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Beurteilung von Leistung

Inhaltsverzeichnis:

01 Einführung in das Thema
02 Rechtscharakter der Beurteilung
03 Bedeutung der Beurteilung
04 Regelung in Rechtsnormen
05 Sicht des BVerfG
06 Sicht des BVerwG
07 Beurteilungsbeiträge – Gesamturteil
08 Begründung des Gesamturteils
09 Aufhebung einer Beurteilung

10 Bevorzugte Beurteilungen/Beförderungen von Frauen
11 Quellen

01 Einführung in das Thema

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Die nachfolgend zitierten Sätze von Max Weber (1864 bis 1920) sind über 100 Jahre alt. Dennoch scheinen sie zeitlos zu sein, denn auch heute noch sind gute Beurteilungen, die Vorgesetzte über nachgeordnete Beamten schreiben, von Verhaltensweisen abhängig, die sich nach den Vorstellungen derjenigen auszurichten haben, die Beurteilungen erstellen. In einem seiner Vorträge aus dem Jahr 1919 heißt es bei Max Weber wie folgt:

Max Weber: Der echte Beamte [...] soll seinem eigentlichen Beruf nach nicht Politik treiben, sondern: »verwalten«, unparteiisch vor allem, – auch für die sogenannten »politischen« Verwaltungsbeamten gilt das, offiziell wenigstens, soweit nicht die »Staatsräson«, d.h. die Lebensinteressen der herrschenden Ordnung, in Frage stehen. Sine ira et studio [objektiv und sachlich; unvoreingenommen = AR], »ohne Zorn und Eingenommenheit« soll er seines Amtes walten. Er soll also gerade das nicht tun, was der Politiker, der Führer sowohl wie seine Gefolgschaft, immer und notwendig tun muss: kämpfen. Denn Parteinahme, Kampf, Leidenschaft – ira et studium [mit Wut und Leidenschaft = AR] sind das Element des Politikers. Und vor allem: des politischen Führers. Dessen Handeln steht unter einem ganz anderen, gerade entgegengesetzten Prinzip der Verantwortung, als die des Beamten ist.

Ehre des Beamten ist die Fähigkeit, wenn – trotz seiner Vorstellungen – die ihm vorgesetzte Behörde auf einem ihm falsch erscheinenden Befehl beharrt, ihn auf Verantwortung des Befehlenden gewissenhaft und genau so auszuführen, als ob er seiner eigenen Überzeugung entspräche: Ohne diese im höchsten Sinn sittliche Disziplin und Selbstverleugnung zerfiele der ganze Apparat.

An anderer Stelle:

Der Verwaltungsstab, der den politischen Herrschaftsbetrieb wie jeden anderen Betrieb in seiner äußeren Erscheinung darstellt, ist nun natürlich nicht nur durch jene Legitimitätsvorstellung, von der eben die Rede war, an den Gehorsam gegenüber dem Gewalthaber gekettet. Sondern durch zwei Mittel, welche an das persönliche Interesse appellieren: materielles Entgelt und soziale Ehre. Lehen der Vasallen, Pfründen der Patrimonialbeamten, Gehalt der modernen Staatsdiener, – Ritterehre, ständische Privilegien, Beamtenehre bilden den Lohn, und die Angst, sie zu verlieren, die letzte entscheidende Grundlage für die Solidarität des Verwaltungsstabes mit dem Gewaltinhaber [En01].

Dieses besondere Gehorsamsverhältnis bzw. Loyalitäts- und Abhängigkeitsverhältnis gegenüber vorgesetzten Stellen ist - auch im Hinblick auf Beurteilungen von Beamtinnen und Beamten - wohl auch heute noch von ausschlaggebender Bedeutung.

Anders ausgedrückt: Ein Beamter, der zum Widerspruch neigt, wird es schwer haben, herausragende Beurteilungen zu bekommen, um Funktionsstellen einnehmen zu können, die Führungsverantwortung beinhalten.

Bei der Polizei dürfte diese Folgebereitschaft bereits bei der Beförderung von Beamten des gehobenen Dienstes nach A12 und erst recht bei Beförderungen nach A13 ausschlaggebend sein.

Hinsichtlich der Zulassung zum Studium an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) für die Bewerberinnen und Bewerber, die im höheren Polizeivollzugsdienst verwendet werden möchten und über die dafür erforderlichen Voraussetzungen verfügen, ist im Rahmen des Bewerbungsverfahrens von der Behörde, in der die sich bewerbende Person Polizeidienst versieht, eine entsprechende Beurteilung zu erstellen, die an irgendeiner Stelle im Auswahlverfahren nicht unbedeutend sein dürfte.

Es kann somit davon ausgegangen werden, dass bei der Auswahl geeigneter Bewerberinnen und Bewerber für den höheren Polizeidienst Loyalität als eine wesentliche Voraussetzung anzusehen ist.

Wie dem auch immer sei: Bei der Auswahl von Führungskräften gehen sogar im Rahmen der wissenschaftlichen Eignungsdiagnostik Psychologen davon aus, dass oftmals nach dem Motto: Schmidt sucht Schmidtchen, Personalentscheidungen getroffen werden.

Grafik 1
Auswahl nach dem Motto: Intelligence to please

Auch bekannt als vorauseilender Gehorsam.

Grafik 2
Nichtberücksichtigung auffälliger Bewerber

Während die erste Grafik eine Botschaft transportiert, die sich oftmals als eine erfolgreiche Strategie verstehen lässt, um nicht nur gute Beurteilungen zu erhalten, sondern auch auf der Karriereleiter aufsteigen zu können, enthält die zweite Grafik eine andere Botschaft, die darin besteht, dass es einnem roten Gummibärchen im Kreis gelber Gummibärchen wohl kaum möglich sein dürfte, eine wirklich gute Beurteilung zu erhalten und erst recht keine Führungsfunktion übertragen zu bekommen. Ausnahmen bestätigen die Regel.

02 Rechtscharakter der Beurteilung

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Beurteilungen sind keine Verwaltungsakte, da sie keine Außenwirkung haben, denn beurteilt werden nur Amtswalter einer Behörde, deren Handeln dieser Behörde zugeordnet werden und somit auch nur innerhalb dieser Behörde Bedeutung erlangen, denn lediglich dienstliches Handeln wird vorrangig beurteilt. Beurteilt werden kann aber auch außerdienstliches Verhalten, soweit dadurch beamtenrechtliche Pflichten verletzt werden.

Bei Beurteilungen handelt es sich somit um eine reine Leistungs- und Befähigungsfeststellung, auf deren Grundlage spätere behördliche Entscheidungen getroffen werden können, wie zum Beispiel Beförderungen.

Wie dem auch immer sei: Gegen schlechte Beurteilungen können davon betroffene Beamte Widerspruch einlegen. Wird diesem Widerspruch nicht stattgegeben, kann dagegen vor einem Verwaltungsgericht Klage erhoben werden.

BVerwG 2016: Weil eine dienstliche Beurteilung als solche kein Verwaltungsakt und deshalb auch nicht der Bestandskraft fähig ist (...), ist die unmittelbare Anwendung von § 48 VwVfG zur Rücknahme rechtswidriger dienstlicher Beurteilungen ausgeschlossen. Da eine dienstliche Beurteilung dem Beamten aber gleichwohl im Hinblick auf Auswahl- und Beförderungsentscheidungen eine schutzwürdige Position vermittelt, ist ihre nachträgliche Aufhebung von Amts wegen nur analog § 48 VwVfG unter den dort geregelten Voraussetzungen zulässig. Denn das Maß und die Wirksamkeit der Rechtsschutzgewährung richtet sich nicht nach der von der Behörde gewählten Handlungsform, sondern nach der Intensität und der Dauer des staatlichen Rechtseingriffs (...).

An anderer Stelle:

Wäre die dienstliche Beurteilung ein Verwaltungsakt, könnte sie nur durch einen anderen Verwaltungsakt als dessen Gegenteil (actus contrarius) aufgehoben werden (...). Entsprechendes gilt für die Aufhebung der dienstlichen Beurteilung eines Beamten. Zuständig für die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung - und damit auch für die Aufhebung einer solchen - ist grundsätzlich der Behördenleiter, der die Kompetenz auf andere Vorgesetzte des zu beurteilenden Beamten delegieren kann.

BVerwG, Urteil vom 17.03.2016 - 2 A 4.15

Analoge Anwendung des § 48 VwVfG bei der Rücknahme von Beurteilungen:

§ 48 VwVfG (Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes)

03 Bedeutung der Beurteilung

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Es ist eine Tatsache, dass Beurteilungen für Personalentscheidungen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Zutreffend ist aber auch, dass dienstliche Beurteilungen von Beamten in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nur beschränkt einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegen. Kommt es dennoch zu einem Verwaltungsstreitverfahren, hat sich die verwaltungsgerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, zu prüfen, ob Beurteiler:

  • Gegen Verfahrensvorschriften verstoßen haben

  • Anzuwendende Rechtsbegriffe verkannt wurden

  • Von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist

  • Allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet wurden
    oder:

  • Sachfremde Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Dies lässt die Feststellung zu, dass dem Dienstherrn ein großer Beurteilungsspielraum zusteht, wenn es darum geht, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beurteilen.

Beurteilte hält das aber nicht davon ab, im zunehmenden Maße vor Verwaltungsgerichten sowohl gegen Beurteilungen als auch gegen sonstige Personalentscheidungen zu klagen, die auf der Grundlage von Auswahlverfahren erfolgten, wenn dabei nicht im gebotenen Umfang auf Beurteilungen zurückgegriffen wurde.

Die anwachsende Zahl der Klagen in diesem Bereich hat gezeigt, dass in den zurückliegenden Jahren Beamte vor Gericht oftmals erfolgreich ihre Rechte erstreiten konnten. Deshalb ist es im Zusammenhang mit Fragen, die die Personalauswahl betreffen, unvermeidbar, aufzuzeigen, welch eine zentrale Rolle Beurteilungen im Rahmen von Personalentscheidungen zukommt.

04 Regelung in Rechtsnormen

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Auf der Grundlage bloßer Verwaltungsvorschriften dürfen Beurteilungen nicht erstellt werden. Zu den Verwaltungsvorschriften zählen auch die Erlasse. Erlassregelungen kommen jedoch in Betracht, wenn Gesetze solche Regelungen zulassen. Dazu gleich mehr.

BVerwG 2021: Angesichts dieser Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die allein nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffende Auswahlentscheidung können die Vorgaben für die Erstellung von Beurteilungen nicht allein Verwaltungsvorschriften überlassen bleiben. Die grundlegenden Vorgaben für ihre Erstellung müssen in Rechtsnormen geregelt werden. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Verwirklichung eines Grundrechts oder - wie hier - eines grundrechtsgleichen Rechts maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wesentlich in diesem Sinne sind alle Regelungen, die für die Verwirklichung dieses Rechts erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen (...). Zudem ist die Regelungsform des Gesetzes für das Beamtenverhältnis typisch und sachangemessen; die wesentlichen Inhalte des Beamtenrechts sind daher durch Gesetz zu regeln (...).

BVerwG, Urteil vom 07.07.2021 - 2 C 2.21

Auf der Grundlage des Landesbeamtengesetzes NRW können Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte beurteilt werden. Absatz 1 ermächtigt die Landesregierung dazu, ergänzende Vorschriften zu erlassen.

§ 92 LBG NRW (Dienstliche Beurteilung, Dienstzeugnis)

Welche ergänzenden Regelungen das im Einzelnen sind, das kann der „Neufassung der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten im Bereich der Polizei (BRL Pol) – Runderlass des Ministeriums des Innern – 403-26.00.05 - vom 21. März 2023 entnommen werden.

Neufassung der Richtlinien

05 Sicht des BVerfG

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Die nachfolgenden Aussagen zum grundsätzlichen Stellenwert von Beurteilungen orientieren sich an einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003 – 2 BvR 311/03. Die dort getroffenen Aussagen der Verfassungsrichter machen deutlich, welch einen Stellenwert Beurteilungen einnehmen.

BVerfG 2002: Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist die dienstliche Beurteilung eines Beamten vorrangige Grundlage für am Leistungsprinzip im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Entscheidungen über dessen Verwendung und dienstliches Fortkommen, weil und soweit sie maßgebliche und zuverlässige Aussagen zu seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung enthält (...). Daraus folgt, dass eine Beurteilungspraxis, die diesen Anforderungen nicht gerecht wird und ohne sachlichen Grund nicht hinreichend zwischen den zu Beurteilenden differenziert, den von Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Anspruch des im Beförderungsauswahlverfahren unterlegenen Bewerbers auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung verletzt. In einem solchen Fall fehlt es insgesamt an einer tragfähigen, dem Gebot der Bestenauslese entsprechenden Grundlage für die Auswahlentscheidung.

BVerfG: Beschluss vom 29.07.03 - 2 BvR 311/03

Für den Fall, dass mehrere Bewerber gleich beurteilt wurden, muss nach Sicht der Verfassungsrichter vorausgesetzt werden können, dass die Gleichheit der Beurteilungsergebnisse auf der Anwendung differenzierter Beurteilungsmaßstäbe beruhen, die sicherstellen, dass dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestenauslese auch tatsächlich entsprochen wurde.

In Fällen jedoch, in denen sich ausschließlich mit Spitzennoten beurteilte Bewerber um eine Beförderungsstelle bewerben, sei dies - so die Verfassungsrichter - ein deutlicher Hinweis auf eine nicht mit Art. 33 Abs. 2 GG zu vereinbarende Beurteilungspraxis.

In einem solchen Fall ist es deshalb Sache des Dienstherrn, darzutun und glaubhaft zu machen, dass die gleichförmigen Beurteilungen entgegen dem ersten Anschein dennoch das Ergebnis einer mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbarenden, differenzierte Maßstäbe anwendenden Beurteilungspraxis beruhen.

Wie verwaltungsgerichtlich „sauber“ zwischen beurteilungsgleichen Bewerbern zu verfahren ist, wird an anderer Stelle in diesem Aufsatz erörtert. An dieser Stelle sei nur der Hinweis erlaubt, dass das Ansehen von Beurteilungen in Mitarbeiterkreisen nicht allzu hoch eingeschätzt wird, denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten nicht viel von den Beurteilungen ihrer Vorgesetzten. Die Gründe dafür sind, dass die bei Bedarf sowieso „passend“ gemacht werden und für die überwiegende Mehrheit eine Beurteilung mit 3 Punkten - eine Beurteilung, die wohl für 70 Prozent der Bediensteten als Standardbeurteilung angesehen werden kann - kaum glaubwürdig vorhandene Leistungsunterschiede zu spiegeln vermag.

Wie dem auch immer sei: Hier soll es zuerst einmal ausreichen, festzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass Beurteilungen eine verlässliche Auskunft über die Eignung, Leistung und Befähigung von Beamten geben.

06 Sicht des BVerwG

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Einen vergleichbaren Stellenwert nehmen Beurteilungen auch in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein. Die folgenden Ausführungen entsprechen sinngemäß einem Urteil des Zweiten Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 1965 - 2 C 146.62.

  • Dort heißt es u.a., dass dienstliche Beurteilungen von entscheidender Bedeutung für die dienstliche Verwendung des Beamten, insbesondere für Beförderungen sind.

  • Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts gehen davon aus, dass die dienstliche Beurteilung dazu geeignet ist, den Beamten in seinen Rechten zu verletzen, wenn sie rechtswidrig ist, z.B. nicht auf sachlichen Erwägungen, sondern auf Willkür beruht oder auf Grund eines unrichtigen Sachverhalts erstellt wurde.

  • Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob und in welchem Grade ein Beamter, die für sein Amt und für seine weitere Laufbahn erforderliche Befähigung und fachliche Leistung aufweist, muss auf nachvollziehbaren Begründungen beruhen.

  • Auch können Befähigung und Leistung eines Beamten nicht allein an hergebrachten, allgemeinen und für das Berufsbeamtentum schlechthin geltenden Wertmaßstäben gemessen werden.

  • Das von der Rechtsordnung dem Dienstvorgesetzten anvertraute Urteil über die Bewährung des einzelnen Beamten hängt vielmehr von den zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes und der Laufbahn ab, das ein Beamter ausübt.

BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1965 - 2 C 146.62

Diese Anforderungen, im Einzelnen zu bestimmen und aus ihnen den „Durchschnitt“ der Beamten als Maßstab für eine durchschnittliche, überdurchschnittliche oder unterdurchschnittliche Beurteilung zu ermitteln, und an ihnen zu ermessen, mit welchen Fähigkeiten und Leistungen der einzelne Beamte den „Durchschnitt“ der ihm ranggleichen Beamten erreicht, überschreitet oder unterschreitet, ist ausschließlich Sache des Dienstherrn.

Nur dieser oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelung ein Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der einzelne Beamte diesen Anforderungen entspricht.

Dieses Werturteil ist daher - ähnlich wie eine Prüfungsentscheidung oder wie die pädagogisch-wissenschaftliche Würdigung einzelner Prüfungsleistungen - mit einer abschließenden Gesamtnote abzuschließen, einem ausschließlich dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis.

Für solche Werturteile geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem Dienstherrn oder die von ihm ermächtigten Beamten eine Beurteilungsermächtigung zusteht, deren verwaltungsgerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit von Beurteilungen sich darauf zu beschränken hat, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.

Ergänzend dazu sei an dieser Stelle auch aus einem Urteil des Zweiten Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1980 - 2 C 8.78 zitiert:

BVerwG 1980: Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung ist auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hingegen darf das Gericht nicht die fachliche und persönliche Beurteilung des Beamten durch seinen Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollziehen oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzen. Denn nur der für den Dienstherrn handelnde Vorgesetzte soll ein Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den - ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden - fachlichen und persönlichen Anforderungen des Amtes und der Laufbahn entspricht.

Bei einem derartigen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.

An anderer Stelle

Innerhalb des normativ gezogenen Rahmens obliegt es grundsätzlich der Entscheidung des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen will. Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind dabei nicht notwendig, in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke und Einzelbeobachtungen während des Beurteilungszeitraumes beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form nebeneinander verwenden bzw. miteinander verbinden.

An anderer Stelle

Hiernach muss der Beamte Werturteile in dienstlichen Beurteilungen, sofern sie fehlerhaft sind und ihn deshalb in seinen Rechten verletzen, nicht widerspruchslos und ohne wirksame Abhilfemöglichkeit hinnehmen. Schon die dienstliche Beurteilung selbst muss in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst werden. Sodann gibt die Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung Gelegenheit, dem Beamten die Ergebnisse der dienstlichen Beurteilung sowie einzelne Werturteile und ihre Grundlagen näher zu erläutern. Hält der Beamte die Beurteilung oder einzelne in ihr enthaltenen Werturteile auch danach noch für sachlich nicht gerechtfertigt, so kann er die Beseitigung oder Änderung der Beurteilung oder die Erstellung einer neuen Beurteilung beantragen und - sofern nicht landesgesetzlich ausgeschlossen - einen entsprechenden Widerspruch erheben.

BVerwG - Urteil vom 26. Juni 1980 - 2 C 8.78

Deshalb müssen dienstliche Beurteilungen dem Beamten eröffnet und mit diesem erörtert werden. Hält der Beamte die Beurteilung oder einzelne in ihr enthaltenen Werturteile im Anschluss an die Erörterung für sachlich nicht gerechtfertigt, steht ihm der Rechtsweg offen.

Entscheidend für die Bestandskraft einer Beurteilung ist, dass das darin enthaltene Werturteil über die Eignung, Leistung und Befähigung eines Beamten keine formelhafte Behauptung bleiben darf, sondern dass es für den Beamten einsichtig und für außenstehende Dritte nachvollziehbar wird, dass der Beamte die Gründe und Argumente des Dienstherrn nicht nur erfährt, sondern auch nachvollziehen kann, welche Gründe zu dem Urteil geführt haben.

Anlässlich anstehender Personalentscheidungen können ältere dienstliche Beurteilungen als zusätzliche Möglichkeiten der Informationsgewinnung berücksichtigt werden. Sie stellen jedoch keine Hilfskriterien für eine Auswahlentscheidung dar.

Hilfskriterien: Was darunter zu verstehen ist, dass kann einem Beschluss des OVG NRW aus dem Jahr 2019 entnommen werden:

OVG NRW 2019: Dem Prinzip der Bestenauslese ist [...] im Rahmen der Anwendung der Hilfskriterien größtmögliche Geltung zu verschaffen. Dem kann der Dienstherr insbesondere dadurch Rechnung tragen, dass er sich primär auf solche Hilfskriterien stützt, die am besten über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber Aufschluss geben. Dies wird regelmäßig auf wissenschaftlich fundierte Verfahren zur Eignungsfeststellung wie z. B. strukturierte Auswahlgespräche oder Assessment-Center zutreffen. Allenfalls eine nachrangige Bedeutung kann demgegenüber eignungsfernen Hilfskriterien wie dem Dienst- bzw. Lebensalter der Konkurrenten oder der Standzeit im aktuellen Statusamt zukommen.

OVG NRW, Beschluss vom 19.03.2019 - 1 B 1301/18

Dennoch: Wenn mehrere Bewerber sich auf die gleiche Stelle bewerben, zählt in erster Linie die aktuelle Beurteilung. Bereits in den Leitsätzen einer Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 2003 heißt es:

BVerwG 2003: 1. Ist unter mehreren Bewerbern eine Auswahl für die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens zu treffen, so sind Feststellungen über Eignung, Befähigung und Leistung in erster Linie auf dienstliche Beurteilungen zu stützen; dabei kommt auch zurückliegenden Beurteilungen Erkenntniswert zu. Erst wenn alle unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und die Bewerber „im Wesentlichen gleich“ einzustufen sind, sind Hilfskriterien heranzuziehen. Dabei ist der Dienstherr nicht an eine bestimmte Reihenfolge gebunden. 2. Binnendifferenzierungen innerhalb einer Notenstufe sind bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen, soweit sie zulässig sind.

BVerwG – Urteil vom 27.2.2003 – 2 C 16.02

Darüber hinausgehend entspricht es der ständigen Rechtsprechung im Rahmen von Konkurrentenklagen, dass die angerufenen Verwaltungsgerichte erst dann, wenn alle unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und die Bewerber als „im Wesentlichen gleich“ einzustufen sind, Hilfskriterien herangezogen werden können.

Soll ein Beförderungsamt besetzt werden, ist der Dienstherr dazu verpflichtet, über die Bewerbungen unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Kriterien der Eignung, Befähigung und Leistung zu entscheiden und bei der Besetzung des Beförderungsamtes keinen Bewerber zu übergehen, der im Vergleich mit den anderen Bewerbern die vom Dienstherrn aufgestellten Kriterien am besten erfüllt.

Deshalb sind in Bezug auf den bei Beförderungen oder Stellenbesetzungen anzuwendenden Grundsatz der Bestenauslese zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen.

Das sind die Beurteilungskriterien:

  • Neben aktuellen dienstlichen Beurteilungen sind auch frühere dienstliche Beurteilungen zu berücksichtigen. Aus ihnen ergeben sich jedoch keine Hilfskriterien für die Auswahlentscheidung. Vielmehr handelt es sich um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig sind.

  • Vor allem bei einem Vergleich zwischen den Bewerbern um ein Beförderungsamt können sie bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen für die künftige Bewährung in dem Beförderungsamt gewonnen werden.

  • Soweit wirksame dienstliche Beurteilungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung fehlen, hindert dies den Dienstherrn nicht daran, das Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen.

  • Von der Behörde sind jedoch die eignungs-, leistungs- und befähigungsrelevanten Merkmale des Bewerbers zu ermitteln, die einen Vergleich nach den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG ermöglichen.

  • Auch dabei ist die originäre, durch die Verwaltungsgerichte nicht ersetzbare Beurteilungskompetenz des Dienstherrn maßgeblich.

  • Hat dieser es versäumt, die Auswahlentscheidung auf fehlerfreie Grundlagen zu stützen, und ist es nicht mehr möglich, eine gesicherte Vergleichsbasis zu rekonstruieren, so trägt der Dienstherr die materielle Beweislast dafür, dass der nicht ernannte Bewerber auch nach einem fehlerfreien Auswahlverfahren ohne Erfolg geblieben wäre.

  • Dies gilt sowohl für die nachzuholende Auswahl als auch für den Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung, denn die Beschaffung und die Erhaltung der für die Auswahlentscheidung erforderlichen Grundlagen liegt ausschließlich in dem Verantwortungs- und Verfügungsbereich der zuständigen Behörde.

BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16. 02

BVerwG, Urteil vom 21.08.2003 - 2 C 14/02

Abschließend noch einige kurze Zitate aus einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes NRW aus dem Jahr 2004. Dort heißt es, dass die dienstliche Beurteilung der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes dient, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern.

OVG NRW: Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Art. 33 Abs. 4 GG) durch Beamte bestmöglichst zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung auch dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen „Klärung einer Wettbewerbssituation“ zu.

Dies verlangt größtmögliche Vergleichbarkeit der im Rahmen von Beurteilungen erhobenen Daten. Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter miteinander ermöglichen und zu einer objektiven und gerechten Bewertung des einzelnen Beamten führen. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabes ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Beurteilung ihren Zweck erfüllt, einen Vergleich der Beamten untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen. Denn ihre wesentliche Aussagekraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen.

OVG NRW vom 16.12.2004 - 1 B 1576/04

07 Beurteilungsbeiträge – Gesamturteil

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Beurteilungen werden oftmals auf der Basis von Beurteilungsbeiträgen erstellt. Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2016 wie folgt:

BVerwG 2016: Beurteilungsbeiträge müssen die Informationen enthalten, die es dem Beurteiler erlauben, diejenigen in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) zutreffend zu erfassen, über die er keine oder keine hinreichende aus eigener Anschauung gewonnene Erkenntnis besitzt.

An anderer Stelle:

Schließlich leidet die dienstliche Beurteilung auch nicht deshalb an einem Begründungsdefizit, weil das Gesamturteil nicht gesondert begründet worden ist. Zwar ist das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung regelmäßig begründungspflichtig. Entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil aber ausnahmsweise dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note - vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null - geradezu aufdrängt.

BVerwG, Urteil vom 17.03.2016 - 2 A 4.15

08 Begründung des Gesamturteils

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Fehlt es an der Begründung des Gesamturteils, dann führt das zur Rechtswidrigkeit der Beurteilung. Diesbezüglich heißt es in einem Beschluss des OVG NRW aus dem Jahr 2017 wie folgt:

OVG NRW 2017: Die Regelbeurteilung ist schon deshalb rechtswidrig, weil es an einer Begründung des Gesamturteils fehlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung im Unterschied zu den Einzelbewertungen in der Regel einer gesonderten Begründung. Gesamturteil und Einzelbewertungen müssen in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dabei steht es im Ermessen des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will. Diese Gewichtung bedarf aber einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Ein individuelles Begründungserfordernis für das Gesamturteil rechtfertigt sich auch aus dessen besonderer Bedeutung als primär maßgebliche Grundlage bei einem späteren Leistungsvergleich in einem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlverfahren.

Die Begründungsnotwendigkeit besteht insbesondere dann, wenn der Dienstherr, was zulässig ist, ein Ankreuzverfahren ohne zusätzliche individuelle textliche Begründungen wählt und die Bildung eines Gesamturteils deshalb einer zusammenfassenden Bewertung bedarf.

Die Begründung des Gesamturteils ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung und hat deshalb in ihr selbst zu erfolgen. Anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genügt es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren. Die Nachholung der erforderlichen Begründung im gerichtlichen Verfahren ist deshalb nicht möglich. Ansonsten käme die besondere Bedeutung, die dem Gesamturteil im Vergleich zu den Einzelbewertungen zukommt, nicht zum Tragen und würde die Begründung ihre Funktion der Herstellung einer materiell richtigen Entscheidung nicht erfüllen. Die Einheitlichkeit der Maßstäbe, die der Bildung des Gesamturteils zugrunde zu liegen hat, kann nur dann hinreichend gewährleistet und ggf. gerichtlich überprüft werden, wenn diese von vorneherein in der Beurteilung niedergelegt ist.

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.09.2017 - 6 B 639/17

09 Aufhebung einer Beurteilung

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In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2016 heißt es dazu:

BVerwG 2016: Zwar liegt es grundsätzlich im Rahmen der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn, zu bestimmen, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung der Beamten wahrnimmt (dasselbe gilt für deren Aufhebung, wie sie hier im Streit steht); das braucht nicht der Dienstvorgesetzte zu sein. Weder das Bundesbeamtengesetz noch die Bundeslaufbahnverordnung enthalten hierzu ausdrückliche Bestimmungen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit sowohl auf den beurteilenden Dienstvorgesetzten Bezug genommen worden (weil dies die Regel bildet); gelegentlich wird aber auch in allgemeiner Form auf den (oder die) beurteilenden Vorgesetzten oder für die Beurteilung zuständigen Beamten abgehoben. In jedem Fall muss der Dienstherr bei der Bestimmung, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung (oder hier ggf. deren Aufhebung) wahrnimmt, den sachlichen Zusammenhang dieser Aufgabe mit der Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht beachten. Dem ist regelmäßig dann Genüge getan, wenn der Beamte von seinem Dienst- oder anderen Vorgesetzten persönlich beurteilt wird, nach deren dienstlichen Anordnungen (Weisungen) zu der von ihm geforderten Amtsführung er sich zu richten hat.

BVerwG, Urteil vom 17.03.2016 - 2 A 4.15

10 Bevorzugte Beurteilungen/Beförderungen von Frauen

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Im Juli 2025 hat das Verwaltungsgericht in Lüneburg die Polizeidirektion in Lüneburg angewiesen, die geplante Förderung der Frauenquote in Führungspositionen bei der Polizei einzustellen, denn die Behörde soll Beurteiler angewiesen haben, in den Beurteilungen von männlichen Polizisten nicht nur die Leistung als Maßstab zu nehmen, sondern auch das Geschlecht als negativen Aspekt zu werten.

In der Landeszeitung Winsener Anzeiger vom 18.7.2025 heißt es dazu:

Landeszeitung.de: Gericht stoppt Vorgaben für Beförderungen bei der Polizeidirektion Lüneburg. Die Richter sprechen in ihrem Urteil von einem Verstoß gegen das Grundgesetz und fordern den Dienstherren auf, sich „fair und unparteiisch sowie geschlechtergerecht gegenüber allen zu Beurteilenden“ zu verhalten.

Ausgelöst wurde das juristische Verfahren schon vor rund zwei Jahren durch ein internes Papier der Polizeidirektion, in dem es unter anderem darum ging, wie man die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen beseitigen könne. Ein Hebel sei, auch im „Unterbau“ verstärkt Frauen zu befördern. So heißt es in dem Schreiben, dass 69 Prozent der Beförderungen nach A11 (Polizeihauptkommissar) an Frauen gehen müssten. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat dieses Vorgehen jetzt gestoppt.

Der urteilende Richter wird wie folgt zitiert:

Es hat im Polizeikommissariat Uelzen eine Maßstabsverschiebung zugunsten des weiblichen Geschlechts stattgefunden.“ [En02]

Hinsichtlich der bevorzugten Beförderung von Frauen heißt es in einem Beschluss des VG Düsseldorf aus dem Jahr 2016 wie folgt:

VG Düsseldorf 2016: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es [...] unzulässig, wenn der Dienstherr allein aufgrund gleicher Gesamturteile der Bewerber „vorschnell“ etwa auf das Hilfskriterium „weibliches Geschlecht“ zurückgreift und Frauen unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG (Bestenauslese) bevorzugt. Einem solchen Hilfskriterium darf erst dann Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich der Beurteilungen anhand leistungsbezogener Kriterien auch unter Berücksichtigung der Einzelmerkmale kein Vorsprung eines Bewerbers ergibt.

Lässt sich auch im Wege einer inhaltlichen Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen kein Vorsprung eines der Bewerber feststellen, sind als weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien die Aussagen in den jeweiligen Vorbeurteilungen und gegebenenfalls in noch älteren Beurteilungen zu berücksichtigen, sofern sie für den aktuellen Leistungsvergleich Aussagekraft besitzen.

Wichtig:

Beförderungen sind nach den Grundsätzen des § 9 des Beamtenstatusgesetzes vorzunehmen. Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist.

An anderer Stelle:

Für den hier interessierenden Bereich der Beförderung von Beamten hat der Bund von seiner gesetzgeberischen Kompetenz in Gestalt von § 9 BeamtStG Gebrauch gemacht.

§ 9 BeamtStG (Kriterien der Ernennung)
Ernennungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung,
Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.

Danach sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht (Hervorhebung durch die Kammer), Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen. Diese Regelung ist - soweit es das Merkmal der Eignung anbelangt - abschließend. Für einschränkende landesrechtliche Regelungen - wie § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG NRW -, wonach von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bereits dann auszugehen ist, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist, ist kein Raum mehr.

Die Regelung im § 19 Abs. 3 Satz 3 LBG NRW wurde durch die Neufassung von § 19 Abs. 3 Satz 3 LBG NRW [jetzt § 19 Abs. 6 LBG NRW] den Vorgaben des Verwaltungsgerichts entsprechend angepasst, nachdem auch das OVG Münster der Rechtsauffassung des VG Düsseldorf im Februar 2017 folgte.

VG Düsseldorf 2016: Diese Ausführungen [gemeint sind die des Beschwerdeführers] verkennen, dass der Bund in dem hier maßgeblichen Regelungsbereich des Leistungsprinzips eine abschließende Regelung getroffen hat. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung auch, dass dem Beamtenstatusgesetz die Konzeption zugrunde liegt, das Statusrecht hinsichtlich der wesentlichen Kernbereiche wie z.B. bei der Begründung des Beamtenverhältnisses oder für Pflichten und Rechte der Beamten erschöpfend zu regeln.

Die Feststellung eines Qualifikationsvorsprungs setzt aber - was sich auch aus den in dem vorgenannten Beschluss weiter angeführten Entscheidungen ergibt - voraus, dass eine inhaltliche Ausschöpfung der dienstlichen Beurteilungen der Bewerber vorgenommen worden ist. Hierauf soll es aber nach § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG NRW jedenfalls in der Regel nicht mehr ankommen.

Angesichts der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes geht die Kammer der Frage nicht weiter nach, ob die angeführten Neuregelungen nicht auch aus weiteren Gründen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnen. Anzumerken ist, dass bereits fraglich erscheint, ob der Gesetzgeber hinreichend berücksichtigt hat, dass der in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Leistungsgrundsatz auch dem öffentlichen Interesse an einer Besetzung eines öffentlichen Amtes gerade mit dem leistungsstärksten Bewerber und damit auch der Sicherung der Qualität des öffentlichen Dienstes dient.

Zwar ist die Förderung der Gleichberechtigung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG grundrechtlich verankert. Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz ist aber nicht darauf gerichtet, die Geltung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe öffentlicher Ämter generell einzuschränken.

VG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2016 - 2 L 2866/16

Fünf Monate später wurde der Beschluss des VG Düsseldorf durch die Richter des OVG Münster bestätigt. Auch die Richter des OVG Münster hielten die damalige Neuregelung, die zwischenzeitlich geändert worden ist, für verfassungswidrig.

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.02.2017 - 6 B 1109/16

§ 19 Abs. 6 LBG NRW (Neu)

(6) Beförderungen sind nach den Grundsätzen des § 9 des Beamtenstatusgesetzes vorzunehmen. Soweit im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde im jeweiligen Beförderungsamt der Ämtergruppe eines Einstiegsamtes in einer Laufbahn weniger Frauen als Männer sind, sind Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen; ist die Landesregierung die für die Beförderung zuständige Behörde, so ist maßgebend der Geschäftsbereich der obersten Landesbehörde, die den Beförderungsvorschlag macht.

Die bevorzugte Beförderung von Polizeibeamtinnen scheint aber immer noch nicht in allen Länderpolizeien zufriedenstellend gelöst worden zu sein, zumindest im Land Niedersachsen haben zurzeit mehrere Polizeibeamte die Verwaltungsgerichte angerufen, um prüfen zu lassen, ob Frauen bevorzugt beurteilt werden dürfen, um dann natürlich auch bevorzugt befördert werden zu können.

Es kann davon ausgegangen werden, dass solch eine Verfahrensweise mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein kann.

11 Quellen

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Endnote_01
Max Weber, Politik als Beruf.
https://www.projekt-gutenberg.org/webermax/polberuf/titlepage.html
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Endnote_02
Männer benachteiligt? Gericht stoppt Vorgaben für Beförderungen bei der Polizeidirektion Lüneburg. https://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg-lk/lueneburg/lueneburg-gericht-stoppt-polizei-befoerderung-nach-geschlecht-WXOFS55NMBBVZNFS4JJY4FMTVQ.html
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