzeigen. Die Aus- und Rückgabe sind zu dokumentieren.

  • Die Behördenleitung hat jährlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abzufragen, ob und welche bislang noch nicht gemeldeten privaten IT-Geräte dienstlich genutzt bzw. welche gemeldeten privaten IT-Geräte nicht mehr genutzt werden. Nicht Gegenstand der Abfrage sind Smartphones, die lediglich dazu genutzt werden, dienstliche Anrufe auch außerhalb des Büros entgegennehmen zu können.

Dienstanweisung des Justizministeriums NRW im Volltext

10 Disziplinarrechtliche Würdigung

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Den bisherigen Ausführungen kann entnommen werden, dass der Polizeibeamte, der ein privates Smartphone, versehen mit einem Sticker „FCK-GRN“ zur Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben benutzte, sich nicht korrekt verhalten hat. Was die unseriöse Verletzung der Neutralitätspflicht anbelangt, heißt es – um diesen Faden noch einmal aufzugreifen – in einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Thüringen aus dem Jahr 2012, wie folgt:

VGT Thüringen 2012: Erscheinungsformen fallen aus dem Rahmen des Üblichen und sind geeignet, die Neutralitätsfunktion der Polizeiuniform zu beeinträchtigen, wenn sie unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Anschauungen als unkorrekt oder unseriös anzusehen sind. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn sie die Mehrheit der Bevölkerung für die eigene Person ablehnt oder allgemein nicht für vorteilhaft hält. Vielmehr kann eine Erscheinungsform erst dann als unkorrekt oder unseriös gelten, wenn so auftretende Personen von weiten Kreisen der Bevölkerung ausgegrenzt werden oder ihnen doch Vorbehalte der Art begegnen, die erwarten lassen, dass sie bei der Amtsausübung nicht ernst genommen werden oder ihnen das dabei erforderliche Vertrauen nicht entgegengebracht wird.

VG Thüringen, Beschluss vom 13.8.2012 - 4 E 824/12 We

In Verbindung mit allen bisher erörterten Fehlverhalten eines Polizeibeamten, der ein private Smartphones zur Beweissicherung eines Sachverhaltes benutzte, der aktenkundig gemacht wird, stellt sich aus der Gesamtschau aller Fehlverhalten nunmehr die Frage, wie das Verhalten des Polizeibeamten in seiner Gesamtheit gesehen disziplinarrechtlich zu ahnden ist.

Diese Frage kann hier nicht abschließend geklärt werden, denn diese Antwort setzt eine genaue Kenntnis des Sachverhalts voraus. Da gegen den Polizeibeamten strafrechtlich ermittelt wurde, diese Ermittlungen aber eingestellt wurden, ist die Frage möglicher dienstrechtlicher Folgen in Anlehnung an den § 14 LDG NRW wie folgt zu beantworten.

§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BDG (Zulässigkeit von Disziplinarmaßnahmen nach Straf- oder Bußgeldverfahren)

(1) Ist gegen einen Beamten im Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, darf wegen desselben Sachverhalts
1. ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden.
[...].

Zu solchen Maßnahmen ist es nicht gekommen, so dass disziplinarrechtliche Maßnahmen nunmehr in Betracht kommen.

Die gesetzlich zugelassenen Disziplinarmaßnahmen sind gesetzlich wie folgt geregelt:

§ 5 Abs. 1 BDG (Arten der Disziplinarmaßnahmen)

(1) Disziplinarmaßnahmen gegen Beamtinnen und Beamte sind:
1. Verweis (§ 6)
2. Geldbuße (§ 7)
3. Kürzung der Dienstbezüge (§ 8)
4. Zurückstufung (§ 9) und
5. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10).
[...].

Hinsichtlich der Schwere des Fehlverhaltens kommt als schwerweigendste Disziplinarmaßnahme in diesem Fall wohl nur ein Verweis in Betracht. Denkbar ist aber auch eine Rüge, wenn der Dienstvorgesetzte das für ausreichend hält.

§ 6 BDG (Verweis)

Der Verweis ist der schriftliche Tadel eines bestimmten Verhaltens des Beamten. Missbilligende Äußerungen (Zurechtweisungen, Ermahnungen oder Rügen), die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden, sind keine Disziplinarmaßnahmen.

Anders ausgedrückt: Eine Rüge, dürfte im hier zu erörternden Sachzusammenhang unverzichtbar sein. Im Gegensatz zu einem schriftlichen Verweis, der eine offizielle Disziplinarmaßnahme ist, wäre das für den Beamten eine sehr günstige Regelung.

Hinweis: Eine Rüge kann, wie eine Ermahnung oder Abmahnung auch, in die Personalakte aufgenommen werden, muss aber nicht.

Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben das Recht, Einsichtnahme in ihre Personalakte zu nehmen und bei einer dort eingetragenen unberechtigten Rüge auf deren Entfernung Klage zu erheben. Eine Rüge, die unrechtmäßig ist, muss entfernt werden, da sie die berufliche Zukunft behindern kann. Eine rechtmäßige Rüge kann nach einer gewissen Zeit entfernt werden, wenn der Vorfall nicht mehr von Bedeutung ist.

Welche Regelungen der Dienstherr des Beamten für geeignet, erforderlich und verhältnismäßig hält, liegt in seinem Ermessen.

11 Strafrechtliche Würdigung des Anzeigenerstatters

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Als strafbares Verhalten kommt in Betracht:

  • Wissentliche Verdächtigung im Sinne von § 164 StGB

  • Strafbare Veröffentlichung eines Porträtfotos ohne Einwilligung des Betroffenen im Sinne des § 23 KunstUrhG auch KUG abgekürzt.

Wissentliche falsche Verdächtigung im Sinne von § 164 StGB: Bei diesem Delikt handelt es sich um ein Offizialdelikt. Tatbestandlich handelt, wer eine Person anzeigt, eine Straftat begangen zu haben, obwohl das nicht zutrifft.

§ 164 Abs. 1 und 2 StGB (Falsche Verdächtigung)

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

[...].

Wie dem auch immer sei: Festzustellen ist, dass eine wissentliche Falschanzeige eine Straftat ist, die schwere rechtliche Folgen haben kann (Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren). Sie wird strafrechtlich verfolgt, sobald jemand vorsätzlich eine falsche Anschuldigung gegenüber einer Behörde erhebt, um eine andere Person fälschlicherweise einer Straftat zu bezichtigen. Das Strafmaß hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Tatbestandlich handelt auch, wer durch eine falsche Verdächtigung dafür sorgt, dass gegen einen Amtsträger disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden.

12 Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

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In einem Urteil des OLG Dresden vom 9. September 2025 heißt es im Hinblick auf die Verbreitung von Bilddaten ohne Einwilligung der davon betroffenen Person bereits in den Leitsätzen wie folgt:

OLG Dresden 2005: Leitsatz: 1. Die Rechtmäßigkeit der Nutzung eines Lichtbilds mit personenbezogenen Daten des Betroffenen für eine Ordnungswidrigkeitenanzeige beurteilt sich allein nach den Vorschriften der DSGVO.

Leitsatz 5. Das Hochladen eines Lichtbildes mit personenbezogenen Daten des Betroffenen auf einer Anzeigeplattform im Internet kann einen datenschutzrechtlichen Kontrollverlust begründen.

OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Urteil vom 9. September 2025, Az.: 4 U 464/25

Diesem Urteil lag ein Beweisfoto zugrunde, das einen Falschparker und dessen Beifahrer zeigte, das von dem „Fotografen“ aus dessen Website hochgeladen wurde.

Wie dem auch immer sei: Die Ausführungen der Richter des OLG Dresden im Hinblick auf den Missbrauch von Fotografien, die im Internet verbreitet werden, lassen sich durchaus auch im so genannten Analogverfahren auf den hier zu erörternden Sachverhalt anwenden.

In dem Urteil heißt es an anderer Stelle wie folgt:

OLG Dresden 2025: Die DSGVO erfasst ihrem sachlichen Anwendungsbereich nach gem. Art. 2 Abs. 1 DSGVO jegliche Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO) von personenbezogenen Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO), gleich ob sie automatisiert erfolgt oder nicht. Bei einer nicht-automatisierten Verarbeitung muss die zusätzliche Voraussetzung erfüllt sein, dass die personenbezogenen Daten in einem Dateisystem (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Art. 4 Nr. 1 DSGVO bestimmt, dass personenbezogene Daten alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (“betroffene Person“) sind. Als bestimmbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann. Die Anfertigung und Verwendung des von dem Beklagten am 28.01.2024 gegen 12:04 Uhr in L...... auf der D...... Straße xx (Höhe Bushaltestelle) gefertigten Fotos, das den Kläger als Beifahrer in einem Fahrzeug zeigt, unterfällt den datenschutzrechtlichen Vorschriften (Art. 2 Abs. 1 DSGVO), da der Beklagte sie mittels Handy digital gefertigt, dort gespeichert und auf dem Server der „weg.li“-App hochgeladen hat, Art. 4 Nr. 2 DSGVO, Art. 3 Abs. 1 DSGVO. Werden Aufnahmen, die personenbezogene Daten enthalten, auf eine Plattform hochgeladen und damit für Internetnutzer veröffentlicht, stellt dies eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung dieser Daten dar (...).

Das LG hat zudem nach Inaugenscheinnahme festgestellt, dass der Kläger auf einem der Fotos erkennbar ist, was vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten wird, so dass das Foto biometrische Daten aber auch Metadaten wie Uhrzeit und Standort des Klägers enthält.

Der Beklagte ist Verantwortlicher i.S.d. Art 4 Nr. 7 DSGVO, denn er hat mittels Anfertigen des Fotos und Hochladen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entschieden, die Betreiber der Website „weg.li.de“ haben die Daten in seinem Auftrag verarbeitet, Art. 4 Nr. 8 DSGVO.

Hinweis: Bei dem  Polizeibeamten, dessen Porträtfoto der Stadtrat im Internet veröffentlicht hat, handelt es sich nicht um eine Person, die vom Geltungsbereich der DSGVO ausgenommen ist.

Immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO kann auch der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Verstoßes gegen die DSGVO sein. Weder muss eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten zum Nachteil des Betroffenen erfolgt sein noch bedarf es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen (...). Für die Schadensschätzung bei einem auf den Kontrollverlust an personenbezogenen Daten gestützten Ersatzanspruch kommt es auf die Sensibilität dieser Daten, ferner Art und Dauer des Kontrollverlusts und die Möglichkeit zur Wiedererlangung der Kontrolle an (...).

Ferner hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, seine Daten seien auf den Server der Betreiber der App hochgeladen und dort weiterverarbeitet worden. Wer dort Zugang zu den Daten gehabt habe oder was damit dort passiert sei, könne er nicht konkret nachvollziehen.

Vor diesem Hintergrund ist ein Kontrollverlust über Daten des Klägers festzustellen, für den der Senat einen Betrag von 100,- EUR als angemessenen, aber auch ausreichenden Ausgleich für gerechtfertigt erachtet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 627,13 €.

OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Urteil vom 9. September 2025, Az.: 4 U 464/25

Die folgenden Zitate aus der DSGVO sollte jeder kennen, der meint, jedes Foto hochladen zu können, das er angefertigt hat.

Art. 6
Rechtmäßigkeit der Verarbeitung

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist: a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

Art. 10
Verarbeitung
von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten

Die Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 darf nur unter behördlicher Aufsicht vorgenommen werden oder wenn dies nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen vorsieht, zulässig ist. Ein umfassendes Register der strafrechtlichen Verurteilungen darf nur unter behördlicher Aufsicht geführt werden.

Art. 82
Haftung und Recht auf Schadenersatz

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Übrigens: Auch der fotografierte Fahrer hätte gegen die Verbreitung seines Fotos im Internet Klage führen und diese Klage auch für sich erfolgreich durchführen lassen können. Hat er aber – im Gegensatz zu seinem erbosten Beifahrer - nicht.

So ist das Leben: Wo kein Kläger, da ist auch kein Richter.

Auch die Einlassung eines übereifrigen Fotografen, durch das von ihm gefertigte Beweisfoto eine Person der Zeitgeschichte abgebildet zu haben, die sich rechtswidrig verhält, was bei einem Polizeibeamten anzunehmen ist, der durch den Sticker seines Smartphones die Hassbotschaft „FCK GRN“ verbreitet, vermag nicht zu überzeugen, denn bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalls handelt es sich nicht um ein Ereignis der Zeitgeschichte, sondern um ein Ereignis, dass sich täglich auch in Heilbronn ereignet und folglich zum ganz normalen polizeilichen Berufsalltag gehört.

Solche normalen Polizeieinsätze zu fotografieren fallen nicht unter die Kategorie der Dokumentation von „Personen der Zeitgeschichte“.

Das trifft allenfalls bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu, die an Einsätzen von öffentlichem Interesse beteiligt sind. Aber auch dann gilt für Veröffentlicher gefertigter Fotos die Verpflichtung, bei der Veröffentlichung von Bildern, die nicht von so genannten VIP (Very Important Persons) gefertigt wurden, die Persönlichkeitsrechte abgebildeter Personen, wozu auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gehören,  durch die Verpixelung ihrer Gesichter, vor der Verbreitung "unkenntlich" zu machen sind.

13 Regelungen im Kunsturheberschutzgesetz

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Die genaue Bezeichnung des Gesetzes lautet: Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG).

Täter im Sinne dieses Gesetzes ist eine Person, die ein Bildnis ohne die erforderliche Einwilligung der abgebildeten Person verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt und dabei gegen die §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes verstößt.

§ 22 KunstUrhG
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. [...].

§ 23 KunstUrhG
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.

§ 33 KunstUrhG
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

Strafbar im Sinne des KunstUrhG macht sich, wer beispielsweise ohne Erlaubnis Fotos von Personen ins Internet stellt oder diese anderweitig verbreitet.

Die Strafverfolgung erfolgt jedoch nur auf Antrag des Betroffenen.

Täter ist:

  • Wer ohne Einwilligung ein Bildnis einer anderen Person verbreitet oder öffentlich ausstellt, ohne deren Einwilligung zu haben.

  • Die Handlung muss gegen die Regelungen des Kunsturhebergesetzes verstoßen, die das Recht am eigenen Bild regeln.

  • Die Tat kann sowohl zivilrechtliche Ansprüche des Abgebildeten auslösen (z.B. Unterlassung) als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

  • Welche Straftaten sind relevant? Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung: Die Person stellt ein Bildnis einer anderen Person der Öffentlichkeit zur Verfügung, z.B. durch das Hochladen auf Social-Media-Plattformen oder das Veröffentlichen in einer Zeitung.

  • Ausnahmen bei „Personen der Zeitgeschichte“: Dazu gleich mehr.

Wer die Straftat begeht, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden.

Antragsdelikt: Die Tat wird aber nur verfolgt, wenn der Betroffene (oder ein Angehöriger) einen Strafantrag gestellt hat.

14 Personen der Zeitgeschichte als Rechtfertigungsgrund

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Das Anfertigen von Aufnahmen von Polizeieinsätzen ist grundsätzlich erlaubt, solange die Beamten dadurch nicht in ihrer Arbeit gestört werden. Das bedeutet aber nicht, dass auch Aufnahmen von ganz normalen Einsätzen der Polizei gemacht werden dürfen, durch - in Anschluss daran - die Persönlichkeitsrechte davon betroffener Polizeibeamten verletzt werden.

Festzustellen ist, dass ein Veröffentlichen von Aufnahmen, die Persönlichkeitsrechte zum Beispiel dadurch verletzen, indem die handelnde Person durch die Aufnahmen identifiziert werden kann, grundsätzlich rechtswidrig sind. Das „Recht am eigenen Bild“ gilt auch für Polizeibeamte, wenn die sich dienstrechtlich nicht korrekt verhalten, zumindest was eine Veröffentlichung dieses Fehlverhaltens im Internet oder in den sozialen Medien sozusagen zur Schau gestellt wird.

Daraus ergibt sich: Um eine Strafbarkeit zu vermeiden, dürfen unverpixelte Bilder von Polizisten aus Routineeinsätzen, die sich nicht zu „zeitgeschichtlichen Ereignissen“ zählen lassen, nicht publiziert werden, wenn handelnde Personen darauf erkannt (identifiziert) werden können.

Die Richter des BGH hatten 2007 darüber zu entscheiden, welchen Schutz auch „Personen der Zeitgeschichte“ für sich in Anspruch nehmen können. Im Rahmen dieser Entscheidung musste auch geklärt werden, was unter der Sprachfigur „Person der Zeitgeschichte“ zu verstehen ist.

BGH 2007: Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, über das Zeitgeschehen unterrichtet zu werden und damit über alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Deshalb darf grundsätzlich die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben hierüber berichten, wobei sie keiner Zensur unterliegt und nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden darf, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Dabei muss sie allerdings die geschützte Privatsphäre desjenigen beachten, über den sie berichten will, so dass es stets einer Interessenabwägung bedarf.

An anderer Stelle heißt es:

Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs den abkürzenden Begriff der „Person der Zeitgeschichte“ entwickelt. Als „relative“ Person der Zeitgeschichte ist eine Person anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber gilt als „absolute“ Person der Zeitgeschichte eine Person, die aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit findet, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb über sie berichtet werden darf. Auch sie hat jedoch ein Recht auf Privatsphäre, das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr muss sie die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen (...).

Unter Bezugnahme auf die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) heißt es:

Dabei [gemeint ist die Zuordnung zur Zeitgeschichte] ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (...). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.

Mithin kommt eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft (...). Dabei darf allerdings der Begriff der Zeitgeschichte nicht zu eng verstanden werden. [...]. [Im] Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt.

BGH, Urteil vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06

Und was die Veröffentlichung von Bildern anlässlich von polizeilichen Routinemaßnahmen anbelangt, heißt es in einem Urteil des Kammergerichts Berlin aus dem Jahr 2023 wie folgt:

KG Berlin 2023: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche im Internet veröffentlichte Information, die sich auf personenbezogene Daten bezieht, unter den Begriff der „journalistischen Tätigkeiten“ fiele (vgl. EuGH aaO). Zwar kann ein im Internet veröffentlichtes Video über eine Polizeimaßnahme als journalistische Tätigkeit anzusehen sein, wenn damit auf angeblich rechtswidrige Praktiken der Polizei aufmerksam gemacht werden soll (...). An einem – wie hier – alltäglichen Routinepolizeieinsatz besteht indes kein derartiges Interesse, dass er in den Medien hätte verbreitet werden müssen (...). Zu beachten ist auch, dass die Mehrzahl von Fotoveröffentlichungen im Internet, z.B. auf Websites, Blogs oder Social Media-Plattformen, zwar Ausdruck von persönlichen Ansichten ist oder der Selbstdarstellung dient. Journalistische Zwecke werden damit jedoch nicht verfolgt (...).

KG Berlin, Urteil vom 30.11.2023 - 2 ORs 31/23, 2 ORs 31/23 - 121 Ss 130/23

Anders ausgedrückt: Aus dem Urteil des Kammergerichts Berlin lässt sich ableiten, dass es sich bei Fotos, die von Außenstehenden anlässlich polizeilicher Verkehrsunfallaufnahmearbeit gefertigt wurden, nicht um die Dokumentation eines Polizeieinsatzes von öffentlichem Interesse im Sinne der KunstUrhG (auch als KUG bezeichnet) handelt.

Aus dem Fehlverhalten eines einzelnen Polizeibeamten zu schließen, dass es hier um polizeitypisches Handeln geht, über das die Öffentlichkeit informiert werden muss, ist abwegig, besser gesagt rechtswidrig. Wer sich über polizeiliches Fehlverhalten beschwerden will, dem stehen andere - weitaus effektivere - Möglichkeiten zur Verfügung, den Polizeibeamten für sein Fehlverhalten in Anspruch zu nehmen.

15 Was ist heute noch normal?

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Auf diese Frage eine zutreffende Antwort zu finden ist nicht leicht.

Hier der Versuch einer Antwort:

Es ist nicht normal, wenn Polizeibeamte private Smartphones zur Dokumentation polizeilicher Ermittlungsarbeit einsetzen, die mit einem "FCK-GRN-Sticker" versehen sind.

Normal scheint hingegen das Geltungsbedürfnis einer Vielzahl von Einzelpersonen zu sein, jedes festgestellte Fehlverhalten sofort der Weltöffentlichkeit in der Hoffnung mitzuteilen, dafür mit möglichst vielen Links für diese heroische Tat belohnt zu werden.

Wie dem auch immer sei: In einer Zeit vor dieser (un)normalen heutigen Zeit wäre es üblich gewesen, dass sich ein Beschwerdeführer unmittelbar an die Dienststelle des Beamten gewendet hätte, der sich erkennbar falsch und vorwerfbar verhalten hat. Dann wäre es wahrscheinlich sogar dazu gekommen, dass der Beschwerdeführer und der Beamte, über den Beschwerde geführt wurde, im Beisein des Vorgesetzten, der die Beschwerde entgegengenommen hat, das Fehlverhalten gemeinsam erörtern würden.

Dazu wäre es sicherlich nicht gekommen, wenn sich beim ersten Gespräch bereits der Verdacht einer Straftat ergeben hätte, die einem Polizeibeamten vorgehalten werden kann.

Die Folge einer angezeigten Straftat hätte die sofortige Einleitung eines Strafverfahrens durch Entgegennahme einer Strafanzeige zur Folge gehabt. Wahrscheinlich wäre eine Anzeige sofort im Anschluss an das Gespräch aufgenommen und der Anzeigenerstatter danach auch als Zeuge vernommen worden, um ihm weitere Unannehmlichkeiten zu ersparen.

Wie dem auch immer sei: In einer Gesellschaft, die noch wusste, wie Konflikte gelöst werden können, zumindest die, die Einzelpersonen betreffen, wäre die oben zuletzt genannte Option sicherlich erfolgversprechender gewesen, als das bei der Normalität von heute der Fall zu sein scheint.

16 Quellen

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Endnote_01
Meldung der Rhein-Neckar Zeitung vom 8.5.2025:
https://www.rnz.de/region/sinsheim-kraichgau_artikel
,-Heilbronn-FCK-GRN-Handy-Aufkleber-Reaktionen
-auf-die-Anzeige-_arid,1566615.html
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Endnote_02
BVerfG, Pressemitteilung Nr. 23/2015 vom 28. April 2015. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/
Pressemitteilungen/DE/2015/bvg15-023.html
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