Neues Polizeirecht in
Waffenverbotszonen
Inhaltsverzeichnis:
01 Allgemeines zu den
waffenrechtlichen Neuerungen 02 Strafbares Mitführen von
Waffen 03 Ordnungswidriges Mitführen von Anscheinswaffen u.
Messern 04 Strafbares oder ordnungswidriges Mitführen von
Messern 05 Einrichten von Waffen- und Messerverbotszonen
06 Anforderungen an die Einrichtung von Waffenverbotszonen 07
Polizeikontrollen zur Durchsetzung von Waffen-/Messerverboten
08 Zuständige Behörden 09 Zugelassene Rechtsfolgen an
Kontrollorten 10 Racial Profiling ist
verboten 11 Täterprofile in
Sachen Waffen- und Messeraffinität 12 Anforderungen, die an
eine Durchsuchung/Nachschau zu richten sind 13
Eine
misslungene „Kontrollbefugnis“ 14
Polizeikontrollen in Verbotszonen 15
Quellen
01 Allgemeines zu den
waffenrechtlichen Neuerungen
TOP
Seit dem 31.10.2024 sind
die zur „Verbesserung der inneren Sicherheit dienenden
Neuregelungen“ im Waffengesetz in Kraft. Diese
Neuerungen, soweit sie das Einrichten von Waffen- und
Messerverbotszonen und die polizeilichen Kontrollbefugnisse
betreffen, werden im Folgenden erörtert.
02 Strafbares
Mitführen von Waffen
TOP
Im Waffengesetz (WaffG)
heißt es im modifizierten § 42 des Waffengesetzes im Hinblick auf das Mitführen von Waffen sinngemäß wie folgt:
Wer an
öffentlichen Vergnügungen, Volksfesten, Sportveranstaltungen,
Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen
Veranstaltungen teilnimmt, darf keine Waffen im Sinne [des
WaffG]
führen. Dies gilt auch, wenn für die Teilnahme ein Eintrittsgeld
zu entrichten ist, sowie für Theater-, Kino-, und
Diskothekenbesuche und für Tanzveranstaltungen.
§ 42
Abs. 1 WaffG (Verbot des Führens von Waffen und Messern bei
öffentlichen Veranstaltungen; Verordnungsermächtigungen für
Verbotszonen)
Das Waffenverbot
gilt bundesweit nicht nur für
die oben aufgeführten Anlässe und Örtlichkeiten,
sondern generell im gesamten öffentlichen Raum. Wer dieses Verbot
missachtet, begeht eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden kann.
§ 52
Abs. 3 Nr. 9 WaffG (Strafvorschriften)
Waffe im
Sinne des WaffG sind Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte
Gegenstände sowie tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach
dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von
Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb-
und Stoßwaffen; sowie Gegenstände, die, ohne dazu bestimmt zu
sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder
Wirkungsweise dazu geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit
von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen.
§ 1
WaffG (Gegenstand und Zweck des Gesetzes, Begriffsbestimmungen)
Dazu gehören auch die in der Anlage 1 zum Waffengesetz
aufgeführten Messer. Dazu mehr an anderer Stelle.
03
Ordnungswidriges Mitführen von Anscheinswaffen u. Messern
TOP
Neben strafbaren
Verhaltens
kommt aber auch ordnungswidriges Verhalten in Betracht.
Diesbezüglich heißt es im WaffG sinngemäß wie folgt:
Es ist
verboten, Anscheinswaffen sowie alle Hieb- und Stoßwaffen, die
in der Anlage 1 zum Waffengesetz aufgeführt sind, sowie Messer
mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder
feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm zu führen.
§ 42a
WaffG (Verbot des Führens von Anscheinswaffen und bestimmten
tragbaren Gegenständen)
Wer
dieses Verbot missachtet, begeht eine Ordnungswidrigkeit.
§ 53
Abs. 1 Nr. 21b WaffG (Bußgeldvorschriften)
Auch
dieses Fehlverhalten besteht - unabhängig von der Einrichtung
einer Waffen- bzw. einer Messerverbotszone – bundesweit im
öffentlichen Raum und somit auch an den Orten,
die bereits oben näher benannt wurden. Für Verbotszonen wird
insoweit kein neues materiellen Straf- oder
Ordnungsiwdirkgietenrecht geschaffen, sondern lediglich die
Voraussetzungen dafür geschaffen, in Verbotszonen sozusagen
verdachtsunabhängig Personen kontrollieren zu können.
04
Strafbares oder ordnungswidriges Mitführen von Messern
TOP
Strafbar
im Sinne der Anlage 1 zum Waffengesetz ist es, Messer
mitzuführen,
-
deren
Klingen auf Knopf- oder Hebeldruck hervorschnellen und hierdurch
oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden
können (Springmesser)
-
deren
Klingen beim Lösen einer Sperrvorrichtung durch ihre Schwerkraft
oder durch eine Schleuderbewegung aus dem Griff hervorschnellen
und selbsttätig oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung
festgestellt werden (Fallmesser),
-
mit
einem quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge
verlaufenden Griff, die bestimmungsgemäß in der geschlossenen
Faust geführt oder eingesetzt werden (Faustmesser),
-
Faltmesser mit zweigeteilten, schwenkbaren Griffen
(Butterflymesser).
Ordnungswidrig
im Sinne von § 53 WaffG (Bußgeldvorschriften) handelt, wer:
-
§ 53
Abs. 1 Nr. 21a, entgegen § 42 Absatz 4a ein Messer führt.
Gemeint sind Messer, die nicht als eine strafbewehrte Waffe
anzusehen sind.
-
§ 53
Abs. 1 Nr. 21b, entgegen § 42a Abs. 1 eine Anscheinswaffe, eine
dort genannte Hieb- oder Stoßwaffe oder ein dort genanntes
Messer führt. Anscheinswaffen sind keine strafbewehrten Waffen.
Eine strafbewehrte Waffenqualität dürfen auch die Hieb- oder
Stoßwaffen nicht haben, denn sonst könnte das Mitführen solcher
Gegenstände nicht mit einem Bußgeld geahndet werden.
-
§ 53
Abs. 1 Nr. 21c, entgegen § 42b Absatz 1 eine Waffe (gemeint sein
können nur Anscheinswaffen) oder ein Messer in Verkehrsmitteln
des öffentlichen Personenfernverkehrs und in seitlich
umschlossenen Einrichtungen des öffentlichen
Personenfernverkehrs, insbesondere Gebäuden und Haltepunkten mit
sich führt, die ebenfalls nicht den Tatbestand einer Straftat
anzusehen sind.
§ 53
WaffG (Bußgeldvorschriften)
05 Einrichten von Waffen- und
Messerverbotszonen
TOP
Die
Landesregierungen, wie das bereits schon vor der Novellierung
des Waffengesetzes der Fall war, sind dazu befugt, durch
Rechtsverordnung das Führen von Waffen und Messern auf
bestimmten öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen zu
beschränken, soweit an dem jeweiligen Ort wiederholt Straftaten
unter Einsatz von Waffen oder Raubdelikte,
Körperverletzungsdelikte, Bedrohungen, Nötigungen,
Sexualdelikte, Freiheitsberaubungen oder Straftaten gegen das
Leben begangen werden.
Das gilt auch für bestimmte öffentliche
Straßen, Wegen oder Plätzen, auf denen Menschenansammlungen
auftreten können. Waffenverbotszonen können auch bestimmte
Gebäude oder Flächen mit öffentlichem Verkehr sowie auch
Verkehrsmitteln und Einrichtungen des öffentlichen
Personenverkehrs umfassen, die einem Hausrecht unterliegen,
soweit solche Verbote nicht bereits spezialgesetzlich geregelt
sind.
Gleiches
gilt für bestimmte Jugend- und Bildungseinrichtungen sowie für
Verbote auf bestimmten öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen,
die an Orte angrenzen, an denen es zum Beispiel zu
Menschenansammlungen kommen kann.
Wenn:
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass auch künftig mit der
Begehung von Straftaten an solchen Orten zu rechnen ist, die die
Einrichtung von Waffenverbotszonen rechtfertigen, oder das
Verbot, Waffen oder Messer mitzuführen, zur Abwehr von Gefahren
für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, soweit für das
Führen der Waffe oder des Messers kein berechtigtes Interesse
vorliegt.
Ausnahmen von dieser Regelung:
Die im Waffengesetz aufgeführten Ausnahmen, in
Verbotszonen/-bereichen dennoch Waffen oder Messer mit sich führen
zu dürfen, umfassen insgesamt 351 Wörter, so dass es besser ist,
den Wortlaut der Befugnis im Original zu lesen, um sich selbst
ein Bild über den Zustand der neu in das Waffengesetz
eingefügten Regelung zu verschaffen, die alles andere als
übersichtlich ist.
§ 42
Abs. 2 bis einschließlich 4a WaffG (Verbot des Führens von
Waffen und Messern bei öffentlichen Veranstaltungen;
Verordnungsermächtigungen für Verbotszonen)
Von der
oben zitierten
Zuständigkeit haben die Landesregierungen bereits vor der
Novellierung des Waffengesetzes Gebrauch gemacht und ihrerseits
diese Zuständigkeit an nachgeordnete Behörden weitergereicht. In
NRW ist es Aufgabe des Landesamtes für Zentrale
Polizeiliche
Dienste (LZPD
NRW) in Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden, in denen ein
Bedarf für die Einrichtung von Waffenverbotszonen besteht,
solche Verbotszonen einzurichten.
Diese Verordnungen
bedürfen nunmehr ebenfalls der Modifizierung, denn die für das
Einrichten von Waffenverbotzonen vom Waffengesetz eingeforderten
Straftaten sind weiter gefasst, als die in den Verordnungen des
Landes NRW bisher aufgeführten Straftaten, was die Einrichtung
von Waffen- und Messerverbotszonen erleichtert, denn
Körperverletzungen, Bedrohungen und Nötigungen ereignen sich in
deutschen Städten täglich.
Anders ausgedrückt: Die Anforderungen an das
Einrichten von Waffen- bzw. Messerverbotszonen wurden
erleichtert, weil nunmehr auch "Allerweltsdelikte" es
rechtfertigen, Waffenverbotszonen einzurichten:
Körperverletzungen, Bedrohungen, Nötigungen.
06
Anforderungen an die Einrichtung von Waffenverbotszonen
TOP
Bei
Waffenverbotszonen kann es sich um umfangreiche Gebietsbereiche
handeln. So ist zum Beispiel ein Großteil der Altstadt der
Landeshauptstadt Düsseldorf vom Landesamt für
Zentrale
Polizeiliche
Dienste (LZPD
NRW) in Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidium Düsseldorf auf
der Grundlage einer gemeinsam erstellten
Gefährdungsanalyse dauerhaft zu einer Waffenverbotszone erklärt worden.
Anders ausgedrückt:
Waffenverbotszonen können nur dann eingerichtet werden, wenn
zuvor im
Rahmen einer Gefahrenanalyse der Nachweis erbracht werden kann,
dass in den jeweiligen Verbotszonen mit hoher Wahrscheinlichkeit
und gestützt auf polizeiliche Erkenntnisse Waffen oder Messer
mitgeführt und Straftaten der oben bereits genannten Art
begangen wurden und auch in Zukunft begangen werden.
Diesbezüglich heißt es im § 42 Abs. 5 WaffG (Verbot des
Führens von Waffen und Messern bei öffentlichen Veranstaltungen;
Verordnungsermächtigungen für Verbotszonen) wie folgt: ....
wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass im Fall der Nummer 1
auch künftig mit der Begehung solcher Straftaten zu rechnen ist
oder im Fall der Nummern 2 bis 5 das Verbot oder die
Beschränkung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche
Sicherheit erforderlich ist.
Hinweis:
Die Nummer 1 betrifft das Einrichten von dauerhaften
Waffenverbotszonen, während die Nummern 2 bis 5 Orte oder Räume
meinen, in denen es zu vorübergehenden Gefahren (anlassbezogenen
Gefahren) kommen kann, zum Beispiel Volksfeste, Messen,
Sportveranstaltungen etc.
Eingerichtete Waffenverbotszonen ermöglichen es der
Polizei bis zur Entwidmung dieser Verbotszonen, dort
verdachtsunabhängige Polizeikontrollen durchführen zu können, obwohl die
Kontrollbefugnis das Wort "verdachtsunabhängig" nicht
enthält, wohl aber voraussetzt, denn anders lässt sich die
Befugnis nicht verstehen.
Das bedeutet: Es kann kontrolliert werden, ohne dass eine Gefahr
oder ein begründbarer Gefahrenverdacht gegeben sein muss, um
eine Kontrolle durchführen zu können.
07
Polizeikontrollen zur Durchsetzung von Waffen-/Messerverboten
TOP
Hinsichtlich der Kontrollbefugnis
heißt es sinngemäß und hier etwas verkürzt
wiedergegeben wie folgt: Die
zuständige Behörde kann zur Durchsetzung gesetzlicher Waffen-
und
Messerverbote
[...]
Personen
kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in Augenschein
nehmen sowie
die Person durchsuchen.
Die
Befugnis erlaubt solche Kontrollen an den nachfolgend in der
Befugnis selbst aufgeführten Orten:
-
An Orten,
die zu öffentlichen Vergnügungen, Volksfesten,
Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder
ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen genutzt werden, siehe
§ 42 Abs. 1 WaffG
-
In
Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenfernverkehrs und in
seitlich umschlossenen Einrichtungen des öffentlichen
Personenfernverkehrs, insbesondere in Gebäuden und Haltepunkten,
siehe
§ 42b Abs. 1 WaffG
-
In von der
Polizei eingerichteten Waffen- und Messerverbotszonen auf der
Grundlage einer Rechtsverordnung, siehe
§ 42 Abs. 5 WaffG.
Unter
welchen Voraussetzungen solche Kontrollen erlaubt sein sollen,
dazu schweigt sich die Befugnis aus. Das bedeutet - zumindest nach
der hier vertretenen Rechtsauffassung – das der Gesetzgeber es
bei der Formulierung der Befugnis versäumt hat, im
gebotenen Umfang das Bestimmtheitsgebot zu formulieren.
BVerfG 2009:
Der
Gesetzgeber ist [...] von Verfassungswegen dazu verpflichtet,
die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so
konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der
Straf- oder
Ordnungswidrigkeitentatbestände
zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen
[En01].
Diese
Aussage lässt sich analog auch auf die Formulierung hoheitlicher Befugnisse
übertragen, denn auch Eingriffsermächtigungen genügen in einem
Rechtsstaat nur dann den Anforderungen der Bestimmtheit, wenn
sie normenklar formuliert sind, was voraussetzt, dass die
nachzuweisenden Anforderungen für gesetzlich zugelassene
Rechtsfolgen, in einer Befugnis normenklar benannt sein müssen.
Zur Normenklarheit, einer
Sprachfigur, die häufig synonym zum Bestimmtheitsgebot verwendet
wird, gehört es natürlich auch, dass die Vorschriften, die
Eingriffe in Grundrechte zulassen, verständlich und in sich
widerspruchsfrei sein
müssen
und ihren Regelungsgehalt nicht „verschleiern“ dürfen.
Für die
Verständlichkeit auch einer Eingriffsbefugnis kommt es
auch auf die Interpretationsfähigkeit des Normadressaten an, der
aus dem Wortlaut einer Befugnis zumindest erkennen können muss,
was von ihm erwartet wird, bzw. was er zu dulden hat. Gemeint
sind die Personen, die in einer Verbotszone auf der Grundlage
des Waffengesetzes von der Polizei kontrolliert werden.
Diesen
Anforderungen entspricht die neu in das Waffengesetz eingefügte
Kontrollbefugnis zuständiger Behörden nicht, denn der normale
Normadressat kann die Befugnis nur so verstrehen, dass er sich
zu fügen hat, wenn die Polizei ihn anhält.
Wie dem auch immer sei:
Die Kontrollbefugnis fordert weder eine Gefahr noch einen
Anfangsverdacht, um eine Person kontrollieren zu können. Nicht
einmal „Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass sie
- die kontrollierte Person - sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer
bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind“, fordert die
Kontrollbefugnis ein, obwohl solch eine
Ermächtigungsvoraussetzung alle Polizeigesetze schon für eine bloße
Befragung vorsehen, wenn die dazu dienen soll, der Polizei bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben zu helfen.
Offenbar ist der
Gesetzgeber bei der Formulierung der Kontrollbefugnis im
Waffenrecht von der Vorstellung ausgegangen, dass jeder die
Notwendigkeit von Polizeikontrollen einsieht und deshalb auch keine
Fragen stellen wird.
Anders ausgedrückt:
In Ermangelung einer „Eingriffsermächtigung, die definiert, ab
wann in Grundrechte überhaupt eingegriffen werden kann/darf“,
muss davon ausgegangen werden, dass für solche Kontrollen
sachliche Zuständigkeit der zuständigen Behörden ausreichen
soll.
Das aber wäre als ein Novum im gesamten öffentlichen Recht
anzusehen.
Wie dem auch immer sei:
Die Befugnis wäre normenklar gewesen, wenn dort von „anlasslosen
Kontrollen“ oder „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ die Rede
gewesen wäre, ergänzt durch die Formulierung, dass angehaltene
Personen nicht nur befragt, sondern auch weitergehende
Kontrollmaßnahmen zu dudlden haben, wenn über den Rahmen bloßer
abstrakter Tatsachen die Annahme besteht, dass Waffen oder
Messer gefunden werden können.
08
Zuständige Behörden
TOP
Dass es
sich bei den Polizeibehörden um zuständige Behörden handelt, die
dazu berechtigt sind, zur Durchsetzung gesetzlicher Waffen- und
Messerverbote
Kontrollen durchzuführen, ist in den Länderpolizeien bereits durch
Zuständigkeitsverordnungen geregelt.
Die Formulierung im § 42 WaffG
lautet:
„Die
zuständige Behörde kann zur Durchsetzung gesetzlicher Waffen-
und Messerverbote ...“
lässt
aber offen, ob nur die Polizei als zuständige Behörde gemeint
ist.
Das wäre der Fall, wenn die Kontrollen in Verbotszonen dem
Zweck der Strafverfolgung dienen würden. Das aber kann nicht das Ziel der Neuregelungen im Waffengesetz sein, denn dann hätte die StPO entsprechend geändert werden
müssen, denn die enthält alle Maßnahmen, die den
Strafverfolgungsbehörden für die Erforschung und Verfolgung von
Straftaten zur Verfügung stehen.
Insoweit kann festgestellt
werden, dass es sich bei den Kontrollen in Verbotszonen um
Maßnahmen zur Gefahrenabwehr handelt, die nicht nur in den
Zuständigkeitsbereich der Polizei, sondern auch in den
Zuständigkeitsbereich der Ordnungsbehörden fallen.
Unabhängig
davon sind aber auch alle anderen Behörden für die Abwehr von
Gefahren in ihrem jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereich
originär zuständig.
Anders ausgedrückt: Alle Verwaltungsverfahrensgesetze gehen von
einem weitgefassten Behördenbegriff aus. Danach sind, ohne
Rücksicht auf ihre Bezeichnung, alle Stellen als Behörden
anzusehen, die im eigenen Namen und in eigener Zuständigkeit
hoheitliche Maßnahmen treffen können, für die sie örtlich zuständig sind. Das gilt auch für Schulen,
und für von den Stadtverwaltungen unterhaltenen
Flüchtlingsunterkünfte etc.
Auch die Amtswalter, die in Schulen oder in
Flüchtlingsunterkünften für eine Behörde handeln,
könnten im Rahmen der ihnen obliegenden Aufgabe in Schulen und
auch in
Flüchtlingsheimten Maßnahmen treffen, die zur Durchsetzung
gesetzlicher Waffen- und Messerverbote geboten sind.
Lediglich
in den Fällen, in denen die
Kontrollmaßnahmen erzwungen werden müssen, wäre dann die Polizei
um Vollzugshilfe zu ersuchen.
Zurück zu den Waffenverbotszonen, in denen die Polizei
Kontrollmaßnahmen durchführen kann.
09
Zugelassene Rechtsfolgen an Kontrollorten
TOP
Im
Geltungsbereich von Verbotszonen, die von der Polizei
eingerichtet wurden, können Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte
Personen kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in
Augenschein nehmen sowie die angehaltene Person durchsuchen. Bei der Auswahl der zu kontrollierenden Personen
darf jedoch nicht ohne einen begründbaren sachlichen Grund vom
allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes abgewichen
werden, denn Racial Profiling und Willkür lässt das Gesetz ja
bekanntermaßen nicht zu.
Übrigens: Im Hinblick auf
Anforderungen, die den Gleichbehandlungsanspruch betreffen, ist
der Wortlaut der Befugnis weitaus komplizierter und für den
Laien wohl kaum zu verstehen. Dies gilt insbesondere für den
letzten Satz der Befugnis, der folgenden Wortlaut hat:
§ 42c WaffG
Die Auswahl der nach Satz 1 kontrollierten Person anhand eines
Merkmals im Sinne des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes ohne
sachlichen, durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund
ist unzulässig.
Hand auf´s Herz: Wissen Sie auf Anhieb, was damit gemeint ist?
Wie Ihre Antwort auch immer aussehen mag:
Dieser Satz wird an anderer Stelle
erneut aufgegriffen und vertieft.
§ 42c
WaffG
(Kontrollbefugnis zum Verbot des Führens von Waffen und Messern
bei öffentlichen Veranstaltungen, im öffentlichen
Personenfernverkehr und in Verbotszonen)
Zu den zugelassenen Rechtsfolgen der Befugnis:
Anhalten und Befragen:
Beim Anhalten und beim Befragen einer Person, ob eine Waffe oder
ein Messer mitgeführt wird, handelt es sich um einen
geringfügigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit.
Kommt eine Person dieser Aufforderung nach, und lässt sie auch
die gesetzlich vorgesehenen anderen Kontrollmaßnahmen
(Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen und Durchsuchung der
Person) über sich ergehen, dann ist
"alles in bester Ordnung?", denn wer sich kooperativ zeigt, der
stimmt wohl auch stillschweigend in die gesamte Kontrolle ein,
zumindest ist in solchen Fällen nicht damit zu rechnen, dass die
kontrollierte Person sich an ein Verwaltungsgericht mit der
Bitte wendet, die Rechtmäßigkeit der zu duldenden Polizeikontrolle
prüfen zu lassen.
Wie aber ist zu verfahren, wenn die Person einfach weitergeht
und damit zum Ausdruck bringt, von der Polizei nicht
kontrolliert werden zu wollen?
Da die Befugnis als zugelassene Rechtsfolge kein „Festhalten“
erlaubt, denn um ein Festhalten handelt es sich bereits dann, wenn eine
Person zum Beispiel am Arm ergriffen und dadurch am
Weitergehen gehindert wird, stellt sich zwangsläufig die Frage:
Darf ein
Anhalten erzwungen werden?
Die
Antworten auf diese Frage lauten: Ein Anhalten setzt
grundsätzlich Freiwilligkeit auf Seiten der betroffenen Person
voraus, zumal im Zusammenhang mit der Befragungsbefugnis in den
Polizeigesetzen, ein "Anhalten zur Befragung" sogar auch für die
sich daran anschließende Befragung Freiwilligkeit voraussetzt, worauf eine zu befragende
Person sogar grundsätzlich hinzuweisen ist, wenn sie zur Befragung angehalten
wird, wenn das die Einsatzlage zulässt.
Und auch
im Zusammenhang mit der Feststellung der Identität einer Person,
die zu diesem Zweck ebenfalls "angehalten und befragt werden
kann", lassen die Befugnisse der Polizei zur
Identitätsfeststellung weitergehende Maßnahmen, wie zum
Beispiel die Durchsuchung der Person und der von ihr
mitgeführten Sachen zum Zweck des Auffindens von Ausweispapieren
nur dann zu, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass
die Person festgehalten werden
darf. Nur wenn das gegeben ist, ist die Polizei überhaupt dazu befugt, sowohl die Person als auch von ihr mitgeführte Sachen nach
Ausweispapieren zu durchsuchen.
Und das soll bei
Polizeikontrollen in Verbotszonen auf der Grundlage des
Waffengesetzes anders sein,nur weil dort nicht nach
Ausweispapieren, sondern nach Waffen oder Messern gesucht wird,
die im Gegensatz zu Ausweispapieren in den überwiegenden Fällen
von den kontrollierten Personen gar nicht mitgeführt werden?
Anders ausgedrückt: Das, was nur selten gefunden wird (Waffen
oder Messer) soll in diesem Rechtsstaat an geringere
Anforderungen gebunden sein, als die Suche nach
Ausweispapieren, die in den meisten Fällen gefunden werden, wenn
eine Person nach Ausweispapieren durchsucht wird, wenn die
Voraussetzungen für ein Festhalten gegeben sind?
Ich tendiere zu der Annahme,
dass dann, wenn eine Person nicht anhalten oder auf Fragen nicht
antworten will, das Ende der Kontrollbefugnis zuerst einmal erreicht
ist, es sei denn, dass nachvollziehbare Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, dass die Person Sachen mit sich führt, die
sichergestellt werden dürfen.
§ 39
Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW (Durchsuchung von Personen)
§ 40
Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW (Durchsuchung von Sachen)
Ob
solche Tatsachen allein daraus abgeleitet werden können, wenn
sich eine zu kontrollierende Person weigert, anzuhalten, oder
sich weigert, Fragen zu beantworten, dazu schweigt sich die
Kontrollbefugnis des Waffengesetzes aus.
§ 42c
WaffG
(Kontrollbefugnis zum Verbot des Führens von Waffen und Messern
bei öffentlichen Veranstaltungen, im öffentlichen
Personenfernverkehr und in Verbotszonen)
Und für
den Fall, dass in einer Waffenverbotszone zur „Durchsetzung
gesetzlicher Waffen- und Messerverbote“, so heißt es in der
Kontrollbefugnis des Waffengesetzes, unmittelbarer Zwang
eingesetzt werden müsste, was das Wort „Durchsetzung“ ja nahelegt,
dann stellt sich unweigerlich auch die Frage der Verhältnismäßigkeit,
zumal die Erfolgsaussichten, Waffen oder Messer zu finden, eher
von geringer Erfolgsaussicht sein dürften.
Eine
weitere Merkwürdigkeit, die als gesetzlich zugelassene
Rechtsfolge in der Kontrollbefugnis verwendet wird, ist das Wort
„Augenschein“, denn Kontrollbeamte dürfen zu kontrollierende
Personen
„kurzzeitig
anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen
sowie die Person durchsuchen“.
Damit
wird wohl kaum gemeint sein, dass es aus der Sicht
einschreitender Polizisten ausreicht, lediglich durch
Inaugenscheinnahme zur Kenntnis zu nehmen, dass eine Person zum
Beispiel einen Rucksack oder eine Aktentasche, einen Koffer oder
eine Plastiktüte mit sich führt, in dem bzw. in der sich eine Waffe oder ein
Messer befinden könnte. Dazu bedarf es keiner Ermächtigung, denn
das ist eine unvermeidbare Wahrnehmung.
Augenschein muss somit
mehr bedeuten.
Nach der hier für sinnvoll gehaltenen Definition
ist damit gemeint, dass von der zu kontrollierenden Person
verlangt werden kann, zum Beispiel den Rucksack zu öffnen, damit
die Polizei sehen kann, was sich in dem Rucksack befindet. Mehr
aber nicht, denn wenn die vor Ort kontrollierende Polizei in dem
Rucksack nach Waffen bzw. Messern suchen würde, wäre das ja als
eine Durchsuchung mitgeführter Sachen anzusehen, die die
Befugnis in Bezug auf mitgeführte Sachen aber gar nicht
vorsieht und somit auch nicht erlaubt.
Wie dem auch immer sei:
Wenn Personen sich weigern, mitgeführte Sachen von der Polizei
in Augenschein nehmen zu lassen, weil sie auf Befragen
geantwortet haben, dass sie solche Gegenstände nicht mit sich
führen, dann steht die Polizei vor dem gleichen Problem, das
bereits oben erörtert wurde, denn auch was die
Inaugenscheinnahme anbelangt, muss von Freiwilligkeit auf Seiten
der kontrollierten Person ausgegangen werden, was zur Folge hat, dass die Inaugenscheinnahme wohl kaum
erzwungen werden darf, es sei denn, dass in solch einer
Verweigerungshaltung bereits ein Anfangsverdacht erkannt wird, der
ausreichen würde, aus der kontrollierten Person durch die
erkennbar gewordene
fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung, einen Tatverdacht zu
konstruieren, um die so konstruierte tatverdächtigen Person
nunmehr auf
der Grundlage der StPO nach Beweismitteln (Messern, Waffen)
durchsuchen zu können, weil zu vermuten ist, dass Beweismittel
gefunden werden können.
Ob solch
eine Logik vom Gesetzgeber tatsächlich gewollt ist, darüber
werden wohl Gerichte zu entscheiden haben, wenn die
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten das tun, was der
Gesetzgeber von ihnen erwartet: In Waffenverbotszogen
für Ordnung zu sorgen.
Vorauseilender Gehormsam entbindet aber
nicht von der persönlichen Verantwortung im Hinblick auf
rechtmäßiges Einschreiten. Und diese
Verantwortung beginnt exakt an der Stelle, an der eine
angehaltene Person auf die Frage: „Führen Sie ein Messer
oder eine Waffe mit sich?“ antwortet: „Nein!“
Wenn solch ein NEIN von einer Person kundgetan wird, die honorig
und vertrauenswürdig erscheint und eher zufällig als gewollt zur
Kontrolle angehalten wurde, könnte die Reaktion der
kontrollierenden Polizei möglicherweise anders aussehen, als
wenn ein dunkelhäutiger junger Mann solch ein NEIN formuliert,
der möglicherweise sein NEIN in schlechtem Deutsch ausspricht,
oder wenn das NEIN von einer Person ausgesprochen wird, die
erfahrungsgemäß auf die Polizei nicht allzugut zu sprechen sein
könnte, weil sie bereits polizeibekannt ist.
Wie dem auch immer sei: Der Kontrollanlässe gibt es viele.
Den
einen wünscht die Polizei einen guten Tat, während die anderen
so lange kontrolliert werden, bis geklärt ist, ob Waffen oder
Messer mitgeführt werden, was auch bei dieser Personengruppe nur selten der Fall sein
dürfte.
10
Racial Profiling ist verboten
TOP
Der
Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes geht nicht nur von der
Vorstellung aus, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind,
der Gleichheitsgrundsatz setzt auch voraus, dass niemand wegen
seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner
Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner
religiösen oder politischen Anschauungen oder wegen seiner
Behinderung benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
Kurzum:
Racial Profiling ist rechtswidrig.
Zu diesem
Ergebnis kamen 2016 auch die Richter des
OVG
Koblenz, als sie über die Kontrolle einer dunkelhäutigen Familie
in einem Zug durch Beamte der Bundespolizei darüber zu entscheiden
hatten, ob die Personen zum Zweck der Feststellung ihrer Identität durchsucht
werden durften, um dann im Anschluss an gefundene Ausweispapiere
dann auch noch einen Datenabgleich hinzunehmen hatten.
In dem Urteil der Richter des
OVG
Koblenz heißt es unter anderem:
OVG
Koblenz 2016:
Die
Maßnahme beruhe auf einer diskriminierenden Auswahl, da ihre
Hautfarbe zumindest eine verbotene Teilmotivation der
polizeilichen Auswahlentscheidung gewesen sei. Hätten sie eine
helle Hautfarbe gehabt, wäre der Eingriff mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit unterblieben. Die anderen
Umstände, die die Beklagte [gemeint ist die Bundespolizei] zur
Begründung ihrer Auswahlentscheidung vortrage, könnten ihre
Auswahl nicht nachvollziehbar begründen. Neben der auch an die
Hautfarbe anknüpfenden Auswahl sei insbesondere die Fortsetzung
der Maßnahme unverhältnismäßig gewesen, nachdem sie den
Bundespolizisten in fließendem Deutsch geantwortet und zudem
deutsche Ausweispapiere vorgezeigt hätten. Der im Anschluss an
die Personalienfeststellung erfolgte Datenabgleich beruhe auf
derselben diskriminierenden Adressatenauswahl und verstoße somit
auch gegen Art. 3 Abs. 3 GG [En02].
11
Täterprofile in Sachen Waffen- und Messeraffinität
TOP
Wie aber
sind Kontrollen von Personen zu bewerten, die von der Polizei in Verbotszonen
auf der Grundlage des Waffengesetzes durchgeführt werden, die
einem Täterprofil entsprechen, das zum Ausdruck bringt, dass
die in diesem Täterprofil beschriebenen Personen über eine
besondere „Waffen- und Messeraffinität“ verfügen?
Dieser
Frage stellt sich bereits im Zusammenhang mit
Polizeikontrollen sowohl an "gefährlichen Orten", gemeint sind
Drogentreffs und Kriminalitätsbrennpunkte, die zu "gefährlichen
Orten" erklärt wurden, nunmehr aber auch in Verbotszonen auf der
Grundlage des Waffengesetzes, denn es wäre
wirklichkeitsfremd, davon auszugehen, dass in solchen
Verbotszonen Personen kontrolliert werden, die aus polizeilicher
Sicht völlig verhaltensunauffällig sind.
Was also bedeutet der
nachfolgend zitierte Satz in der - neu in das Waffengesetz
aufgenommen - Kontrollbefugnis?
Dieser
Satz hat folgenden Wortlaut:
Die
Auswahl der nach Satz 1 kontrollierten Person anhand eines
Merkmals im Sinne des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes ohne
sachlichen, durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund
ist unzulässig.
§ 42c WaffG Satz 2 WaffG
Dieser Satz bedeutet:
-
Racial
Profiling ist verboten.
-
Sachliche Gründe aber
können ausreichen, um Personen
auch unter Anlehnung an äußere Merkmale kontrollieren zu
können.
Das
können auch Gründe sein, die sich aus dem Alter, dem äußeren
Erscheinungsbild, der Hautfarbe, der Kleidung aber auch aus
anderen Merkmalen ableiten lassen, die als Merkmale anzusehen
sind, die als Racial Profiling anzusehen wären, wenn nicht:
Sachliche Gründe solch eine Auswahl
rechtfertigen würden.
Mit anderen Worten:
Ist die
Polizei dazu in der Lage, auf der Grundlage eines
nachvollziehbaren und glaubwürdigen Täterprofils auch einen so
genannten „objektiven Beobachter“ davon zu überzeugen, dass
Personen, die über entsprechende Merkmale verfügen, signifikant
häufig Waffen, Messer oder andere verbotene Gegenstände nach dem
Waffengesetz mit sich führen und deshalb aus diesen sachlichen
Gründen eine Kontrolle dieser Personen vorrangig geboten ist, dann wird der Gleichheitsgrundsatz
nicht
verletzt, wenn in Verbotszonen gezielt solche Personen
von der Polizei angehalten, befragt, Sachen in Augenschein
genommen und sogar
Personen
durchsucht werden, um sich davon überzeugen zu können, dass weder
Waffen noch Messer oder andere verbotene Gegenstände mitgeführt
werden.
Wie dem auch immer sei.
Die eigentliche Frage aber, auf die es zuerst einmal eine
Antwort zu finden gilt, lautet dennoch weiterhin:
Welche
Personen meint der Gesetzgeber, die in Verbotszonen kontrolliert werden
dürfen/können/sollen?
-
Alle
Männer und alle Frauen?
-
Auch
Personen mit Rollatoren?
-
Auch
alte Mensen?
-
Auch
Frauen mit Kinderwagen?
-
Auch
Kinder?
-
Auch
Jugendliche oder nur
-
Gefährlich aussehende Personen, wie die auch immer aussehen
mögen?
-
Dunkelhäutige junge Männer aus den Maghreb-Staaten oder aus
anderen afrikanischen Ländern?
-
Personen, die der Polizei als Unruhestifter oder als
gewaltbereite Gangmitglieder bekannt sind?
-
Personen
im waffenaffinen Alter, die mehrheitlich kaum älter als 21
Jahre alt sind?
-
Personen, von denen kontrollierende Beamte meinen, dass eine
Kontrolle erfolgversprechend sein könnten?
Wie dem auch immer sei:
Es kann
davon ausgegangen werden, dass Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte in Verbotszonen, zu denen auch die von der
Polizei eingerichteten Waffenverbotszonen gehören, wohl nur
solche Personen zu Adressaten ihrer Maßnahmen machen, von denen
ihnen nicht nur ihre Berufserfahrung, sondern auch die
Instruktionen vorgesetzter Stellen nahelegen, nur
solche Personen zu kontrollieren, die waffen- oder messeraffin
sein könnten.
Diese Profile können sogar so weit gehen, dass als
Adressaten polizeilicher Kontrollmaßnahmen sogar äußere
Merkmale, zum Beispiel das typische Aussehen eines „People of
Color (PoC)“ ausreichen, um solche Personen verstärkt in
Verbotszonen kontrollieren zu können, wenn das sachgemäß ist.
Anders ausgedrückt:
Wenn solch eine Personengruppe sich als waffen- bzw. als
messeraffin erwiesen hat und im Rahmen eines erstellten
Täterprofils Ausführungen zum Alter, zum Geschlecht und zu
polizeibekannt gewordenen Verhaltensmustern kontrollierenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sozusagen
die Auswahl der zu kontrollierenden Personen erleichtern, dann kann
davon ausgegangen werden, dass, wenn diese Personen in den oben
genannten Orten von der Polizei kontrolliert werden, es sich
dabei nicht um verbotenes „Racial Profiling“ handelt.
Warum
vermag diese Sicht der Dinge zu überzeugen?
Den
folgenden Zitaten eines Urteils des
Hamburgischen
OVG
aus dem Jahr 2022 kann entnommen werden, warum ein Kontrollieren
auf der Grundlage von erstellten Täterprofilen nicht als Racial
Profiling anzusehen ist, wenn das Täterprofil zu überzeugen
vermag. Anlass für das Urteil war die Identitätsfeststellung
eines togoischen Staatsangehörigen mit dunkler Hautfarben an
einem wegen
BtM-Delikten
als gefährlichen Ort eingestuften Parks.
Hamburgisches
OVG
2022:
Die
Merkmale des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG begründen für die
präventive, gefahrenabwehrrechtliche Arbeit der Polizei in
bestimmten Konstellationen kein Totalverbot. [...]. Das Verbot
des Art. 3 Abs. 3 GG gilt mithin nicht absolut [...].
An
anderer Stelle:
Je
gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist und je weiterreichender
es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt würde, desto
geringere Anforderungen dürfen an den Grad der
Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende
Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger fundiert
dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die auf die Gefährdung
des Rechtsguts schließen lassen.
Umgekehrt steigen bei einem geringen Gewicht des gefährdeten
Rechtsguts die Anforderungen an die Prognosesicherheit sowohl
hinsichtlich des Grads der Gefährdung als auch hinsichtlich
ihrer Intensität. Eingriffsgrundlagen müssen daher regelmäßig
zumindest eine hinreichend konkretisierte Gefahr verlangen. Eine
solche kann schon dann bestehen, wenn sich der zum Schaden
führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte
Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr hinweisen.
Sinngemäß
heißt es in dem Urteil in Bezug auf eine Person, die von dem
kontrollierenden Polizeibeamten der Tätergruppe "Drogendealer"
zugeordnet worden war, dass „vor dem Hintergrund
polizeibekannter, typischer Verhaltensmuster von Drogendealern
und aufgrund der beobachteten Verhaltensweisen des Klägers [...]
zumindest
von der Möglichkeit einer auf der Grundlage des
Betäubungsmittelgesetzes strafbaren Handlung ausgegangen werden
konnte, weil typische, wiederkehrende Verhaltensmuster und
Erscheinungsformen es rechtfertigen, zumindest von einem Gefahrenverdacht
ausgehen zu können, zumal die Polizeikontrolle an einem
Drogenumschlagplatz erfolgte, der als gefährlicher Ort eingestuft worden
war, was es der Polizei ermöglicht, an solchen Orten bevorzugt Personen kontrollieren
zu können, die dem
nachfolgend im Wortlaut wiedergegebenen Täterprofil entsprechen:
„Adressaten
gezielter polizeilicher Maßnahmen sind Personen, die aufgrund
des Antreffortes und ihres Verhaltens als potenzielle
BtM-Händler oder BtM-Erwerber (Konsumenten) bei Zutreffen in der
Regel mehrerer der folgenden Kriterien in Betracht kommen:
Potenzielle BtM-Händler,
-
die im
Alter zwischen 16 und 40 Jahren sind und
-
die im
Gefahrengebiet aktiv auf potenzielle BtM-Erwerber zugehen oder
-
die
durchgängig eine Präsenz zeigen, die sich nicht aus einer
erkennbaren Situation als Anwohner, Besucher oder aus einer
beruflichen Funktion erklärt oder die ein konspiratives
Verhalten zeigen, indem sie arbeitsteilig vorgehen, sich
gegenseitig abschirmen und eine Gegenaufklärung durchführen oder
-
die ein
ausgeprägtes Fluchtverhalten gegenüber der Polizei zeigen.“
Dieses
Täterprofil überzeugt den Senat davon, dass auf der Grundlage
dieser Täterbeschreibung die typischen Verhaltensmuster von
Drogendealern zutreffend beschrieben wurden und auf der
Grundlage dieser Beschreibung die Identität des Klägers an einem
Ort festgestellt werden durfte, der als gefährlicher Ort
eingestuft worden war
[En03].
Daraus
kann geschlossen werden, dass auch Personenkontrollen in
Waffenverbotszonen auf der Grundlage erstellter Täterprofile in
Betracht kommen.
12
Anforderungen, die an eine Durchsuchung/Nachschau zu richten
sind
TOP
Diesbezüglich haben sich die Richter des bayerischen
Verfassungsgerichtshofs 2006 anlässlich einer Polizeikontrolle
im Grenzbereich durch Beamte der Bundespolizei wie folgt
positioniert, denn auf der Grundlage des Bundespolizeigesetzes
ist es zulässig, im Grenzbereich von 30 km zur Landesgrenze, so
genannte verdachtsunabhängige Kontrollen auf der Grundlage der
Befugnis zur Identitätsfeststellung im Bundespolizeigesetz durchzuführen.
In der Befugnis im Bundespolizeigesetz heißt es sinngemäß:
Die Bundespolizei kann die Identität im Grenzgebiet bis zu einer
Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung
unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von
Straftaten feststellen.
Der Betroffene kann festgehalten und zur
Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine
Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur
unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Sind
die Voraussetzungen für ein Festhalten gegeben, dann können der
Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach
Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht
werden.
Die Rechtsfolge des Festhaltens enthält aber
die neu in das Waffengesetz eingefügte Kontrollbefungnis nicht,
denn
diese Befugnis fordert weder den Nachweis einer Gerfahr noch den
eines Anfachtsverdachts ein, der dazu geeignet wäre, ein Festhalten rechtfertigen
zu können. Da es sich bei den Personenkontrollen in Verbotszonen
nach dem Waffengesetz aber um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr und nicht um
eine der Strafverfolgung handelt, ist zu prüfen, um was für eine Gefahr
es sich zumindest handeln müsste, um ein Festhalten
der zu kontrollierenden Person überhaupt rechtfertigen zu können. Bei der Suche nach einer
Antwort könnte eine Entscheidung des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof aus dem Jahr 2006 hilfreich sein.
Bayerischen Verfassungsgerichtshofs 2006:
Nach
dem Abbau der Binnengrenzkontrollen zwischen den Schengener
Vertragsstaaten (...)
und
dem damit verbundenen Wegfall der „Filterfunktion“ der
Grenzkontrollen sollte als Ausgleichsmaßnahme eine verstärkte
Fahndungstätigkeit auf den Routen und in den Einrichtungen des
internationalen Verkehrs im Binnenland treten (...). Dies
betrifft vornehmlich den Bereich der Abwehr abstrakter Gefahren
in Räumen mit größerem abstrakten
Gefahrenpotential
(...).
Diese
Feststellung lässt sich analog auch auf Verbotszonen nach dem
Waffengesetz übertragen, denn die Zunahme von Gewaltdelikten
unter Benutzung von Waffen und Messern haben eine Wirklichkeit
entstehen lassen, in der zur Abwehr der sich daraus ergebenden
abstrakten Gefahren von einem größeren abstrakten
Gefahrenpotential auszugehen ist, als das noch vor Jahren der
Fall war.
An
anderer Stelle heißt es in dem Urteil:
Bayerischen Verfassungsgerichtshofs 2006:
Der Aufenthalt der zu durchsuchenden Person in den Bereichen [in
denen die Polizei verdachtsunabhängig kontrollieren kann, was ja
auch bei Verbotszonen nach dem Waffengesetz so gesetzlich
gewollt ist = AR] reicht deshalb [in einer Verbotszone nach dem
Waffengesetz] als solcher ebenso wenig aus wie bloße Vermutungen
über abstrakte Gefahren, die nicht durch ein Mindestmaß an
Indizien untermauert sind.
Die
Tatsachenbasis braucht aber nicht so konkret zu sein, dass eine
Verletzung der Schutzgüter [...]
bereits
als wahrscheinlich erscheint; das Vorliegen einer konkreten
Gefahr wird nicht verlangt. Da die Durchsuchung mitgeführter
Sachen im Verhältnis zur Identitätsfeststellung einen deutlich
schwerwiegenderen Eingriff in die
Grundrechtspositionen
[...]
darstellt,
genügen allerdings nur allgemeine Lageerkenntnisse oder
(grenz-)polizeiliche Erfahrungssätze, wie sie für die bloße
Identitätskontrolle [...]
nicht.
Vielmehr müssen zusätzliche und als solche hinreichend greifbare
Erkenntnisse hinzutreten. Diese müssen jedenfalls in
tatsächlichen Anhaltspunkten bestehen, die den Schluss auf
erhöhte abstrakte Gefahrenlagen bezüglich unerlaubter
Überschreitung der Landesgrenze, des unerlaubten Aufenthalts und
der grenzüberschreitenden Kriminalität zulassen.
Dabei kann
es sich etwa um durch Indizien angereicherte, also um
hinreichend gezielte polizeiliche Lageerkenntnisse oder um das
Vorhandensein von Täterprofilen oder Fahndungsrastern handeln,
die beispielsweise auch im Rahmen internationaler Zusammenarbeit
der Polizei- und Sicherheitsbehörden gewonnen werden. Für eine
solche Prognose einer erhöhten abstrakten Gefahr können
naturgemäß aber auch Eindrücke verarbeitet werden, die die
handelnden Polizeibeamten bei einer vorausgehenden
Identitätskontrolle [im hier zu erörternden Sachzusammenhang
wäre das ein Anhalten und Befragen] gewinnen, z.B. wenn sie
irgendwelche Auffälligkeiten registrieren
[En04].
In
Anlehnung an die Rechtsauffassung der Richter des Hamburgischen
Oberverwaltungsgerichts und an die des Bayerischen
Verfassungsgerichtshofes kann davon ausgegangen werden, dass
jede nicht willkürliche, sondern an polizeilichen Erkenntnissen
und Erfahrungen, die in „Täterprofilen“ sachgerecht beschrieben
wurden, eine Ungleichbehandlung im Sinne von Artikel 3 des
Grundgesetzes ausgeschlossen werden kann und somit eine
Polizeikontrolle rechtsstaatlichen Anforderungen zu entsprechen
vermag, wenn Personen, die dem Täterprofil entsprechen,
vorrangig kontrolliert werden.
Artikel 3 Abs. 3 GG
(3) Niemand darf wegen seines
Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,
seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen
oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt
werden.
Ob es
ausreicht, diese Affinität von Personen, über die ein
Täterprofil erstellt wurde, damit begründen zu können, dass
allein im Bundesland NRW 2023 über 6000 Messerdelikte
statistisch erfasst wurden, darüber lässt sich streiten.
Diesbezüglich heißt es in einer Meldung des WDR vom 28.8.2024
wie folgt:
WDR.de
vom 28.08.2024:
Insgesamt über 6.000 Messerdelikte: Insgesamt wurden im
vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen 6.221 Straftaten mit
Messern und sonstigen Stichwaffen in der Kriminalstatistik
erfasst - ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Täter
und Opfer sind meist jung und männlich. [...]. Fast die Hälfte
der polizeilich ermittelten Tatverdächtigen war unter 21. [...].
45 Prozent der Tatverdächtigen sind Ausländer. 55 Prozent sind
deutsche Staatsbürger. Von den „nichtdeutschen“ Tatverdächtigen
waren etwa 23 Prozent syrische Staatsangehörige. Danach folgten
Türken (10 Prozent), Iraker (7,7 Prozent) und Rumänen (6
Prozent)
[En05].
Hinweis:
Was in der Meldung nicht steht, das ist die Tatsache, dass es
sich bei dem Anteil von jungen Männern mit
Migrationshintergrund, die sich als messeraffin erwiesen haben,
um einen wesentlich geringeren Bevölkerungsanteil handelt, als
das bei den gleichaltrigen Tätern der Fall ist, die über keinen
Migrationshintergrund verfügen.
Es dürfte somit durchaus der Wirklichkeit in
Deutschland entsprechen, die Kriminalitätsbelastung von
Ausländern im hier zu erörternden Handlungsfeld als etwa doppelt
so hoch zu bezeichnen, als das bei Deutschen ohne
Migrationshintergrund der Fall ist. Auch in der Juni- Ausgabe
2024 „Die Kriminalpolizei“ heißt es, die Migrantenkriminalität
betreffend, wie folgt:
Die Kriminalpolizei:
Von 1.562
ermittelten Tatverdächtigen in diesem Phänomenbereich [gemeint
sind Personen mit Migrationshintergrund] waren 698 deutsche, 331
Asylbewerber und 533 andere Nicht-Deutsche. Der Gesamtanteil der
Nicht-Deutschen lag mit 864 damit bei 55,3%.19 Und die
Bundespolizei ermittelte für die erste Jahreshälfte 2022 80
deutsche, 82 nicht-deutsche und 61 Täter mit nicht erfasster
Staatsangehörigkeit. Bei allen noch bestehenden statistischen
Unsicherheiten und Schwankungen hinsichtlich dieses noch nicht
sehr lange erfassten Phänomens kann daher jedenfalls dies
bereits jetzt als recht eindeutig gesichert gelten: Der Anteil
der ausländischen Tatverdächtigen ist (auch) hier weit
überproportional
[En06].
Wie dem auch immer sei:
2023 wurden in Deutschland, laut Bundesamt für
Verfassungsschutz, fast 9000 Messerangriffe bundesweit
registriert. Schon allein diese Zahlen sind besorgniserregend,
obwohl sie der Wirklichkeit kaum entsprechen dürften, denn für
das gleiche Jahr wurden allein in NRW 6200 Angriffe statistisch
erfasst, obwohl in NRW nur 20 Prozent der deutschen Bevölkerung
wohnt.
Aber
reichen allein solche Zahlen aus, rechtfertigen zu können, dass
von der Polizei nur junge Männer im Alter um die 21 Jahre
kontrolliert werden, deren Messeraffinität sozusagen
anzusehen sein soll?
Nach der
hier vertretenen Rechtsauffassung lässt sich diese Fokussierung
auf den zu kontrollierenden Personenkreis in Verbotszonen in
Anlehnung an ein Täterprofil auf
der Grundlage des Waffengesetzes zumindest nachvollziehbar
begründen.
So wohl
auch die Sichtweise von NRW-Innenminister Herbert
Reul
(CDU), der Ende August 2024 in Düsseldorf nicht nur ein
Lagebild, sondern auch ein Bekämpfungskonzept zur Messergewalt
vorstellte, in dem jedoch die Präventionsarbeit in
Flüchtlingsunterkünften in den Vordergrund gestellt wurde.
Wörtlich sagte Innenminister Herbert
Reul
(CDU):
„Jede Kreispolizeibehörde muss selbst schauen, was
individuell vor Ort funktioniert. Deshalb soll auch vor Ort
analysiert und geprüft werden, welche Maßnahmen am besten
greifen. Das wollen wir hier aus Düsseldorf nicht vorgeben. Die
eine richtige Lösung gegen Messergewalt gibt es nicht.
Verschiedene Maßnahmen müssen ineinandergreifen.“
13
Eine misslungene „Kontrollbefugnis“
TOP
In der
besten Demokratie von heute, die besonderen Wert darauf legt,
ein moderner Rechtsstaat zu sein, wirkt es befremdend,
wenn sich der Regelungsinhalt einer Befugnis, die sich vorrangig
an die Polizei wendet, sich wie folgt zusammenfassen lässt.
Um den
Rechtsmangel der Kontrollbefugnis noch einmal deutlich herauszustellen:
Die
zuständige Behörde kann zur Durchsetzung gesetzlicher Waffen-
und
Messerverbote
[........] Personen kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte
Sachen in Augenschein
nehmen sowie
die Person durchsuchen.
Wenn
dieser Wortlaut auf andere Befugnisse übertragen würde,
spätestens dann wäre der Rechtsstaat am Ende.
Beispiel 1: Die
zuständige Behörde kann zur
Durchsetzung der Verbote des Strafgesetzbuches
Personen
kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in Augenschein
nehmen sowie
die Person durchsuchen.
Beispiel 2: Die
zuständige Behörde kann zur
Durchsetzung der Verbote des Versammlungsgesetzes
Personen kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in
Augenschein
nehmen sowie
die Person durchsuchen. Im Versammlungsgesetz des Landes NRW
gibt es zwar eine Kontrollbefugnis, die setzt aber voraus, dass
tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass
Waffen mitgeführt werden
§ 15 VersG NRW (Kontrollstellen)
Beispiel 3: Die
zuständige Behörde kann zur
Durchsetzung der Verbote des Betäubungsmittelgesetzes
Personen kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in
Augenschein
nehmen sowie
die Person durchsuchen.
Nichtssagende
und
unbestimmte Befugnisse darf es in einem Rechtsstaat nicht geben.
Zu meinen, dass allein das Wort "Durchsetzen" in der neu in das
Waffengesetz eingefügten Kontrollbefugnis ausreicht, die dort
genannten Rechtsfolgen erforderlichenfalls sogar erzwingen zu
können, verkennt, dass an legitime Befugnisse höhere
Anforderungen zu stellen sind, und das aus gutem Grund.
So auch die
Sichtweise der Richter des Bundesverfassungsgerichts, die sich
2008 zur Bestimmtheit von Befugnissen/Ermächtigungen, die der
Gesetzgeber schaffen kann, wie folgt positioniert haben.
BVerfG 2008:
Je nach der zu erfüllenden Aufgabe findet der Gesetzgeber
unterschiedliche Möglichkeiten zur Regelung der
Eingriffsvoraussetzungen vor. Die Anforderungen des
Bestimmtheitsgrundsatzes richten sich auch nach diesen
Regelungsmöglichkeiten
(...). Bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe,
dürfen verbleibende Ungewissheiten nicht so weit gehen, dass die
Vorhersehbarkeit und
Justitiabilität
des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen
Stellen gefährdet sind (...).
Nach diesen
Maßstäben genügt [die Befugnis, Personen in Verbotszonen
anzuhalten, zu befragen etc.] dem Gebot der Normenklarheit und
Normenbestimmtheit insoweit nicht, als sich die tatbestandlichen
Voraussetzungen der geregelten Maßnahmen dem Gesetz nicht
hinreichend entnehmen lassen. [Diese
Voraussetzungen beschreibt der Gesetzgeber nämlich nur wie
folgt: Die zuständige Behörde kann zur Durchsetzung gesetzlicher
Waffen- und Messerverbote ...]
[...]. Die
Antwort auf die Frage, in welche Grundrechte
Ermittlungsmaßnahmen [...]
eingreifen,
kann komplexe Abschätzungen und Bewertungen erfordern. [Die
in der Befugnis nicht einmal ansatzweise enthalten sind]. Zu
ihnen ist zunächst und vorrangig der Gesetzgeber berufen. Seiner
Aufgabe, die einschlägigen Grundrechte durch entsprechende
gesetzliche Vorkehrungen zu konkretisieren, kann er sich nicht
entziehen, indem er durch eine bloße tatbestandliche Bezugnahme
auf ein möglicherweise einschlägiges Grundrecht die Entscheidung
darüber, wie dieses Grundrecht auszufüllen und umzusetzen ist,
an die normvollziehende Verwaltung weiterreicht.
[En07].
Die Frage, die sich hinsichtlich der Unbestimmtheit der neuen
Befugnis im Waffengesetz stellt lautet. Warum hat der
Gesetzgeber sich nicht am Wortlaut des § 111 StPO orientiert.
§ 111 Abs. 1 Satz StPO (Errichtung von Kontrollstellen
an öffentlich zugänglichen Orten) An einer
Kontrollstelle ist jedermann verpflichtet, seine Identität
feststellen und sich sowie mitgeführte Sachen durchsuchen zu
lassen.
Dazu fehlte dem Gesetzgeber offensichtlich der Mut.
14 Polizeikontrollen in
Verbotszonen
TOP
Bei den hier zu
erörternden Polizeikontrollen in Verbotszonen handelt es sich
vorrangig um Kontrollen zur Abwehr von Gefahren, die durch das
Mitführen von Waffen oder Messern ausgelöst werden können und deshalb
verhindert werden sollten. Werden
solche Gegenstände gefunden, dann hat das zwangsweise zur Folge,
dass nunmehr Maßnahmen zur Strafverfolgung auf der Grundlage der
StPO zu treffen sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich um
strafbewehrte Gegenstände (Waffen oder Messer) oder um
bußgeldbewehrte Gegenstände (Anscheinswaffen oder Messer, die
keine Waffenqualität haben) handelt.
Daraus lässt sich
schließen, dass es zu Kontrollsituationen kommen kann, die einen
Wechsel von der Zuständigkeit von der Gefahrenabwehr hin zur
Zuständigkeit der Strafverfolgung erforderlich machen.
Unabhängig davon kann es
im Rahmen von Personenkontrollen in Verbotszonen zu
unterschiedlichsten Kommunikationsabläufen zwischen der
kontrollierenden Polizei und den kontrollierenden Personen
kommen und die, als Folge davon, anders verlaufen als die in der neuen Kontrollbefugnis
im Waffengesetz aufgeführten Rechtsfolgen das nahelegen, denn
als Handlungsmöglichkeiten sieht die Befugnis vier Rechtsfolgen
vor, die in ihrer Gesamtheit den Rahmen einer Personenkontrolle
in Verbotszonen abstecken:
Anders ausgedrückt: Ziel
der Kontrollen ist es, Personen und Sachen zu durchsuchen, um
ausschließen zu können, dass kontrollierte Personen Waffen oder
Messer mit sich führen.
Da die Befugnis von der
Polizei bereits angewendet werden kann, wenn sich eine Person in oder in
unmittelbarer Nähe einer Verbotszone aufhält, und keine weiteren
Voraussetzungen von kontrollierenden Polizisten für die
Durchführung solch einer Kontrolle nachzuweisen sind, um die
oben aufgeführten Kontrollmaßnahmen rechtfertigen zu können,
kann – zumindest vom Gestaltungswillen des Gesetzgebers bei der
Schaffung von Eingriffsbefugnissen – davon ausgegangen werden,
dass für alle oben aufgeführten Rechtsfolgen sozusagen sachliche
Zuständigkeit ausreicht.
Wie dem auch immer sei:
Auch wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen sein sollte, dass
solche Kontrollen auf eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung
stoßen und auch die Mehrzahl kontrollierter Personen
(unterstellt) solche Kontrollen freiwillig zu dulden bereit ist,
dürfte so viel Blauäugigkeit der polizeilichen Berufserfahrung
sicherlich nicht entsprechen, denn dort kommt es erstens anders, und
zweitens als man denkt.
Hinweis: Im November 2024 haben sich zum
Beispiel in Rostock bereits Bürgerinitiativen gebildet, die
verhindern wollen, dass in der Vorweihnachtszeit die
Weihnachtsmärkte in der Stadt zu Waffenverbotszonen erklärt
werden. Demgegnüber steht die Forderung des Verbandes der
deutschen Schausteller, die darin besteht, die Weihnachtsmärkte
in Deutschland wegen bestehender Sicherheitsbedenken zu
Waffenverbotszonen zu erklären. Außerdem befürwortet der
Präsident des Verbandes der deutschen Schausteller eine zeitlich
begrenzte Videoüberwachung. Die Sicherheit müsse Vorrang haben,
so die Argumentation der Schausteller. In diesem Jahr rechnet
der Schaustellerbund mit 160 Millionen Besuchern auf den
deutschlandweit 3.250 geplanten Weihnachtsmärkten.
Schon jetzt kann davon ausgegangen werden, dass es der Polizei
nicht gelingen wird, auch nur 1 Prozent der 160 Millionen
Besucher nach Waffen und Messern zu durchsuchen, denn das wären
immerhin 1,6 Millionen Durchsuchungen, die einen Zeitaufwand von
8 Millionen Minuten, das sind etwa 133.000 Stunden reine
Kontrollzeit einfordern würden, wobei 5 Minuten nur dann
für eine Kontrolle ausreichen, wenn nichts gefunden wird, wovon
in den weitaus meisten Fällen ausgegangen werden kann und im
Anschluss daran auf Folgemaßnahmen verzichtet wird, wie
Identitätsfeststellung und Datenabgleich. Dazu gleich mehr.
Wie dem auch immer sei: Die Frieden und weihnachtliche Vorfreude
suggerierenden Weihnachtsmärkte haben seit dem Anschlag auf dem
Breitschaftsplatz in Berlin, ein anderes Gesicht bekommen. Das,
was früher einmal als Ort der Sicherheit und der Geborgenheit,
des sich Freuen dürfens, verbunden mit Glühwein, Gesprächen,
Mandeln und Lebkuchen verbunden war, das wird heute zur Waffen-
und Messerverbotszone erklärt.
Wer das folgende Bild öffnet und meint, dass eine mit
Maschinenpistolen ausgestattete Doppelstreife, die auf einem
Weihnachtsmarkt für Sicherheit sorgen soll, für normal hält,
akzeptiert, dass seit Anis Amri Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt
in Berlin dafür gesorgt hat, dass aus Weihnachtsmärkte heute sozusagen
Risikogebieten geworden sind.
Schwerbewaffnete Polizeistreife auf Weihnachtsmarkt in Hannover
Den eingetretenen Kontrollverlust dadurch ausgleichen zu können,
indem noch mehr schwerbewaffnete Politisten, verbunden mit einer
Vielzahl von Kontrollen, so wie sie in diesem Aufsatz aufgezeigt
wurden, daran etwas zu ändern können, verkennt, dass dadurch nur die Illusion von Sicherheit
erzeugt werden kann.
Dass Städte in Deutschland, Schweden, Frankreich, Belgien oder
England – im Gegensatz zu Budapest und Warschau – keine sicheren
Orte mehr sind, liegt daran, dass westeuropäische Staaten nicht
wissen, wie sie den Gefahren, die vom Islamismus ausgehen,
wirksam begegnen sollen.
Der Bundesgesetzgeber hat zwar keine Mühen gescheut, alle nur
denkabren Ausnahmen vom Waffen- und Messerverbot unter
Verwendung von
351 Wörter akribisch aufzulisten, was ihm aber nicht
gelungen ist, eine Kontrollbefugnis zu formulieren, die
allgemeinverständlich ist.
Zurück zu der Kontrollbefugnis des Waffengesetzes, die es
zuständigen Behörden erlaubt, zur
"Durchsetzung gesetzlicher Waffen- und Messerverbote" Personen
und von diesen mitgeführte Sachen kontrollieren zu können. Diese
Befugnis, die über Mängel verfügt, die in diesem Aufsatz
herausgestellt wurden, wirft unweigerlich die Frage auf, wie
diese Mängel so umgangen werden können,
damit es erst gar nicht zu rechtswidrigen
Polizeikontrollen in Verbotszonen kommen kann.
Beispiel 1:
Lars und Mia halten in einer
Verbotszone einen Mann an. Auf die Frage von Lars, ob Waffen
oder Messer mitgeführt werden, antwortet der Mann: „Nein, ich
führe kein Messer und auch keine Waffe mit mir.“ Daraufhin sagt
Mia zu dem Mann: „Damit wir unserem Sicherheitsauftrag
nachkommen können, bitte ich Sie, uns einen kurzen Blick in den
von Ihnen mitgeführten Rucksack nehmen zu lassen.“ Der Mann
sagt: „Kein Problem, was sein muss, muss sein!“ Der Mann öffnet
den Rucksack. Auf eine Durchsuchung der Person nach Waffen
verzichten die Beamten, weil sie den Eindruck gewonnen haben,
dass es sich um einen gesetzestreuen Mann handelt.
Hinweis:
So unspektakulär können Polizeikontrollen in Waffenverbotszonen
aussehen.
Beispiel 2:
Lars und Mia
halten in einer Verbotszone einen Mann an, der es erkennbar
eilig hat. Auf die Frage von Lars, ob Waffen oder Messer
mitgeführt werden, antwortet der Mann: „Nein, ich führe kein
Messer und auch keine Waffe mit mir.“ Daraufhin sagt Mia zu dem
Mann: „Damit wir unserem Sicherheitsauftrag nachkommen können,
bitte ich Sie, uns einen kurzen Blick in den von Ihnen
mitgeführten Rucksack nehmen zu lassen.“ Der Mann antwortet:
„Ich habe es wirklich eilig, um meinen Zug noch erreichen zu
können muss ich mich sputen. Sie können mich ja gern bis zum
Ende der Verbotszone begleiten, denn dadurch können sie
sicherstellen, dass hier in der Verbotszone nichts Böses
passiert. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Als der Mann
weitergeht, müssen sich Lars und Mia entscheiden, was sie tun
wollen. Auf Lars und Mia hat der Mann zwar einen
selbstbewussten,
nicht aber einen Eindruck hinterlassen, dass bei dem Mann Waffen
oder Messer gefunden werden können. Als Folge davon verzichten
die Beamten auf weitere Maßnahmen.
Hinweis:
Es liegt im Ermessen einschreitender Polizeibeamter, welche
Rechtsfolgen, die einer Kontrollbefugnis erlaubt, von ihnen auch
tatsächlich zur Anwendung kommt. Da Lars und Mia den Eindruck gewonnen haben,
keinen gefährlichen Messerträger, sondern einen ganz normalen,
sich in Eile befindlichen Bürger kontrolliert zu haben und ihn
deshalb gehen lassen, handeln sie im Rahmen ihres pflichtgemäßen
Ermessens.
Beispiel 3:
Lars und Mia
halten eine Person an, die dem Täterprofil der Personen entspricht,
die in Verbotszonen vorrangig kontrolliert werden sollen. Der Mann
verhält sich, nachdem er angehalten wurde, auffällig nervös,
außerdem lässt seine Begrüßung: „Was wollt ihr Bullen denn schon
wieder von mir!“,
erkennen,
dass er etwas zu verbergen haben könnte, außerdem, so die Wahrnehmung von
Lars und Mia, sucht er erkennbar nach Fluchtmöglichkeiten.
Dass
unter diesen Gegebenheiten die Kontrolle nicht so verlaufen
wird, wie das bei den beiden oben genannten Kontrollanlässen der
Fall gewesen ist, davon kann ausgegangen werden.
Die Frage, die sich
nunmehr stellt, lautet: Ließe es die Kontrollbefugnis des
Waffengesetzes zu, die dort genannten Rechtsfolgen (Sachen in
Augenschein nehmen und Durchsuchung der Person)
erforderlichenfalls sogar zu erzwingen?
Hinweis:
Zustimmen vermag solch eine
Lösung wohl nur derjenige, der mit dem Polizeirecht nicht
vertraut ist.
Überzeugender dürfte es sein, davon auszugehen,
dass es aufgrund der sichtbar gewordenen
Verhaltensauffälligkeiten zulässig ist, in der Person nunmehr einen
Tatverdächtigen zu erkennen, bei dem zu vermuten ist, dass er
Beweismittel mitführen könnte, denn wenn bei der Durchsuchung
Waffen oder Messer gefunden werden, wäre damit der Beweis einer Straftat bzw. einer
Ordnungswidrigkeit auf der Grundlage des Waffengesetzes
erbracht.
Werden keine Waffen und auch keine Messer gefunden,
dann wird die Durchsuchung dadurch nicht rechtswidrig, denn das
Ergebnis einer Durchsuchung lässt sich nicht mit Sicherheit
voraussagen. Da Vermutungen ausreichen, ergibt sich daraus
zwangsläufig, dass eine Durchsuchung nicht erfolgreich sein
muss.
§ 102 StPO (Durchsuchung bei
Beschuldigten)
Wie dem auch immer sei:
In Anlehnung an ein Urteil der Richter des BGH aus dem Jahr 2016
reicht es für die Durchsuchung von Personen und/oder Sachen aus,
einen ausreichenden Anfangsverdacht nachzuweisen, der Anlass zum
Einschreiten gibt und einschreitende Polizisten zur Erforschung
des festgestellten Sachverhaltes verpflichtet. Ein solcher
Anfangsverdacht setzt nur voraus, dass zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen, siehe
BGH, Urteil vom 17. Februar 2016 - 2 StR 25/15.
Davon kann in dem oben
genannten Beispiel ausgegangen werden, denn das im Beispiel
geschilderte auffällige
Verhalten reicht durchaus dazu aus, einen Anfangsverdacht
begründen zu können und somit in der zu kontrollierenden Person
einen Tatverdächtigen zu erkennen, der zwangsläufig dadurch zu
einem Beschuldigten wird, wenn er durchsucht wird.
Anders ausgedrückt:
Verweigert die kontrollierte Person die Inaugenscheinnahme des
mitgeführten Rucksacks und ist sie auch nicht damit
einverstanden, sich als Person von Lars durchsuchen zu lassen,
dann ließe es das Gesetz zu, die notwendig werdenden auf
Strafprozessrecht gestützten Maßnahmen sogar zu erzwingen, denn
bei der Durchsuchungsbefugnis der StPO handelt es sich um eine
Zwangsbefugnis.
Beispiel 4:
In
Messerstadt
ist es in den letzten Tagen zu mehreren gewaltsamen
Auseinandersetzungen zwischen Gruppen junger Araber gekommen.
Dabei wurden zwei junge Russen durch Messerstiche schwer
verletzt. Beim Eintreffen der Polizei flüchteten die
Migrantengruppen sofort. Bei den Tatverdächtigen handelt es sich
um Gruppen junger Araber im Alter von 18 bis 21 Jahre, so die
zurzeit bekannten Erkenntnisse der polizeilichen Ermittlungen.
Diese Erkenntnisse fügen sich in ein Lagebild ein, das die
Polizeiführung von
Messerstadt
bereits vor Wochen dazu erwogen hat, einen Teil der Innenstadt
zu einer Waffenverbotszone zu erklären und dementsprechend zu
kennzeichnen. Einsatzkräfte der Polizei haben gerade eine Gruppe
junger Männer, die erkennbar aus den Maghreb-Staaten kommen,
eingekreist. Die sechs jungen Männer werden aufgefordert, sich
mit erhobenen Händen und gegrätschten Beinen an eine Hauswand zu
stellen, damit sie nach Waffen oder anderen gefährlichen
Gegenständen durchsucht werden können. Diejenigen, die der
Aufforderung nicht nachkommen, werden durch Anwendung einfacher
körperlicher Gewalt dahingehend belehrt, dass es für sie besser
ist, polizeilichen Anweisungen zu folgen. Ist das auf der
Grundlage der neu in das Waffengesetz eingefügten
Kontrollbefugnis in Verbotszonen zulässig?
Hinweis:
In Rostock ist es im Monat November 2024 zu den oben
geschilderten Vorfällen gekommen. Auch in anderen Städten ist es
zu vergleichbaren Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden
Gruppen junger Männer gekommen, die anderen Ethnien angehören.
Wie dem auch immer sei:
Die neu in das Waffengesetz
eingefügte Kontrollbefugnis geht von der Vorstellung aus, dass
anlässlich von Kontrollen Personen zuerst einmal nur angehalten
und befragt werden, um dann dazu aufgefordert zu werden, Sachen
von der Polizei
in Augenschein nehmen zu lassen, um daran anschließend von
Kontrollbeamten nach Waffen oder Messern durchsucht zu werden.
Ob auch mit der
schärfsten Rechtsfolge, der körperlichen Durchsuchung, begonnen
werden kann, dazu schweigt sich die Befugnis aus. Das gilt erst
recht für die Erzwingung solch einer Maßnahme. Zumindest können
polizeiliche Einsatzkräfte, die eine Kontrolle mit der
Durchsuchung einer Person in einer Waffenverbotszone beginnen,
zumindest nach der hier vertretenen Auffassung nicht darauf
vertrauen, dass die Kontrollbefugnis in Verbotszonen solch ein
Vorgehen überhaupt zu rechtfertigen vermag.
Eher nicht.
Das aber wäre anlässlich
der im Beispiel geschilderten Kontrolle ein einer
Waffenverbotszone aus Sicht einschreitender Polizisten kein
hinzunehmender Rechtszustand. Dem ist zuzustimmen, denn auch bei
Personenkontrollen in Waffenverbotszonen muss dem
Eigensicherungsbedürfnis einschreitender Polizisten Rechnung gegeben
werden.
Durchsuchungen zur Eigensicherung als
„Einstiegsmaßnahme“ erlauben alle Polizeigesetze jedoch nur
dann, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen greifen.
Diesbezüglich heißt es zum Beispiel im Polizeigesetz des Landes
NRW wie folgt:
§ 39 Abs. 2
PolG
NRW (Durchsuchung von Personen) (2) Die Polizei
kann eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder
anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach
Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln
durchsuchen, wenn das nach den Umständen zum Schutz des
Polizeivollzugsbeamten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für
Leib oder Leben erforderlich ist. [...].
Anlässlich von Personenkontrollen in Verbotszonen geht es aber
nicht vorrangig darum, die Identität kontrollierter Personen
festzustellen, sondern darum, für die „Durchsetzung gesetzlicher
Waffen- und Messerverbote“ zu sorgen.
Die
Frage, ob nicht dennoch Personen zum Zweck der Eigensicherung
sofort durchsucht werden können, ist damit aber noch nicht
abschließend beantwortet, denn Personen, die
von der Polizei durchsucht wurden, zu welchem Zweck auch immer,
machen es erforderlich, die Identität der durchsuchten
Person im Anschluss daran festzustellen.
Warum?
Das ist
allein deshalb aus Rechtsgründen erforderlich, weil nur so die
Funktionsfähigkeit der Polizei in einem Rechtsstaat
sichergestellt werden kann, denn eine Polizei, die nicht weiß,
wen sie durchsucht hat und somit auch nicht in der Lage wäre,
bei Bedarf „Ross und Reiter“ zu benennen, ist in einem
Rechtsstaat, so wie ihn das Grundgesetz vorsieht, völlig fehl am
Platz.
Außerdem sind die erhobenen personenbezogenen Daten einem
Datenabgleich zu unterziehen, denn nur so kann sichergestellt
werden, dass die kontrollierte Person nicht zur Festnahme
ausgeschrieben ist.
Anders ausgedrückt:
Die Rechtsfolgen, die die neu in das Waffengesetz eingefügte
Kontrollbefugnis in Verbotszonen vorgibt, sind zumindest dann,
wenn nicht nur Personen angehalten und befragt, sondern auch
nach Waffen oder Messern durchsucht werden, unvollständig, denn
wenn polizeiliche Maßnahmen getroffen wurden, die nicht mehr als
geringfügige Eingriffe in Grundrechte anzusehen sind, kann und
muss von kontrollierenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten
auch die Identität kontrollierter Personen festgestellt werden, um die
erhobenen Daten im Anschluss daran auch noch einem
Datenabgleich zu unterziehen.
Was den
Eigensicherungsschutz anlässlich von Durchsuchungen in
Waffenverbotszonen anbelangt lässt sich zumindest im Hinblick
auf das vorangestellte Beispiel Folgendes feststellen:
Durchsuchungen zur Eigensicherung sind zum Schutz der
Polizeibeamten nachvollziehbar erforderlich. Davon kann
ausgegangen werden, wenn zumindest Anhaltspunkte bestehen, dass
die von der Maßnahme betroffene Person Waffen, sonstige
gefährliche Werkzeuge oder Explosivmittel mit sich führen
könnten.
Zumindest konnten die Beamten im Beispielsfall diesbezüglich von
einem begründeten Gefahrenverdacht ausgehen. Außerdem war die
Vorgehensweise der Polizeibeamten nicht unverhältnismäßig, denn
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein
Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel
zu diesem Zweck die zur Anwendung gekommenen Rechtsfolgen
geeignet, erforderlich und auch angemessen ist.
15 Quellen
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Endnote_01 Bestimmtheitsgebot: BVerfrG, Beschluss vom 17.
November 2009 - 1 BvR 2717/08 Zurück
Endnote_02
Racial Profiling: OVG Koblenz, Urteil vom 21.04.2016 - Az. 7 A
11108/14.OVG Zurück
Endnote_03 Täterprofile
verstoßen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz: Hamburgisches
Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Januar 2022 - 4 Bf 10/21
Zurück
Endnote_04 Verdachtsunabhängige
Polizeikontrollen: Entscheidung des Bayerischen
Verfassungsgerichtshofs vom 7. Februar 2006 - Aktenzeichen: Vf.
69-VI-04 Zurück
Endnote_05 WDR.de vom 28.8.2024:
Mehr als 3.500 Messerattacken in NRW.
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/messerattacken-reul-100.html
Zurück
Endnote_06 Kriminalpolizei.de:
Migrantenkrimninalität: Zum Stand der Dinge (Teil 2).
https://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2024/juni/detailansicht-juni/
artikel/migrantenkriminalitaet-zum-stand-der-dinge-teil-2.html
Zurück
Endnote_07 Anforderungen an
Eingriffsermächtigungen: BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1
BvR 370/07 Zurück
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