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Home Inhaltsverzeichnis : Umgang mit der Demokratie

Der permissive und der übergriffige Rechtsstaat

Inhaltsverzeichnis:

1.00 Der permissive Rechtsstaat
1.01 Das Versagen der Polizei am Tatort
1.02 Das technische Versagen des Tatfahrzeuges?
1.03 Das Behördenversagen im Vorfeld der Tat
1.04 Die eigentliche Ursache ist ein Staatsversagen
1.05 Das Unvermögen des Rechtsstaates in Migrationsfragen
2.00 Der übergriffige Rechtsstaat
2.01 Widerspruch eines Weihnachtsmarktbesuchers
2.02 Zuständigkeit
2.03 Befugnis
2.04 Anhalten und Befragen
2.05 Festhalten
2.06 Sachen in Augenschein nehmen
2.07 Durchsuchung der Person
2.08 Zwischenbetrachtung
2.09 Verdachtsunabhängige Kontrollen
2.10 Anforderungen an Durchsuchungen in gefährdeten Orten
2.11 Erstellung von Täterprofilen
2.12 Durchsuchung von Personen und Sachen
2.13 Verhältnismäßigkeit
2.14 Würdeschutz
2.15 Widerspruchsbescheid
3.00 Unsere Zukunft 2025
4.00 Quellen

1.00 Der permissive Rechtsstaat

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Es wird irgendwann deutlich werden, dass eine Welt von no borders, no nations zugleich auch eine Welt von no welfare sein muss.
Rolf Peter Sieferle

Welfare, damit ist nicht nur die Wohlfahrt, sondern auch der Wohlstand, der Erfolg, die Gesundheit, das Wohlbefinden und natürlich auch die Sorge für das Wohlergehen im Allgemeinen gemeint, so zumindest die Wortbedeutungen dieses Wortes in Anlehnung an das Oxford-Dictionary.

Wie dem auch immer sei: Das, was sich am 20. Dezember 2024 auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ereignet hat, wirft Fragen auf, auf die Rolf Peter Sieferle bereits 2015, kurz vor seinem Tod, in seinem Buch „Das Migrationsproblem“ nachvollziehbare Antworten formuliert hat. Für ihn stellte sich die Migrationskrise bereits damals als eine Krise dar, die die Schwächen eines permissiven Staates sozusagen offenbaren muss, womit Sieferle einen charakterlosen, gefügigen, kompromissbereiten, nachgiebigen, ohne Widerstandskraft handelnden, rückgratlosen, willensschwachen, duldsamen und natürlich auch einen gütigen, milde gestimmten Staat gegenüber allen auf der Schattenseite des Lebens stehende Menschen meinte, dessen Nachgiebigkeit zwangsläufig in einer Krise enden wird.

Anders ausgedrückt: Die Katastrophe auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember 2024 hat die Migrationsfrage nicht nur reflexartig in das Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung katapultiert, sonder zugleich auch den permissiven Staat wieder dazu veranlasst, nach Erklärungen zu suchen, die nichts mit der Migrationsfrage zu tun haben, weil es sich bei dem Täter angeblich um einen verwirrten Araber gehandelt hat, dessen rechtsradikale Grundeinstellung ihn sozusagen in die Nähe der AfD rückt, so zumindest eine Meldung in der Tagesschau am Tag des Attentats [En01].

Dieses Framing wird auch heute noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit verstärkt. Es dürfte aber wohl kaum damit zu rechnen sein, dass solch eine Schuldzuweisung gegenüber den Feinden der deutschen Demokratie ausreichen, die Tat schönzureden, indem man ihr den Kern der Wahrheit nimmt.

Übrigens: Nicht mehr der Täter und die von ihm begangene Tat steht im Interesse der Ursachenforschung, schuldig sind vielmehr diejenigen staatlichen Stellen, die diese Tat hätten verhindern können:

1.01 Das Versagen der Polizei am Tatort

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Heute, am 26.12.2024, hat man bereits diejenigen gefunden, die den Tod von 5 Menschen und mehr als 200 zum Teil schwer verletzten Menschen hätten verhindern können und somit die eigentlichen (Unterlassens)Täter sind, die für ihr Verhalten bestraft werden müssen: Die Polizei in Magdeburg, genauer gesagt, die beiden Polizeibeamten, die ihren Streifenwagen wohl falsch geparkt haben.

ZDFheute vom 26.12.2024: Nach dem Anschlag in Magdeburg gibt es eine Strafanzeige gegen Stadt und Polizei. Dabei geht es unter anderem um einen Polizeiwagen, der nicht am vorgesehenen Platz stand. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt bestätigte dem ZDF eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen die Polizei Magdeburg und den Betreiber des Weihnachtsmarktes. Bei letzterem handelt es sich um eine städtische „Gesellschaft zur Durchführung des Weihnachtsmarktes mbH“ [En02].

Es wird strafrechtliche Ermittlungen zum Polizeieinsatz und zum Sicherheitskonzept geben“, erklärt ZDF-Reporter Hagen Mikulas.

Link zum Statement

1.02 Das technische Versagen des Tatfahrzeuges?

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Perfektion ist ein Schwindel. Dieser oft zitierte Satz von Alfred North Whitehead (1861 bis 1947), einem britischen Philosophen und Mathematiker, dessen Prozessphilosophie zu den Meilensteinen der modernen Philosophie des 20. Jahrhunderts gehört, dürfte auch heute noch vollumfänglich Geltung für sich in Anspruch nehmen. Das gilt auch für die Tatwaffe, bei der es sich um einen schwarzen BMW X3 gehandelt hat, der über ein automatisches Bremssystem verfügt, das beim Aufprall auf Hindernisse sofort aktiviert wird.

Anders ausgedrückt: Ein BMW X3 (G45/24) ist mit einem „Unfall-Zwangslastabwurf“ ausgestattet, einem System, das im Falle einer Kollision in Sekundenbruchteilen automatisch die Bremsen aktiviert, den Motor auskuppelt und abstellt. Da das Tatfahrzeug bei dem Zusammenprall mit den Opfern stark beschädigt wurde, sollte man davon ausgehen können, dass diese Sicherheitstechnik eigentlich unverzüglich dem Grauen ein Ende hätte bereiten müssen. Hat es aber nicht.

Kurzum: Viel Leid wäre vermeidbar gewesen, wenn die Technik so funktioniert hätte, wie das eigentlich von ihr erwartet wird. Wie dem auch immer sei: Die Anzahl der Schuldigen nimmt zahlenmäßig zu. Zuerst zwei Polizisten und dann ein BMW X3, dessen Technik versagt hat. Darüber aber schweigt man am besten, denn das könnte dem Image von BMW und auch der deutschen Wirtschaft schaden, denn alles, was auf Künstlicher Intelligenz beruht, ist gut.

1.03 Das Behördenversagen im Vorfeld der Tat

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Eine weitere Erkenntnis im Hinblick auf die Suche nach dem, bzw. den Schuldigen betrifft die Rolle der Sicherheitsbehörden: Taleb Abdelmohsen, der den BMW 3X als Tatwaffe benutzte, war bereits seit seiner Verurteilung in Rostock 2013, spätestens jedoch seit 2015 den Behörden bekannt, da er Drohungen gegen die Ärztekammer und eine kommunale Behörde ausgestoßen hatte. Sogar an die Bundesinnenministerin Nancy Faeser  (SPD) hat sich der Attentäter mit Drohmails gerichtet. Aufgefallen ist das aber niemandem.

Wie dem auch immer sei: Trotz einer Vielzahl von Hinweisen wurde der Attentäter jedoch nicht als Gefährder eingestuft, seine Aktivitäten wurden nicht weiterverfolgt und es wurde sogar seinem Antrag auf Asyl 2016 beschleunigt stattgegeben. Dies zeigt die Schwächen im Umgang mit Gefährdern und das ungelöste Problem, solche Einzelpersonen frühzeitig zu identifizieren. Zu meinen, dass dafür eine bessere KI erforderlich gewesen sei, um über diese Erkenntnisse verfügen zu können verkennt, dass – so lange wie Menschen Entscheidungen zu treffen haben, wozu auch die Fehler gehören – kann keine Technik der Welt menschliche Dummheit verhindern, die sogar möglicherweise weniger folgenreich ist, als die Dummheiten der KI in der Zukunft, denn die kann auch nur das wissen, was menschliches Denken geschaffen hat.

1.04 Die eigentliche Ursache ist ein Staatsversagen

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Der gesunde Menschenverstand – sollte es den überhaupt geben – weiß, dass nicht das Messer das Problem ist, sondern dass dies der Täter ist, der ein Messer oder ein Auto rechtswidrig benutzt, um damit Straftaten zu begehen.

Wer das anders sieht, und die Ursache für Täterhandlungen darauf zurückführt, dass es immer nur die Gesellschaft sein kann, unter deren Einflüsse eine Person zu der geworden ist und die letztendlich gar nicht anders hat handeln können, als mit einem Messer Personen zu verletzen oder mittels eines PKW, wie in Magdeburg geschehen, 5 Menschen zu töten und über 200 Menschen zum Teil schwer zu verletzen, verkennt, dass Freiheit, so wie sie in westlichen Demokratien bisher verstanden worden ist, Selbstverantwortlichkeit voraussetzt.

Und wenn dann auch noch der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, von einem „Messer-Problem“ spricht und meint, die mit Messern begangene Kriminalität dadurch erfolgreich bekämpfen zu können, indem er noch mehr Video-Überwachung und den verstärkten Einsatz moderner Technologien wie künstliche Intelligenz einfordert, der fordert nichts anderes ein, als die Einschränkung der Freiheit von Vielen, um sich vor den Tätern, den Gefährdern oder gar vor denen besser schützen zu können, die diese Meinung nicht teilen, weil sie sowieso das tun, was sie tun wollen.

Wie dem auch immer sei: Wir können die in China übliche Überwachungstechnik nicht ablehnen und sie uns zugleich wünschen, denn wenn dieser Wunsch Wirklichkeit werden sollte, kann es die Demokratie von heute nicht mehr geben.

1.05 Das Unvermögen des Rechtsstaates in Migrationsfragen

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Die Gründe für die Migration, aus Sicht der Migranten, ist offenkundig: Sie möchten in einer Weltregion leben, in denen sie sicher leben und wirtschaftlich bessere Chancen haben als in ihrer Heimat. Sie verhalten sich damit ökonomisch gesehen völlig rational, indem sie versuchen, den größten ihnen möglichen Nutzen sich zu erschließen, und sei es nur der Nutzen, der ihnen zum Beispiel die Sozialsysteme in Deutschland bieten.

Und: Bei denen, die kommen, handelt es sich in der Regel nicht um die Ärmsten der Armen, sondern um Migranten, die es sich erlauben können, die Hilfe von Schleusern in Anspruch bezahlen können, um ihren Zielort überhaupt zu erreichen.

Wie dem auch immer sei: Anzumerken ist auch, dass das Migrationsproblem von heute auch mit der Massenimmigration von Unqualifizierten verbunden ist, die sozusagen die Sozialsysteme fluten und deren Kosten in die Höhe treiben, was wiederum Widerstände in der Bevölkerung auslöst, verbunden mit dem Protest gegen die kulturelle Überfremdung und die zahlreichen kriminellen Übergriffe insbesondere junger alleinstehender Männer.

Ein kleiner Blick in die Zukunft, die zu erwarten ist, wenn sich nichts ändert:

Laut Gunnar Heinsohn wollen aus dem „Islambogen“ und aus Afrika zurzeit rund 240 Millionen Menschen auswandern, was zur Folge haben wird, dass 2050 etwa 1,1 Milliarden Menschen in Europa leben werden. Zurzeit sind es knapp 746 Millionen Menschen [En03].

Womit ist anlässlich solcher Perspektiven zu rechnen, wenn Menschen aus Tribalgesellschaften (Stammesgesellschaften, Clangesellschaften, Gesellschaften mit völlig anderen Kulturen und Wertvorstellungen) in großen Massen in die rechts- und sozialstaatlich geprägten Räume Deutschlands einwandern?

Diese Menschen leben zwangsläufig in dem mentalen Horizont ihrer Tribalgesellschaften und diese verlassen sie mit ihrer Wanderung nach Deutschland keineswegs. Hinzu kommt, dass das Konzept des Rechtsstaates, wie es die Europäer in einer sich über Jahrhunderte hinziehenden Geschichte entwickelt haben, ihnen fremd ist und auch fremd bleiben wird. Die Folge davon ist, und das kann heute nicht mehr übersehen und schöngeredet werden, dass die Einwanderer versuchen werden, ihre tribalgesellschaftlichen Gewohnheiten auch in den rechtsstaatlichen Gesellschaften auszuleben, und hierbei ist es bereits zu einer Reihe von Konflikten gekommen.

In Deutschland gibt es zurzeit etwa 5 Millionen junge Männer im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Zieht man davon eine Million Männer mit „Migrationshintergrund“ ab, so bleiben 4 Millionen ethnisch deutsche Männer. Die Einwanderung von jungen Männern aus Tribalgesellschaften beträgt zurzeit etwa 800.000 Personen pro Jahr. Das aber ist eine Zahl, die 2023 bereits deutlich überschritten wurde. Im Jahr 2023 betrug die Anzahl der Männer in Deutschland mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 35 und 39 Jahren rund 1,07 Millionen. Diese Altersgruppe war auch bei den Frauen mit Migrationshintergrund eine der größten.

  • 15 bis 19 Jahre 844.000

  • 20 bis 24 Jahre 898.000

  • 25 bis 29 Jahre 985.000

  • 30 bis 34 Jahre 1.066.000 [En04]

Und: Das Bundesamt für Migration meldet, dass 50,7 Prozent aller Asylbewerber in diesem Jahr Männer im Alter zwischen 16 und 40 Jahren sind. Das sind fast doppelt so viel wie im Jahr 2019 [En05].

Es würde zu weit führen, die damit verbundenen Belastungen für die Sozialsysteme im Einzelnen aufzuzeigen. Um was für Größenordnungen es sich dabei handelt, dass belegen die folgenden Zahlen:

Die deutschen Sozialleistungen betrugen 1991 395,5 Milliarden Euro. Bis 2015 sind sie auf 888,2 Milliarden Euro angestiegen und haben sich damit mehr als verdoppelt. 2023 wurden bereits 17,6 Milliarden Euro für Sozialleistungen ausgegeben, was noch einmal eine Verdoppelung der Ausgaben in einem Zeitrahmen von 8 Jahren ausmacht.

Und was die Kriminalitätsbelastungszahlen junger Männer anbelangt, die nach Deutschland eingewandert sind, darüber eine Aussage zu formulieren, löst sofort den Verdacht aus, rassistisch, islamophob oder rechtsextrem zu sein. Dennoch: In einer aktuellen Stunde, in der die Ursachen und Konsequenzen einer ansteigenden Kriminalität disputiert wurden, heißt es auf der Website des Deutschen Bundestages wie folgt:

Bundestag.de 10.04.2024: Zu Beginn der Debatte beklagte Andrea Lindholz (CDU/CSU), dass die Zahl der registrierten Straftaten seit zwei Jahren rapide ansteige, nämlich um 11,5 Prozent im Jahr 2022 und 5,5 Prozent im vergangenen Jahr. Dieser Anstieg liege vor allem an mehr ausländischen Tatverdächtigen. Während die Zahl deutscher Tatverdächtiger in den vergangenen beiden Jahren um 4,6 Prozent beziehungsweise 1,0 Prozent gestiegen sei, habe die Zahl ausländischer Tatverdächtiger 2022 um 22,6 Prozent und 2023 um 17,8 zugenommen. „Deutschland wird seit zwei Jahren unsicherer, und das liegt vor allem an der stark gestiegenen Ausländerkriminalität“, fügte Lindholz hinzu.

Martin Hess (AfD) warf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Versagen bei der „Gewährleistung des Schutzes und der Sicherheit der eigenen Bürger“ vor. Die Zahl der Gewaltdelikte weise mit mehr als 214.000 pro Jahr einen „historischen Höchststand“ auf. Während die Zunahme der Zahl deutscher Tatverdächtiger bei Gewaltdelikten 2,2 Prozent betragen habe, liege sie bei nichtdeutschen Tatverdächtigen bei 14,4 Prozent [En06].

Wie dem auch immer sei: In einem mehr als 150 Minuten dauernden Gespräch mit Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), das der Chefredakteur der Schweizer Wochenzeitung „Die Weltwoche“ Roger Jürg Köppel am 18.09.2024 führte, und das unter dem Thema stand: „Gerhard Schröder - Mein Leben“, sagte der Altbundeskanzler zur Migrationsproblematik und zur Flüchtlingskrise, die 2015 ausgelöst wurde, Folgendes:

Gerhard Schröder: Kommt her, alle die ihr mühselig und beladen seid. Das ist zwar Bibel, aber so ähnlich klang das [aus dem Munde von Angela Merkel]. Und da muss man dann sagen, das ist für das Bewusstsein der Menschen bei uns - des Durchschnittsmenschen bei uns - keine Haltung, denn da muss man schon sagen, wer wirklich nachweisen kann, dass er politisch verfolgt ist, der muss das Recht behalten, Asyl zu kriegen in Deutschland. Wer das aber tut - überwiegend - und das kann man ja prüfen, überwiegend weil es ihm schlechter geht, im Heimatland, als er glaubt, dass es ihm in Deutschland gehen würde, da muss man dann sagen ... geht nicht.

Und diese Balance, zwischen ... ja ... der menschlichen Notwendigkeit - denen, die wirklich verfolgt werden, Asyl zu bieten zu können ... und da muss man auch noch über die Bedingungen reden, was das materiell bedeutet, und das im Vergleich zu dem Einkommen setzen, dass jemand durch einfache Arbeit erreichen kann ... wenn das aus der Balance kommt, und wir dann noch Parteien haben, die das genau ausnutzen, und auch wissen, wie man das nutzt, dann geht das schief.

Dann ist die Mehrheitsfähigkeit derer, die das Asyl - und ich gehöre wahrlich zu denjenigen, die das Asylrecht aus guten Gründen aufrecht erhalten wollen ... die Mehrheit derjenigen, die das wollen, einfach in Gefahr. Das ist ein bisschen die Situation, der wir jetzt ausgesetzt sind [En07].

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer der Erwartungshaltung, dass, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Demokratie bleiben will, eine Lösung gefunden werden muss, die dazu geeignet ist, den Erwartungshaltungen der Mehrheit zu entsprechen.

2.00 Der übergriffige Rechtsstaat

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Im Oktober 2024 wurde das Waffengesetz um eine Befugnis erweitert, die zuständige Behörden – wozu die Polizei gehört – zur Durchsetzung gesetzlicher Waffen- und Messerverbote dazu ermächtigt:

  • Im Geltungsbereich eingerichteter Waffen- und Messerverbotszonen

  • Personen kurzzeitig anzuhalten und zu befragen

  • Mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen sowie

  • Personen zu durchsuchen.

Waffen- und Messerverbote können auch anlässlich öffentlicher Vergnügungen, sowie anlässlich von Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen verfügt werden. Dies gilt auch, wenn für die Teilnahme ein Eintrittsgeld zu entrichten ist, sowie für Theater-, Kino-, und Diskothekenbesuche und für Tanzveranstaltungen.

Da der Wortlaut der Befugnis keinen Adressaten bestimmt, sondern nur Personen benennt, gegen die sich die oben genannten Maßnahmen richten können, ist davon auszugehen, dass es sich um eine verdachtsunabhängige Personenkontrolle handelt, die sich gegen einen jedermann richten kann.

Damit wäre eigentlich schon alles gesagt, um diejenigen ruhigzustellen, die von der Vorstellung beseelt sind, dass alles, was das Gesetz erlaubt, auch vollumfänglich verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht.

Der nachfolgend formulierte Widerspruch eines Betroffenen, der auf einem Weihnachtsmarkt die oben genannten Maßnahmen erdulden musste, soll Sie dazu in die Lage versetzen, mit gesundem Menschenverstand eine Antwort auf die Frage zu finden, die da lautet:

Ist der Rechtsstaat Deutschland bereits übergriffig geworden?

Und:

Stehen Bürgerfreiheiten nur noch im Grundgesetz?

2.01 Widerspruch eines Weihnachtsmarktbesuchers

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An den
Polizeipräsidenten in
Messerstadt

Sehr geehrte Damen und Herren!

Am 20.12.2024 wurde ich von einer Polizeibeamtin und einem Polizeibeamten auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt von Messerstadt aufgefordert, stehen zu bleiben. Mir wurde eröffnet, dass ich mich in einer Waffenverbotszone befinde, in der ein jedermann verdachtsunabhängige Personenkontrollen zu erdulden habe. Als ich die Frage der Polizibeamtin, ob ich ein Messer mit mir führe, mit einem Nein beantwortete, wurde ich aufgefordert, meine Taschen zu entleeren und den von mir mitgeführten Rucksack der Polizeibeamtin auszuhändigen, damit diese sich davon überzeugen könne, dass sich im Rucksack kein Messer befindet. Als ich mich weigerte, den Aufforderungen nachzukommen, wurde mir angedroht, die Maßnahmen erforderlichenfalls mit Zwang durchzusetzen. „Es sei besser für mich,“ so der Polizeibeamte, „wenn ich die Kontrolle einfach hinnehmen würde, denn dazu sei ich gesetzlich verpflichtet.“ Diese Aussage nahm ich zum Anlass, mich von den Beamten zu verabschieden, was den Beamten dazu veranlasste, mich am Arm zu ergreifen, um mich festzuhalten. Als ich mir das verbat, wurde mir gesagt, dass ich „stehen zu bleiben habe und die Kontrollmaßnahmen zu dulden hätte“. Zeitgleich nahm mir die Polizistin den Rucksack weg, öffnete ihn und kramte im Innern des Rucksacks herum. Da sie nichts fand, wurde ich aufgefordert, die Arme anzuheben, damit der Polizeibeamte meine Kleidung nach Messern durchsuchen konnte. Als ich mich weigerte, die Arme anzuheben, wurde ich darauf hingewiesen, dass, wenn ich mich der Durchsuchung verweigern würde, dass durchaus als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu bewerten sei, wenn ich mich der Durchsuchung aktiv  widersetzen würde.

Kurzum: Ich bin 74 Jahre alt und habe wirklich kein Interesse daran, mich mit der Polizei körperlich auseinanderzusetzen, denn eine geistige Auseinandersetzung ziehe ich jeglicher Form physischer Gewalt vor. Wie dem auch immer sei: Da weder in meinem Rucksack noch in meiner Kleidung ein Messer gefunden wurde, wünschten mir die beiden Polizisten noch einen schönen Tag. Als ich den Polizeibeamten bat, mir seinen Dienstausweis zu zeigen, ging er einfach weiter. Insoweit hoffe ich, dass Sie mir überhaupt glauben, die von mir oben skizzierte Personenkontrolle erduldet zu haben, was durchaus im Bereich des Möglichen liegt, denn meine Identität wurde von den Beamten nicht festgestellt, so dass alles, was ich bisher geschrieben habe, durchaus auch von mir erfunden worden sein kann. Ist es aber nicht, denn mein Widerspruch richtet sich gegen eine Maßnahme, die Amtswalter der Polizei in Messerstadt zur Regelung eines Einzelfalls auf der Grundlage öffentlichen Rechts getroffen haben. Gegen diesen Verwaltungsakt richtet sich mein Widerspruch, denn ich halte die unter Zwangsandrohung erzwungene Durchsuchung sowohl meines Rucksacks als auch meiner Person für rechtswidrig.

2.02 Zuständigkeit

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Ich gehe davon aus, dass es zu den Aufgaben der Polizeibehörde in Messerstadt gehört, Waffenverbotszonen einrichten zu können. Daran ist nichts auszusetzen, denn für eine Aufgabe zuständig zu sein bedeutet noch längst nicht, auf der Grundlage dieser Zuständigkeit in die Grundrechte von Personen eingreifen zu können. Dazu bedarf es einer Befugnis:

2.03 Befugnis

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Als Befugnis für die von mir erduldete Kontrolle kommt die neu in das Waffengesetz eingefügte Ermächtigung in Betracht, die es der Polizei erlaubt, Personen kurzzeitig anzuhalten, zu befragen, mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen sowie die Person zu durchsuchen.

2.04 Anhalten und Befragen

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Es bereitet mir wirklich keine Probleme, mit Polizeibeamten zu sprechen und auf gestellte Fragen eine Antwort zu geben, die ihr dabei helfen können, übertragene polizeiliche Aufgaben zu erfüllen, wozu sicherlich auch in so genannten Waffenverbotszonen die Frage gehören kann, ob ich ein Messer mit mir führe.

Diese Frage habe ich mit einem Nein beantwortet. Als ich nach beantworteter Frage weitergehen wollte, wurde ich von dem Polizeibeamten am Arm ergriffen und festgehalten.

2.05 Festhalten

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Diese Rechtsfolge sieht die neu in das Waffengesetz eingefügte Kontrollbefugnis aber gar nicht vor, und das aus gutem Grunde, denn ein Festhalten ist, im Vergleich zum Anhalten und zum Befragen, kein sozialüblicher Polizei-/Bürgerkontakt mehr, der, wenn überhaupt, nur geringfügig in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit eingreift.

 Wird eine Person zu Kontrollzwecken festgehalten, so auch die Rechtsauffassung der Richter des Bundesverfassungsgerichts, handelt es sich um einen Eingriff in die Bewegungsfreiheit.

BVerfG 1996: Das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG schützt die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen. Sein Gewährleistungsinhalt umfasst von vornherein nicht eine Befugnis, sich unbegrenzt überall aufhalten und überall hinbewegen zu dürfen. Demgemäß liegt eine Freiheitsbeschränkung nur vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Der Tatbestand einer Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) kommt ohnehin nur in Betracht, wenn die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird [En08].

Ein solcher Eingriff kann nicht mehr als sozialübliches polizeiliches Einschreiten und auch nicht mehr als ein geringfügiger Eingriff in Grundrechte angesehen werden, zumal mich der einschreitende Polizeibeamte am Arm ergriffen hat und mich somit, unter Anwendung einfacher körperlicher Gewalt, zu einem Verhalten gezwungen hat, das ich in einem Rechtsstaat nicht widerspruchslos hinnehmen kann, zumal die Rechtsfolge des Festhaltens in der neu in das Waffengesetz eingefügten Befugnis nicht einmal enthalten ist, im Gegensatz zu allen polizeirechtlichen Befugnissen, die die Sprachfigur des „Festhaltens“ enthalten, um aus einem Anhalten ein Festhalten werden zu lassen, müssen dafür im Gesetz näher beschriebene Voraussetzgungen greifen.

Sie haben richtig gelesen. Die Rechtsfolge des Festhaltens sieht die Befugnis im Waffengesetz nicht vor, und was das Gesetz nicht erlaubt, das kann in einem Rechtsstaat auch nicht zulässig sein, so zumindest meine (vielleicht zu naiven) Vorstellungen von einem regelgebundenen Rechtsstaat.

Vielleicht noch eine kurze Anmerkung zum Festhalten. Ich wurde am Arm ergriffen und mir wurde deutlich gemacht, dass ich mich dem staatlichen Willen zu beugen habe. Auch wenn der körperliche Zwang, der zur Anwendung gekommen ist, als geringfügig bezeichnet werden kann, handelt es sich dennoch um Zwang und setzt, um überhaupt gesetzlich zugelassen zu sein, eine unaufschiebbare polizeiliche Maßnahme voraus, die wiederum voraussetzt, dass durch Zwang eine gegenwärtige Gefahr abgewehrt werden muss. Mich würde interessieren, welche gegenwärtige Gefahr das sein soll, für die ich zum Adressaten einer polizeilichen Maßnahme gemacht wurde.

2.06 Sachen in Augenschein nehmen

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Mein Rucksack wurde von der einschreitenden Beamtin nicht nur geöffnet, sondern regelrecht „durchwühlt“.

Anders ausgedrückt: Es wurden die im Rucksack befindlichen Sachen herausgeholt, abgetastet und wieder in den Rucksack gesteckt, um dann im Anschluss daran alle Seitentaschen und Reißverschlüsse zu öffnen, ohne das zu finden, wonach gesucht wurde: Ein Messer.

Die Frage, die sich mir nunmehr stellt, lautet, was heißt es, eine „Sache in Augenschein zu nehmen“.

Es kann ja sein, dass Polizisten über ein ganz anderes Wortverständnis bei der Auslegung von Sprachfiguren verfügen, die der Gesetzgeber verwendet, denn der lässt als Rechtsfolge bei der Suche nach Messern in Sachen nur den „Augenschein“ zu. Nach meinem Wortverständnis, und das ist im Übrigen auch die übliche Art und Weise, sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Rechtslehre, einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Leben zu erfüllen, sich dessen Wortbedeutung zuzuwenden, die es erforderlich macht, zu definieren, was es heißt, eine „Sache in Augenschein zu nehmen“. Hier der Versuch der semantischen Bedeutung dieses unbestimmte Rechtsbegriffs: Einen Blick auf, bzw. in eine Sache zu nehmen, hineinsehen, sich einen visuellen Eindruck zu verschaffen, etwas anzuschauen, ohne in dem Objekt der Augenscheinnahme nach etwas zu suchen. Kurzum: Eine Augenscheinnahme kann nicht mehr sein als eine visuelle Wahrnehmung des Zustands einer Sache, so wie sie ist. Mein Rucksack aber wurde durchsucht. Anders ausgedrückt: Das Untere wurde nach oben gekehrt und auch der kleinste Reißverschluss wurde geöffnet, um etwas zu finden, was dort nicht gefunden werden konnte: Ein Messer.

Wenn Sie meiner Argumentation bis hier hin gefolgt sind, dann werden Sie sicherlich auch zu dem Ergebnis gekommen sein, dass es sich bei der Augenscheinnahme meines Rucksacks um eine Durchsuchung desselben gehandelt hat. Und das wiederum ist eine Rechtsfolge, die in der Befugnis jedenfalls nicht im Zusammenhang mit Sachen zu finden ist.

Ich denke, dass es ausreicht, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Kontrollbefugnis das Durchsuchen von mitgeführten Sachen expressis verbis nicht vorsieht.

2.07 Durchsuchung der Person

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Die Durchsuchung einer Person umfasst die Suche nach Gegenständen oder Spuren in der Kleidung und/oder auf der Körperoberfläche. Ich erinnere mich noch heute ganz genau an das unangenehme Gefühl, gegen meinen erklärten Willen von einem Polizeibeamten körperlich durchsucht worden zu sein. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist dieses Vorgehen als ein Eingriff in meine Intimsphäre anzusehen, denn unter meinen Achseln und erst recht nicht in meinem Schritt haben Polizistenhände bei einem Normalbürger wir mir, dem nichts vorgeworfen werden kann, was solch ein Vorgehen rechtfertigen könnte, nichts zu suchen.

Übrigens: Eine rechtswidrige Durchsuchung, die auch den Intimbereich erfasst, kann durchaus als eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 184i StGB (Sexuelle Belästigung) angesehen werden. Dort heißt es: Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.

2.08 Zwischenbetrachtung

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Die von mir geschilderten Rechtsfolgen hätten, und das möchte ich bereits an dieser Stelle feststellen, gar nicht durchgeführt werden dürfen, weil nicht einmal die Voraussetzungen eines Festhaltens gegeben waren, denn diese Rechtsfolge sieht die Befugnis, wie oben schon einmal festgestellt, gar nicht vor. Dieses Festhalten daraus ableiten zu wollen, dass anders die Inaugenscheinnahme meines Rucksacks und auch die Durchsuchung meiner Person gar nicht möglich gewesen wären, ist nichts anderes als reines Wunschdenken. Solch eine Annahme lässt sogar die StPO nur bei Beschuldigten zu, die zum Beispiel zur Entnahme einer Blutprobe zum Krankenhaus gebracht werden. Der damit verbundene Eingriff in die Bewegungsfreiheit lässt sich, der herrschenden Meinung folgend, unmittelbar aus § 81a StPO (Körperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe) ableiten.

Da ich aber weder ein Tatverdächtiger und erst recht kein Beschuldigter bin, lässt sich aus einer Befugnis, die sich gegen Personen – gemeint sind die Menschen, die sich gerade am Kontrollort aufhalten, aus welchem Grund auch immer – ein Festhalten nicht durch solch eine verwegene Konstruktion rechtfertigen. Weder das Polizeirecht noch andere Gesetze, die der Gefahrenabwehr dienen, kennen solche eine Annexkompetenz.

2.09 Verdachtsunabhängige Kontrollen

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Verdachtsunabhängige Kontrollen sind entweder Kontrollen, denen sich alle zu unterziehen haben, wie das zum Beispiel auf Flughäfen der Fall ist, um überhaupt in den gesicherten Abflugbereich gelangen zu können, oder aber Einzelfallkontrollen, die im Hinblick auf die Auswahl zu kontrollierender Personen nicht willkürlich sein dürfen, denn Willkür hat in einem Rechtsstaat nichts zu suchen.

Es muss somit eine Selektion seitens der Auswahl zu kontrollierender Personen erwartet werden, die nachvollziehbar, sachgerecht und erforderlich ist.

BVerfG 2005: Je ungenauer die Ziele einer Ermächtigung und die Anforderungen an die tatsächlichen Voraussetzungen einer Maßnahme gesetzlich umschrieben sind, umso größer ist das Risiko unangemessener Maßnahmen im Einzelfall. Da bei der Abwägung der Rang des Schutzguts und die Einschätzung der Intensität der ihm drohenden Gefahr bedeutsam sind, bedarf es hinreichender Anhaltspunkte für die genaue Bestimmung des gefährdeten Guts, aber auch hinreichender tatsächlicher Grundlagen für die Annahme einer dieses Schutzgut gefährdenden Handlung (...). Für die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr hat die Rechtsprechung Abwägungsgrundsätze entwickelt, die auch im Vorfeldbereich bedeutsam sind. Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist und je weitreichender es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt würde oder beeinträchtigt worden ist, desto geringere Anforderungen dürfen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die auf die Gefährdung oder Verletzung des Rechtsguts schließen lassen (...). Allerdings muss stets gewährleistet bleiben, dass Annahmen und Schlussfolgerungen einen konkret umrissenen Ausgangspunkt im Tatsächlichen haben [En09].

Insbesondere der letzte Satz in dem oben aufgeführten Zitat macht deutlich, dass eine Kontrolle meiner Person, so wie ich sie erlebt habe, nur auf der Grundlage von feststellbaren Tatsächlichkeiten in Betracht kommen kann, die auf eine Verletzung der Missachtung des Messerverbots in so genannten Waffenverbotszonen zumindest über den Rahmen bloßer Vermutungen hinausgehend erwarten lassen, dass ich als „Messerträger“ überhaupt in Betracht kommen kann.

Ich aber nehme für mich in Anspruch, nicht wie ein „Messerträger“ auszusehen und auch die Kriminalstatistik wird bei großzügiger Auslegung statistisch erfasster Messerdelikte wohl kaum Personen in meinem Alter (74 Jahre) als potenziell gefährliche Messerträger ausweisen. Auf den in Betracht kommenden Personenkreis werde ich noch zu sprechen kommen. Zuerst einmal geht es mir darum, Sie davon in Kenntnis zu setzen, welche Anforderungen die Richter des Bundesverfassungsgerichts an Ermächtigungen richten, die zur Verhütung von Straftaten Eingriffe in Grundrechte zulassen:

BVerfG 2016: Der Gesetzgeber ist von Verfassungswegen[...] nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche mit dem Ziel schon der Straftatenverhütung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Allerdings müssen die Eingriffsgrundlagen auch dann eine hinreichend konkretisierte Gefahr in dem Sinne verlangen, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter bestehen. Allgemeine Erfahrungssätze reichen insoweit allein nicht aus, um den Zugriff zu rechtfertigen. Vielmehr müssen bestimmte Tatsachen festgestellt sein, die im Einzelfall die Prognose eines Geschehens, das zu einer zurechenbaren Verletzung der hier relevanten Schutzgüter führt, tragen (...). Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann danach schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. Die Tatsachen müssen dafür zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, zum anderen darauf, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann [En10].

Ich denke, dass es an dieser Stelle ausreicht, festzustellen, dass solche auf mich als Person zutreffende Auffälligkeiten nicht zutreffen und auch zum Zeitpunkt meiner Kontrolle durch zwei Amtswalter Ihrer Behörde nicht feststellbar gewesen sind.

Für mich erfolgte die Auswahl willkürlich, wahrscheinlich verbunden mit der Annahme der einschreitenden Polizeibeamten, dass es sich bei mir um einen „alten Herrn handelt, der sich nach getaner Arbeit bei der Polizei sogar dafür bedankt, dass die Polizei sich um seine Sicherheit so fürsorglich und einfühlsam gekümmert hat.“

2.10 Anforderungen an Durchsuchungen in gefährdeten Orten

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Dass es sich bei Messerverbotszonen um Orte handelt, in denen verhindert werden soll, dass sich dort „Messerträger“ aufhalten, von denen besondere Gefahren ausgehen (warum nur dort, das ist eine Frage, auf die ich keine Antwort weiß), legt die Vermutung nahe, dass es sich bei Messerverbotszonen um Orte handelt, die gleichermaßen, wie das an "gefährlichen Orten" der Fall ist, verdachtsunabhängige Polizeikontrollen ermöglichen.

Anders ausgedrückt: Auch an gefährlichen Orten, die von der Polizei als solche eingestuft worden sind, sieht das Gesetz vor, dass dort Personen überprüft werden können, die weder als Verhaltensstörer noch als Zustandsstörer von der Polizei kontrolliert werden. Vielmehr sind Polizisten an solchen Orten dazu ermächtigen, Personen zu kontrollieren, die sie für kontrollwürdig halten.

Dass solche Personen ebenfalls angehalten und befragt werden können und dürfen, um deren Identität festzustellen, dass sehen alle Polizeigesetze anlässlich von Personenkontrollen in so genannten gefährlichen Orten so vor. Hinsichtlich der Möglichkeit, an solchen Orten sowohl Personen als auch von den kontrollierten Personen festhalten und mitgeführte Sachen durchsuchen zu können/dürfen, sehen alle Polizeigesetze in Deutschland so vor.

Dennoch hat die Rechtssprechung es aber für notwendig erachtet, die Auswahl zu kontrollierender Personen auf diejenigen zu beschränken, die einem erstellten Täterprofil entsprechen. Darüber hinausgehend wird aber auch der Nachweis einer konkreten abstrakten Gefahr eingefordert, die von Kontrollbeamten nachzuweisen ist, um Personen und von diesen mitgeführte Sachen an gefährlichen Orten - und das trifft auch im Analogverfahren für Messerverbotszonen zu – durchsuchen zu können.

2.11 Erstellung von Täterprofilen

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Solche Täterprofile hat die Polizei im Rahmen von Gefahrenanalysen zu erstellen, die es ihr erlaubt, eine Örtlichkeit überhaupt als eine Waffenverbotszone bzw. als eine /Messerverbotszone einzurichten, denn nur dadurch lässt sich Kontrollwillkür und im Übrigen auch Racial Profiling ausschließen, wenn Personen, die anderen Ethnien angehören, von der Polizei dort kontrolliert werden.

Anders ausgedrückt: Nur dann, wenn die Polizei dazu in der Lage ist, auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und glaubwürdigen Täterprofils auch einen so genannten „objektiven Beobachter“ davon zu überzeugen, dass Personen an solchen Orten kontrolliert werden, die über entsprechende Merkmale verfügen oder sich irgendwie auffällig verhalten haben, werden an solchen Orten von der Polizei kontrolliert. In Messerverbotszogen dürften davon vorrangig Personen betroffen sein, deren Messeraffinität auf polizeilichen Erfahrungen beruht.

Wie dem auch immer sei: Personenkontrollen, die auf der Grundlage eines nachvollziehbaren Täterprofils durchgeführt werden, verletzen nicht den Gleichheitsgrundsatz, wenn anlässlich solcher Kontrollanlässe Personen von der Polizei angehalten, befragt, Sachen in Augenschein genommen und sogar Personen durchsucht werden, die als waffenaffin polizeibekannt sind, wenn in Waffenverbotszonen kontrolliert wird.

Wie dem auch immer sei: Die eigentliche Frage, auf die es eine Antwort zu finden gilt, lautet: Welche Personen meint der Gesetzgeber, die in Verbotszonen von der Polizei kontrolliert werden dürfen/können/sollen?

  • Alle Männer und alle Frauen?

  • Auch Personen mit Rollatoren?

  • Auch alte Mensen?

  • Auch Frauen mit Kinderwagen?

  • Auch Kinder?

  • Auch Jugendliche oder doch nur

  • Gefährlich aussehende Personen, wie die auch immer aussehen mögen?

  • Dunkelhäutige junge Männer aus den Maghreb-Staaten oder aus anderen afrikanischen Ländern?

  • Personen, die der Polizei als Unruhestifter oder als gewaltbereite Gangmitglieder bekannt sind?

  • Personen im waffenaffinen Alter, die mehrheitlich kaum älter als 24 Jahre alt sind?

  • Personen, von denen kontrollierende Beamte meinen, dass Kontrollen erfolgversprechend sein könnten?

Anders ausgedrückt: Es kann davon ausgegangen werden, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Waffenverbotszonen wohl nur solche Personen kontrollieren sollten, von denen anzunehmen ist, dass sie waffenaffin sein können. Diese nachvollziehbare Sicht der Dinge entspricht aber bedauerlicherweise nicht der Wirklichkeit, denn sonst wäre ich ja wohl kaum angehalten, befragt, unter Anwendung von Zwang festgehalten und gegen meinen Willen durchsucht worden.

Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung würden es Täterprofile den einschreitenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort ihre Arbeit außerdem erleichtern, rechtswidrige Maßnahmen zu vermeiden, denn diese Profile können sogar so weit gehen, dass als Adressaten polizeilicher Kontrollmaßnahmen sogar äußere Merkmale, zum Beispiel das typische Aussehen eines „People of Color (PoC)“ ausreichen, um solche Personen verstärkt in Verbotszonen kontrollieren zu können, wenn das nachvollziehbar im Rahmen der Gefahrenprognose von der Polizei sachgemäß begründet wird.

Anders ausgedrückt: Wenn eine „polizeibekannte“ Personengruppe sich als waffen- bzw. als messeraffin erwiesen hat und im Rahmen eines erstellten Täterprofils Ausführungen zum Alter, zum Geschlecht und zu polizeibekannt gewordenen Verhaltensmustern es kontrollierenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hilft, die "richtigen" Personen zu kontrollieren, dann kann im Übrigen davon ausgegangen werden, dass überhaupt Messer gefunden werden können.

Bei meiner Altersgruppe und das gilt auch für Damen in meinem Alter, dürfte das eher unwahrscheinlich sein, obwohl bei der Durchsuchung der Handtasche einer Dame in meinem Alter in Darmstadt glaube ich war das, tatsächlich ein Taschenmesser gefunden werden konnte, mit dem die Dame normalerweise Äpfel vor dem Verzehr schält.

Wie dem auch immer sei: Den folgenden Zitaten aus einem Urteil des Hamburgischen OVG aus dem Jahr 2022 kann entnommen werden, warum ein Kontrollieren auf der Grundlage von erstellten Täterprofilen nicht als Racial Profiling anzusehen ist. und somit auch die Möglichkeit einschließt, andere Zielgruppen in Messerverbotszonen kontrollieren zu können, was bei einer entsprechenden sprachlichen Regelung in der Gefährdungsanalyse ja wohl kaum Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Zurück zu der Entscheidung des Hamburgischen OVG. Anlass für das Urteil war die Identitätsfeststellung eines togoischen Staatsangehörigen mit dunkler Hautfarben an einem wegen BtM-Delikten als gefährlichen Ort eingestuften Park, einer Örtlichkeit, die durchaus aus rechtlicher Sicht mit einer Waffenverbotszone verglichen werden kann, denn auch an gefährlichen Orten sind so genannte verdachtsunabhängige Kontrollen durch die Polizei möglich.

Hamburgisches OVG 2022: Die Merkmale des [Gleichheitsgrundsatzes] begründen für die präventive, gefahrenabwehrrechtliche Arbeit der Polizei in bestimmten Konstellationen kein Totalverbot. [...]. Das Verbot des [Grundgesetzes: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.], gilt mithin nicht absolut [...].

An anderer Stelle heißt:

Hamburgisches OVG 2022: Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist und je weiterreichender es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt würde, desto geringere Anforderungen dürfen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger fundiert dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die auf die Gefährdung des Rechtsguts schließen lassen. Umgekehrt steigen bei einem geringen Gewicht des gefährdeten Rechtsguts die Anforderungen an die Prognosesicherheit sowohl hinsichtlich des Grads der Gefährdung als auch hinsichtlich ihrer Intensität. Eingriffsgrundlagen müssen daher regelmäßig zumindest eine hinreichend konkretisierte Gefahr verlangen. Eine solche kann schon dann bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr hinweisen [En11].

2.12 Durchsuchung von Personen und Sachen

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Dass nicht nur an gefährlichen Orten, sondern auch in Messerverbotszonen verdachtsunabhängig Personen kontrolliert werden können, das in Frage zu stellen, ist nicht das Anliegen meines Widerspruchs. Mir geht es darum, mich gegen einen übergriffig werdenden Staat schützen zu wollen, der meint, seine Bürger sozusagen nach Gutdünken aussuchen und durchsuchen zu können.

Diesbezüglich haben bereits die Richter des Bayerischen Verfassungsgerichtshof 2006 ihre Bedenken gegen solch ein polizeiliches Vorgehen gegen Kontrollpersonen zum Ausdruck gebracht, als sie über die polizeiliche Durchsuchung mitgeführter Sachen im Rahmen der so genannten Schleierfahndung zu entscheiden hatten, die es der Bundespolizei erlaubt, in einem Bereich von 30 km zur jeweiligen Landesgrenze verdachtsunabhängig Personenkontrollen durchzuführen. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Vorgehensweise der Polizei mit der Bayerischen Verfassung nur dann vereinbar sind, wenn Durchsuchungen sachgerecht begründet werden können.

Bayerischer Verfassungsgerichtshof 2006: Leitsatz: Die Regelungen über die polizeiliche Durchsuchung mitgeführter Sachen im Rahmen der so genannten Schleierfahndung sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Sie sind so auszulegen, dass die Polizei von der Eingriffsbefugnis nur im Fall einer erhöhten abstrakten Gefahr Gebrauch machen darf.

In der Begründung heißt es unter anderem:

Bayerischer Verfassungsgerichtshof 2006: Das bedeute aber nicht, dass das Gesetz ein vollkommen willkürliches, durch kein Ziel determiniertes Kontrollieren ermögliche. Diese Ziele, verpflichteten die Polizei, den Kontrollen entsprechende Lageerkenntnisse und einschlägige Erfahrung zugrunde zu legen [...] Legitimer Zweck von Durchsuchungen [im Grenzbereich] ist der Schutz hochwertiger Rechtsgüter. Diese Eingriffsbefugnisse dienen der Verhütung und Unterbindung des unerlaubten Überschreitens der Landesgrenze, des unerlaubten Aufenthalts sowie der grenzüberschreitenden Kriminalität. Die auf diese Weise zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung ist ein Verfassungswert von Rang. Dass die in Rede stehende Durchsuchung von Sachen zur Verfolgung dieser Zwecke geeignet ist, steht außer Frage. [...]. Bei der Durchsuchung von Sachen, die eine von einer Identitätskontrolle betroffene Person mit sich führt, sind unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn strengere Anforderungen zu stellen als bei der bloßen Identitätskontrolle. Bei einer Gesamtabwägung der Schwere des mit der Durchsuchung verbundenen Eingriffs und bei dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe des Gemeinwohls ist die Grenze des Zumutbaren im Hinblick auf die Grundrechtspositionen [...] nur gewahrt, wenn eine Einschreitschwelle in Gestalt einer erhöhten abstrakten Gefahr beachtet wird [En12].

Das bedeutet nach der von mir vertretenen Rechtsauffassung, dass auf der Grundlage von Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit der Anwesenheit in einer Messerverbotzone ich nur dann dazu verpflichtet werden kann, zu dulden, dass von der Polizei meine Sachen in Augenschein genommen und meine Person durchsucht werden dürfen, wenn von mir eine erhöhte abstrakte Gefahr ausgeht.

2.13 Verhältnismäßigkeit

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Maßnahmen der Polizei, die nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, sind rechtswidrig. Diesbezüglich gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen der Richter des Bundesverfassungsgerichts, auf deren Auflistung, wegen ihres Umfangs, in diesem Widerspruch verzichtet wird. Hinsichtlich der Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit heißt es in einer Entscheidung des BVerfG wie folgt:

BVerfG 1965: In der Bundesrepublik Deutschland hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfe [En13].

Nach allgemeiner Auffassung erfolgt die Verhältnismäßigkeitsprüfung in vier Schritten:

  • Geeignetheit

  • Erforderlichkeit

  • Angemessenheit

  • Zweck-Mittel-Relation – Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Mittel schon dann geeignet, wenn die Möglichkeit besteht, durch seinen Einsatz den angestrebten Zweck zu erreichen. Unterstellt, dass Personenkontrollen in Waffenverbotszonen überhaupt dazu geeignet sind, das Mitführen von Waffen, Messern und anderen gefährlichen Gegenständen zu unterbinden, was empirisch nicht bewiesen ist, sondern auf Glauben und Zufallserfolgen beruht, gehen die Richter des Bundesverfassungsgerichts dennoch davon aus, dass ein auf Tatsachen beruhender Beweis nicht erforderlich ist, wenn die Möglichkeit einer Eignung solcher Personenkontrollen besteht.

BVerfG 2022: Insoweit genügt bereits die Möglichkeit, durch die Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt [En14].

Übertragen auf die Geeignetheit polizeilicher Maßnahmen in Waffen- bzw. Messerverbotszonen bedeutet dies, dass von einer Eignung von Personenkontrollen zur Durchsetzung von Messerverboten aufgrund der angenommenen Eignung, dabei Messer zu finden, ausgegangen werden, wenn sich die Maßnahmen auf Personen beschränken, von denen auf der Grundlage polizeilicher Erfahrungen und statistisch nachweisbarer Deliktsaffinität zumindest vermutet werden kann, bei diesen Personen Messer bzw. Waffen finden zu können.

Anders ausgedrückt: Die Durchsuchung von Personen und von diesen Personen mitgeführten Sachen nach Messern ist ungeeignet, soweit es sich dabei um ältere Damen und Herren im Rentenalter, Mütter mit Kinderwagen, Personen, die einen Rollator benutzen  aber auch um andere Personen handelt, die kein Polizeibeamter grundlos außerhalb von Messerverbotszonen kontrollieren würde. Sollten diese Personen dennoch als potentielle „Messerträger“ in Betracht kommen, dann bin ich gern bereit, meine Meinung hinsichtlich der Geeignetheit der Durchsuchung von Personen im Rentenalter nach Waffen oder Messern zu korrigieren, wenn ihnen dieses argumentative Kunststück wirklich gelingen sollte, sowohl die Geeignetheit als auch die Erforderlichkeit solcher Kontrollen nachvollziehbar zu begründen. In diesem Sachzusammenhang würde es mich dann auch noch interessieren, wie häufig diese Personengruppe der über 70-jährigen beim rechtswidrigen Gebrauch von Messern in Messerstadt, also in Ihrem Zuständigkeitsbereich, bereits in Erscheinung getreten ist.

2.14 Würdeschutz

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Bei Ihrer Suche nach Rechtfertigung der Polizeikontrolle, die ich für rechtswidrig halte, bitte ich in Ihrem Widerspruchsbescheid auch zum Würdeschutz Stellung zu beziehen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Übrigens: Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, siehe Artikel 1 Abs. 1 GG.

Sie ist verletzt, wenn der Staat Menschen einer Behandlung unterzieht, die ihre Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Diese Objektformel wurde im Laufe der Zeit von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts entwickelt.

BVerfG 2009: In späteren Entscheidungen hat das Gericht in Auseinandersetzung mit Grund und Grenzen der so genannten Objektformel die Schwelle zur Verletzung der Menschenwürde dort überschritten gesehen, wo der Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt und daher Ausdruck der Verachtung des dem Menschen kraft seines Personseins zukommenden Wertes ist [En15].

Noch eine kurze Anmerkung zur Subjektqualität:

BVerfG 2010: Mit dem Begriff der Menschenwürde ist der soziale Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (...). Dabei wird der Begriff der Menschenwürde häufig vom Verletzungsvorgang her beschrieben (...). Angriffe auf die Menschenwürde können in Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und damit in allen Verhaltensweisen bestehen, die dem Betroffenen seinen Achtungsanspruch als Mensch absprechen [En16].

Eine solche Erniedrigung musste ich erdulden. Sie bestand darin, gegen meinen Willen – erzwungenermaßen – unter den Augen der Öffentlichkeit sowohl die Durchsuchung meines Rucksacks als auch die Durchsuchung meiner Person zu dulden. Da es keinen Anlass gab, mir diese Erniedrigung zuzumuten, außer der Tatsache, dass ich mich auf einem Weihnachtsmarkt aufhielt, dürfte Beweis genug für einen übergriffig gewordenen Staat sein, der nicht einmal dazu in der Lage ist, den ersten Satz des Grundgesetzes vollumfänglich zu respektieren.

Ausgewählt wurde ich von den einschreitenden Beamten wie ein Objekt ihrer Beliebigkeit. Anders ausgedrückt. Bei der Auswahl ihrer Kontrollpersonen wurde mein Anspruch auf Achtung meiner Freiheitsrechte auf ehrverletzende und erniedrigende Art und Weise durch zwei Amtswalter Ihrer Polizeibehörde verletzt.

2.15 Widerspruchsbescheid

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Ich gehe davon aus, dass Sie dazu in der Lage sein werden, diesen Widerspruch innerhalb von 4 Wochen mit gebotener fachlicher und sachlicher Gründlichkeit in einer allgemein verständlichen Sprache zu bescheiden. Hinsichtlich der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit Ihres Bescheides erlaube ich mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Begründung in Ihrem Widerspruchsbescheid erkennen lassen muss, von welchen wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen und Überlegungen sie ausgehen.

Anders ausgedrückt: Formelhafte allgemeine Darlegungen werde ich nicht akzeptieren. Ich gehe davon aus, dass Sie sich bei Ihrer Antwort an meinem Widerspruch orientieren.

Schlusssatz:

Sollten Sie den Mut aufbringen, sich für das Einschreiten Ihrer Amtswalter bei mir zu entschuldigen, werde ich auf eine verwaltungsgerichtliche Klärung der Polizeikontrolle auf einem Weihnachtsmarkt verzichten.

Mit freundlichen Grüßen

Ein Bürger aus Messerstadt

3.00 Unsere Zukunft 2025

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So wie es ist, kann und wird es nicht bleiben. Warum? Überall auf der Welt wünschen sich die Menschen, dass ihre Regierungen langfristig denken. Das gilt auch für Demokratien. Obwohl es sich bei Demokratien um Regierungssysteme handelt, die als „Herrschaft auf Zeit“ bezeichnet werden müssen, können Demokratien dennoch als am besten geeignete politische zukunftstaugliche Systeme bezeichnet werden.

In einer 2018 in den USA publizierten Studie zum Thema „Gerechtigkeit in der Zukunft“ heißt es im Hinblick auf die „Generationengerechtigkeit“, bei der es sich ja bekanntermaßen um langfristig sich auswirkende politische Entscheidungen handelt, zu denen die Masseneinwanderung unstrittigerweise gehört.

In dem Ranking der Staaten, die es mit Generationengerechtigkeit ernst nehmen, nimmt zum Beispiel Island den ersten Platz ein, gefolgt von Schweden auf Platz 2, der Schweiz auf Platz 4, Dänemark auf Platz 5 und Ungarn auf Platz 6. Die Bundesrepublik Deutschland liegt abgeschlagen auf Platz 28 [En17].

Anders ausgedrückt:

Es fällt auf, dass die Nationen mit der höchsten Punktzahl wie Island, Nepal, Costa Rica und Uruguay aus einer Vielzahl von Regionen und Einkommensniveaus stammen. Während wohlhabende OECD-Länder zum Teil weit unten in der Rangliste sich befinden:

Deutschland liegt auf Platz 28, das Vereinigten Königreich belegt Platz 45 und die USA befindet sich auf dem 62. Platz in der Rangliste.

Es gibt somit nicht nur im Jahr 2025 viel zu tun, um der Generationengerechtigkeit die Zukunftschancen zu verschaffen, die sie für ein menschenwürdiges Leben benötigen. Ohne ein Vergangenheitsbewusstsein wird das aber nicht funktionieren, denn Zukunftsfähigkeit setzt ein Vergangenheitsbewusstsein voraus, denn Geschichte ist nicht nur die Erzählung über vergangene Ereignisse, sondern sie ist eine Sammlung von Erfahrungen, aus denen wir für die Zukunft lernen können.

Je mehr Geschichtsbewusstsein in diesem Sinne vorhanden ist, desto mehr Zukunftsbewusstsein kann sich daraus entwickeln, denn die Fehler die  in der Vergangenheit begangen wurden, dürften sich wohl kaum dazu eignen, um in der Zukunft wieder die Ordnung Wirklichkeit werden zu lassen, die ich als naturgegebene Ordnung bezeichnen möchte, denn eine bürokratische Ordnung vermag das nicht zu leisten.

Wie dem auch immer sei: Wenn wir eine andere Zukunft wollen, dann müssen wir zuerst einmal mit der Gegenwart brechen, was bedeutet, sich zuerst einmal vom Bekannten und Erwarteten zu lösen, zumindest gedanklich, um so Raum für Möglichkeiten schaffen, die andere Perspektiven eröffnen. Dass das nicht einfach sein wird, ist eine Binsenwahrheit, denn wir müssen gegen unser Status-quo-Denken ankommen.

Ohne Optimismus und ohne die Bereitschaft, Brandmauern einzuziehen, Denkverbote zu beseitigen und ideologisch bedingtes Festhalten an der eigenen alternativlosen Wahrheit (die es nicht gibt) zu überwinden, wird das nicht gelingen.

Das war auch schon vor 90 Jahren so, zumindest verstehe ich die nachfolgend zitierten Sätze so, mit denen Franklin Delano Roosevelt (1882 bis 1945) am 4. März 1933 im Capitol seine Antrittsrede als Präsident der USA Rede eröffnete.

Auch wenn die Zeiten damals anders waren, wäre es auch heute wieder wünschenswert, wenn sich im Anschluss an die Wahl des 21. Deutschen Bundestages, die im Februar 2025 stattfinden wird, sich der Bundeskanzler an die nachfolgend zitierten Worte von Franklin Delano Roosevelt zumindest erinnern würde.

Franklin Delano Roosevelt: Ich bin sicher, dass meine amerikanischen Mitbürger erwarten, dass ich mich bei meinem Amtsantritt mit der Offenheit und Entschlossenheit an sie wende, die die gegenwärtige Lage unserer Nation erfordert. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit, offen und kühn. Wir dürfen auch nicht davor zurückschrecken, uns den Bedingungen in unserem Land heute ehrlich zu stellen. Diese große Nation wird überleben, wie sie überlebt hat, sie wird wieder aufleben und gedeihen. Lassen Sie mich also zuallererst meine feste Überzeugung bekräftigen, dass das Einzige, was wir zu fürchten haben, die Furcht selbst ist - namenloser, unvernünftiger, ungerechtfertigter Terror, der die notwendigen Bemühungen lähmt, den bisher erlebten Rückzug in Fortschritt umzuwandeln.

In jeder dunklen Stunde unseres nationalen Lebens ist eine Führung von Offenheit und Stärke auf das Verständnis und die Unterstützung des Volkes selbst gestoßen, die für den Sieg unerlässlich sind. Ich bin überzeugt, dass Sie der Führung in diesen kritischen Tagen erneut diese Unterstützung geben werden [En18].

4.00 Quellen

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Endnote_01
Tagesschau.de vom 21.12.2024; Todesfahrt in Magdeburg Das wissen wir über Taleb A.: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/attentaeter-magdeburg-100.html
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Endnote_02
ZDFheute vom 25.12.2024: Strafanzeige gegen Polizei und Stadt Magdeburg.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/
magdeburg-anschlag-strafanzeige-polizei-100.html
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Endnote_03
540 Millionen Migranten wollen weg.
https://www.theeuropean.de/politik/wer-sind-die-guten-einwanderer
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Endnote_04
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/730190/
umfrage/migrationshintergrund-der-maenner-in-deutschland-nach-alter/
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Endnote_05
Welt.de vom 30.12.2023: Gut die Hälfte: Anteil junger Männer unter Asylbewerbern im Jahr 2023 gestiegen.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article249288500/
Asyl-Anteil-junger-Maenner-unter-Bewerbern-im-Jahr-2023-gestiegen.html
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Endnote_06
Aktuelle Stunde vom 10.4.2024: Ursachen und Konse­quenzen der steigenden Kriminalität.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/
kw15-de-aktuelle-stunde-kriminalstatistik-997392
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Endnote_07
Weltwoche vom 29.12.2024: «Wir sollten uns nicht auf die Amerikaner verlassen»: Gerhard Schröder über den Krieg, Europa und sein Leben in der Politik. Interview mit Gerhard Schröder: Minute 55 ff:
https://weltwoche.ch/daily/wir-sollten-uns-nicht-auf-die-amerikaner-verlassen-
gerhard-schroeder-ueber-den-krieg-europa-und-sein-leben-in-der-politik/
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Endnote_08
BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93
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Endnote_09
Ausgangspunkt im Tatsächlichen: BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04
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Endnote_10
Anforderungen an Ermächtigungen zum Zweck der Verhütung von Straftaten: BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 - 1 BvR 966/09
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Endnote_11
Durchsuchungsbegriff: BVerwG, Urteil vom 25.08.2004 – 6 C 27.03
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Endnote_12
Erhöhte abstrakte Gefahr bei Durchsuchungen zur Identitätsfeststellung: Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 7. Februar 2006 - Aktenzeichen: Vf. 69-VI-04
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Endnote_13
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: BVerfG, Beschluss vom 15.12.1965 - 1 BvR 513/65
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Endnote_14
Geeignetheit: BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 und BVR 2449/21
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Endnote_15
Objektformel: BVerfG. Beschluss vom 20.Februar 2009 - 1 BvR 2266/04 und 1 BvR 2620/05
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Endnote_16
Subjektqualität: BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2010 - 1 BvR 369/04 - 1 BvR 370/04 - 1 BvR 371/04
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Endnote_17
Intergenerational Solidarity Index Overview 2020:
https://www.romankrznaric.com/good-ancestor/
intergenerational-solidarity-index
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Endnote_18
Franklin Delano Roosevelt’s First Inauguration, 1933:
https://avalon.law.yale.edu/20th_century/froos1.asp
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