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Überholen - 315c StGB
OLG Koblenz 2016: Leitsatz:
1. Rücksichtslos im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB handelt, wer sich
zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst ist, sich aber aus
eigensüchtigen Gründen darüber hinwegsetzt, oder wer sich aus
Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen gegen
seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt und unbekümmert um die
Folgen seiner Fahrweise darauf losfährt.
Leitsatz 2. Ob eine solche grob
verkehrswidrige Gesinnung vorgelegen hat, ist aufgrund einer wertenden
Gesamtschau aller Tatumstände zu prüfen. Neben der Frage, inwieweit der
Täter die Verkehrsumstände erkannt hat, können hierbei der Grad der
objektiven Verkehrswidrigkeit, vorangehendes oder nachfolgendes
Verhalten des Täters und der Ausschluss entlastender subjektiver
Faktoren - beispielsweise ein mögliches Augenblicksversagen, Schreck,
Eile aus nachvollziehbaren Gründen - Bedeutung gewinnen.
Leitsatz 3. Eine konkrete Gefährdung ist
gegeben, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund objektiv
nachträglicher Prognose die Sicherheit einer bestimmten Person oder
Sache von bedeutendem Wert durch das Verhalten des Täters so stark
beeinträchtigt ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob die
Rechtsgutverletzung eintritt oder nicht dabei an die tatrichterlichen
Feststellung strenge Anforderungen zu stellen. Die Gefährdung ist
präzise und nachvollziehbar zu belegen; inhaltsleere und eher wertende
Begriffe wie z.B. Notbremsung, Vollbremsung oder scharfes Abbremsen sind
wegen ihrer ungenügenden Aussagekraft zu vermeiden.
An anderer Stelle heißt es:
Nach
der Rechtsprechung handelt rücksichtslos im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr.
2 StGB, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewusst
ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen darüber hinwegsetzt, oder wer
sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen
gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt und unbekümmert um
die Folgen seiner Fahrweise darauf losfährt (...). Betrifft das Merkmal
der groben Verkehrswidrigkeit im Wesentlichen die objektive Seite des
Verkehrsverstoßes, bezieht sich die Voraussetzung der
Rücksichtslosigkeit mehr auf die subjektive Tatseite (...). In
subjektiver Hinsicht darf die Rücksichtslosigkeit des Täters nicht
allein aus dem äußeren Tatgeschehen geschlossen werden (...).
Zum objektiven Tatbestand:
Der
objektive Tatbestand des § 315c StGB setzt den Eintritt einer konkreten
Gefährdung voraus. Eine solche ist anzunehmen, wenn nach allgemeiner
Lebenserfahrung aufgrund objektiv nachträglicher Prognose die Sicherheit
einer bestimmten Person oder Sache von bedeutendem Wert durch das
Verhalten des Täters so stark beeinträchtigt ist, dass es nur noch vom
Zufall abhängt, ob die Rechtsgutverletzung eintritt oder nicht (....).
Zur Verhinderung einer ausufernden Anwendung der Vorschrift sind dabei
an die tatrichterlichen Feststellungen strenge Anforderungen zu stellen.
Das Vorliegen einer hochgradigen Existenzkrise für die bedrohten
Rechtsgüter ist präzise und nachvollziehbar zu belegen; „inhaltsleere“
und eher wertende Begriffe wie z.B. „Notbremsung“, „Vollbremsung“ oder
„scharfes Abbremsen“ sind im Hinblick auf die ungenügende Aussagekraft
zu vermeiden. Nachvollziehbar beschrieben werden kann die Gefahrenlage
indessen durch möglichst konkrete Angaben zum Fahrverhalten des
Fahrzeugs, zu Reaktionen des Fahrers und zu wahrnehmbaren Veränderungen
des verkehrstypischen Geschehensablaufs, wozu bei einem starken
Bremsvorgang beispielsweise etwa quietschende Reifen, Ausbrechen,
Schlingern oder Schleudern des Fahrzeugs, das Umherfliegen von
Gegenständen im Fahrzeuginneren oder das Ansprechen von
Sicherheitsgurten gehören können.
Zur
subjektiven Tatseite heißt es:
Nach
allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung wäre vielmehr zu prüfen
gewesen, ob die subjektive Tatseite, mithin auch eine grob
verkehrswidrige Gesinnung (...), aus einer wertenden Gesamtschau aller
Tatumstände geschlossen werden kann. Neben der Frage, inwieweit der
Täter die Verkehrsumstände erkannt hat, können hierbei der Grad der
objektiven Verkehrswidrigkeit, vorangehendes oder nachfolgendes
Verhalten des Täters und der Ausschluss entlastender subjektiver
Faktoren - beispielsweise ein mögliches Augenblicksversagen, Schreck,
Eile aus nachvollziehbaren Gründen - Bedeutung gewinnen.
OLG Koblenz, Beschluss vom 17. März 2016
- 2 OLG 4 Ss 18/16
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