Das Grundrecht auf Sicherheit –
Teil I
Inhaltsverzeichnis:
01 Das
Grundrecht auf Sicherheit 02 Die
Fürstenpredigt 03 Was heißt Demokratie?
04 Gut zwei Monate Wirklichkeitswahn 05
Die Flüchtlingskrise 06 Was
zerstört eine Demokratie? 07 Angst vor
Überfremdung 08 Angst vor dem Verlust
nationaler Identität 09 Nationale Identität
10 Europäische Identität 11
Identität des Weltbürgers 12 Werte sind
sich verändernde Ideale 13 Moralisieren
kann nicht richtig sein 14 Die Faktizität
von Zeitenwenden 15 Quellen
01
Das Grundrecht auf Sicherheit
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Bereits 1982 hat der
Staatsrechtler Josef Isensee seinem Vortrag, den er am 24.
November 1982 vor der Berliner juristischen Gesellschaft
gehalten hat, die Überschrift „Das Grundrecht auf Sicherheit“
gegeben.
Die von ihm vorgetragenen
Ansichten von Thomas Hobbes (1588 bis 1679) und John Locke (1632
bis 1704) möchte ich hier nur in wenigen Sätzen zusammenfassen.
Während Thomas Hobbes den Staat als einen Leviathan verstand,
dessen Macht jeder anderen Gewalt überlegen war und somit die
Gewähr dafür bot, den Krieg aller gegen alle tatsächlich beenden
zu können, machte John Locke den
Staats-Leviathan
sozusagen selbst zum Gegenstand der Furcht des Einzelnen, denn
der Hüter der Sicherheit erschien Locke als die eigentliche
Bedrohung. Ein Menschenalter später, heißt es dann in dem
politischen Testament des Preußenkönigs Friedrich der Große, aus
dem Jahr 1768, wie folgt:
Friedrich der Große: Die
Gesetze sollen allein regieren, und die Pflicht des Souveräns
beschränkt sich darauf, sie zu schützen. Sicherheit für Vermögen
und Besitzungen ist die Grundlage jeder Gesellschaft und einer
guten Regierung. Dieses Gesetz gilt für den Souverän wie für den
letzten Untertan; ersterer muss darüber wachen, dass es befolgt
wird und mit der größten Strenge die Beamten bestrafen, die
dagegen verstoßen [En01].
Am 24. Mai 1949
trat das Grundgesetz in Kraft.
Ein Grundrecht auf
Sicherheit enthält das Grundgesetz nicht, obwohl bei den
Beratungen des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat darüber
debattiert wurden. Das Grundrecht des Artikels 2 Absatz 2 GG
lautete nämlich in seiner ersten Fassung wie folgt:
Jeder hat
das Recht auf Leben, auf Freiheit und Sicherheit der Person.
Es erhob
sich jedoch Kritik, weil die Sprachfigur Sicherheit einfach zu
unbestimmt sei. Aus diesem Grunde wurde das Wort Sicherheit
gestrichen.
Wie aber
sieht es mit der Verpflichtung des deutschen Staates aus, seine
Bürger schützen zu müssen:
Festzustellen ist, dass das Bundesverfassungsgericht von einer
Schutzverpflichtung des Staates gegenüber seinen Bürgern ausgeht
und diesen sogar Verfassungsrang einräumt. Im Zusammenhang mit
den staatlichen Schutzpflichten, die sich aus den Folgen des
Klimawandels ergeben können, heißt es diesbezüglich in einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 wie
folgt:
BVerfG 2021:
Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des
Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor
den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine
objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf
künftige Generationen begründen
[En02].
Natürlich gehört es auch zu den Mindeststandards des
internationalen Fremdenrechts, dass der deutsche Staat die Ausländer, die
sich in seinem Gebiet aufhalten, gegen Angriffe auf Leib, Leben
und Eigentum schützt. Das Grundgesetz kennt diese allgemeine
Regel des Völkerrechts an und erklärt sie zum Bestandteil des
Bundesrechts, siehe Artikel 25 GG.
Art
25 GG Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind
Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und
erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des
Bundesgebietes.
Die
Schutzpflicht des Staates besteht in zweifacher Hinsicht. Auf
der einen Seite besteht sie darin, dass der Staat die
Grundrechte des Einzelnen achtet, was als
status
negativus
bezeichnet wird.
Anders ausgedrückt: Der Einzelne
kann seine
Angelegenheiten
ohne Eingriffe des Staates regeln, also ohne Bevormundung des
Staates. In diesem Sinne werden seine Grundrechte als
Abwehrrechte verstanden, um bestimmte Freiheiten oder
Rechtsgüter gegen staatliche Eingriffe, Einschränkungen,
Beschränkungen oder Verletzungen zu schützen.
Auf der
anderen Seite handelt es sich aber auch um eine staatliche
Schutzpflicht, auch als
status positivus
bezeichnet, womit Leistungsansprüche gegen den Staat gemeint
sind.
Dennoch:
Trotz
aller bestehenden Schutzpflichten .... das unvermeidliche
Restrisiko lässt sich nicht beseitigen.
Josef Isensee:
Die grundrechtlichen Schutzpflichten sind nicht auf totale
Sicherheit angelegt. Totale Sicherheit wird allenfalls in
totalen Staaten angestrebt, aber nicht einmal er kann sie
erreichen. Der freiheitliche Staat hat weder die Macht, noch das
Recht, in allen gesellschaftlichen und privaten Bereichen
präsent zu sein, um bei jeder möglichen Gefahr bereitzustehen.
Die Allgegenwart des staatlichen Sicherheitsgaranten ist sowieso
mangels Verwaltungskapazität nicht realisierbar. Der
verfassungsrechtliche Sicherheitszweck stößt auf Gegenprinzipien
der Verfassung
[En03].
An
anderer Stelle heißt es:
Die
grundrechtlichen Schutzpflichten geben dem Staat nicht das
Recht, dem Einzelnen den Schutz aufzunötigen, das private und
berufliche Leben einer polizeilichen Betreuung zu unterwerfen
und so eine fürsorgliche Polizeistaatlichkeit aufzubauen
[En04].
Und
wo stehen wir heute?
Unsere
Sicherheit ist auf vielfältige Art und Weise bedroht, durch den
Klimawandel, durch den Terrorismus, durch Kriege, durch
drohenden wirtschaftlichen Abstieg, durch den Verlust von
Identität, durch eine ansteigende Kriminalität, Messerangriffe
und andere Ereignisse, die den Ruf nach einem starken Staat
lauter und eindringlicher werden lassen.
Kurzum:
Durch ein sich schnell verbreitendes Gefühl von Angst und der
damit einhergehenden Forderung an den Staat, sich darum zu
kümmern, dafür Sorge zu tragen, dass diesem Gefühl von Angst mit
angemessenen Mitteln begegnet wird.
02 Die Fürstenpredigt
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Vielleicht
ist es ja wieder an der Zeit, sich an die Fürstenpredigt zu
erinnern, die der Theologe Thomas Müntzer am 12. Juli 1524 auf
Schloss
Allstedt,
also vor gut 500 Jahren, gehalten hat. Auch damals fand eine
Zeitenwende statt, die mit großen Ängsten und tiefgreifenden
gesellschaftlichen Veränderungen verbunden war.
Auch wenn die
Bauern vergeblich von 1524 bis 1526 dem Adel den Krieg erklärten
und am Ende gut 70 000 Bauern in den so genannten Bauernkriegen
ihr Leben verloren, weil die Reaktionen des Adels, der Herren
dieser Welt, sehr grausam waren, konnte diese Katastrophe
dennoch nicht den Lauf der Geschichte aufhalten, auch wenn es
noch gut 250 Jahre dauern sollte, bis 1807 die Leibeigenschaft
in Preußen, während der Besatzungszeit durch den französischen
Herrscher Napoleon, abgeschafft wurde.
Die Fürstenpredigt
In
dieser Zeit des Umbruchs hielt Thomas Müntzer eine
bemerkenswerte Rede, deren Wortlaut ich zum Teil so verändert
habe, dass sie auch für die heutige Zeit durchaus aussagekräftig ist.
Thomas Müntzer 2024:
Heute sollte jeder wissen, dass der armen, elenden, zerfallenden
Demokratie weder zu
raten
noch zu helfen ist; es sei denn, dass sich die fleißigen,
unverdrossenen richtigen Demokraten täglich mit ihrer
Verteidigung beschäftigen, durch Ausgrenzung anderer Meinungen,
durch Demonstrationen gegen rechts und manchmal auch gegen links
und natürlich auch durch das Errichten von Brandmauern, auf
denen in großen Lettern geschrieben steht: Nazis raus. Wir
dulden keine Faschisten, keine Rassisten und auch keine
Sexisten.
All dies
geschieht in der gedichteten Heiligkeit, vervollständigt durch die
heuchlerischen Entschuldigen
rechtgläubiger Demokraten, die zwar vorgeben, jeglichen Hass zu
verabscheuen, sich aber dann doch nicht schämen, in Sprechchören
zu skandieren: Wir hassen die AfD!“, und damit doch nur zum
Ausdruck bringen wollen, dass ihre Sicht auf die Welt nicht
irren kann, wo ihre Wahrheit doch dazu geschaffen ist, den
Irrtum zu verhüten, und deshalb durch den richtigen Glauben
ständig erbaut und vom Irrtum frei erhalten bleiben muss.
Diese Gedanken wurden 1524 in einem anderen geschichtlichen
Hintergrund formuliert.
Thomas Müntzer 1524:
Und in der Apostelgeschichte hat Sankt Paulus mit klaren, hellen
Worten zu den Hirten der Schafe Gottes gesagt: Habt Achtung auf
euch selber und auf die ganze Herde, über die euch der Heilige
Geist zu Wächtern gesetzt hat, dass ihr die Gemeinde Gottes
weiden sollt, die er durch sein Blut erworben hat. Denn ich
weiß, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe unter euch kommen
werden, die die Herde nicht verschonen werden. Es werden auch
von euch selber Männer aufstehen, die da verkehrte Lehren reden
und die selbst Jünger nach sich ziehen. Darum seht auf!
Thomas Müntzer 2024:
Ihr teuren Brüder, wenn wir aus diesem Unflat herauskommen und
rechte Demokraten bleiben wollen, so wird uns eine große,
mächtige Stärke vonnöten sein, die uns von oben hernieder
verliehen werde, solch unaussprechliche Bosheit zu strafen und
zu schwächen, wie das durch die Feinde der Regenbogenfahne
zurzeit geschieht. Das ist die allerklarste Weisheit Gottes,
welche allein aus der reinen umgedichteten Wahrheit unseres
Demokratieverständnisses entsprießet. Diese allein muss uns mit
gewaltiger Hand wappnen zur Rache wider die Feinde unserer
Demokratie. Da gibt es gar kein Entschuldigen mit menschlichen
oder vernünftigen Argumenten, denn die Gestalt unserer Wahrheit
ist über alle Maßen schön.
Wie dem auch immer sei.
Schon vor 500 Jahren beklagte sich Thomas Müntzer (ca.
1489-1525) darüber, dass die Verantwortung tragenden Fürsten
endlich wieder für Ordnung zu sorgen hätten.
Thomas Müntzer 1524:
Also, ihr teuren Fürsten, ist not, dass wir den allerhöchsten
Fleiß darauf verwenden, solchem hinterlistigen Übel derjenigen
zu begegnen, die nicht so denken wie wir. Denn die Zeit ist
jetzt gefährlich, und die Tage sind böse. Warum? Allein darum,
dass die edle Kraft unserer Wahrheit so gar jämmerlich
geschändet und verunehrt wird, so dass die armen groben Menschen
durch die geistlosen Populisten verführt werden mit großem
Geplauder.
Thomas Müntzer 2024:
Der auserwählte Mensch, also
die richtigen Demokraten, werden es sein, die dafür sorgen
werden, dass nicht ein
Stüppelein
von dem, was wir heute als die beste Demokratie bezeichnen, die
Deutschland jemals hatte, verloren geht, denn diese Demokratie
muss, so wie sie ist, tapfer verteidigt und im Rahmen des
menschlich Möglichen in unserem Sinne verbessert werden.
Und wie
ist es mit den Experten von heute, die vorgeben unsere
Demokratie mit ihrer Klugheit regieren zu wollen, das aber auch
nicht können? Sie ähneln den Politikern. Darum muss ein neuer
Daniel aufstehen und euch eure Offenbarung auslegen, und der
muss vorn, wie Moses lehrt, an der Spitze gehen. Er muss die
Ignoranz der Fürsten und des ergrimmten Volks versöhnen können.
Und was die Fürsten anbelangt: Wollt ihr nun rechte Regenten
sein, so müsst ihr das Regiment bei der Wurzel anpacken und wie
es Christus befohlen hat. »Ein jeglicher Baum, der nicht gute
Früchte trägt, soll ausgerodet und ins Feuer geworfen werden.«
Darum sind alle Winkel voll von eitelen Heuchlern, unter denen
keiner so kühn ist, dass er die rechte Wahrheit sagen könnte.
Ausgenommen davon sind natürlich wir, die guten und
rechtgläubigen Demokraten.
03 Was heißt Demokratie?
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Bei
allen Demokratien der Neuzeit handelt es sich um so genannte
repräsentative Demokratien, deren Legitimation sich daraus
ergibt, dass die Vertreter des Volkes durch Wahlen für die Dauer
einer Legislaturperiode gewählt werden.
Mit anderen Worten:
Lediglich am Wahltag besteht für das Wahlvolk, gemeint ist der
Volkssouverän, die Möglichkeit, einen direkten Einfluss auf das
politische Geschehen nehmen zu können, soweit keine
direktdemokratischen Elemente wie Volksentscheide oder
Volksbegehren dem Wahlvolk die Möglichkeit geben, Einfluss auf
die Gestaltungsmöglichkeiten derjenigen Funktionsorgane nehmen
zu können, die in einer repräsentativen Demokratie für das
Funktionieren einer Demokratie unverzichtbar sind, gemeint sind
die Legislative und die Exekutive. Auf die Judikative kann das
Wahlvolk keinen Einfluss nehmen.
Wie dem
auch immer sei: Es ist hier nicht die Absicht, Ausführungen dazu
zu machen, wie eine repräsentative Demokratie funktioniert.
Weitaus wichtiger zum Verstehen, wie eine Demokratie wächst und
vergeht, dürfte nach der hier vertretenen Sicht der Dinge die
erlebte Zeit im Hier und Heute sein, die aber ohne die gemachten
Erfahrungen in der Vergangenheit nicht hätte entstehen können,
denn nichts kommt aus dem Nichts.
Aber wo
liegen die Anfänge der Demokratie von heute? Etwa in der Stunde
Null, die auf den 7. Mai 1945 datiert wird, als Generaloberst
Jodl die bedingungslose Kapitulation Deutschlands im
Hauptquartier der alliierten Streitkräfte in Reims unterschrieb,
die dann am Tag darauf, also am 8. Mai 1945 in Kraft trat und
seitdem als Tag der Befreiung bezeichnet wird?
Schon
1949, als es darum ging, das Grundgesetz zu verabschieden, hieß
es im Parlamentarischen Rat: „Nie wieder Weimar!“, gefolgt von
der Überzeugung: „Nie wieder Krieg!“, ein Versprechen, das heute
zunehmend an Bedeutung verliert, denn heute geht es wieder
darum, Deutschland kriegstüchtig werden zu lassen.
Zurück
in die Anfangsjahre der jungen Bundesrepublik, in der sich mit
Beginn der 1950er Jahre sozusagen ein Wirtschaftswunder
ereignete, deren Ende sich aber bereits in den 1970er Jahren
abzuzeichnen beginnr, in der Studentenrevolten füe Unruhe sorgen und ein
bemerkenswerter Satz von Willy Brand anlässlich seiner
Regierungserklärung am 28. Oktober 1969 im Deutschen Bundestag
folgenden Appell enthält: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“.
Dennoch: Ein Satz ist nicht dazu in der Lage, die
Wirklichkeit zu verändern, zumindest nicht in einer Zeit, in der
das Ende der goldenen Jahre (1974 bis 1982) erlebt werden konnten
und in der die „Grüne Bewegung“ sich am 12./13. Januar 1980 in
Karlsruhe zur Partei Bündnis 90/Die
Grünen zusammenfindet, deren inhaltlicher Schwerpunkt auch
heute noch in der Umweltpolitik liegt, und deren Leitgedanken
sich mit wenigen Wörtern zusammenfassen lässt: ökologisch,
ökonomisch und soziale Nachhaltigkeit.
Von 1982
bis 1990 machte die bundesdeutsche Republik einen durchaus
selbstvergessenen Eindruck, denn in dieser Zeit ging es um eine
geistig-moralische Wende, um Parteienherrschaft und
Parteienmissbrauch und natürlich auch um Fragen, die bereits vor
dem Mauerfall diskutiert wurden, nämlich darum, dass es
vorrangiges Ziel deutscher Politik zu sein habe, dafür zu
sorgen, dass die DDR sich zu einer Demokratie entwickeln könne
und es nicht die Einheit sei, die es vorrangig anzustreben
gelte.
Es sollte aber anders kommen, denn die Stimme des Volkes
(Wir sind das Volk!)
sorgte
- in Verbindung mit einer Fehlinterpretation einer Entscheidung
des Politbüros durch dessen Mitglied Günter Schabowski - dafür,
dass sich die Mauer am 9. November 1989 öffnete.
Was dann
folgte, das lässt sich nur als ein Sieg der „Tempokratie“
beschreiben. Alles musste jetzt sehr schnell gehen. Der
Einigungsvertrag. Der Verzicht auf die Einberufung einer
Nationalversammlung, um das Provisorium Grundgesetz nunmehr
durch eine echte Verfassung zu ersetzen. In Westdeutschland
wollte das aber niemand, denn dort herrschte die Annahme vor, dass
die im Osten der Bonner Republik beitreten wollten.
Anders
ausgedrückt: Die von Helmut Kohl (1930 bis 2017) in Abstimmung mit Michail
Gorbatschow (1931–2022), dem Staatspräsidenten der damals noch
existierenden Sowjetunion, ermöglichte Wiedervereinigung
Deutschlands, erzeugte nämlich nicht nur Grund zum Jubeln, sondern
bedurfte auch der Feststellung, dass Kohls Republik zum Kraftakt
einer wirklichen Wiedervereinigung nicht bereit war, trotz aller
Versprechen, blühende Landschaften im Osten zu schaffen,
verbunden mit dem Schönreden im Westen, dass dieser Beitritt
wirtschaftlich problemlos zu meistern sei, zumal die
wiedervereinigten 18 Millionen Neubürger ja letztendlich auch
Konsumenten seien und diesbezüglich viel Nachholbedarf hätten.
Gerhard Schröders Kanzlerschaft:
Gerhard
Schröder (SPD), Kanzler der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von
1998 bis 2005. Er hat es geschafft. Der Sohn einer
alleinerziehenden Kriegerwitwe und Putzfrau ist ganz oben
angekommen, aus eigener Kraft. Und trotz alledem wird seine
zweite Kanzlerschaft die seit Adenauer erfolgreichste für
Deutschland sein.
Auch wenn er dafür abgewählt werden wird.
-
Riester-Rente:
Die Riester-Rente
erblickt das Licht der Welt. Damals als eine
sozialpolitische Errungenschaft gelobt, einem Versprechen,
das aber heute wohl kaum noch Hoffnungen auszulösen vermag,
denn von den ehemals 20 Millionen Riester-Verträgen ist in
den vergangenen Jahren, so heißt es in einer Meldung des
Mitteldeutschen Rundfunks im September 2024, fast jeder
vierte Riester-Vertrag wieder gekündigt worden – obwohl das
mit Verlusten verbunden ist [En05].
-
Agenda 2010:
Ziel dieser Agenda war es, einen außer Kontrolle geratenen
Sozialstaat sozusagen wieder einzufrieden. Das sollte
dadurch bewerkstelligt werden, indem die Ansprüche an den
Staat begrenzt wurden. Grund dafür ist, dass die Kranken- und
Rentenkassen zunehmend überfordert wareb, die Gesellschaft
altert und zugleich der Anteil derjenigen wächst, die nichts
in die Sozialkassen einzahlen. Daran hat sich bei heute
nichts geändert.
Im
Zusammenspiel mit anderen Problemen, mit denen die deutsche
Demokratie konfrontiert ist, befürchtet Gerhard Schröder bereits
2005, die verbleibende Amtszeit seiner knapp noch 18 Monate bis
zum regulären Wahltermin nicht mehr durchstehen zu können.
Vertrauensfrage 2005:
Um
sein Ziel, Neuwahlen zu erreichen, stellte Gerhard Schröder am
1. Juli 2005 im Deutschen Bundestag zum zweiten Mal die
Vertrauensfrage in seiner Amtszeit. Damit ist er der einzige
Regierungschef in der bundesdeutschen Geschichte, der gleich
zweimal von diesem Instrument Gebrauch gemacht hat.
Neuwahlen, so die Argumentation von Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) damals, ist ein „Gebot der Fairness“.
Ende
der rot-grünen Ära:
Nach drei Wochen eingehender Prüfung gab Bundespräsident Horst
Köhler schließlich am 21. Juli 2005 in einer Fernsehansprache
seinen Entschluss bekannt:
Bundespräsident Horst Köhler:
Ich habe den Bundestag aufgelöst und Neuwahlen für den 18.
September 2005 angesetzt.“ Der Kanzler habe deutlich gemacht,
„dass er mit Blick auf die knappen Mehrheitsverhältnisse keine
stetige und verlässliche Basis für seine Politik mehr sieht“, so
die Begründung Köhlers. Schröder hatte sein Ziel erreicht
[En06].
04 Gut zwei Monate Wirklichkeitswahn
TOP
2005
ging die Bundestagswahl so knapp aus, CDU 35,2 % und SPD 34,2 %,
dass in den knapp zwei Monaten, die darauf folgten, ein
Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der SPD ausgehandelt
wurde, den man getrost als ein Lehrstück dafür ansehen kann, wie
leicht es auch für eine Demokratie ist, sozusagen auf den Hund
zu kommen, wenn es nur darum geht, an die Macht zu kommen, wurde
damit unter Beweis gestellt.
Anders
ausgedrückt: 2005 wäre wohl niemand auf den Gedanken gekommen,
die neu gewählte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für mehr,
als um eine bloße Figur des Übergangs zu halten, auch wenn sie
nicht müde wurde, sich mit der Macht des Wortes für mehr
Gemeinsamkeit einzusetzen und beteuerte, dass sie an dieses
Land, gemeint ist die Bundesrepublik Deutschland und an die dort
lebenden Menschen und an deren Kraft glaube.
Dennoch: Die Steuern
wurden erhöht, gemeint ist die Mehrwertsteuer und die
Unternehmenssteuer wurde gesenkt, als Ausgleich dafür, wurde das
Renteneintrittsalter auf 67 angehoben.
Kurzum: Aus dem
Aufschwung für alle wurde nichts. Die Volksparteien hatten sich
sozusagen erschöpft, zumal in der Bankenkrise, die im April 2007
auch Deutschland erreichte, es vorrangige Aufgabe des Staates
war, die Banken zu retten. Im Gegenzug dazu wurde den Sparern
vermittelt, dass die Spareinlagen sicher sind.
Was dann
folgte, das war die Eurokrise, wodurch das Zerbrechen des
gemeinsamen Währungsraums sozusagen in greifbare Nähe rückte. Wie dem auch
immer sei: Im Mai 2010 stimmten die Abgeordneten des Deutschen
Bundestages dem Gesetz zur Eurostabilisierung und damit dem
Euro-Rettungsschirm zu, der dann bereits zwei Jahre später, im
März 2021, um weitere 800 Milliarden Euro erhöht werden musste.
AfD seit 2017: Bei
soviel Europakrise vermag es nicht zu verwundern, dass bereits
drei Jahre zuvor, am 6. Februar 2013 in Oberursel bei Frankfurt,
die AfD als europaskeptische, wirtschaftsliberale und
nationalliberale Partei gegründet wurde, die dann, vier Jahre
später, anlässlich der Bundestagswahlen im September 2017, mit
12,6 Prozent drittstärkste Kraft und nach der Regierungsbildung
größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag wurde.
Und wenn
heute die Volksparteien gefragt werden, wovor sie die meiste
Angst haben, dann ist das die AfD.
Wie dem auch immer sei:
Festzustellen ist, dass sich nicht nur die Elite der
Berufspolitiker, sondern insgesamt die Demokratie in Deutschland
bereits zu diesem Zeitpunkt in einem beklagenswerten Zustand
befand, denn die ehemaligen Volksparteien befanden sich
sozusagen in einem Erosionsprozess, denn die Abgeordneten im
Deutschen Bundestag hatten nicht ihrem Gewissen, wie das die
Verfassung eigentlich vorsieht, zu folgen, sondern sie wurden
sozusagen Angestellte der Fraktionen, die von ihren Abgeordneten
Fraktionsdisziplin einforderten.
Für diese Erosion der
Parteiendemokratie hat Colin Crouch den Begriff Postdemokratie
geprägt, also eine Demokratie, die nach der Demokratie vor
dieser Zeit zwar
weiterhin als Demokratie bezeichnet wird, aber keine mehr ist.
Diesen Prozess in eine andere Demokratie beschreibt Colin Crouch
wie folgt: Es sind nicht mehr die Abgeordneten, die dem
Staatsvolk verpflichtet sind, sondern die Parteien, die ihrem
Wahlvolk verpflichtet sind und es sind auch nicht mehr die
Nationalstaaten Europas, sondern die Machteliten der
Europäischen Union, die lediglich noch den Anschein bewahren,
dass alles demokratisch zugeht, obwohl bereits alle politischen
Machteliten wissen, dass es nicht die Staaten, sondern die
Konzernriesen sind, die bestimmen, in was für eine Richtung hin
sich Politik zu entwickeln hat.
Colin Crouch:
Die Demokratie hat schlicht
und einfach nicht Schritt halten können mit der globalen
Ausbreitung des Kapitalismus. Das Höchste, das sie erreicht hat,
sind Zusammenschlüsse von Staaten, aber selbst die mit Abstand
wichtigste Vereinigung, die Europäische Union (EU), ist
verglichen mit den gewandten Konzernriesen ein tapsiger Zwerg
und überdies zwar bei weitem demokratischer als andere
Staatenbünde, aber für sich genommen auch nicht besonders
demokratisch
[En07].
An
anderer Stelle heißt es:
Colin Crouch:
Eine Demokratie gedeiht, wenn die Mehrzahl der gewöhnlichen
Bürger über hinreichende Möglichkeiten verfügen, die
Tagesordnung öffentlicher Debatten mitzubestimmen, sei es über
Diskussionen oder eigenständige Organisationen, und wenn sie
diese Möglichkeiten auch aktiv nutzen. Das ist ein hoher
Anspruch, ein idealtypisches Modell, das sich nie vollkommen
verwirklichen lässt
[En08].
Dass der
Wähler heute nur noch an Wahltagen gefragt wird, daran hat sich
das deutsche Wahlvolk gewöhnt, und auch wenn die Präsidentin des
Deutschen Bundestages Bärbel Bas (SPD) in ihrem Statement zur
75. Jahresfeier des Deutschen Bundestages den Eindruck
vermitteln möchte, dass es um die bundesdeutsche Demokratie sehr
gut bestellt ist, vermag sie dennoch nicht zu überzeugen, denn der
Deutsche Bundestag ist schon längst nicht mehr die Herzkammer
der bundesdeutschen Demokratie.
Videobotschaft der Bundestagspräsidentin
Bärbel Bas zur 75. Jahresfeier des
Deutschen Bundestags.
Erinnert
sei nur an die Verweigerung eines Schuldenschnitts an
Griechenland.
Colin Crouch:
Den Wählern in Deutschland wurde nicht einmal deutlich gesagt,
dass man mit den „Hilfen“ für Griechenland tatsächlich die
deutschen Banken rettete, als ihre eigenen Ersparnisse. Viele
Deutsche glaubten lieber, dass es die „faulen Griechen“ seien,
die ihre Hilfe benötigten
[En09].
Wie dem auch immer sei:
Unter einer Sicherheit
suggerierenden Sprachfigur, gemeint ist der Rettungsschirm,
wurde Griechenland Kredite in Höhe von 80 Milliarden Euro
gewährt. Heute endet das dritte Hilfsprogramm für Griechenland.
Acht Jahre später hatte das hoch verschuldete Land die Folgen
der so genannten Austeritätspolitik der Geldgeber zu erleiden.
Das Ergebnis: Griechenlands Gläubiger vertrauen weder dieser
Regierung noch der
nächsten,
so heißt es auf
Focus.de
vom 20.08.2018.
05 Die Flüchtlingskrise
TOP
„Wir
schaffen das!“ Keine Entscheidung in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, nicht einmal die Wiedervereinigung,
hat einen so tiefen Graben in die Gesellschaft getrieben, und
keine hat Deutschland in Europa so isoliert, wie die Öffnung der
Grenzen.
Es war die Nacht vom 4. auf den 5. September 2015, als
das Unheil mit der Nicht-Schließung der deutschen Grenzen durch
Angela Merkel (CDU) seinen Lauf nahm. Es war die Nacht, die
Deutschland ins Chaos der illegalen Masseneinwanderung stürzen
sollte. Unter den Folgen der unkontrollierten Einwanderung, die
auch heute noch kein Ende gefunden hat, leidet Deutschland seit
nunmehr 9 Jahren, denn die Folgen der unkontrollierten
Einwanderung belasten die bundesdeutsche Gesellschaft nicht nur in
ihrem Selbstverständnis als Konsensrepublik, sondern auch
kulturell.
Wie dem auch immer sei:
Sogar im Ausland machte man
sich über die neue deutsche Weltrettungsanmaßung lustig.
Das
hinderte die Deutschen nicht daran, sich selbst zu feiern. Diese
wohlwollende Zuneigung zu den Fremden führte sogar so weit, in
Deutschland geltendes Recht nicht mehr konsequent gegenüber
Einwanderern anzuwenden. Der Bund
Deutscher
Kriminalbeamter forderte sogar, illegale Einwanderung zu
entkriminalisieren, also begangene Rechtsverstöße zu dulden.
Andere, zum Beispiel der Hamburger Innensenator Till Steffen
(Grüne) stimmten dieser Forderung ebenfalls zu.
Offensichtlich
war diesen Stimmen entgangen, dass solch eine Missachtung
geltenden Rechts
bereits als ein deutliches Indiz für die Selbstaufgabe des
Staates anzusehen war und auch immer noch anzusehen ist, denn
Grundlegendes an dieser Praxis hat sich beim Umgang
mit Asylanten, Flüchtlingen und Migranten mit Bleibeduldung ja
bis heute noch nicht geändert, denn jedem Ausländer wird auch
heute noch die Einreise in die Bundesrepublik gewährt, wenn er
an der Grenze nur ein Wort sagt: Asyl.
Anders ausgedrückt:
9 Jahre Rechtsbruch. Wer es nicht glaubt, der wird im Internet
schnell fündig:
Spiegel.de vom
27.08.2015: Flüchtlinge
Kripogewerkschaft will illegale Einreise entkriminalisieren.
Sind Flüchtlinge Kriminelle? Nach deutschem Gesetz schon, denn
eine legale Einreise ist ihnen nicht möglich. Polizisten fordern
nun, die diskriminierende Praxis zu beenden
[En10].
Ein
weiteres Beispiel:
Focus.de vom
09.09.2015: Hamburgs
Justizsenator Till Steffen (Grüne) unterstützt den Vorschlag des
Bundes
Deutscher
Kriminalbeamter (BDK), den Tatbestand der illegalen Einreise bei
Flüchtlingen aufzuheben
[En11].
Es würde
diesen Aufsatz überfrachten, den illegalen Zuwachs durch
Einwanderer hier im Einzelnen zu erörtern. Die Probleme, die
sich aus der Masseneinwanderung ergeben haben, sind einfach zu
komplex und unüberschaubar, so dass es an dieser Stelle
ausreichen muss, einige der Hauptprobleme zu benennen, die sich
alle mit dem Wort Überforderung beschreiben lassen:
-
Überforderung der Sozialkassen
-
Überforderung der Kommunen
-
Überforderung der Schulen
-
Überforderung der Kitas
-
Überforderung des Gesundheitssystems
-
Überforderung der Sicherheitsbehörden
Nur die
Bundesregierung scheint nicht überfordert zu sein, obwohl
Zurückweisungen heute geboten sind. So auch Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD), der bereits im Oktober 2023 mehr Härte in der
Asylpolitik eingefordert hatte und deshalb Abschiebungen „im
großen Stil“ für unumgänglich hielt [En12].
Kurzum:
„Wir müssen schneller abschieben!“, so der Bundeskanzler.
Seitdem ist fast ein Jahr vergangen.
Immerhin:
Im August 2024 wurde es unter Inanspruchnahme ausländischer
Hilfe möglich, 2800 Afghanen nach Afghanistan abzuschieben,
versehen mit einem Überbrückungsgeld von jeweils 1000 Euro.
Zwischenzeitlich befinden sich die abgeschobenen Straftäter
wieder auf freien Fuß, erleichtert um die 1000 Euro Starthilfe,
denn die haben die Taliban den Freigelassenen abgenommen. Bei
den Verantwortlichen in Berlin bedankten sie sich für so viel
Dummheit.
Es
muss sich etwas ändern.
„Zurückweisungen
sind geboten!“ „Wir müssen unsere Grenzen schützen!“, so wird
der Staatsrechtler Hans-Jürgen Papier, der von 2002 bis zu
seinem Ausscheiden 2010 als Präsident dem
Bundesverfassungsgericht vorstand, am 07.09.2024 in den Medien
zitiert.
Tagesspiegel.de
vom 07.09.2024: „Jetzige
Praxis nicht zulässig“: Ex-Verfassungsrichter hält
Zurückweisungen an Grenzen für geboten. Es gebe keine
europarechtliche Regel, die über dem Paragrafen 18 des deutschen
Asylgesetzes stehe, sagt Hans-Jürgen Papier. Menschen aus
sicheren Drittstaaten sei daher die Einreise zu verweigern.
„Die
jetzige Praxis, die faktisch ein Zutrittsrecht für jeden
vorsieht, der das Wort Asyl ausspricht, halte ich für nicht
zulässig“
[En13].
Deutlicher lässt sich die Lebenslüge der rot-grünen Asylpolitik
wohl kaum zerstören. Die aber will immer noch nicht glauben, was
jedem, der des Lesens kundig ist, bereits seit Jahren im § 18
Abs. 2 Nr. 1 des Asylgesetzes selbst nachlesen kann.
§ 18
Aufgaben der Grenzbehörde (2) Dem Ausländer ist die
Einreise zu verweigern, wenn 1. er aus einem sicheren Drittstaat
(§ 26a) einreist.
§ 18 AsylG (Aufgaben der Grenzbehörde)
§ 26a AsylG (Sichere Drittstaaten)
Da die
Bundesrepublik nur von sicheren Drittstaaten umgeben ist, in
denen der Asylantrag zu stellen ist, wird geltendes Recht nur
dann korrekt angewendet, wenn um Asyl in Deutschland ersuchende
Ausländer an der Grenze zurückgewiesen werden.
Das
steht im Übrigen so auch im Grundgesetz, denn der Artikel 16a
wurde 1993 genau zu diesem Zweck in das Grundgesetz aufgenommen,
die Einreise aus sicheren Drittstaaten auszuschließend.
Die 280
Wörter umfassende Änderung des Grundgesetzes, die 1993 neu ins
Grundgesetz eingefügt wurden, machen im Übrigen mehr als
deutlich, zu welchem Zweck das Asylrecht geändert wurde, denn in
der Urfassung des Grundgesetzes nimmt das Asylrecht nur einen
Satz ein.
Dieser
Satz hat folgenden Wortlaut:
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
Diesen
Satz wird man heute vergeblich im Artikel 16 des Grundgesetzes
von heute finden. Er steht zwar im Satz 1 des Artikels 16a des
Grundgesetzes von heute, dieser Satz ist aber an den vielen
folgenden Sätzen zu messen.
Artikel 16a Grundgesetz
Trotz
dieser klaren Rechtslage wird an deutschen Grenzen anders
verfahren, denn jeder, der das Wort „Asyl“ sagt, wird
eingelassen.
Warum?
Im Raum
steht nämlich, ob sich Deutschland übrhaupt auf eine Notlage berufen
kann, um dauerhaft Grenzkontrollen rechtfertigen zu können.
Begründet werden könnte solch eine Notlage möglicherweise dadurch, dass die
Integrationsfähigkeit Deutschlands ausgeschöpft ist, denn die in
den letzten Jahren zu uns gekommenen Migranten haben nicht nur
das Gesundheitssystem, sondern auch die Bildung, die Kitas, die
Schulen und natürlich auch die Sozialsysteme, den Wohnungsbau
eingeschlossen, bis an den Rand des noch Leistbaren gebracht.
Ob der
Gerichtshof der Europäischen Union dieser Argumentation folgen
wird, bleibt abzuwarten. Gleiches gilt wohl auch für die Bundesregierung,
die ja letztendlich einschränkende Maßnahmen anordnen muss. Und
das wird nicht einfach zu bewerkstelligen sein, denn vor allem die Fraktion der Grünen tut sich schwer,
denn ihre offizielle Linie geht davon aus, dass nicht nur das
Grundgesetz, sondern auch internationale Verträge eingehalten
werden und somit einschränkenden Maßnahmen entgegenstehen.
Dass solche
Vorbehalte gegen dauerhaft einzurichtende Kontrollen an den
deutschen Grenzen geltend gemacht werden können, heißt aber noch
längst nicht, dass diese dadurch gegen geltendes Recht verstoßen
würden.
Zumindest der frühere Präsident des
Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält dieses stets
wiederholte Argument, das Europarecht Zurückweisungen
nicht zulasse, für ideologisch motivierte Ansichten gehalten. Diesbezüglich wird
Hans-Jürgen Papier in einem Artikel der Onlineausgabe der
Neuen
Züricher Zeitung vom 9.9.2024 wie folgt zitiert:
NZZ.ch vom 9.9.2024:
„Es gibt zwar einen Anwendungsvorrang für Europarecht gegenüber
deutschem Recht, auch deutschem Verfassungsrecht, aber auch
dieser hat Grenzen“, erklärt der 81-Jährige. EU-Recht dürfe das
nationale Recht nicht aushöhlen. „Die Übertragung von
Hoheitsrechten auf die Europäische Union stösst auf
verfassungsrechtliche Integrationsschranken.“ EU-Rechtsakte,
aber auch Rechtsprechungsakte europäischer Gerichte dürften
nicht wesentliche Strukturen des Grundgesetzes aushöhlen, die
für die Identität der Verfassung ausschlaggebend seien oder sie
prägten. „Das hat auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder
hervorgehoben“, betont Papier und führt aus: „Deutschland kann
in meinen Augen europarechtlich nicht gezwungen werden, jeder
Person auf der Welt, die an seinen Grenzen angibt, Asyl
beantragen zu wollen, die Einreise zu gewähren. Das würde den
Kernbereich der staatlichen Souveränität Deutschlands antasten“.
[En14].
06 Was zerstört eine Demokratie?
TOP
Dazu gehört auch das Errichten von Brandmauern, womit zum
Ausdruck gebracht werden soll, dass sich hinter diesen
Brandmauern das so genannte Böse befindet, vor dem sich die
Guten schützen müssen, indem den Ewig-Gestrigen durch
Brandmauern sozusagen der Zugang zum Heiligen Land verwehrt
werden soll.
Die hinter dieser Brandmauer sich befindenden politischen Kräfte
stört das nicht. Im Gegenteil, die freuen sich über den Zulauf
von Wählerinnen und Wählern, weil die Errichter solcher
Brandmauern das einfach nicht verhindern können, obwohl es sich
bei den Bösen ja um erklärte Nazis, Faschisten, gesichert
rechtsextreme Personen, auf jeden Fall aber um dem rechten Lager
zugehörigen Pöbel handelt, mit denen zu sprechen, allein schon
der moralisch hohe demokratische Anspruch rechtgläubiger
Demokraten zu verhindern weiß.
07 Angst vor Überfremdung
TOP
Im
September 2024 steht das Thema Flüchtlinge/Asyl/Migration ganz
oben auf der politischen Tagesordnung. Grund dafür sind nicht
nur die tagespolitischen Ereignisse einer außer Kontrolle zu
geraten Migrationspolitik, sondern auch
Umfrageergebnisse, denen entnommen werden kann, das 71 Prozent
der Befragten Deutschland an der Obergrenze ihrer
Belastungsfähigkeit sehen.
ZDF-Politbarometer:
Das Thema Flüchtlinge/Asyl/Migration dominiert mit 45 Prozent
(August: 27 Prozent) mittlerweile eindeutig die innenpolitische
Diskussion. Eine deutliche Mehrheit von 71 Prozent ist der
Meinung, dass wir in Deutschland die vielen Flüchtlinge aus
Krisengebieten nicht mehr verkraften können, nur 27 Prozent sind
da optimistisch. Im März meinten noch 42 Prozent, dass wir das
verkraften können, und 55 Prozent waren skeptisch
[En15].
Wie weit
die Standpunkte, die die Migration betreffen, voneinander
entfernt sind, das soll an zwei Beispielen aufgezeigt werden.
Beispiel 1:
Anfang September 2024 hat Wiens Erzbischof Christoph
Schönborn
im Interview mit der französischen Zeitung
Famille
Chrétienne
gesagt, dass wir den Niedergang Europas akzeptieren müssen,
hinzugefügt hat der Erzbischof aber auch den folgenden Satz:
Europa mag erneut im Niedergang begriffen sein – doch die
Antwort der Stunde lautet nicht, dies zu akzeptieren, sondern
aktiv dagegen vorzugehen!
[En16]
Dieser
letzte, nach meiner Lesart bedeutsamere Satz in dem oben
genannten Interview, wird auf
Tagespost.de
vom 5.9.2024 jedoch nicht zitiert. In dieser Meldung dominiert
der von mir fett hervorgehobene Satz. Zur Verwirrung des
Normallesers trägt auch die Überschrift des Artikels bei, die im
Folgenden zitiert wird:
Schönborn: „Fiducia Supplicans“ zeigt Hilflosigkeit der Kirche.
Wenn es
Sie interessiert, was „Fiducia Supplicans“ bedeutet, dann können
Sie die die dafür erforderlichen Informationen, über den folgenden Link
aufrufen:
Fiducia Supplicans
Tagespost.de
vom 05.09.2024: Segnungen
homosexueller Paare, Tridentinische Messe, Islam in Europa,
Missbrauchsskandale: Im Sommerinterview mit der französischen
Wochenzeitung „Famille Chrétienne“ hat sich der Wiener
Erzbischof Christoph
Schönborn
zu den aktuellen Herausforderungen der Kirche in Europa
geäußert. Bedingt durch den Geburtenrückgang in Europa, die
Einwanderung und die zunehmende Präsenz des Islams werde die
europäische Bevölkerung in zwanzig Jahren nicht mehr dieselbe
sein wie heute, erklärte der Kardinal gegenüber Chefredakteur
Antoine-Marie
Izoard.
„Wir müssen den Niedergang Europas akzeptieren“,
so Schönborn wörtlich. Dies stelle auch Christen vor neue
Anforderungen
[En17].
Was in der Meldung fehlt, sei hier noch einmal zitiert:
Europa mag erneut im Niedergang begriffen sein – doch die
Antwort der Stunde lautet nicht, dies zu akzeptieren, sondern
aktiv dagegen vorzugehen!
In eine
ganz andere Richtung beim Umgang mit Migranten weist eine
Meldung in der Onlineausgabe der
Neuen
Züricher Zeitung über den
Kleinen
Parteitag der brandenburgischen Grünen Anfang September 2024 in
Potsdam.
Beispiel 2:
Zwei Wochen vor der Landtagswahl in Brandenburg steht der
Wiedereinzug der Grünen in den Landtag auf dem Spiel. Einen
Schub wie 2019 durch das Klima-Thema gibt es diesmal nicht. Die
beiden Spitzenkandidaten müssen liefern. Und holen auf dem
Kleinen
Parteitag Bundesprominenz zur Verstärkung.
Hier der
Beitrag von Ricarda Lang:
Bundesvorsitzende Ricarda Lang (Grüne):
Wer nach Deutschland „vor Krieg und Terror“ flüchte, bekomme
Schutz und werde „Teil dieser Gesellschaft“. Ein Asyl auf Zeit ist mit den Grünen nicht zu machen, für Integration
gibt es keine Obergrenze
[En18]
Bereits
ein paar Tage zuvor hatte sich zur Migration auch die Außenministerin
Annalena Baerbock (Grüne) in der Onlineausgabe der neuen
Züricher Zeitung wie folgt positioniert:
NZZ.ch vom
7.9.2024: Terrorismus
bekämpfe man „vor allen Dingen mit der gemeinsamen, vielfältigen
Gesellschaft“. Der Satz erinnert an das Diktum der grünen
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die 2015
erklärt hatte, Willkommenskultur sei „der beste Schutz vor
Terroristen“.
08 Angst vor dem Verlust nationaler Identität
TOP
Von all
den schillernden Begriffen des politischen Vokabulars ist keiner
mit mehr Sinn und Unsinn befrachtet als jener der „Identität“,
denn dieses Wort kann alles bedeuten, weil es sowohl das
Homogene als auch das Vielfältige umfasst.
Die einen sprechen
von Eingrenzung und die anderen von Öffnung. Die einen meinen
nationale Identität, die anderen wünschen sich eine europäische
Identität und die Idealisten wünschen sich eine Weltgemeinschaft
in der sich alle Identitäten sozusagen zu einer Identität
vereinigen.
09 Nationale Identität
TOP
In dem
Buch von Kurt Hübner zum Thema „Das Nationale – Verdrängtes –
Unvermeidliches – Erstrebenswertes“ heißt es in Bezug auf die
nationale Identität wie folgt:
Kurt Hübner:
Die Identifikation mit einer
Nation ist nicht ein Akt des Willens oder der freien
Entscheidung, sondern ein Schicksal. Der Mensch wird mit seiner
Muttersprache, seiner Kindheit und Jugend, die ihn
unauslöschlich prägen, in eine Nation hineingeboren,
gleichgültig, ob es sich nun um diejenige eines homogenen
Staates, eines Vielvölkerstaates oder um eine Kulturnation
handelt. So kann seine schicksalhafte Identifizierung gleichsam
mehrere Schichten aufweisen. Selbst in den Fällen, in denen man
die nationale Zugehörigkeit wechselt, bleibt die schicksalhafte
Verknüpfung mit dem Ursprung unaufhebbar, wird aber durch die
neue Identifikation, die sich gewissermaßen
darüberschiebt,
ebenfalls als schicksalhafte Bindung empfunden, sofern es sich dabei
wirklich um eine Identifikation, eine Verschmelzung mit dem
eigenen Wesen handelt und nicht um einen bloß äußeren Akt des
Zwangs oder des Opportunismus, kurz um etwas mehr oder weniger
Willkürliches. Die Vorstellung moderner Aufklärungsphilosophen,
es sei schließlich die Verfassung eines Landes, die ihnen die
Treue zu ihm eingibt (Verfassungspatriotismus) ist
wirklichkeitsfremd
[En19].
Diesen
Ausführungen ist zuzustimmen, denn wirklichkeitsfremd wäre es,
nicht nur in europäischen Ländern, sondern auch in Deutschland
das Wiedererwachen nationaler Identitäten nicht zur Kenntnis
nehmen zu wollen. Dieses Wiedererwachen muss nicht bedeuten,
dass der verhängnisvolle Nationalismus wieder unmittelbar vor
der Tür steht und erneut Einlass verlangt, denn gleichermaßen
zersetzend ist es für den Bestand eines Staates ist es auch, wenn es
erklärtes Staatsziel ist, sich sozusagen auf Gedeih und Verderb dem
vaterlandslosen Individualismus hinzugeben, einer
Geisteshaltung, die in Deutschland über Jahrzehnte hinweg
hoffähig gemacht wurde und heute – für jeden der die
Wirklichkeit so sehen will, wie sie tatsächlich ist – ihren
Höhepunkt wohl überschritten haben dürfte, denn anders ist das Erstarken am
rechten Rand des politischen Spektrums wohl kaum zu erklären.
Das
diese Entwicklung auch bei den in Deutschland lebenden Migranten
angekommen ist, das bestätigt auch eine Kurzstudie zu
Auswanderung wegen des Erstarkens der AfD:
Goodbye
(Ost-)Deutschland: Der Erfolg der AfD macht vielen Menschen mit
Migrationshintergrund Angst und sie überlegen, ab- oder
auszuwandern. Die Ergebnisse einer Kurzstudie zu dieser Thematik
werden in der Onlineausgabe der Berliner Tageszeitung vom
6.9.2024 wie folgt beschrieben:
TAZ.de vom
6.9.2024: Nach den
Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen denken Menschen in
Ostdeutschland darüber nach, Deutschland oder das Bundesland zu
verlassen. Grund dafür ist der Aufstieg der AfD. Das hat das
Deutsche
Institut für Integrations- und
Migrationsforschung (DeZIM)
in einer Kurzstudie herausgefunden. Für die Studie mit dem Titel
„Angst, Ablehnung und Abwanderungspläne: Die gesellschaftlichen
Folgen des Aufstiegs der AfD“ wurden rund 3.000 Menschen
befragt.
An
anderer Stelle:
Fast ein
Viertel der Befragten mit Migrationshintergrund denkt darüber
nach, Deutschland zu verlassen. Zehn Prozent haben sogar
konkrete Pläne. Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, das
Bundesland zu verlassen, wenn die AfD in Regierungsverantwortung
kommt. 12,5 Prozent von ihnen haben dazu auch konkrete Pläne.
Diese Entwicklung zeigt sich auch bei Befragten ohne
Migrationshintergrund. Die Zahlen sind zwar geringer, aber auch
unter ihnen denken Menschen über Aus- oder Abwanderung nach
[En20].
Und wie
sieht es mit der europäischen Identität aus?
10 Europäische Identität
TOP
Der
Soziologe Ulrich Beck hat die Vision eines neuen Europa im Geist
der Brüsseler Technokraten bereits 2012 als eine „substanzielle
Leere“ und als eine „radikale Toleranz“ beschrieben, die nur die
Eigeninteressen betrifft. In seinem Buch „Das deutsche Europa“,
kommt er zu dem Ergebnis, dass wir endlich einen
europäischen
Gesellschaftsvertrag brauchen, einen Vertrag für mehr Freiheit,
mehr soziale Sicherheit und mehr Demokratie. Bezugnehmend auf
eine Rede von Thomas Mann, heißt es bereits im Vorwort seines
Buches wie folgt:
Ulrich Beck:
Im Jahr 1953 hielt Thomas Mann in Hamburg eine Rede vor
Studenten, in der er diese beschwor, sie sollten nicht nach
einem „deutschen Europa“, sondern nach einem „europäischen
Deutschland“ streben. Diese Formel wurde in den Tagen der
Wiedervereinigung endlos wiederholt. Heute aber erleben wir eine
Variation, die nur wenige vorhergesehen haben: ein europäisches
Deutschland in einem deutschen Europa
[En21].
Diese
Sicht der Dinge stößt nicht nur in Deutschland, sondern auch in
den anderen Staaten der EU auf zunehmende Ablehnung, denn
europäische Identität, die wird auch heute noch mehrheitlich als
die Identität der europäischen Vaterländer verstehen, dürfte
nicht so leicht aufzugeben sein.
Europa
ja, aber ein europäisches Deutschland in einem deutschen Europa?
Was
Europa für die europäischen Vaterländer bedeutet, das hat schon
vor fast 100 Jahren Ortega y Gasset (1883 bis 1955), in seinem
Buch „Aufstand der Massen“, das 1930 erstmalig publiziert wurde,
wie folgt beschrieben:
Ortega y Gasset:
Wenn wir uns versuchsweise vorstellen, wir sollten lediglich mit
dem leben, was wir als „Nationale“ sind, wenn wir etwa den
durchschnittlichen Deutschen aller Sitten, Gedanken, Gefühle zu
entkleiden probieren, die er von anderen Ländern des Erdteils
übernommen hat, werden wir bestürzt sein, wie unmöglich eine
solche Existenz schon ist; vier Fünftel unserer inneren Habe
sind europäisches Gedankengut
[En22].
Gut 50
Jahre vor Ortega y Gasset hatte Ernest Renan (1823 bis 1892) in
seiner Rede, die er am 11. März 1882 in der Sorbonne zum Thema:
Qu’est-ce qu’une nation? („Was ist eine Nation? “) gehalten hat,
zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei einer Nation um eine
große Solidargemeinschaft handelt, die durch das Gefühl für die
Opfer gebildet wird, die erbracht wurden und die man noch zu
erbringen bereit ist. In dieser Rede sagte der französischer
Schriftsteller, Philologe und Historiker:
Ernest Renan:
Die Nation ist eine große Solidargemeinschaft, die durch das
Gefühl für die Opfer gebildet wird, die erbracht wurden und die
man noch zu erbringen bereit ist. Sie setzt eine Vergangenheit
voraus und lässt sich dennoch in der Gegenwart durch ein
greifbares Faktum zusammenfassen: die Zufriedenheit und den klar
ausgedrückten Willen, das gemeinsame Leben fortzusetzen. Die
Existenz einer Nation ist (man verzeihe mir diese Metapher) ein
tägliches Plebiszit, wie die Existenz des Individuums eine
ständige Bekräftigung des Lebens ist. ... Die Nationen sind
nichts Ewiges. Sie haben einmal angefangen, sie werden enden.
Die europäische Konföderation wird sie wahrscheinlich ablösen
[En23].
Ortega
konnte zu Lebzeiten noch nicht wissen, dass die von ihm bereits
erahnte neue Identität des EU-Bürgers bereits 38 Jahre nach
seinem Tod, hätte Wirklichkeit werden können, denn am 1.
November 1993 wurde durch den Vertrag von Maastricht die
Europäische Union gegründet. Man mag es bedauern, aber eine
europäische Identität will sich einfach nicht einstellen, denn
das würde voraussetzen, dass die neue politische Ordnung von der
Gesamtheit der in der EU lebenden Menschen auch tatsächlich von
allen akzeptiert und gelebt wird. Warum es dazu bis heute nicht
hat kommen können, darauf hat vor gut 100 Jahren der spanische
Philosophe, Soziologe und Essayist Ortega y Gasset ebenfalls
eine nachvollziehbare Antwort.
Ortega Y Gasset:
Verhandlungen, Normen, Höflichkeiten, Rücksichten,
Gerechtigkeit, Vernunft! Warum erfand man das alles? All das
lässt sich in dem Wort Zivilisation zusammenfassen, das durch
den Begriff des
civis,
des Bürgers, hindurch seinen Ursprung enthüllt. Es dient dazu,
die
civitas,
die Gemeinschaft, das Zusammenleben zu ermöglichen. Wenn wir in
diese Hilfsmittel der Zivilisation hineinleuchten, finden wir
darum in allen den gleichen Kern. Sie alle bekunden den
ursprünglichen und fortwirkenden Wunsch jedes Individuums, mit
allen
übrigen
zu rechnen.
Zivilisation ist in erster Linie Wille zur
Gesellschaft.
An
anderer Stelle heißt es:
Mit dem
Feind zusammenleben! Mit der Opposition regieren! Ist eine
solche Humanität nicht fast schon unbegreiflich? Nichts verrät
die Beschaffenheit der Gegenwart schonungsloser als die
Tatsache, dass die Zahl der Länder, wo es eine Opposition gibt,
immer mehr abnimmt. Fast überall lastet eine gleichförmige Masse
auf der Staatsgewalt und erdrückt jede oppositionelle Gruppe.
Die Masse – wer würde es denken beim Anblick dieser Dichte und
Zahl – wünscht keine Gemeinschaft mit dem, was nicht zu ihr
gehört; sie hat einen tödlichen Hass auf alles, was nicht zu ihr
gehört
[En24].
Nicht
einmal in Deutschland ist es gelungen, eine politische Kultur
des Zusammenhalts entstehen zu lassen. Zurzeit scheint eher das
Gegenteil gedacht, erhofft und gelebt zu werden, für das sogar
eine neue Sprachfigur gefunden werden musste: die "Spaltung der
Gesellschaft", ergänzt durch eine zunehmende Angst vor der
Überfremdung durch Menschen aus fremden Kulturen, mit denen ein
dauerhaftes Zusammenleben immer problematischer zu werden
scheint.
Bereits
vor 14 Jahren erklärte die damalige Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) den Multikulti-Ansatz für gescheitert und auch der
damalige CSU-Chef Seehofer sprach sich mit den Worten
„Multikulti ist tot“ für die deutsche Leitkultur aus.
Welt.de vom
16.10.2010: In der
Integrationsdebatte hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür
ausgesprochen, Zuwanderer stärker in die Pflicht zu nehmen. Es
sei wichtig, Zuwanderer zu fördern und zu fordern, sagte die
CDU-Vorsitzende auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in
Potsdam. Das Fordern sei in der Vergangenheit aber zu kurz
gekommen. Merkel sagte, Zuwanderer müssten nicht nur die
deutschen Gesetze achten, sondern auch die deutsche Sprache
beherrschen. „Darauf muss absoluter Wert gelegt werden“, sagte
sie. Muslimische Mädchen müssten an
Schulreisen
ebenso teilnehmen wie am Schwimmunterricht. Den
„Multikulti-Ansatz“ erklärte sie für „absolut gescheitert“
[En25].
Die
bereits von 14 Jahren erkannte Schwierigkeit der Integration von
Ausländern, insbesondere der Ausländer aus fremden
Kulturkreisen, die in Deutschland Schutz suchen, hat heute ein
Ausmaß angenommen, das dringend einer Problemlösung bedarf.
Zurück
zur europäischen Identität, die nicht nur in Deutschland,
sondern auch in den anderen EU-Staaten durch nationale
Identitäten ersetzt zu werden scheint.
Warum ist das so?
Der französischer Journalist und Autor und einer der führenden
Theoretiker der Neuen Rechten in Frankreich,
Guillaume Faye (1949 bis 2019), hat diese Frage in seinem Essay „Rede an die
europäische Nation – Ein Appell gegen die Bevormundung Europas“
wie folgt zum Ausdruck gebracht:
Guillaume Faye:
Eine europäische Nation hat es eigentlich noch nicht gegeben,
sondern nur eine gemeinsame Geschichte, Geographie,
Anthropologie und Zivilisation. Eine solche Nation werden wir
erst dann hervorrufen, wenn wir sie auf verwurzelten und
verwurzelnden Werten errichten und ihr zu einem Schicksal
verhelfen.
An
anderer Stelle heißt es:
Guillaume Faye:
Europa besitzt einen wohlgebauten Körper und auch einen Kopf,
und sogar ein Gehirn, es hat aber keinen Willen. Europa braucht
nicht viel, um aus der Sackgasse herauszukommen; was ihm aber
fhehlt, ist unerlässlich: eine wertebezogene Politik,
mobilisierende, mutige Staatschefs und Ministerpräsidenten. Wir
haben ängstliche Verwalter, die auf ihre – alles in allem doch
geringen – Privilegien bedacht sind, weil ihre kleinbürgerliche
Mentalität sich im Gegensatz zur großbürgerlichen oder
aristokratischen Gesinnung nicht von den bekannten Dingen
lossagen können. Wir haben aber keine großen Politiker mehr. Wir
vermissen jene Männer, die trotz ihrer Stellung innerhalb der
Partei, ihres Wahlimages und der „technischen Schwierigkeiten“
ihre Anschauungen und Entwürfe durchzusetzen vermögen
[En26].
11 Identität des Weltbürgers
TOP
Sich
überall zu Hause zu fühlen, gemeinsam im Menschsein
zusammenzufinden, den anderen so verstehen zu wollen, wie man
sich selber versteht (das zu behaupten fällt schon schwer),
verbunden mit der Vorstellung, dass die Erde, dieses gemeinsame
von Menschen bewohnte Haus von einer Regierung geführt wird, die
in jeder Beziehung gerecht, fürsorglich, respektvoll und unter
Wahrung der Menschenrechte dafür sorgt, dass diese Welt endlich
friedfertig wird, diesen Gedanken zu träumen unterscheidet sich
von dem christlichen Glauben an das Paradies nur marginal.
Die
Wirklichkeit sieht anders aus. In der Welt von heute stellt sich
der Wunsch nach Sicherheit eher als eine nicht zu
verwirklichende Illusion dar, die wirklich einen neuen Menschen
erfordern würde, sollte dieser Wunsch jemals Wirklichkeit werden
können.
12 Werte sind sich verändernde Ideale
TOP
Wer die
real existierenden Probleme in einer Gesellschaft nicht
wahrhaben will, oder sie wider besseres Wissen nicht einmal
ansatzweise zur Kenntnis nehmen will, beteiligt sich an der
Erzeugung von Ängsten, zumindest dann, wenn sie oder er als
gewählte Politiker dazu in der Lage wären, die Zukunft dieser
Gesellschaft zu gestalten, dabei aber von einem Weltbild geleitet
werden, das nicht der Wirklichkeit entspricht.
Es würde
zu weit führen, das Ausmaß dieses weit verbreiteten
Wirklichkeitswahns zu beschreiben, zumal das unverrückbare
Festhalten an ideologischen Überzeugungen nur eines bewirken
kann: die Spaltung einer Gesellschaft in Gute und Böse.
Und
dabei geht es doch auch den Guten, besser gesagt denjenigen, die
sich dafür halten, doch auch nur um eines: um gesellschaftlichen
Fortschritt, einer Sprachfigur, die erst im 18. Jahrhundert von
den Aufklärern der damaligen Zeit sozusagen zu einem Leitbild
erhoben wurde, obwohl auch in den Jahrhunderten zuvor Menschen
diesbezügliche Vorstellungen gehabt haben müssen, denn Menschen
wünschten sich schon seit Menschengedenken bessere Zeiten.
Aber
auch die Aufklärer waren es irgendwann leid, an den Fortschritt
der Menschheit zu glauben, denn ihr ursprünglicher Glaube an das
Gute im Menschen, das sozusagen zur menschlichen Natur gehörte,
verkehrte sich schon bald in ihr Gegenteil.
Spätestens das
Erdbeben in Lissabon, das am 1. November 1755 zusammen mit einem
Großbrand und einem Tsunami, die portugiesische Hauptstadt
Lissabon fast vollständig zerstörte, veranlasste sogar Immanuel
Kant dazu, an dem Guten in der Natur zu zweifeln.
Wie dem auch immer sei:
Die Fortschrittsmüdigkeit im ausgehenden Jahrhundert der
Aufklärung und den Verlust des Glaubens an das Gute im Menschen
hat Friedrich Nietzsche in kaum noch zu überbietenden höhnischen
Worten wie folgt zum Ausdruck gebracht: Für
ihn war die einzige Wirkung
des Fortschritts ein „kosmopolitisches Affekt- und
Intelligenzchaos“
[En27].
Aber
überzeugen Sie sich selbst, wie Friedrich Nietzsche bereits vor
150 Jahren den Wirklichkeitswahn der Gutmenschen von heute in
seinem Nachlass beschrieb:
11 [9]
Als
Kritiker ohne Maßstab, Rückgrat und Halt, mit der Zunge des
kosmopolitischen libertin für Vielerlei, aber ohne den Muth
selbst zur
eingeständlichen
Libertinage
[eigene
Unmäßigkeit, Maßlosigkeit und Hemmungslosigkeit = AR]
folglich einem unbestimmten Klassizismus
[gemeint ist die Kunst des
Klassizismus, die sich stark an Idealen und Werten der römischen
und griechischen Antike orientierte = AR]
sich unterwerfend.
Heute sind
das nicht mehr die Ideale der griechischen Antike, sondern die
des
woken
Zeitgeistes, denen sich die Gutmenschen von heute bedingungslos
unterzuordnen bereit sind. Und was die Sicht von Friedrich
Nietzsche im Hinblick auf den Europäer seiner Zeit anbelangt,
dürfte sich vieles, von dem, was er damals dachte, über einen
Zeitraum von mehr als 150 Jahren sozusagen bis heute erhalten
haben.
11 [31]
Gesamtanblick des zukünftigen Europäers:
derselbe
als das intelligenteste Sklaventier, sehr arbeitsam, im Grunde
sehr bescheiden, bis zum Exzess neugierig, vielfach, verzärtelt,
willensschwach — ein kosmopolitisches Affekt- und
Intelligenzen-Chaos. Wie möchte sich aus ihm eine stärkere Art
herausheben?
[En28]
Dass die
Suche nach einer weitgehend verloren gegangen Identität der
europäischen Völker heute wieder zu einem ernstzunehmenden
Problem geworden ist, das zu leugnen, würde dem
Wirklichkeitswahn von heute sozusagen die Krone aufsetzen.
Aber es
ist nicht nur die Suche nach einer verlorengegangenen nationalen
Identität, bedingt durch den ungebremsten Zustrom von Menschen
aus anderen Kulturkreisen, die Menschen heute wieder dazu
bewegt, sich auf die eigene Kultur zu besinnen.
Ins
Wanken geraten ist sogar der Glaube an den Fortschritt selbst,
der, wenn er weiterhin so ungebremst sich vollzieht, wie das
immer noch der Fall ist, nur in einer Katastrophe enden kann.
Ins
Wanken geraten ist auch der Glaube an die Nachhaltigkeit der zu
schaffenden Neuen Welt, denn auch dieser Glaube nimmt zumindest
billigend in Kauf, dass auch „Nachhaltigkeit um jeden Preis“
eine Gesellschaft eher destabilisiert als für deren Zusammenhalt
sorgt.
Auch
dieses Ausmaß einer fortschrittsgläubigen Realitätsverweigerung
und Verdrängung der schon heute sichtbar gewordenen negativen
Begleiterscheinungen dieses Glaubens an die Nachhaltigkeit, was
auch immer das sein soll, ist erschütternd.
Der
Psychiater Hans-Joachim Maaz, der in seinen Büchern, wie etwa
„Die narzisstische Gesellschaft“ , „Friedensfähigkeit und
Kriegslust“ oder „Das falsche Leben“ die Mechanismen beschrieben
hat,
wie solch einen Irrglauben entstehen kann, lässt nur eine
Schlussfolgerung zu, die da lautet: Niemand kann der Realität,
die er nicht mag, entkommen. Es sei denn, dass diese Narzissten
dazu bereit sind, nicht nur ihre eigene Wahrheit zu
hinterfragen, sondern sich auch mit der Wahrheit andersdenkender
Menschen auseinanderzusetzen, die letztendlich das gleiche Ziel
verfolgt, das da heißt: gemeinsam für bestehende
gesellschaftliche Probleme eine Lösung zu finden.
Brandmauern sind dabei nur hinderlich. Sie müssen beseitigt
werden, denn sie hindern Menschen nachhaltig daran, die Zukunft
für alle erträglich gestalten zu können.
13 Moralisieren kann nicht richtig sein
TOP
Moralisieren, darunter verstehe ich, den Dummen belehren zu
wollen, die eigene Wahrheit zu dozieren, den eigenen Glauben zu
predigen bzw. ihn feierlich zu verkünden.
Was
gleichermaßen verwerflich ist, ist das Bemühen, das unmoralische
Verhalten der Nichtgläubigen in beleidigenden Worten zum
Ausdruck zu bringen: In Betracht kommen unter anderem folgende
Hassworte: Ihr seid Nazis! Nazis raus! Ihr seid Faschisten,
Rassisten und Sexisten. Solche Stereotype zur Kennzeichnung von
Andersdenkenden sind nichts anderes als bewusste Zurückweisungen
von Personen zu verstehen, die in der besten Demokratie aller
Zeiten, also in Deutschland, nichts zu suchen haben, denn solche
Klischees spiegeln nur eines wider: Die behauptete existierende
Amoral bei den Unverbesserlichen, bei den Dummen, beim Pöbel,
bei den diktaturgewöhnten Ossis bzw. bei den Putinfreunden, den
Querdenkern, den Verschwörungstheoretikern, den
Impfverweigerern, kurzum bei den demokratischen Analphabeten
abzulassen.
Man könnte auch so weit gehen und sagen, dass die so genannten Gutmenschen sogar die Abwesenheit von
moralischen Empfindungen bei Andersdenkenden unterstellen. Wenn
schon im großen Umfang abgeschoben werden muss, dann, so mag der
eine oder die andere Rechtgläubige insgeheim vielleicht denken, dann sind
das diese Demokratiefeinde, die es abzuschieben gilt. Auf jeden
Fall muss diese Demokratie vor ihren Feinden bewahrt werden,
dafür zu kämpfen, das scheint das Gebot der Stunde zu sein, auch
wenn, im Gegensatz zu den
Demokratien in den USA, in der Schweiz, in Großbritannien, in
Frankreich oder auch in Italien, die bundesdeutsche Demokratie nicht blutig erkämpft werden
musste. Unsere westdeutsche Demokratie wurde bekanntlich
importiert, besser gesagt geschenkt, sozusagen als ein Akt der
Wertschätzung nach der Befreiung vom Bösen von den gutgesinnten
Westalliierten gestiftet.
Ehrlicher wäre es, zu sagen, dass uns diese Demokratie
aufgezwungen wurde und auch die im Westen lebenden Menschen sich
an diese Staatsform nur langsam und allmählich gewöhnen konnten.
Das was heute für Entsetzen sorgt, das ist die Erkenntnis, dass
es eine zunehmende Anzahl von Wählerinnen und Wählern gibt, die
nicht damit aufhören wollen, anders zu wählen, als die
Demokraten das für richtig halten.
Begründet wird das unter
anderem damit, dass die im Osten lebenden Wählerinnen und Wähler
ja noch nicht über so viel Demokratieerfahrung verfügen können,
wie die fortschrittlichen Demokraten im Westen.
Wie dem auch immer sei:
Eine Politik, die das ändern will, muss dazu bereit sein,
einzusehen, dass in einer Demokratie allein der Bürger
entscheidet, was er will und Politik nur dann bei den
Wählerinnen und Wählern auf eine breite Zustimmung hoffen kann,
wenn diese Politik von der Mehrheit für gut gehalten wird.
Demokratische Parteien, die Angst vor der Demokratie haben,
sehen in ihren Gegnern im rechten Parteienspektrum nur noch
Antidemokraten. Das scheint sogar die letzte Gemeinsamkeit zu
sein, die Parteien, die noch der demokratischen Mehrheit
angehören, miteinander verbindet.
Die
Frage, die sich nunmehr stellt, lautet: Lässt sich dieser
Systemstreit noch als Demokratie bezeichnen oder handelt es sich
bereits bei so viel Ignoranz um ein fortgeschrittenes
Zerfallsymptom?
Darauf
gibt es zurzeit noch keine sichere Antwort.
Der
Wähler wird entscheiden.
TOP
14 Die Faktizität von Zeitenwenden
TOP
Sie erinnern sich vielleicht noch an
die Fürstenrede von Thomas Müntzer, die dieser Theologe am 12.
Juli 1524, also vor gut 500 Jahren, auf Schloss Allstedt, heute
Sachsen-Anhalt, gehalten hat. Damals fand nicht nur in
Deutschland, sondern in ganz Europa eine echte Wendezeit statt,
denn der Glauben an eine gottgewollte Ordnung geriet ins Wanken,
die wahrgenommene Wirklichkeit veränderte sich. Die Kirche
sollte dem Papst und die Welt dem König gehören.
Gut 250 Jahre später, besser gesagt
zum Ende des 17. Jahrhunderts, etwa um die Zeit um 1670, fand
eine vergleichbar revolutionäre Wendezeit statt, denn der
Kontrast zu dem, was vorher war, konnte gar nicht größer sein.
Hierarchie, Disziplin, ein von der Autorität gesicherte Ordnung,
Dogmen, die das Leben mit fester Hand regeln, das liebten die
Menschen des 17. Jahrhunderts.
Zwang, Autorität, Dogmen, das hassten
aber die Menschen des 18. Jahrhunderts. Die Ersteren sind
christlich, die Letzteren antichristlich; die Ersteren glauben
an das göttliche Recht die anderen an das Naturrecht, die einen
fühlen sich wohl in einer Gesellschaft, die in höchst ungleichen
Klassen aufgespalten ist, die anderen träumen von nichts anderem
als von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Und was kam
nach der Französischen Revolution? Begann hier eine weitere
Zeitenwende? Es würde zu weit führen, diese Frage anders als mit
einem knappen JA zu beantworten.
Gut 250 Jahre später, am 27. Februar
2022, spricht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Deutschen
Bundestag von einer erneuten Zeitenwende. Den drei Tage zuvor
begonnenen russischen Überfall auf die Ukraine nahm er dafür zum
Anlass, ein Wort zu benutzen, dessen Geschichtsträchtigkeit
wirklich nicht unterschätzt werden darf.
Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar
2022
Es wäre ehrlicher und vor allen
Dingen aufrechter gewesen, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
die uns allen bevorstehende Zeitenwende als eine greifbare
Zukunft beschrieben hätte, in der nichts so bleiben wird, wie es
zurzeit ist. Denn solch eine Veränderung ist eine Vorbedingung
dafür, überhaupt von einer Zeitenwende sprechen zu können.
Deshalb sind die Intervalle, in denen
sich das Denken der Menschen grundlegend verändert, auch sehr
lang. Auch die Französische Revolution wurde nicht ein paar Tage
vor ihrem Ausbruch erdacht. Dazu bedurfte es einer langen
Vorbereitungszeit. Wie dem auch immer sei: Das Scheitern der
Ampel wird keine Zeitenwende nach sich ziehen, denn an diese
kleine Episode deutscher Geschichte werden sich in einigen
Jahren wohl nur noch die Historiker erinnern.
Auch der Ukrainekrieg wird irgendwann
beendet werden. Sollte es dabei zum Einsatz von Atomwaffen
kommen, dann wäre damit auch die Geschichte der Zeitenwenden an
ihr Ende gekommen, denn wer sollte in einer Welt ohne Menschen
überhaupt wissen können, was Zeit ist.
15 Quellen
TOP
Endnote_01 R.
Dietrich, Politische Testamente der Hohenzollern, 1981, S. 257
Zurück
Endnote_02 Schutz
der Bürger vor Umweltbelastungen: BVerfG, Beschluss vom 24. März
2021 - 1 BvR 2656/18 Zurück
Endnote_03
Josef Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit. Schriftenreihe der
Juristischen Gesellschaft zu Berlin, Walter de Gruyter, Berlin
1983 – Seite 41 Zurück
Endnote_04 Ebd.
Josef Isensee, Seite 48 Zurück
Endnote_05
MDR.de vom 06.09.2024:Private Altersvorsorge Deutsche kündigen
millionenfach ihre Riester-Verträge
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/riester-rente-
kuendigen-aufloesen-nicht-sinnvoll-100.html
Zurück
Endnote_06 Bundestag.de: Gerhard Schröders
zweite Vertrauensfrage (2005):
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/
32714943_misstrauensvotum07-204182
Zurück
Endnote_07 Colin Crouch. Postdemokratie
revisited. Edition Suhrkamp, 2021, Seite 25
Zurück
Endnote_08 Ebd. Colin Crouch, Seite 22
Zurück
Endnote_09 Ebd.
Colin Crouch, Seite 120 Zurück
Endnote_10 BDK:
Illegale Einreise entkriminalisieren.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-kripogewerkschaft-will-
illegale-einreise-entkriminalisieren-a-1050152.html
Zurück
Endnote_11
Hamburger Innensenator Till Steffen (Grüne) ist für die
Entkriminalisierung der illegalen Einwanderung.
https://www.focus.de/regional/hamburg/fluechtlinge-illegale-einreise-
justizsenator-fuer-entkriminalisierung_id_4909010.html
Zurück
Endnote_12
Tagesschau.de vom 20.10.2023: Wir müssen schneller abschieben.
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/
scholz-abschiebungen-100.html Zurück
Endnote_13
Tagesspiegel.de vom 7.9.2024: „Jetzige Praxis nicht zulässig“:
Ex-Verfassungsrichter hält Zurückweisungen an Grenzen für
geboten.
https://www.tagesspiegel.de/politik/jetzige-praxis-nicht-zulassig-
ex-verfassungsrichter-halt-zuruckweisungen-an-grenzen-fur-geboten-12333023.html
Zurück
Endnote_14 Nzz.ch
vom 9.9.2024. Zurückweisungen an den Grenzen sind möglich und
geboten», sagt Deutschlands einst oberster Verfassungshüter.
https://www.nzz.ch/international/asylrecht-grenzzurueckweisungen
-laut-verfassungsrechtler-papier-geboten-ld.1847527
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Endnote_15
ZDF-„Politbarometer“:
https://www.welt.de/politik/deutschland/article253386012/
ZDF-Politbarometer-Null-Prozent-fuer-Ampel-Koalition-
selbst-SPD-Anhaenger-jetzt-gegen-Scholz.html
Zurück
Endnote_16 „Nein,
wir müssen den Niedergang Europas nicht akzeptieren“.
https://www.corrigenda.online/kultur/nein-wir-
muessen-den-niedergang-europas-nicht-akzeptieren
Zurück
Endnote_17
Tagespost.de vom 5.9.2024: Schönborn: „Fiducia Supplicans“ zeigt
Hilflosigkeit der Kirche Der Wiener Erzbischof äußert sich
über die aktuellen „heißen Eisen“ der katholischen Kirche und
kritisiert erneut den deutschen Synodalen Weg.
https://www.die-tagespost.de/kirche/aktuell/schoenborn-
fiducia-supplicans-zeigt-hilflosigkeit-der-kirche-art-255159
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Endnote_18 NZZ.ch
vom 7.9.2024: Wir brauchen die Fachkräfte aus Syrien: Grüne und
FDP streiten über die Migration, während das Ansehen der
Regierung am Nullpunkt ist
https://www.nzz.ch/international/scholz-unter-druck-regierung-
unbeliebt-wie-nie-streit-um-migration-wird-lauter-ld.1847426
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Endnote_19 Kurt
Hübner: Das Nationale – Verdrängtes – Unvermeidliches –
Erstrebenswertes. Styria-Verlag Wien – 1991, Seite 270
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Endnote_20 TAZ.de
vom 6.9.2024: Kurzstudie zu Auswanderung wegen AfD: Goodbye
(Ost-)Deutschland
https://taz.de/Kurzstudie-zu-Auswanderung-wegen-AfD/!6035089/
Zurück
Endnote_21 Ulrich
Beck. Das deutsche Europa. Neue Machtlandschaften im Zeichen der
Krise. Suhrkamp-Verlag 2012. Vorwort, Seite 7
Zurück
Endnote_22 José
Ortega y Gasset. Der Aufstand der Massen. DVA 1977,Seite 216
Zurück
Endnote_23 Zitiert
nach: Enzyklopädie des Islam.
http://www.eslam.de/begriffe/r/renan_ernest.htm
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Endnote_24 Ebd.
Ortega y Gasset, Seite 86 und 87
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Endnote_25 Welt.de vom 16.10.2010. Integration.
Kanzlerin Merkel erklärt Multikulti für gescheitert
https://www.welt.de/politik/deutschland/article10337575/
Kanzlerin-Merkel-erklaert-Multikulti-fuer-gescheitert.html
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Endnote_26
Guillaume Faye: Rede an die europäische Nation - ein Appell
gegen die Bevormundung Europas. Hohenrain Verlag
Tübingen-Zürich-Paris, Seite 13 und 52
Zurück
Endnote_27 Alfred J. Ziegler. Wirklichkeitswahn
– Die Menschheit auf der Flucht vor sich selbst. Schweizer
Spiegel Verlag – 1983 – Raben Reihe, Seite 108
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Endnote_28 The
Nietzsche Cannel. Nachlass: November 1887—März 1888 11 [1-100].
http://www.thenietzschechannel.com/notebooks/german/nache/nache11a.htm
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