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Home Inhaltsverzeichnis : Umgang mit der Demokratie

Beschädigung des Rechtsstaates im Bundesdisziplinarrecht

Dort, wo ein Rechtsstaat seine Grundsätze selbst beschädigt, wächst der Missbrauch gegenüber staatlicher Macht von ganz allein.

Inhaltsverzeichnis:

01 Reform des Disziplinarrechts des Bundes
02 Wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht
dienen
03 Die freiheitlich-demokratische Grundordnung
04 Auftakt zur "Polizei-Säuberung" beim Bund
05 Die Größe der "Polizei-Säuberung" in Zahlen
06 Bekenntnis zur fdGO ist
Einstellungsvoraussetzung
07 Verfassungsfeindliches Verhalten
08 Verfassungsfeindliche Denkmuster
09 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst
10 Politische Treuepflicht der Beamten
11 Mögliche Folgen der Verletzung der Treuepflicht durch Beamte
12 Verfassungsfeindliche Aktivitäten von Beamten
13 Unschuldsvermutung
14 Selbstreinigungsverfahren
15 Disziplinarverfahren und StPO
16 Anscheinsbeweis
17 Bekennende AfD-Mitglieder im Polizeidienst
18 Umgang mit Nestbeschmutzern
19 Zu guter Letzt
20 Quellen

01 Reform des Disziplinarrechts des Bundes

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Beamtinnen und Beamte, die nicht dazu bereit sind, sich aus voller Überzeugung für die Grundwerte des Staates einzusetzen, der ihnen Hoheitsaufgaben übertragen hat, haben im Staatsdienst nichts zu suchen. Ein Staat aber, der diesen Beamten justiziable Grundrechte entzieht, wozu auch die Unschuldsvermutung gehört, greift zu Mitteln, die diesen Rechtsstaat in seinen Grundwerten erschüttert.

Diesbezüglich heißt es auf der Website des Bundesministeriums für Inneres und für Heimat (BMI) am 30.3.2024 wie folgt:

BMI: Am 1. April 2024 tritt die Reform des Disziplinarrechts des Bundes in Kraft. Damit können Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. Künftig werden alle Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Entfernung aus dem Dienst, durch Disziplinarverfügung der zuständigen Behörde ausgesprochen. Das langwierige verwaltungsgerichtliche Disziplinarklageverfahren entfällt. Dabei bleibt der Rechtsschutz für Betroffene gewährleistet. Außerdem gilt künftig, dass eine rechtskräftige Verurteilung wegen Volksverhetzung bereits bei einer Freiheitsstrafe ab sechs Monaten zum Verlust der Beamtenrechte führt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir sind eine starke Demokratie, die sich gegen ihre Feinde zu wehren weiß. Das zeigt unsere Reform des Disziplinarrechts, die ab dem 1. April gilt. Künftig können Verfassungsfeinde deutlich schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. Das gilt es nun konsequent durchzusetzen. Denn wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen. Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Extremisten angegriffen wird. Jeder Extremismusfall im öffentlichen Dienst muss deutliche Konsequenzen haben – gerade auch zum Schutz des Ansehens der ganz überwältigenden Mehrheit der Beschäftigten, die tagtäglich für unsere Demokratie eintreten.“ [En01]

02 Wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen

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Unter diesem Leitspruch lässt sich der Tenor des neuen Disziplinarrechts des Bundes durchaus einordnen. Inwieweit die Disziplinargesetze der Länder den Neuerungen des Disziplinargesetzes des Bundes angeglichen werden, bleibt abzuwarten. In NRW wird ein eingeleitetes Disziplinarverfahren von Gesetzes wegen immer eingestellt, wenn es dem Dienstherrn nicht gelingt, einer Beamtin oder einem Beamten ein Dienstvergehen nachzuweisen, siehe § 33 Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesdisziplinargesetz - LDG NRW).

§ 33 LDG NRW (Einstellungsverfügung)

Anders ausgedrückt: In NRW muss der Vorwurf, der sich gegen eine Polizeibeamtin oder gegen einen Polizeibeamten richtet, vom Dienstherrn erforderlichenfalls auch vor Gericht bewiesen werden. Kann er das nicht, dann findet die Regelung des § 33 LDG NRW Anwendung.

Das heißt: Nicht der Beamte muss beweisen, dass er ein Dienstvergehen begangen hat, sondern dieser Nachweis obliegt dem Dienstherrn. Diese Beweislast haben nunmehr die Beamtinnen und Beamten des Bundes zu erbringen, wenn ihnen vorgehalten wird, sozusagen nicht mit „beiden Füßen auf dem Fundament des Grundgesetzes zu stehen“, der so genannten freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dazu gleich mehr.

03 Die freiheitlich-demokratische Grundordnung

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Nur für diejenigen, die nicht mehr oder noch nicht so ganz genau wissen, was unter der Sprachfigur der „freiheitliche demokratischen Grundordnung“ (fdGO) zu verstehen ist, hier die Definition des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1952 zu diesem unbestimmten Rechtsbegriff, zu dem sich die Richter anlässlich des SRP-Verbots wie folgt positionierten:

BVerfG 1952: Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 -- 1 BvB 1/51

Hinweis: Ziel der Richter des Bundesverfassungsgerichts war es nicht, in ihrem SRP-Urteil aus dem Jahr 1952 die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ sozusagen für alle Zeiten abschließend zu definieren.

In Anlehnung an den Verfassungsrechtler Gunther Warg wurde diese Sprachfigur von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts auch im Zusammenhang mit NPD-Verbotsverfahrens im Jahr 2017 diesem unbestimmten Rechtsbegriff wohl eher der Kern der freiheitlich demokratischen Grundordnung, nämlich die Menschenwürde, in den Vordergrund gerückt wurde, siehe BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BVB 1/13, aus dem im Folgenden die Leitsätze zitiert werden, die die fdGO betreffen:

BVerfG 2017: 3. Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG umfasst nur jene zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind.

a) Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit.

b) Ferner ist das Demokratieprinzip konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG).

c) Für den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind schließlich die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte bestimmend. Zugleich erfordert die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer Gewalt den gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen vorbehalten ist.

4. Der Begriff des Beseitigens der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bezeichnet die Abschaffung zumindest eines ihrer Wesenselemente oder deren Ersetzung durch eine andere Verfassungsordnung oder ein anderes Regierungssystem. Von einem Beeinträchtigen ist auszugehen, wenn eine Partei nach ihrem politischen Konzept mit hinreichender Intensität eine spürbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewirkt.

BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BVB 1/13

Den Kern der fdGO bilden somit die nachfolgend aufgelisteten Schutzgüter:

  • Menschwürde

  • Volkssouveränität

  • Gewaltenteilung

  • Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt

  • Gewaltmonopol des Staates sowie die

  • Unabhängigkeit der Gerichte.

Diese Schutzgüter müssen, wenn Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten vorgeworfen wird, „nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stehen“ durch eine erkennbare Feindlichkeit ihres Verhaltens in Frage gestellt werden.

Wie dem auch immer sei: Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen, bilden – so zumindest auch die Position von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) eine große Gefahr für die Demokratie.

TAZ.de vom 4.4.204: Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte dem Stern: „Polizistinnen und Polizisten, die nicht auf dem Boden der Verfassung stehen, sondern extremistische Ansichten verfolgen, sind eine große Gefahr für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit.“ Diese Menschen wolle er in der Polizei nicht haben, sagte der CDU-Politiker [En02].

Aber: Wie „verfassungsfeindlich“ und „rechtsextremistisch“ zu definieren sind, diese Frage ist bisher bedauerlicherweise unbeantwortet geblieben. Wer sich in diesem Bereich des Ungeklärtseins und „Nicht-Definiertseins“ vor Augen hält, und davon ausgeht, dass bereits derjenigen als Verfassungsfeind angesehen werden können, die an zwei Geschlechtern festhalten, sich als Impfverweigerer geoutet haben oder gar bekennende Mitglieder der AfD sind, denen braucht wohl nicht erklärt zu werden, dass alles, was den „richtigen Demokraten“ nicht gefällt, verfassungswidrig sein könnte.

Womit sich wieder die Tür zu dem Thema öffnet, das hier erörtert werden soll und das da lautet: Wie kann eine Polizei effektiv von Verfassungsfeinden geschützt werden?

Offensichtlich scheint die Gefahr ja so groß zu sein, dass sogar namhafte Politiker um den Bestand der Demokratie fürchten, wenn dementsprechend nicht mit hartem Besen die Polizei von „verfassungsfeindlichen Elementen“ gesäubert wird.

04 Auftakt zur "Polizei-Säuberung" beim Bund

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Das neue Disziplinarrecht des Bundes, das lässt es seit dem 1. April 2024 zu, unliebsame Beamte ohne Gerichtsbeschluss aus dem Dienst zu entfernen – und das ist kein Aprilscherz. Wenn also die von der „Säuberung“ betroffenen Beamtinnen und Beamten ihre Verfassungstreue nicht beweisen können, so lässt es nunmehr das Bundesdisziplinargesetz des Bundes zu, unliebsame Beamte sozusagen ohne Gerichtsbeschluss vor die Tür gesetzt.

05 Die Größe der "Polizei-Säuberung" in Zahlen

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Von 190.000 Bundesbeamten sind im Jahr 2021 weniger als 0,2 Prozent „disziplinarisch auffällig“ geworden. In den Medien hieß es auch: „Hunderte Polizisten unter Extremismusverdacht“.

Tagesschau.de vom 4.4.2024: Etwa 400 Polizistinnen und Polizisten der Länder stehen unter Rechtsextremismus-Verdacht. (…) Der zuständige Bundesbeauftragte, Grötsch, nennt die Gefahr groß wie nie [En03].

Die Frage, die sich zuerst einmal stellt, lautet aber:

Reichen 400 Verdachtsfälle angesichts von rund 330.000 Polizisten in Bund und Ländern aus, einen bedauernswerten Zustand zu einer ernsthaften Gefahr für die Demokratie in Deutschland aufzubauschen?

Natürlich: Von jeder Beamtin und jedem Beamten kann, nein muss erwartet werden, dass sie oder er sich zu den Grundwerten seines Arbeitgebers bekennt und darüber hinausgehend natürlich auch dazu bereit ist, sich für den Erhalt der Grundwerte dieses Staates aktiv einzusetzen. Aber bedeutet das zwangsläufig auch, dass jedes Denken rechts der Mitte bereits als verfassungsfeindlich angesehen werden kann. Wohl kaum, denn bereits im Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes heißt es:

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Hinsichtlich ihrer politischen Anschauungen haben Beamtinnen und Beamte sich jedoch in Zurückhaltung zu über. Dazu gleich mehr.

06 Bekenntnis zur fdGO ist Einstellungsvoraussetzung

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Im hier zu erörternden Sachzusammenhang muss es ausreichen, darauf hinzuweisen, dass Bewerberinnen und Bewerber, die das Auswahlverfahren für den Einstieg in den Polizeivollzugsdienst bestanden haben, vor ihrer Einstellung sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen müssen.

In der Regel reicht es aus, den Text aus dem oben bereits mitgeteilten SRP-Urteil zur fdGO aus dem Jahr 1952 zu lesen und durch Leistung der Unterschrift anzuerkennen.

Darüber hinausgehend prüft die Einstellungsbehörde natürlich auch, ob die Person, die in den Polizeivollzugsdienst eingestellt werden will, bereits durch strafbares Verhalten auffällig geworden ist. In Hessen wird sogar der Verfassungsschutz bemüht, die bzw. den Bewerber zu überprüfen. Mehr als eine Sichtung vorhandener Daten dürfte damit aber wohl nicht gemeint sein.

Wie dem auch immer sei: Natürlich wird auch im Rahmen eines Einstellungsgespräches, das mit zum Auswahlverfahren gehört, versucht, in Erfahrung zu bringen, wie Bewerber über Werte denkt, die zur fdGO gehören.

Kurzum: In einem maximal 30 Minuten dauernden Gesprächs wäre es aber nicht einmal professionellen Psychotherapeuten möglich, das in Erfahrung zu bringen, was als verfassungsfeindliche Einstellungen sich in der Person der Bewerber tatsächlich versteckt halten.

Anders ausgedrückt: Nur unter Nutzung der KI wäre es zumindest vorstellbar, diesbezüglich mehr „Klarheit“ zu gewinnen. Das aber würde voraussetzen, Bewerber vor eine Videokamera zu setzen und die von dieser Videokamera erzeugten Bilder durch eine spezielle Software auswerten zu lassen, deren Aufgabe dann darin besteht, die für das menschliche Auge nicht sichtbaren „Informationen“ zu erfassen, die Auskunft darüber geben, ob das, was die Person sagt, auch tatsächlich mit dem übereinstimmt, was die Person denkt. Nur zur Erinnerung. In einer Meldung des Südwestrundfunks (SWR) vom 5.9.2017 hieß es:

SWR.de 2017: Kann man Kriminelle per Software erkennen? Eine israelische Firma hat eine neue Software zur automatischen Gesichtserkennung entwickelt. „Faception“ liefert die Charaktereigenschaften einer Person gleich mit. Denn unsere Persönlichkeit, so die These, die stehe uns ins Gesicht geschrieben. Lassen sich damit auch Kriminelle erkennen?

Die Software „Faception“ analysiert die Struktur eines Gesichts und leitet daraus Vorhersagen über die Persönlichkeit eines Menschen und sein Verhalten ab. So kann die Software sagen, ob jemand eher extrovertiert oder introvertiert ist. Oder ob von jemandem eine Gefahr ausgeht, weil er beispielsweise pädophile Züge hat, oder ob er unschuldig ist – dies behaupten die Macher der Faception-Software. Einen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass man aus den Gesichtszügen eines Menschen auf seine Persönlichkeit schließen kann, gibt es allerdings nicht [En04].

Anders ausgedrückt: So lange wie Polizeibeamte, die Einstellungsgespräche durchführen, nur auf ihre fünf Sinne angewiesen sind, wird es ihnen wohl nicht möglich sein, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Personen zu identifizieren, aus denen sich in Zukunft sozusagen „beamtete Verfassungsfeinde“ entwickeln könnten. Vielleicht abschließend zum Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung noch eine Anmerkung. Diesem Bekenntnis liegt die gleiche – wenn auch nicht so umfangreiche – durch Unterschriftsleistung abzugebende Erklärung zugrunde, die auch von jeder Einbürgerungsbewerberin und jedem Einbürgerungsbewerber unterschrieben werden muss, wie das dem nachfolgenden Informationsblatt der Stadt Dortmund entnommen werden kann.

Information für Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerber:

Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung

07 Verfassungsfeindliches Verhalten

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Der Artikel 21 GG (Parteien) wurde im Jahr 2017 geändert. Die neu in den Artikel aufgenommene Formulierung des Absatzes 3 lässt den Schluss zu, dass „auch das Verhalten ihrer Anhänger“, verfassungsfeindlich sein kann. Gemeint ist das Verhalten von Personen, die sich zu verfassungswidrigen Parteien bekennen und dadurch in Konflikt mit der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ geraten können.

Art. 21 Abs. 3 GG
(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. [...].

In Anlehnung an diese Formulierung halte ich es zumindest für nachvollziehbar, dass dieses verfassungsfeindliche Verhalten von Einzelpersonen (Anhänger verfassungswidriger Parteien) auch losgelöst von Parteien auch auf das Verhalten von Personen angewendet werden kann, die gleiche Ziele verfolgen, aber nicht Mitglied einer verbotenen Partei sind.

Wie oben bereits festgestellt, können sich auch Einzelpersonen verfassungsfeindlich verhalten. Die folgende Auflistung von Einstellungen und Verhalten, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren sind, habe ich dem Urteil des BVerfG vom 23. Januar 2024 entnommen, in dem der Partei „Die Heimat“ (vormals NPD) für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wurde, siehe BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19.

Hinweis: Dort getätigte Ausführungen habe ich sprachlich so verändert, dass sie nunmehr zum hier zu erörternden Thema passen.

Anders ausgedrückt: Aufgelistet werden im Folgenden nur Positionen, die auch aus höchstrichterlicher Sicht als mit der fdGO nicht vereinbar angesehen werden können. In ihrem Urteil stellten die Richter 2017 fest, welche verfassungsfeindlichen Grundtendenzen von einer Partei ausgehen, die auf ihr typische Art und Weise ihren politischen Standpunkt vertritt. Das dürfte auch für die Mitglieder einer solchen Partei und auch auf andere Personen zutreffen, die gleichermaßen sozusagen einer rechtsgerichteten Ideologie nachgehen.

08 Verfassungsfeindliche Denkmuster

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Die folgenden Denkmuster sollen aufzeigen, wo „Verfassungsfeindlichkeit“ beginnt.

Der Begriff des „Anhängers einer verfassungsfeindlichen Ideologie“ setzt nicht voraus, dass die Zurechnung verfassungsfeindlichen Verhaltens zu einer politischen Partei durch ein Mitgliedschaftsverhältnis vermittelt sein muss.

Personen verfolgten auch dann verfassungsfeindliche Ziele, wenn sie sich nicht eindeutig dazu bekennen, physische Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung auszuschließen.

Die fdGO verbietet in einer multikulturellen Gesellschaft den Rückgriff auf eine fremdenfeindliche Rhetorik und eine vehemente Polemisierung.

Die fdGO verbietet natürlich auch die Verherrlichung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen sowie Fremdenfeindlichkeiten jeglicher Art.

Die fdGO lässt es nicht zu, kommunikativ gegen den Zuzug von Asylbewerbern in einer Weise zu mobilisieren, die die Herabwürdigung der Asylbewerber mit verfassungsfeindlichen Äußerungen verbindet.

Die fdGO verbietet die Verharmlosung beziehungsweise Verherrlichung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen sowie Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus etc.

Eine verfassungsfeindliche Ideologie und aggressiv-kämpferisches Verhalten zulasten gesellschaftlicher Minderheiten, politisch Andersdenkender sowie demokratischer Prozesse lässt die fdGO ebenfalls nicht zu.

Dazu gehört auch eine gesteigerte Akzeptanz rechtsextremistischer, demokratiefeindlicher Ansichten in der Gesellschaft.

Auch Überzeugungen die bewirken, dass die gesellschaftliche Präsenz verfassungsfeindlicher rechtsextremistischer Ansichten in einigen Gegenden Ostdeutschlands zur Normalität gehören, entspricht nicht dem Verständnis der fdGO.

Rassistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit zeige sich, wenn in Bezug auf Asylbewerber Begriffe wie „entartete Menschen“, „Negerbande“, „lautstarke und alkoholisierte Asyl-Neger“, „Scheinasylanten“, „Asyl-Betrüger“, „Moslem-Extremisten“ oder „kriminelle Ausländer“ verwendet würden. Das entspricht nicht dem Vorstellungsbild der fdGO.

Diffamierende und hetzerische Rhetorik im Hinblick auf den ausufernden Missbrauch des Asylrechts sind keine Kritik am ausufernden Asylmissbrauch, sondern solche Äußerungen sind nicht vom Vorstellungsbild der fdGO umfasst.

Soweit mein Versuch, Ausführungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 dem hier zu erörternden Thema sozusagen analog zugänglich zu machen.

09 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst

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Wer eine Verwendung im öffentlichen Dienst anstrebt, muss im Rahmen seiner Eignungsprüfung gewährleisten, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Diese Bereitschaft wird von allen Bediensteten erwartet, nicht nur, aber insbesondere auch, von den Beamtinnen und Beamten.

Beamtinnen und Beamte müssen darüber hinausgehend der so genannten politischen Treuepflicht genügen, und zwar unabhängig von ihrer jeweils eingenommenen Funktion.

10 Politische Treuepflicht der Beamten

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Im Grundgesetz wird der Zugang nicht nur zum Berufsbeamtentum, sondern insgesamt zum öffentlichen Dienst als ein grundrechtsgleiches Recht gewährleistet, siehe Art. 33 GG.

Art. 33 GG (Staatsbürgerliche Rechte)

Zur Eignung von Bediensteten, die im öffentlichen Dienst verwendet werden wollen gehört die Bereitschaft, wie oben bereits festgestellt, sich jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

Die politische Treuepflicht hingegen gilt nur für Beamtenverhältnisse, unabhängig von der jeweils wahrgenommenen Funktion. Hinsichtlich der politischen Treuepflicht der Beamten heißt es in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 wie folgt:

BVerfG 1975: Die politische Treuepflicht - Staats- und Verfassungstreue - fordert mehr als nur eine formale korrekte, im übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, dass der Beamte Partei für ihn ergreift. Der Staat - und das heißt, hier konkreter, jede verfassungsmäßige Regierung und die Bürger - muss sich darauf verlassen können, dass der Beamte in seiner Amtsführung Verantwortung für diesen Staat, für „seinen“ Staat zu tragen bereit ist, dass er sich in dem Staat, dem er dienen soll, zu Hause fühlt - jetzt und jederzeit und nicht erst, wenn die von ihm erstrebten Veränderungen durch entsprechende Verfassungsänderungen verwirklicht worden sind.

Die hergebrachte Treuepflicht des Beamten erhält unter der Geltung des Grundgesetzes ein besonderes Gewicht dadurch, dass diese Verfassung nicht wertneutral ist, sondern sich für zentrale Grundwerte entscheidet, sie in ihren Schutz nimmt und dem Staat aufgibt, sie zu sichern und sie zu gewährleisten (Art. 1 GG). Sie trifft Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung, sie institutionalisiert besondere Verfahren zur Abwehr von Angriffen auf die verfassungsmäßige Ordnung, sie konstituiert eine wehrhafte Demokratie.

BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73

Welchen Anforderungen zukünftige Beamte bzw. Angestellte im öffentlichen Dienst hinsichtlich ihres öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses entsprechen müssen, das kann einem Beschluss des BVerfG vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 entnommen werden, aus dem im Folgenden zitiert wird.

BVerfG 2007: Gegenstand der Einrichtungsgarantie [des Berufsbeamtentums = AR] ist der Kernbestand von Strukturprinzipien, die sich in der Tradition entwickelt und bewährt haben (...). Die Entwicklung des Berufsbeamtentums ist historisch eng mit derjenigen des Rechtsstaats verknüpft: War der Beamte ursprünglich allein dem Regenten verpflichtet, wandelte er sich mit dem veränderten Staatsverständnis vom Fürsten- zum Staatsdiener. Seine Aufgabe war und ist es, Verfassung und Gesetz im Interesse des Bürgers auch und gerade gegen die Staatsspitze zu behaupten. Die Übernahme der funktionswesentlichen tradierten Grundstrukturen des Berufsbeamtentums in das Grundgesetz beruht auf einer Funktionsbestimmung des Berufsbeamtentums als Institution, die, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatswesen gestaltenden politischen Kräften bilden soll (...).

Sie trägt gleichzeitig auch der Tatsache Rechnung, dass im demokratischen Staatswesen Herrschaft stets nur auf Zeit vergeben wird und die Verwaltung schon im Hinblick auf die wechselnde politische Ausrichtung der jeweiligen Staatsführung neutral sein muss (...). Insoweit kann die strikte Bindung an Recht und Gemeinwohl, auf die die historische Ausformung des deutschen Berufsbeamtentums ausgerichtet ist, auch als Funktionsbedingung der Demokratie begriffen werden.

Gerade im Interesse des Bürgers sind im Bereich des Funktionsvorbehalts besondere Anforderungen an die Art und Qualität der beamtlichen Aufgabenerfüllung zu stellen. Zum Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG gehören jene Aufgaben, deren Wahrnehmung die besonderen Verlässlichkeits-, Stetigkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Beamtentums erfordert (...).

Seine Aufgabe kann das Berufsbeamtentum nur erfüllen, wenn es rechtlich und wirtschaftlich gesichert ist (...). Nur wenn die innere und äußere Unabhängigkeit gewährleistet ist und Widerspruch nicht das Risiko einer Bedrohung der Lebensgrundlagen des Amtsträgers und seiner Familie in sich birgt, kann realistischerweise erwartet werden, dass ein Beamter auch dann auf rechtsstaatlicher Amtsführung beharrt, wenn sie (partei-)politisch unerwünscht sein sollte.

Die hergebrachten Grundsätze und mithin die Institution des deutschen Berufsbeamtentums werden durch Art. 33 Abs. 5 GG demnach nicht um ihrer selbst willen geschützt. Die Verfassungsbestimmung konserviert nicht »das Gestrige«, sondern übernimmt nur die tradierten und funktionswesentlichen Grundstrukturen des Berufsbeamtentums. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes verstanden das Berufsbeamtentum insoweit als ein Instrument zur Sicherung von Rechtsstaat und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Hierfür erschien ihnen ein auf Sachwissen gegründeter, unabhängiger Beamtenapparat unerlässlich.

Die für den Kerngehalt der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums geltende Beachtenspflicht versperrt den Weg zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen durch den einfachen Gesetzgeber (...). Solange eine strukturelle Veränderung an den für Erscheinungsbild und Funktion des Berufsbeamtentums wesentlichen Regelungen nicht vorgenommen wird, steht Art. 33 Abs. 5 GG einer Weiterentwicklung des Beamtenrechts nicht entgegen (...). In der Pflicht zur »Berücksichtigung« ist vielmehr eine Entwicklungsoffenheit angelegt, die den Gesetzgeber in die Lage versetzt, die Ausgestaltung des Dienstrechts den jeweiligen Entwicklungen der Staatlichkeit anzupassen und das Beamtenrecht damit »in die Zeit« zu stellen. Die Strukturentscheidung des Art. 33 Abs. 5 GG belässt ausreichend Raum, die geschichtlich gewachsene Institution in den Rahmen unseres heutigen Staatslebens einzufügen (...) und den Funktionen anzupassen, die das Grundgesetz dem öffentlichen Dienst in der freiheitlichen, rechts- und sozialstaatlichen Demokratie zuschreibt (...). Veränderungen, mit denen die Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums aufrechterhalten und seine Leistungsfähigkeit gesteigert werden sollen, verstoßen daher nur dann gegen Art. 33 Abs. 5 GG, wenn sie in den Kernbestand von Strukturprinzipien eingreifen (...). Das Grundgesetz erlaubt damit eine stete Fortentwicklung, die das Beamtenrecht in seinen einzelnen Ausprägungen den veränderten Umständen anpasst.

BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02

Mit anderen Worten: Das Berufsbeamtentum und auch eine Verwendung als Angestellte oder als Angestellter im öffentlichen Dienst lässt sich im Staatssystem der Bundesrepublik Deutschland als eine Institution verstehen, die Demokratie erst ermöglicht, weil die strikte Bindung an das Recht und an die Förderung des Gemeinwohls parteiliche Interessen zurücktreten lässt.

Im Folgenden werden die einschlägigen Bestimmungen des Bundesbeamtengesetzes (BBG), die Treuepflicht des Beamten im Hinblick auf sein Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung betreffend, auszugsweise zitiert.

Hinweis: Alle Länderbeamtengesetze enthalten vergleichbare Regelungen.

§ 7 BBG (Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses)
(1) In das Beamtenverhältnis darf berufen werden, wer 2. die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten,

§ 60 BBG (Grundpflichten)
(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.

§ 67 BBG (Verschwiegenheitspflicht)
(1) Beamtinnen und Beamte haben über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. [...].

Abs. 2 Nr. 4

Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Absatz 1 unberührt.

§ 77 BBG (Nichterfüllung von Pflichten)
(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten sowie früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie

1. sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen.

11 Mögliche Folgen der Verletzung der Treuepflicht durch Beamte

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Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2021 wie folgt:

BVerwG 2021: Leitsatz: Ein Beamter, der die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland dadurch leugnet, dass er in einem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises als Geburts- und Wohnsitzstaat auch für die Zeit nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland durchgehend „Königreich Bayern“ angibt und sich mehrfach auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) „Stand 1913“ bezieht, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte „Mehr“ als das bloße Haben und Mitteilen einer bestimmten Überzeugung ist nicht erst bei einem offensiven Werben des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbaren politischen Überzeugung erreicht. So kann ein disziplinarisch zu ahndendes Dienstvergehen auch etwa darin liegen, dass ein Beamter seine der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Einstellung durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt kundtut, und zwar selbst dann, wenn er seine Überzeugung nur unter Gleichgesinnten offenbart, etwa um sich als von den „Anderen“ abgrenzbare Gruppe zu identifizieren und zu solidarisieren.

Die Verletzung der Pflicht zur Treue zur Verfassung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) ist so schwerwiegend, dass bei der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG von der höchsten Maßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG), auszugehen ist. Dies folgt aus der Unverzichtbarkeit der Verfassungstreue im Beamtenverhältnis. Die Verfassungstreue ist ein Eignungsmerkmal für Beamte. Personen, die sich nicht zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und nicht für deren Erhaltung eintreten, kann von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden.

Es ist unmöglich, die rechtliche Existenz der Bundesrepublik zu leugnen und sich zugleich zu deren Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie es gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG von Beamten und Beamtinnen verlangt wird. Wer die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

Urteil des BVerwG vom 2.12.2021, Az. 2 A 7.21

Hinweis: Es dürfte deutlich geworden sein, dass von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten erwartet werden kann, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für den Erhalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung einsetzen müssen und alles zu unterlassen haben, was nachweisbar Zweifel an ihrer Verfassungstreue aufkommen lassen kann.

12 Verfassungsfeindliche Aktivitäten von Beamten

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Auch wenn es sich bei den nachfolgenden Zitaten aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2023 um Dienstverfehlungen eines Soldaten im Ruhestand handelte, dessen verfassungsfeindliche Aktivitäten so schwerwiegend waren, dass ihm die Ruhestandsbezüge aberkannt werden sollten, lassen sich die Ausführungen dennoch vollumfänglich auf alle schwerwiegenden Verletzungen der Treuepflicht von Beamten im Hinblick auf ihr Bekenntnis und ihr Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung analog anwenden.

BVerwG 2023: Leitsätze: 1. Eine verfassungsfeindliche Betätigung früherer Soldaten im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SG setzt Aktivitäten feindseliger Art voraus. Darunter fällt auch die Diffamierung und Delegitimierung demokratisch gewählter Staatsorgane.

2. Bei objektiv verfassungsfeindlichen Betätigungen, die nicht von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung getragen sind, bildet die Kürzung des Ruhegehaltes den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, sofern nicht der Eindruck einer besonders hohen Identifikation mit einer verfassungswidrigen Weltanschauung entsteht.

Bei der disziplinarrechtlichen Würdigung von Äußerungen ist von ihrem objektiven Erklärungsgehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener Dritter verstehen muss. Dabei sind alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der sich die Bekundung bewegt, zu berücksichtigen. Maßgeblich für die Deutung ist nicht die subjektive Absicht des Soldaten, sondern der Sinn, den die Bekundung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Dritten hat. Bei mehrdeutigen Bekundungen müssen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor ihnen eine zu einer Sanktionierung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird.

Bei der solchermaßen gebotenen Gesamtschau ergibt die objektive Auslegung der streitgegenständlichen Äußerungen, dass die staatlichen Eingriffsmaßnahmen, die seinerzeit in der Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur Bekämpfung des COVID-19-Virus ergriffen wurden, nach Auffassung des früheren Soldaten gegen Menschenrechte verstoßen (Anschuldigungspunkt 3) und aus dessen Sicht auf eine staatliche Diktatur (Anschuldigungspunkte 1, 2, 8, 10) oder einen (gesellschaftlichen) Kollaps (Anschuldigungspunkt 6) hinauslaufen bzw. bereits zu einer Diktatur geführt haben (Anschuldigungspunkt 11).

Als Hintergrund nimmt er an, durch die Maßnahmen solle eine „Neue Weltordnung“ (...), nämlich eine weltweit geplante Diktatur (Anschuldigungspunkt 8), begründet werden (Anschuldigungspunkt 1), für die etwa Bill Gates stehe (Anschuldigungspunkt 3), und der nur mit Hilfe der (früheren) Alliierten begegnet werden könne (Anschuldigungspunkt 10). Dabei werde dieser Vorgang durch die (nationalen) Medien gezielt flankiert (Anschuldigungspunkt 4). Der frühere Soldat verbindet damit Appelle an die Nutzer von Facebook, „Freunde- und Nachbar-Schlafschafe“ aufzuklären, damit sie nicht ihre letzten Rechte an eine weltweit geplante Diktatur abgeben (Anschuldigungspunkt 8), und an die Bevölkerung (sich „von dieser Diktatur nicht unterkriegen“ zu lassen, sondern dagegen einen „Krieg“ zu führen (Anschuldigungspunkt 1). Vor allem richtet er wiederholt unter ausdrücklichem Hinweis auf den von ihnen geschworenen Eid (Anschuldigungspunkt 5, 6, 7) einen Appell an alle ehemaligen und aktiven (deutschen) Soldaten, das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen (Anschuldigungspunkt 5) und für die Bevölkerung einzutreten (Anschuldigungspunkt 7).

Für die Ernsthaftigkeit des Vorwurfs sprechen schließlich die zahlreichen Appelle, die der frühere Soldat an die Internetnutzer und an seine Kameraden richtet, die Freiheitsrechte zu verteidigen, sich von dieser Diktatur nicht unterkriegen zu lassen, sich an den Soldateneid zu erinnern und einen Krieg zu führen, den man mit Mut gewinne (Anschuldigungspunkte 2, 5, 6, 7 und 11).

Aber: Hinsichtlich der Verhängung disziplinarischer Maßnahmen in Verbindung mit der dazu notwendigen Beweisführung des Dienstherren, der vor Gericht beweisen muss, dass ein Beamter tatsächlich Dienstverfehlungen begangen hat, heißt es in dem Urteil an anderer Stelle wie folgt:

BVerwG 2023: Die vorliegenden Äußerungen [die dem Soldaten im Ruhestand als Dienstverfehlungen vorgehalten wurden] fallen in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Denn es schützt jedwede durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnete Äußerung unabhängig davon, ob sie sich als wahr oder unwahr erweist, begründet oder grundlos, emotional oder rational, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos ist. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts, sofern sie noch nicht den Grad einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik erreichen.

Es ist Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Dabei haben Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und auf einer lediglich denktheoretischen Möglichkeit gründen. Die für den Nachweis eines Umstandes erforderliche Überzeugungsgewissheit erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen, wobei der Beweis mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein muss. Allein damit wird die Unschuldsvermutung widerlegt.

Bei Soldaten, die in einem aktiven Dienstverhältnis stehen, ist die Höchstmaßnahme regelmäßig dann zu verhängen, wenn deren Verhalten Ausdruck einer tatsächlich verfassungsfeindlichen Gesinnung - sei sie nationalsozialistischer oder „reichsbürgerischer“ Art - ist.

Bei niedrigschwelligeren Verhaltensweisen bildet grundsätzlich ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen; insbesondere bei einmaligen, unüberlegten oder aus jugendlicher Unreife verübten Verstößen dieser Art können gerichtliche Disziplinarmaßnahmen aber auch unangemessen und einfache Disziplinarmaßnahmen oder erzieherische Maßnahmen angezeigt sein.

BVerwG, Urteil vom 14.06.2023 - 2 WD 11.22

Den bisher vorgetragenen höchstrichterlichen Ausführungen sowohl zur Verfassungstreue als auch zur politischen Treuepflicht von Beamtinnen und Beamten kann entnommen werden, dass es im Rahmen von Disziplinarverfahren eine Verpflichtung des Dienstherren ist, eine von ihm festgestellte beamtenrechtliche Verfehlung nachzuweisen. Das gilt insbesondere für verhängte Disziplinarmaßnahmen, mit denen die davon betroffenen Beamten nicht einverstanden sind und als Folge davon die jeweils verhängte Disziplinarmaßnahme verwaltungsgerichtlich überprüfen lassen.

Auch vor Gericht gilt, dass eine getroffene Disziplinarmaßnahme nur dann gerichtlich bestätigt werden kann, wenn es dem Dienstherrn gelingt, die streitgegenständliche Dienstverfehlung nachzuweisen.

Solange, wie das dem Dienstherrn nicht gelingt, gilt die so genannte Unschuldsvermutung.

13 Unschuldsvermutung

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Die Unschuldsvermutung gehört zu den Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, welches besagt, dass jede Person, der eine Straftat vorgeworfen wird, (im Analogieverfahren gilt das auch die Dienstvergehen) solange als unschuldig gilt, bis ihre Schuld rechtskräftig nachgewiesen ist. Das Gegenstück dazu ist die Schuldvermutung.

In seinem Buch "Verachtung nach unten - Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht und wie wir sie verteidigen können", schreibt Alexander Wendt Folgendes:

Alexander Wendt: Zu den vor Willkür schützenden Grundsätzen im Recht [...] gehört beispielsweise [auch] die Unschuldsvermutung. Die Regel "ei incumbit probatio qui dicit, non qui negat" (wer eine Behauptung aufstell, trägt die Last des Beweises, nicht der, der bestreitet), findet sich schon in der Gesetzessammlung, die der byzantinische Kaiser Justiani im 6. Jahrhundert anlegen ließ. Der Kirchenrechtler und Kardinal Jean Lemoine (1250 - 1313) prägte die Formel, die bis heute unverändert gilt: "item quilbet presumitur innocens nisi probetur nocens", eine Person ist als unschuldig anzusehen, bis ihre Schuld bewiesen ist. Es dauerte sehr lange, bis sich dieser Gedanke auch in der europäischen Rechtspraxis vollständig durchsetzte (Seite 318).

Wie einfach es ist, diesen Rechtsgrundsatz heute aufzugeben, gibt Anlass, sich um die Zukunft des Rechtsstaates Deutschland ernsthaft zu sorgen und zwar auch dann, wenn "lediglich" in einem Teilbereich des öffentlichen Rechts, gemeint ist das Disziplinarrecht des Bundes, die Unschuldsvermutung aufgegeben wird, ohne dass dies kaum jemanden ernsthaft zu interessieren scheint.

Demonstriert hat bisher niemand dagegen.

Nun ist ein Disziplinarverfahren zwar kein Strafverfahren, wohl aber diesem ähnlich, denn auch im Disziplinarverfahren finden die Regelungen der StPO Anwendung (Belehrung, Vernehmung etc.).

Unabhängig von dem Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt sowohl im Strafverfahren als auch im Disziplinarverfahren der Grundsatz: In dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten).

Wie dem auch immer sei: Hinsichtlich der hier zu erörternden Unschuldsvermutung heißt es in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Unschuldsvermutung betreffend, wie folgt:

Artikel 48 EU-Grundrechtecharta
Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte
(1) Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig.
(2) Jedem Angeklagten wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.

Dieses rechtsstaatliche Prinzip wurde, das Disziplinarrecht der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten betreffend, durch die Neuregelung im Bundesdisziplinargesetz (BDG) nicht nur geändert, sondern durch das Prinzip der Beweislastumkehr ersetzt.

Das heißt: Wird einem Bundesbeamten oder einer Bundesbeamtin ein Dienstvergehen vorgeworfen, dann hat er oder sie zu beweisen, dass das nicht der Fall ist.

Das ist ein Rückschritt, der nicht anders als eine Verletzung eines justiziablen Grundrechts bezeichnet werden kann.

Mit anderen Worten: Vieles spricht dafür, dass die Einführung der Beweislastumkehr verfassungswidrig ist, denn bei dieser Neuregelung des Disziplinarrechts für Bundesbeamte wurde offensichtlich übersehen, wie sich das Bundesverfassungsgericht zur Unschuldsvermutung bereits 1987 wie folgt positioniert hat.

BVerfG 1987: Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang.

An anderer Stelle:

Aus dem Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf, folgt die Aufgabe des Strafprozesses, den Strafanspruch des Staates in einem justizförmig geordneten Verfahren durchzusetzen, das eine wirksame Sicherung der Grundrechte des Beschuldigten gewährleistet (...). Die Unschuldsvermutung steht in engem Zusammenhang mit dem Recht des Beschuldigten, den staatlichen Strafanspruch in einem rechtsstaatlichen, fairen Verfahren abzuwehren und sich zu verteidigen. Sie ist die selbstverständliche Folge eines nach Inhalt und Grenzen durch das Gebot der Achtung der Menschenwürde bestimmten, auf dem Schuldgrundsatz aufbauenden materiellen Strafrechts (...l). Die Unschuldsvermutung erzwingt so ein prozessordnungsgemäßes Verfahren zum Beweis des Gegenteils, bevor wegen eines Tatvorwurfes Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern. Sie schützt den Beschuldigten auch vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. Vogler, a.a.O., S. 436 f.). Nach allem verbietet die Unschuldsvermutung zum einen, im konkreten Strafverfahren ohne gesetzlichen, prozessordnungsgemäßen (...) Schuldnachweis Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln; zum anderen verlangt sie den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor dem Verurteilten diese im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (...).

Der Gesetzgeber hat der Unschuldsvermutung im System des Strafverfahrens, wie die Strafprozessordnung es vorsieht, grundsätzlich Rechnung getragen. Die Ausgestaltung von Ermittlungsverfahren, Eröffnungsverfahren und Hauptverfahren -- hier vornehmlich der Hauptverhandlung, die darauf angelegt ist, mit einem Erkenntnis zur Schuldfrage abzuschließen -- lässt die Unschuldsvermutung, um deren Widerlegung oder Fortgeltung es im Strafprozess geht, hinreichend wirksam werden.

Die Unschuldsvermutung verwehrt es den Strafverfolgungsorganen allerdings nicht, verfahrensbezogen den Grad des Verdachts einer strafbaren Handlung eines Beschuldigten zu beurteilen und -- im Urteil -- Festlegungen zur Schuld des Angeklagten zu treffen, Schuld auszusprechen und Strafe zuzumessen (...).

BVerfG. Beschluss vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79

14 Selbstreinigungsverfahren

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Beamtinnen und Beamtinnen steht sogar das Recht zu, durch Anrufung des zuständigen Verwaltungsgerichtes gegen sich selbst ein so genanntes Reinigungsverfahren einzuleiten, wenn der Dienstherr, besser gesagt die für ihn tätig werdenden Vorgesetzten, Behauptungen in die Welt setzen, die schutzwürdige Interessen der davon betroffenen Beamten betreffen.

Anders ausgedrückt: Ein disziplinarrechtlicher Selbstentlastungsantrag setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Voraussetzung für das Verfahren ist, ein Rechtsschutzbedürfnis des Beamten auf Reinigung von Vorwürfen. Der Beamte muss somit einem Verdacht ausgesetzt sein, von dem er sich entlasten möchte, weil die angestrebte „Reinigung von unzutreffenden Vorwürfen“ von rechtlicher Relevanz ist.

Davon kann ausgegangen werden, wenn einer Beamtin oder einem Beamten - losgelöst von einem Gespräch unter vier Augen – zum Beispiel in Gegenwart anderer Berufskollegen anlässlich einer Dienstversammlung, vorgeworfen wird, sich mit seinen Äußerungen zu mäßigen, weil die mit der politischen Treuepflicht eines Beamten nicht vereinbar sind oder das Verhalten des Beamten durchaus als ein feindlicher Akt gewertet werden könnte, der sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet.

15 Disziplinarverfahren und StPO

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Wie bereits festgestellt, hat, wenn gegen eine Polizeibeamtin oder einem Polizeibeamten bereits auf der Grundlage des Anfangsverdachts einer Straftat ermittelt wird, ein Disziplinarverfahren so lange zu ruhen, bis in der Strafsache abschließend entschieden wurde. Gegen Bundespolizisten kann aber bereits heute, ein Disziplinarverfahren unterhalb der Schwelle einer Straftat eingeleitet werden, denn, wie bereits schon eingangs festgestellt, trat am 1. April 2024 die Reform des Disziplinarrechts des Bundes in Kraft.

Damit können Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden, denn künftig werden alle Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Entfernung aus dem Dienst, durch Disziplinarverfügung der zuständigen Behörde ausgesprochen.

Ob diese Sichtweise des Gesetzgebers vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, dürfte nach der hier vertretenen Rechtsauffassung fragwürdig sein, denn die Tatbestandsstruktur eines Dienstvergehens ist prinzipiell die gleiche wie die einer Straftat. Warum?

Beide Handlungen setzen objektiv die Verletzung einer Pflicht und subjektiv das Verschulden des Beamten voraus.

Wie dem auch immer sei: Ein Dienstvergehen liegt vor, wenn eine Beamtin oder ein Beamter schuldhaft seine Pflichten verletzt, die im Beamtenstatusgesetz und in den Beamtengesetzen näher bezeichnet sind.

47 BeamtStG (Nichterfüllung von Pflichten)

§ 77 BBG (Nichterfüllung von Pflichten)

Ein Unterschied zum Strafrecht besteht dennoch, denn im Disziplinarrecht gibt es keinen abschließenden Katalog von Einzeltatbeständen oder eine abschließende Aufzählung der möglichen Pflichtverletzungen. Die Rechtsprechung hat aber die möglichen Dienstvergehen in Komplexe gegliedert, zu denen im hier zu erörternden Sachzusammenhang die beiden nachfolgenden Verstöße gegen Beamtenpflichten gehören:

Verstöße gegen die Treuepflicht des Beamten

Verstöße gegen die Pflicht zur politischen Mäßigung.

Beweiserhebung: Die Beweiserhebung im Disziplinarverfahren ist im § 24 BDG geregelt.

§ 24 BDG (Beweiserhebung)

Danach kommen als Beweismittel schriftliche dienstliche Auskünfte in Betracht, Anhörungen von Zeugen und Sachverständigen und deren schriftliche Äußerungen, beigezogene Urkunden und Akten und Augenscheineinnahmen. Im Vergleich zum Strafprozess ist die Verwertung schriftlicher Aussagen und von Protokollen von Beweiserhebungen im Disziplinarverfahren erleichtert.

16 Anscheinsbeweis

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Die Neuregelung der Beweisumkehr im Disziplinarrecht des Bundes wirkt zumindest auf mich wie die Sprachfigur des Anscheinsbeweises, der im Straßenverkehrsrecht schon seit langem angewendet wird. Damit sind aber ganz andere Sachverhalte gemeint als die, um die es hier geht.

Dazu nur ein Beispiel von vielen anderen. Bei Verkehrsunfällen, deren Ursache eine Vorfahrtsverletzung ist, kann vom so genannten Anscheinsbeweis dessen ausgegangen werden, dem eine Vorfahrtsverletzung vorgeworfen werden kann. Bereits in den Leitsätzen in einem Beschluss des OLG Dresden aus dem Jahr 2021 heißt es:

OLG Dresden 2021: 1. Die Missachtung des Vorfahrtsrechts begründet einen Anscheinsbeweis für die Unfallursächlichkeit zulasten des Vorfahrtspflichtigen. 2. Wird dieser nicht durch einen atypischen Geschehensablauf erschüttert, kommt regelmäßig nur die Alleinhaftung des Vorfahrtsverletzers in Betracht.

An anderer Stelle heißt es:

Ein Beweis des ersten Anscheins ist immer dann anzunehmen, wenn sich in einem Unfallgeschehen ein hinreichend typisierter Geschehensablauf realisiert hat, der einen Rückschluss auf ein unfallursächliches Fehlverhalten einer Partei regelmäßig zulässt. Beim Abbiegevorgang des nicht Vorfahrtsberechtigten gilt die Vorfahrtsberechtigung des anderen Teiles solange, bis der Einfahrende sich vollständig auf der vorfahrtsberechtigten Straße eingeordnet und eine den dort fahrenden Fahrzeugen entsprechende Geschwindigkeit erreicht hat.

OLG Dresden, Beschluss vom 09.06.2021 - 4 U 396/21

Gegen die vorwerfbare Verletzung der Vorfahrt durch einen Wartepflichtigen spricht jedoch, wenn es sich um Fälle so genannter „Halber Vorfahrt“ handelt.

Halbe Vorfahrt: Diesem „Rechtsbegriff“ liegt die Vorstellung zugrunde, dass auch ein Vorfahrtsberechtigter Verkehrssicherungspflichten zu beachten hat und dann, wenn sie oder er diese gröblich verletzt, er sich nicht mehr auf sein Vorfahrtsrecht berufen kann.

Diesbezüglich heißt es in einem Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 2020 bereits in den Leitsätzen wie folgt:

OLG Hamm 2020: 1. Die sog. „halbe Vorfahrt“ verpflichtet den Vorfahrtberechtigten zu angepasster Fahrweise, die ihm die Beachtung der eigenen Wartepflicht in Bezug auf vorfahrtsberechtigten Verkehr ermöglicht. Hierbei muss er nach dem Vertrauensgrundsatz nur mit einer angepassten Geschwindigkeit des ihm gegenüber Vorfahrtsberechtigten rechnen.

2. Ein Vorfahrtsberechtigter kann sich nach dem Vertrauensgrundsatz darauf verlassen, dass ein für ihn nicht sichtbarer Verkehrsteilnehmer sein Vorfahrtsrecht beachten werde, wenn er selbst bei nur „halber Vorfahrt“ mit angepasster Geschwindigkeit fährt.

An anderer Stelle heißt es:

Ist die Vorfahrt an einer Kreuzung nicht besonders geregelt, so stellt sich für jeden Verkehrsteilnehmer, der sich dieser Kreuzung nähert, die Verkehrslage so dar, dass er zwar gegenüber dem von links Kommenden vorfahrtsberechtigt, gegenüber Verkehrsteilnehmern von rechts aber wartepflichtig ist. Diese sog. „halbe Vorfahrt“ verpflichtet den Vorfahrtsberechtigten zu angepasster Fahrweise, die ihm die Beachtung der eigenen Wartepflicht in Bezug auf vorfahrtsberechtigten Verkehr von rechts ermöglicht. Um dessen Vorfahrt beachten zu können, muss er, wie § 8 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Satz 3 StVO vorschreibt, mit mäßiger Geschwindigkeit an die Kreuzung heranfahren und sich darauf einstellen, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann, um die ihm gegenüber Vorfahrtsberechtigten durchfahren zu lassen. Dies gilt besonders im Fall einer unübersichtlichen Kreuzung .

OLG Hamm, Urteil vom 09.06.2020 - 7 U 19/19

Auch nur annähernd vergleichbare Fälle kann es aber im Zusammenhang mit Dienstpflichtverletzungen nicht geben. Das bedeutet, dass ausgehend von bekanntgewordenen „dienstrechtlich relevanten Äußerungen oder Verhalten“ die Sprachfigur des Anscheinsbeweises (hier: eines begangenen Dienstvergehens) nicht greifen kann.

Beispiel 1: Ein Vorgesetzter, dessen Hobby es ist, sich mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Zeitgeschichte auseinanderzusetzen, erhält Kenntnis davon, dass einer seiner Mitarbeiter eine Mail mit folgendem Inhalt geschrieben hat:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

gestern war ein erfolgreicher Tag. Wir haben es den randalierenden Arabern mal so richtig besorgt. Wo kommen wir denn auch hin, wenn jeder Araber antisemitische Parolen auf deutschen Straßen unbestraft grölen darf. Schön, dass in Deutschland wenigstens noch die Wasserwerfer funktionieren. War schön, die Chaoten rennen zu sehen.

Jedem das seine.

Gruß

Ein Kollege

Dem historisch interessierten Vorgesetzten entgleisen beim Lesen dieser Mail sozusagen die Gesichtszüge, denn er weiß, wie das Eingangstor des KZ Buchenwald aussieht. Dort steht, in eisernen Buchstaben und für jeden Besucher deutlich zu erkennen:

JEDEM DAS SEINE

Tor KZ Buchenwald

Außerdem erinnert sich der Vorgesetzte an eine Werbebroschüre der Telekom aus dem Jahr 2000, mit der Kunden zum Kauf von Aktien gewonnen werden sollten. Dieses Werbeprospekt versprach ebenfalls: Jedem das Seine.

Gemeint waren die in Aussicht gestellten guten Gewinnaussichten, von denen sich auch der Vorgesetzte zum Kauf von Telekom-Aktien hatte verleiten lassen, aber nicht den versprochenen Gewinn, sondern ersatzweise nur Verluste hinzunehmen hatte.

Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem Spruch „Jedem das Seine“ um eine nationalsozialistische Parole gehandelt hatte, die mittels der Telekom-Werbebroschüre sozusagen millionenfach in Deutschland verteilt worden war, wurden die Gerichte bemüht, zu klären, ob durch solch ein „Rechtsbruch“ verursachte Vermögensschäden Schadenersatzansprüche auslösen.

Sie lesen richtig:

14 Jahre später heißt es in einer Meldung der Süddeutschen Zeitung wie folgt:

Sueddeutsche.de vom 11. Dezember 2014: Im Ringen um Schadensersatz haben die Anleger, die mit der T-Aktie herbe Verluste gemacht haben, vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen unerwarteten Erfolg erzielt: In einem Musterverfahren, hinter dem 17 000 Kläger stehen, erklärte der BGH den Verkaufsprospekt für die im Jahr 2000 in einer dritten Tranche ausgegebenen Aktien der Deutschen Telekom für fehlerhaft [En05].

7 Jahre später heißt es in einem Artikel auf Legal Tribune Online wie folgt:

LTO 26.02.2021: Pro­zess um Telekom-Bör­sen­gang wird erneut ver­han­delt. 2012 entschied das OLG Frankfurt in dem Musterprozess noch gegen die Anleger. 2014 korrigierte der BGH die Entscheidung und verwies die Sache zum ersten Mal an das OLG zurück [En06].

Dennoch: Der Vorgesetzte ist verwirrt, zumal nach seiner Lesart in der Mail auch ein für ihn erkennbarer Rassismus zum Ausdruck kommt.

Wie dem auch immer sei: Sollte es sich bei dem Vorgesetzten um einen Bundesbeamten handeln, dann wäre es wohl nunmehr seine Aufgabe, alles erforderliche in die Wege zu leiten, um dafür Sorge tragen zu können, dass der Schreiber oder die Schreiberin dieser Mail aus dem Polizeidienst entfernt werden kann, obwohl der Verdacht einer Straftat kaum, wohl aber um eine „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ und somit auch eine Verletzung der politischen Treuepflicht zumindest nahe liegt.

Beispiel 2: Beamte des 3. Zuges der 2. Hundertschaft haben einen ereignisreichen Monat erlebt. An allen Wochenenden des zurückliegenden Monats hatten sie es mit aufgebrachten Demonstranten zu tun, die keine Gelegenheit ausließen, sie als Faschisten, Nazis, Rassisten und natürlich auch als Rechtsradikale zu beschimpfen. Im fortgeschrittenen Stadium der Alkoholisierung stimmt einer der Beamten das Deutschlandlied an, beginnend mit der 1. Strophe an, dem sich seine Kollegen anschließen.

1. Strophe

Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt,
Wenn
es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält

Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt.
|: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!:|

2. Strophe

Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang,

Uns
zu edler Tat begeistern unser ganzes Leben lang.

|: Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang!:|

3. Strophe (Deutsche Nationalhymne)

Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand;
|: Blüh‘ im Glanze dieses Glückes, blühe, deutsches Vaterland!:|

Der Zugführer, der sich in der Nähe der Feier, nicht aber unter den Singenden befindet, fragt sich, ob er gegen alle Sängerinnen und Sänger disziplinare Ermittlungen einleiten muss.

Hinweis zur Geschichte des Deutschlandliedes: Das „Lied der Deutschen“ dichtet Hoffmann von Fallersleben während eines Sommerurlaubs im August 1841 auf der damals zu England gehörenden Insel Helgoland. Die Melodie stammt im Wesentlichen von Josef Haydns: „Gott erhalte Franz den Kaiser, Unsern guten Kaiser Franz!“

Wer sich für die Geschichte des Deutschlandliedes interessiert, dem stehen dazu ausführliche Inhalte zur Verfügung, die aus Quellen der Bundesregierung stammen.

Das Lied der Deutschen

Und nun zur rechtlichen Bewertung der 1. und 2. Strophe: Bereits 1990 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das ganze Lied – also auch Strophe eins und zwei – unter dem Schutz der Kunstfreiheit interpretiert werden darf. Strafrechtlich von Änderungen und Spott geschützt ist allerdings nur die dritte Strophe. Wird zu offiziellen Anlässen die erste oder zweite Strophe gesungen, ist das keineswegs verboten. Es ist nur schlichtweg falsch, denn man singt dann nicht die Nationalhymne.

BVerfG 1990: Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schließt eine Bestrafung nach § 90 a Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen Verunglimpfung der Hymne der Bundesrepublik Deutschland nicht generell aus.

Als staatliches Symbol geschützt ist nur die dritte Strophe des Deutschlandliedes.

Durch die Kunstfreiheit geschützt ist auch die Verbreitung des Liedes, also d. Wirkbereich des Kunstwerks.

BVerfG, Beschluss vom 07.03.1990 - 1 BvR 1215/87

Auch wenn die Richter des Bundesverfassungsgerichts aus einem anderen Anlass als dem, der im Beispiel beschrieben ist, über die 1. und 2. Strophe des Deutschlandliedes entschieden haben, wäre, in Anlehnung an den weitgefassten Kunstbegriff, den das Bundesverfassungsgericht konsequent vertritt, zuerst einmal zu klären, ob es sich bei dem „Gesang“ um Kunst handeln könnte, denn das, was Kunst ist, das bestimmt der Künstler selbst.

Wie dem auch immer sei: Berücksichtigen sollte der Vorgesetzte auch, dass es sich bei dem Singen des kompletten Deutschlandliedes nicht um eine Straftat handelt.

Und wenn dann der Vorgesetzte auch noch auf den Gedanken käme, die Meinung des Bundespräsidenten zum Deutschlandlied einzuholen, dann dürfte er diesbezüglich bei seiner Suche im Internet auf das Bulletin 89-91 vom 27. August 1991 stoßen, aus dem im folgenden Teile so zitiert werden, wie sie in dem Bulletin enthalten sind:

Bulletin 89-91:
seit dem 3. oktober 1990 gilt auch die nationalhymne der bisherigen bundesrepublik fuer das vereinte deutsche volk.

das „lied der deutschen“, von hoffmann von fallersleben
vor hundertfuenfzig jahren in lauteren gedanken verfasst, ist
seither selbst der deutschen geschichte ausgesetzt gewesen.
es wurde geachtet und bekaempft, als zeichen der
zusammengehoerigkeit und gemeinsamen verantwortung
verstanden, aber auch in nationalistischer uebersteigerung missbraucht.
Als ein dokument deutscher geschichte bildet es in allen
seinen strophen eine einheit.

Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker

Link zum Bulletin

Persönliche Anmerkung: Es kommen schwere Zeiten auf vorgesetzte Stellen zu, wenn sozusagen zur „Säuberung der Polizei von rechtsextremen Kräften“ bereits Anlässe eine Entfernung aus dem Polizeivollzugsdienst zumindest denkbar erscheinen lassen, die bei mehr Gelassenheit sicherlich einer vernünftigeren Lösung zugänglich gewesen wären.

Natürlich müssen Anlässe, wie sie in den beiden Beispielen geschildert werden, thematisiert und erörtert werden.

Dennoch: Augenmaß ist auch hier das Gebot der Stunde.

17 Bekennende AfD-Mitglieder im Polizeidienst

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Folgt man der Sichtweise des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), dann ist die Sichtweise eindeutig, klar und unmissverständlich, denn jedes Eintreten für die AfD wäre mit der verfassungsrechtlichen Treuepflicht unvereinbar.

Weiter noch: Solch eine Haltung ist als so schwerwiegend anzusehen, um eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen zu können.

Anders ausgedrückt: Jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte wäre aus dem Dienst zu entfernen. Dafür reicht bereits eine einfache Mitgliedschaft in der AfD aus.

Wer diese Auffassung vertritt, der muss übersehen haben, dass es sich bei der AfD um eine im Deutschen Bundestag und übrigens auch um eine in allen Länderparlamenten vertretene Partei handelt, deren „Verfassungsmäßigkeit“ so lange als gegeben anzuerkennen ist, bis das die Richter des Bundesverfassungsgerichts diese Partei verboten hat.

Allein daraus lässt sich ableiten, dass die bloße Mitgliedschaft in einer Partei, die nicht verboten ist, eine Entfernung aus dem Dienst nicht zu rechtfertigen vermag. Vertretbar wäre es jedoch, zumindest von der Annahme auszugehen, dass es einem Polizeibeamten oder einer Polizeibeamtin, die Mitglied in der AfD ist, hinsichtlich seiner individuellen Verfassungstreue durchaus Vorhalte gemacht werden können.

Außerdem macht es einen Unterschied aus, ob ein Beamter oder eine Beamtin in herausgehobenen Funktionen verwendet wird. Klar ist auch, dass Dienstvorgesetzte nicht erst einschreiten müssen, wenn es sich um die Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei handelt.

Noch einmal: Für die verfassungsrechtliche Treuepflicht gilt ein eigener Maßstab, so dass Dienstvorgesetzte tätig werden müssen, wenn sie Zweifel an der Verfassungstreue von Beamtinnen und Beamten oder Richterinnen und Richtern haben.

Trotzdem: Augenmaß ist auch hier angebracht. Das entspricht im Übrigen auch der Sichtweise der Richter des Bundesverfassungsgerichts, die 1975 in ihrem Beschluss zum Radikalenerlass Folgendes feststellten:

BVerfG 1975: Die hergebrachte Treuepflicht des Beamten erhält unter der Geltung des Grundgesetzes ein besonderes Gewicht dadurch, dass diese Verfassung nicht wertneutral ist, sondern sich für zentrale Grundwerte entscheidet, sie in ihren Schutz nimmt und dem Staat aufgibt, sie zu sichern und sie zu gewährleisten (Art. 1 GG). Sie trifft Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung, sie institutionalisiert besondere Verfahren zur Abwehr von Angriffen auf die verfassungsmäßige Ordnung, sie konstituiert eine wehrhafte Demokratie. Diese Grundentscheidung der Verfassung schließt es aus, dass der Staat, dessen verfassungsmäßiges Funktionieren von der freien inneren Bindung seiner Beamten an die geltende Verfassung abhängt, zum Staatsdienst Bewerber zulässt und im Staatsdienst Bürger belässt, die die freiheitliche demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Der Beamte kann nicht zugleich in der organisierten Staatlichkeit wirken und die damit verbundenen persönlichen Sicherungen und Vorteile in Anspruch nehmen und aus dieser Stellung heraus die Grundlage seines Handels zerstören wollen. Der freiheitliche demokratische Rechtsstaat kann und darf sich nicht in die Hand seiner Zerstörer geben.

Aus der dargelegten verfassungsrechtlichen Lage folgt zwingend: Ein Beamter, der gegen die von ihm in Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Treuepflicht verstößt, verletzt seine Dienstpflicht. Die Beamtengesetze konkretisieren dies; § 52 Abs. 2 BBG bestimmt für den Bundesbeamten: „Der Beamte muß sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten“. Und nach § 77 Abs. 2 BBG gilt als Dienstvergehen, wenn der Ruhestandsbeamte oder der Beamte mit Versorgungsbezügen „sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt“ oder „an Bestrebungen teilnimmt, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen“. [...]. Bei Beamten auf Probe und bei Beamten auf Widerruf rechtfertigt ein solches Dienstvergehen regelmäßig die Entlassung aus dem Amt. Bei Beamten auf Lebenszeit (oder Zeit) kann wegen dieser Dienstpflichtverletzung im förmlichen (gerichtlichen) Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden.

BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73

Dass es im Hinblick auf die Entfernung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aus dem Polizeidienst auch dann auf ein gesundes Augenmaß ankommt, und nicht jedes Verhalten, als eine „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ angesehen werden kann, diese erforderliche Zurückhaltung ist im Übrigen auch ein Gebot der Verhältnismäßigkeit.

18 Umgang mit Nestbeschmutzern

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Die Polizei tut sich schwer, Polizisten für rechtswidrige Maßnahmen, und dazu gehört insbesondere auch die rechtswidrige Anwendung unmittelbaren Zwangs, zur Verantwortung zu ziehen, obwohl rechtswidriger körperlicher Zwang nicht nur den Körper davon betroffener Personen, sondern auch deren Würde verletzt und somit rechtswidriger unmittelbarer polizeilicher Zwang, egal ob durch Faustschlag, Schlagstockeinsatz oder Reizstoffsprühgerät, zugleich auch als ein staatlicher Eingriff in den Kernbestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung anzusehen ist, denn zum Wesenskern der freiheitlich demokratischen Grundordnung - so zumindest die Sichtweise der Richter beim Bundesverfassungsgericht - gehört die Menschenwürde.

Wie dem auch immer sei: Ob die Polizeigewalt folgenlos bleiben wird, die Sie sich ansehen können, wenn Sie den folgenden Link öffnen, das weiß ich nicht.

Was ich aber weiß, ist, dass es viele solcher Videos gibt und somit die Frage erlaubt sein muss, was tut die Polizei, Bürgerinnen und Bürger vor Polizisten zu schützen, die erkennbar gewaltaffin sind?

Die Vermutung liegt nahe, dass dies nicht die Fälle sind, die von der Beweislastumkehr betroffen sein werden, zumal jeder Tatverdächtige  so lange unschuldig ist, bis ihre Schuld nachgewiesen wurde. Das gilt auch für die Szene, die im folgenden Video festgehalten worden ist.


Polizeigewalt

Hinweis:
Vor einigen Jahren schlug mir ein Hundertschaftsführer vor, zusammen mit ihm ein Buch über eine zeitgemäße Führungslehre zu schreiben. Als ich den Anfragenden einen Link mit einem Video schickte, auf dem offensichtlich von einem Polizeibeamten ein Reizstoffsprühgerät rechtswidrig eingesetzt wurde und dies mit der Frage verband, wie er auf dieses Video kommunikativ reagieren würden, wenn es sich bei dem Polizisten um einen Beamten seiner Hundertschaft gehandelt hätte, hörte ich von dem Hundertschaftsführer nichts mehr.

19 Zu guter Letzt

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Ich gehe davon aus, dass die "Beweislastumkehr", so wie sie im Disziplinarrecht des Bundes nunmehr vorgesehen ist, nur dann greifen kann, wenn einer Beamtin oder einem Beamten keine Straftat vorgeworfen wird, denn wenn das der Fall ist, dann hat ein Disziplinarverfahren so lange zu ruhen, bis ein Schuldspruch erfolgte.

Wie dem auch immer sei: Das über den folgenden Link aufrufbare Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestag lässt den Schluss zu, dass eine Zurodnung von strafbarer und nicht strafbarer Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole nicht einfach sein wird.

Das, was unter einer "verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" zu verstehen ist, das wird wohl nur die Bundesinnenministerin und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wissen.

WD Deutscher Bundestag:
Verunglimpfung des Staates – zur Grenzziehung zwischen strafbarem
und straflosem Verhalten im geltenden Strafrecht

20 Quellen

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Endnote_01
BMI: Reform des Disziplinarrechts tritt in Kraft: Extremisten schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen. Disziplinarmaßnahmen können nun durch die zuständigen Behörden verhängt werden / Kein langwieriges Klageverfahren ehr. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/
DE/2024/03/inkrafttreten-disziplinarrecht.html
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Endnote_02
TAZ.de vom 4.4.2024: Hunderte Polizisten unter Nazi-Verdacht: Gegen 400 Beamte wird ermittelt.
https://taz.de/Hunderte-Polizisten-unter-Nazi-Verdacht/!6002429/
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Endnote_03
Tagesschau.de vom 4.4.2024: Hunderte Polizisten unter Extremismusverdacht.
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/polizisten-
extremismusverdacht-medienbericht-100.html
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Endnote_04
SWR.de vom 5.9.2017. Kann man Kriminelle per Software erkennen?
https://www.swr.de/swrkultur/wissen/article-swr-12452.html
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Endnote_05
Ein Fehler, der Millionen kosten kann. 11. Dezember 2014.
https://www.sueddeutsche.de/geld/telekom-aktie-ein-
fehler-der-millionen-kosten-kann-1.2262843
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Endnote_06
26.02.21Pro­zess um Telekom-Bör­sen­gang wird erneut ver­han­delt.
https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/bgh-xizb2416-kapmug-
verfahren-boersengang-telekom-schadensersatz-anleger-
prospekthaftung-neue-verhandlung/
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