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Vorfahrtaregelung - Parkplätze
BGH 2022: Die
Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor links“) findet
auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder
unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2
StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger
Straßencharakter zukommt. An anderer Stelle heißt es: Die Regeln
der StVO sind auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz allerdings
grundsätzlich anwendbar, so dass etwa von den Nutzern des Parkplatzes
das sich aus § 1 StVO ergebende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme zu
beachten ist. [...]. Nach überwiegender Meinung gilt die Vorfahrtsregel
des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf einem öffentlichen Parkplatzgelände -
unmittelbar oder in entsprechender Anwendung - nur dann, wenn die dort
aufeinanderstoßenden Fahrspuren einen eindeutigen Straßencharakter
aufweisen. Ansonsten müssen sich die Kraftfahrer über die Vorfahrt
verständigen. Ob einer Fahrspur Straßencharakter zukommt, wird dabei
danach beurteilt, ob die baulichen Verhältnisse für den
Verkehrsteilnehmer vertraute typische Straßenmerkmale erkennen lassen,
wobei Unterschiede in der Gewichtung einzelner baulicher Merkmale, wie
etwa Fahrbahnmarkierungen, Fahrspurbreite oder Asphaltierung bestehen.
In der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung rückt dabei die
Bedeutung der für den Verkehrsteilnehmer erkennbaren Funktion der
Fahrspuren in den Vordergrund, wobei der Straßencharakter verneint wird,
wenn die Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs zumindest
auch zweckbestimmend ist. Nach anderer Ansicht ist die Vorfahrtsregel
„rechts vor links“ auf öffentlichen Parkplätzen weitgehend unabhängig
vom Straßencharakter der aufeinander zulaufenden Fahrspuren direkt oder
entsprechend anwendbar. Schließlich wird vertreten, die Wertung des § 8
Abs. 1 Satz 1 StVO sei auf öffentlichen Parkplätzen stets im Rahmen der
Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Der
Senat [also die urteilenden Richter des BGH] ist der Auffassung, dass §
8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche
Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der
Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung findet, soweit
den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter
zukommt. Dies ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand und dem Zweck der
Vorschrift.
BGH, Urteil vom 22.11.2022 - VI ZR 344/21
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