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Waffenverbotszonen in einem überregulierten Rechtsstaat

Inhaltsverzeichnis:

01 Hinführung zum Thema
02 Entwurf eines allgemeinverständlichen Waffengesetzes
03 Das Ziel von Waffenverbotszonen
04 Vom Bundesgesetz zu den Landesregierungen
05 Von der Landesregierung NRW zum Landesamt für
Polizeiliche Dienste NRW
06 Die
Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung des Innenministeriums NRW
07 Die Waffenverbotszonenverordnung –
WVZ VO des LZPD NRW
08 Kennzeichnung von Waffenverbotszonen in NRW
09 Geltungsbereich von Waffenverbotszonen in NRW
10 Welche Gegenstände dürfen in Waffenverbotszonen nicht mitgeführt werden?
11 Polizeiliche Kontrollrechte in Waffenverbotszonen
12 Suche nach einer Kontrollbefugnis zur Durchsuchung von Personen und Sachen
13 Racial Profiling erlaubt das Gesetz
nicht
14 Kann eine Fußgängerzone eine Waffenverbotszone sein?
15 Sind Waffenverbotszonen gefährliche Orte?
16 OVG Hamburg 2015 zur Größe und zur angeordneten Dauer „gefährlicher Orte“
17 OVG Hamburg 2022 zu „gefährlichen Orten“
18 Keine Kennzeichnungspflicht bei „gefährlichen Orten“
19 Kennzeichnungspflicht von  Waffenverbotszonen
20 Gefahrenprognosen für Waffenverbotszonen
21 Gefahrenprognose bei gefährlichen Orten nach PolG
22 Identitätsfeststellung an gefährlichen Orten
23 Identitätsfeststellungen zur Gefahrenabwehr aus Sicht des BVerfG
24 Verdachtsunabhängige Schleierfahndung
25 Verdachtsunabhängig, aber
profilorientiert
26 Rechtsauffassung des hamburgischen OVG 2022
27 Bayerischer Verfassungsgerichtshof zu Täterprofilen
28 Schwachstellen der polizeilichen Gefahrenprognose
29 Sollen Waffe- und Messerträger belohnt werden?
30 Zusammenfassung

31 Quellen

01 Hinführung zum Thema

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Aus gegebenem Anlass - gemeint ist der Messeranschlag am 23. August 2024 in Solingen, der drei Menschen das Leben gekostet und bei dem acht Personen zum Teil schwer verletzt wurden, hat es erforderlich gemacht, eine von mir nach diesem Anschlag erstellte fiktive Neufassung des Waffengesetzes an den Anfang dieses Essays zu stellen. Das bietet den Vorteil, sich schnell einen Überblick über eine bereits bestehende Rechtslage verschaffen zu können, die, und das wird noch darzulegen sein, im vorhandenen Gesetzes- und Verordnungsdickicht des in Deutschland geltenden Waffen- und Polizeirechts, nicht so leicht aufzufinden sein.

Diese Tatsache des Verstecktseins notwendiger Befugnisse, denen es oftmals nicht dem Bestimmtheitsgebot entsprechen, dem gesetzliche Regelungen in einem Rechtsstaat eigentlich entsprechen müssen, hat mich dazu bewogen, diesem Aufsatz die Überschrift voranzustgellen, die da lautet:

Waffenverbotszonen in einem überregulierten Rechtsstaat.

Diese Überschrift ist jedoch unvollständig. Die Überschrift müsste eigentlich heißen:

Waffenverbotszonen in einem überregulierten Rechtsstaat machen es erforderlich, geltendes Polizeirecht  wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Damit ist gemeint, dass das, was gesetzlich zu regeln ist, allgemeinverständlich sein und dem Bestimmtheitsgebot vollumfänglich entsprechen.

Wie dem auch immer sei: Die von mir formulierte Novellierung des Waffengesetzes zeigt, im Gegensatz zur Rechtswirklichkeit von heute auf, dass es möglich ist, aus sich selbst heraus verständliche Regelungen zu schaffen, die noch nicht einmal einer umfangreichen Kommentierung bedürfen, um sie nicht nur verstehen, sondern auch verinnerlichen können, wie das bedauerlicherweise bei den zurzeit geltenden Regelungen, insbesondere die, die Einrichtung von Waffenverbotszonen durch die Polizei, an Komplexität kaum noch zu überbieten sind, um dann, was die polizeilichen Kontrollrechte in Waffenverbotszonen anbelangt, Befugnisse zur Anwendung keommen, deren Kürze und Unbestimmtheit nicht nur Verständnisfragen aufwirft, sondern es für Rechtsanwender, gemeint sind die in Waffenverbotszonen kontrollierenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, sich mit einer Vielzahl von Verwaltungsgerichtsurteilen auseinandersetzen zu müssen, um tatsächlich verstehen zu können, was diese Befugnisse ihnen tatsächlich erlauben, und was nicht.

Wenn nicht einmal mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte nach einer drei Jahre umfassenden Ausbildung, für die in NRW die Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung zuständig sind, dazu in der Lage sein, die Komplexität der Anwendung von Polizeirecht in Waffenverbotszonen mit gebotener sachlicher Klarheit beschreiben zu können, dann muss irgendetwas in diesem Rechtsstaat falsch gelaufen sein.

Wie das möglich werden konnte, das wird Gegenstand des Hauptteils dieses Aufsatzes sein.

02 Entwurf eines allgemeinverständlichen Waffengesetzes

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In diesem Kapitel geht es mir zuerst einmal nur darum, aufzuzeigen, wie ein Regelwerk aussehen könnte, dass vollumfänglich dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes entspricht, denn das Bestimmtheitsgebot ist ein Wesenselement des bundesdeutschen Rechtsstaates.

Dieses Bestimmtheitsgebot setzt  im hier zu erörternden Sachzusammenhang voraus, dass alle gesetzlichen Regelungen, die Waffenverbotszonen betreffen, dem Bestimmtheitsgebot entsprechen müssen, was zurzeit aber nicht in der gebotenen Klarheit der Fall ist.

Mit anderen Worten: Wie ein Regelwerk aussehen könnet, das dem Bestimmtheitsgebot vollumfänglich entspricht, und in einer zumutbaren Zeit zur Kenntnis genommen werden kann, das kann den nachfolgenden von mir ausformulierten fiktiven Regelungen entnommen werden.

Erforderliche Lesezeit: ca. 20 - 30 Minuten.

Waffengesetz
Abschnitt 1
Einrichtung von und Kontrollrechte in Waffenverbotszonen

§ 1 WaffG_AR (Begriffsbestimmungen)

1. Waffenverbotszonen: Waffenverbotszonen sind als ein Sammelbegriff für Örtlichkeiten zu anzusehen, in denen die Polizei verdachtsunabhängig Personen und von diesen Personen mitgeführte Sachen nach Waffen, Messern und anderen verbotenen Gegenstände verdachtsunabhängig durchsuchen kann. Im Vorfeld der Einstufung einer Örtlichkeit als Waffenverbotszone hat die Polizei auf der Grundlage einer von ihr zu erstellenden Prognose die Notwendigkeit der Einrichtung einer Waffenverbotszone nachzuweisen. Als Waffenverbotszonen kommen unter anderen, hier nicht aufgeführten Örtlichkeiten, auch Jugend- und Bildungseinrichtungen, zum Beispiel Schulen, sowie Räumlichkeiten in Betracht, die für Volksfeste bzw. für Theater-, Kino-, und Diskothekenbesuche und für Tanzveranstaltungen genutzt werden.

2. Kennzeichnung von Waffenverbotszonen: Waffenverbotszonen sind als solche zu kennzeichnen. Es ist sicherzustellen, dass die Kennzeichnung nicht nur das Wort Waffenverbotszone und einen Hinweise auf die Polizeibehörde enthält, die eine Waffenverbotszone eingerichtet hat, sondern für jede Person muss mit einem Blick erkennbar sein, dass in Waffenverbotszonen von der Polizei verdachtsunabhängig Personen und von diesen Personen mitgeführte Sachen durchsucht werden können.

3. Dauer von Waffenverbotszonen: Waffenverbotszonen können sowohl dauerhaft als auch anlassbezogen, also kurzfristig, eingerichtet werden.
Werden Waffenverbotszonen im öffentlichen Raum dauerhaft eingerichtet, muss es sich dabei um Orte handeln, von denen die Polizei weiß, dass dort vermehrt mit Verstößen gegen waffenrechtliche Bestimmungen zu rechnen ist. Dabei kann es sich sowohl um überschaubare, aber auch um große Areale handeln, zum Beispiel Vergnügungsviertel, aber auch andere Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen, zum Beispiel Fußballstadien und Veranstaltungsräume. Während in Bereichen, in denen dauerhaft mit Verstößen gegen das Mitführen von Waffen, Messern oder anderen gefährlichen Gegenständen zu rechnen ist, dauerhaft Waffenverbotszonen von der Polizei eingerichtet werden können, ist das bei zeitlich begrenzten Anlässen nicht erforderlich und auch nicht geboten.

§ 2 WaffG_AR (Waffenverbotszonen)

1) Zur Verhütung und zur vorbeugenden Bekämpfung schwerer Straftaten, die das Leben und die Gesundheit von Personen bedrohen, können Polizeibehörden Waffenverbotszonen auf der Grundlage von im Vorfeld zu erstellenden Gefahrenprognosen einrichten. Eine Gefahrenprognose setzt voraus, dass auf der Basis von Tatsachen, die über den Rahmen von Vermutungen hinausgehen müssen, der Nachweis erbracht werden kann, dass Personen, die sich in den eingerichteten Waffenverbotszonen aufhalten, erfahrungsgemäß Waffen, Messer oder andere, nach dem Waffengesetz verbotene Gegenstände mit sich führen können.

Der von der Polizei zu kontrollierenden Personenkreis kann durch sachorientierte „Täterprofile“ eingegrenzt werden, diese Täterprofile können auch Merkmale enthalten, die auf Personen mit Migrationshintergrund zutreffen. Solch ein „Täterprofil“ setzt aber voraus, dass die Polizei über Erkenntnisse verfügt, dass Personen, die einer ethnischen Minderheit angehören, oftmals Messer oder andere verbotene Gegenstände des Waffengesetzes mit sich führen.

Soweit nicht die Hautfarbe, das äußere Erscheinungsbild von Personen mit Migrationshintergrund oder andere im Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes aufgeführte Merkmale für das Einschreiten von Polizeibeamten nicht ursächlich sind, sondern ausschließlich nachvollziehbare Sachgründe Kontrollen dieses Personenkreises erforderlich machen,  verstoßen solche Täterprofile nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und auch nicht gegen die Regelungen, die im Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes aufgeführt sind und die zum Beispiel herkunftsbedingte Ungleichbehandlungen von Personen durch die Polizei verbieten.

2) Waffenverbotszonen sind als solche zu kennzeichnen.
3) Ausgenommen von dieser Regelung sind:
a) Personen, die von Berufswegen
Waffen tragen.
Ausgenommen vom Messerverbot sind:
b) Personen, die einem Gewerbe oder einem Handwerk nachgehen, das den Gebrauch von Messern erforderlich macht
c) Personen, die aus Gründen, die von jedem objektiven Beobachter als eine Notwendigkeit erkannt werden, Messer mit sich führen sind von den "Messer betreffenden waffenrechtlichen Regelungen" befreit, soweit es sich bei den Messern nicht um Waffen handelt.
d) Diesbezüglich steht den in Waffenverbotszonen kontrollierenden Polizeibeamten Ermessen zu.

§ 3 WaffG_AR (Kennzeichnung von Waffenverbotszonen)

1) Waffenverbotszonen sind so zu kennzeichnen, dass für einen jedermann deutlich zu erkennen ist:
a) Welche Bereichen von der Waffenverbotszone erfasst sind
b) Welche polizeiliche Kontrollmaßnahmen dort zu dulden sind
c) Welche Folgemaßnahmen die Polizei im Anschluss an durchgeführte Kontrollen zu treffen hat.
Für die in den Buchstaben a) und c) genannten Konkretisierungen ist es zielführend, wenn diese auf Zusatzzeichen deutlich kenntlich gemacht werden.
2) Die zu erstellenden Kennzeichen von Waffenverbotszonen, bei denen es sich um Allgemeinverfügungen handelt, müssen aus Gründen ihrer Bestimmtheit nachfolgend aufgeführte Inhalte aufweisen:
a) Die anordnende
Polizeibehörde
b) Das Wort Waffenverbotszone
c) Die anlässlich von polizeilichen Kontrollen dort zu duldenden Maßnahmen:

Beispiel:
Achtung!
Waffenverbotszone
Die Polizei ist dazu ermächtigt,
verdachtsunabhängig

Personen nach Waffen, Messern und verbotenen Gegenständen
zu durchsuchen und aufgefundene verbotene Gegenstände in amtliche Verwahrung zu nehmen.

d) Zusatzkennzeichnung der Verbotszone: Es reicht aus, wenn auf einem Zusatzzeichen die Größe der Waffenverbotszone grafisch hinreichend erkennbar dargestellt wird.
c) Zusatzkennzeichnung der polizeilichen Folgemaßnahmen: Werden von der Polizei verbotene Gegenstände in amtliche Verwahrung genommen, ist davon betroffenen Personen eine Bescheinigung auszuhändigen. Die Identität dieser Personen ist festzustellen, um ein Straf- oder ein
Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen diese Person einleiten zu können.
d) Bei anderen Personen ist im Anschluss an polizeiliche Kontrollmaßnahmen deren Identität aus Gründen der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Polizei festzustellen, denn die Polizei muss nachweisen können, wann und wo sie in die Grundrechte von Personen eingegriffen hat.
c) Festgestellte Identitäten sind einem Datenabgleich zu unterziehen.

Beispiel:
Muster eines Zusatzzeichens

Waffen, Messer und andere verbotene Gegenstände, die von der Polizei bei Durchsuchungen gefunden wurden, werden in amtliche Verwahrung genommen.

Zur Einleitung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens haben auffällig gewordene  Personen die Feststellung ihrer die Identität zu dulden.

Das gilt auch für Personen, bei denen die Polizei keine Waffen, Messer oder verbotene Gegenstände gefunden haben, denn in einem Rechtsstaat muss die Polizei nachweisen können, wann und wo sie in die
Grundrechte von Personen eingegriffen hat.

Alle kontrollierten Personen haben einen Datenabgleich zu dulden.

§ 4 WaffG_AR (Kontrollbefugnisse der Polizei)

1) Die für Polizeibehörden tätig werdenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind ermächtigt, folgende Maßnahmen zu treffen:

a) Personen können zu Kontrollzwecken angehalten werden
b) Personen sind zur Vermeidung von Durchsuchungen durch die Polizei dazu aufzufordern, den kontrollierenden Polizeibeamten nicht nur die in ihrer Kleidung mitgeführten Gegenstände auszuhändigen, sondern auch Einsicht in mitgeführte Sachen zu gewähren.

c) Personen, die dazu nicht bereit sind, können von der Polizei am Kontrollort, erforderlichenfalls unter Anwendung von körperlicher Gewalt, durchsucht werden.

d) Waffen, Messer aber auch alle anderen, nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstände, sind von der Polizei sicherzustellen bzw. zu beschlagnahmen, weil es sich bei diesen Gegenständen um Einziehungsgegenstände gemäß § 54 WaffG (Einziehung) handelt.

c) Werden verbotene Gegenstände aufgefunden und auf der Grundlage von Befugnissen, die sich aus der Strafprozessordnung ergeben, sichergestellt bzw. beschlagnahmt, ist es im Anschluss daran erforderlich, die Identität der kontrollierten Person auf der Grundlage von § 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung) festzustellen, um gegen diese Person ein Straf- bzw. ein Bußgeldverfahren einleiten zu können.

d) Werden bei einer kontrollierten Person keine Gegenstände gefunden, die sicherzustellen bzw. zu beschlagnahmen sind, entbindet das die kontrollierende Polizei nicht von ihrer Verpflichtung, die Identität auch dieser Personen festzustellen, denn nur so kann die Funktionsfähigkeit der Polizei gewährleistet werden, die in einem Rechtsstaat dazu verpflichtet ist, bei Bedarf nachweisen zu können, welche Person wann und wo von der Polizei kontrolliert wurde. Diese Identitätsfeststellung richtet sich nach Polizeirecht.

2) Festgestellte Identitäten sind einem Datenabgleich zu unterziehen. Die dafür nachzuweisende Befugnis ergibt sich bei Personen, die einer Straftat verdächtig sind und auch bei den Betroffenen einer Ordnungswidrigkeit aus der Strafprozessordnung, siehe § 98c StPO (Maschineller Abgleich mit vorhandenen Daten). In allen anderen Fällen lassen Befugnisse in den Polizeigesetzen Datenabgleiche zu.

§ 5 WaffG_AR (Erstellung von Täterprofilen)

1) In gekennzeichneten Waffenverbotszonen  kann es erforderlich sein, die Intensität polizeilicher Kontrollmaßnahmen auf Personen zu beschränken, die aufgrund eines von der jeweiligen Polizeibehörde im Vorfeld zu erstellenden Täterprofils  erfahrungsgemäß vermehrt Waffen, Messer oder andere verbotene Gegenstände mit sich führen. In ein solches Täterprofil können auch Personen mit Migrationshintergrund einbezogen werden, so dass Racial Profiling bei der selektiven Kontrolle dieser Personen durch die Polizei allein deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil nicht auf der Grundlage äußerer Merkmale, sondern ausschließlich auf Erfahrungswerten der Polizei beim Umgang mit diesen Personen diese Personen kontnrolliert werden. . Dieses Täterprofil hat Teil der von der Polizei zu erstellenden Gefahrenprognose zu sein.

2) In Waffenverbotszonen tätig werdende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten können auf der Grundlage erstellter Täterprofile sich darauf berufen, dass auch für zu treffenden Durchsuchungs- und Folgemaßnahmen, durch ihr Einschreiten der Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes nicht beeinträchtigt wird. Insoweit ist ein erstelltes Täterprofil als eine zu befolgende Weisung der anordnenden Polizeibehörde im Sinne des § 35 (Folgepflicht) des Beamtenstatusgesetzes zu verstehen.

§ 6 WaffG_AR (Folgemaßnahmen bei festgestellten Regelverletzungen)

1) Gegen Personen, die einer Straftat verdächtig sind, ist ein Strafverfahren einzuleiten.

2) Soweit es sich um Personen handelt, denen lediglich ordnungswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, ist  ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten.

3) Waffen, Messer oder auch andere verbotene Gegenstände, die anlässlich von Durchsuchungen gefunden wurden, unterliegen gemäß § 54 WaffG der Einziehung und sind sicherzustellen bzw. zu beschlagnahmen.

§ 7 WaffG_AR (Freiheitsentziehende Maßnahmen)

1) Gegen Personen, die ordnungswidrig gehandelt haben, kommt aus Rechtsgründen eine vorläufige Festnahme nicht in Betracht, siehe § 46 Abs. 3 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren).

2) Tatverdächtige, die über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, oder aber als EU-Bürger anzusehen sind, können auf der Grundlage von § 127b StPO (Vorläufige Festnahme und Haftbefehl bei beschleunigtem Verfahren) vorläufig festgenommen werden.

3) Vorläufig festgenommene Personen sind sind umgehend einem Richter vorzuführen.

3) Nichtdeutsche vorläufig festgenommeneTatverdächtige, sind ebenfalls unverzüglich einem Richter vorzuführen, damit dieser darüber entscheiden kann, ob die Voraussetzungen einer Abschiebungshaft im Sinne von § 62 des Aufenthaltsgesetzes gegeben sind.

5) In Entscheidungen, die Nichtdeutsche betreffen, sind die Ausländerbehörden im Vorfeld der Richtervorführung mit in die zu treffende Entscheidung einzubeziehen.

§ 8 WaffG_AR (Flüchtlingsheime, Asylunterkünfte und andere Sammelunterkünfte)

1) Die Betreiber von Örtlichkeiten, zu denen, in Ergänzung zur Überschrift, auch die Erstaufnahmeeinrichtungen und die Ankunftszentren nach § 22 des Asylgesetzes gehören, sind dazu verpflichtet, diese Liegenschaften für jedermann erkennbar als Waffenverbotszonen zu kennzeichnen.

2) Das Personal, das dort das Hausrecht ausübt, kann auf der Grundlage dieses Gesetzes in als Waffenverbotszonen gekennzeichnete Liegenschaften, die sich in diesen liegenschaften sich befindenden Gemeinschaftsunterkünften befindlichen Räume und Behältnisse stichprobenartig nach Waffen, Messern und anderen verbotenen Gegenständen durchsuchen.

3) Für die Suche nach Waffen, Messern oder anderen verbotenen Gegenstände, die von um Schutz ersuchenden Personen am Körper mitgeführt werden können, sind dafür geeignete Körperscanner zu verwenden, die anzeigen, ob metallene Gegenstände in der Kleidung mitgeführt werden. Weigert sich die um Schutz ersuchende Person, die vom Körperscanner angezeigten metallenen Teile vorzuzeigen, ist für die dann notwendig werdende körperliche Durchsuchung die Polizei um sofortigen Vollzug der körperlichen Durchsuchung zu ersuchen.

4) Werden sicherzustellende Gegenstände gefunden und in Verwahrung genommen, ist davon sofort die Polizei in Kenntnis zu setzen, damit weitere notwendig werdende Maßnahmen getroffen werden können. Unabhängig davon sind auch die Ausländerbehörden von den festgestellten Straf- bzw. Ordnungswidrigkeiten in Kenntnis zu setzen.

§ 9 WaffG_AR (Kennzeichnung von Waffenverbotszonen in Flüchtlingsheimen, Asylunterkünften und andere Sammelunterkünften)

1) Die Kennzeichnung hat in deutscher und englischer Sprache in Anlehnung an folgendes Muster zu erfolgen: 

Waffenverbot
Der Besitz von Waffen und Messern ist verboten.
Leibesvisitationen müssen geduldet werden.
Die Durchsuchung in Räumen und in Sachen ist gesetzlich erlaubt.
Zuwiderhandlungen werden sanktioniert.

Weapon ban
The possession of weapons and knives is prohibited.
Body scans have to be tolerated.
The search in rooms and in things is legally permitted.
Violations are sanctioned.

2) So gekennzeichnete Bereiche ermöglichen es auch der Polizei, dort anlassbezogen  verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen.

3) Schutzbedürftige Personen, die sich durch das Mitführen von Waffen oder Messern strafbar machen, können ausgewiesen werden.

4) Ordnungswidriges Verhalten ist bei der Entscheidung über ein Bleiberecht im angemessenen Umfang zu berücksichtigen.

5) Die Regeln, die von schutzsuchenden Menschen in Deutschland einzuhalten sind, und das gilt auch für die zu erwartenden Folgen bei festgestelltem Fehlverhalten, sind in allen Landessprachen in Schriftform vorzuhalten und dem jeweiligen Schutzsuchenden in seiner Landessprache auszuhändigen.

§ 8 WaffG_AR (Waffenverbotszonen in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden)

1) Behörden, zu denen auch die Schulen gehören, sind von Gesetzeswegen im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu verpflichtet, in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Die dazu in Betracht kommenden Maßnahmen ergeben sich aus dem jeweiligen Hausrecht.

2) Auf der Grundlage des bestehenden Hausrechts können Schulen, aber auch andere Behörden, ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich als Waffenverbotszone kennzeichnen.

3) Als Waffenverbotszonen gekennzeichnete Schulen/Behördengebäude erlauben es auch der Polizei, dort verdachtsunabhängig Personen nach Waffen, Messern oder mitgeführten verbotenen Gegenständen zu durchsuchen, wenn die Polizei diesbezüglich um Unterstützung ersucht wird.

§ 9 WaffG_AR (Maßnahmen in Schulen und Behörden nach eigenem Recht)

1) Alle im Rahmen des Hausrechts zulässigen Maßnahmen können von eigenem Schul- oder Behördenpersonal durchgeführt werden. Darüber hinausgehend ist es in Schulen dem Lehrpersonal erlaubt, anlassbezogen die von Schülerinnen und Schülern mitgeführten Sachen zu durchsuchen. Zum Auffinden von metallenen Gegenständen, die Schülerinnen oder Schüler am Körper mitführen können, sind dazu geeignete Körperscanner zu verwenden. Anzustreben ist das freiwillige Einverständnis von Schülerinnen und Schülern in diese Maßnahmen.

2) Verhaltensauffällig gewordene Schülerinnen und Schülern willigen auch dann freiwillig in die oben genannten Maßnahmen ein, wenn sie über die Folgen ihrer Verweigerung eindringlich dahingehend belehrt werden, dass im Falle der Maßnahmenverweigerung die Polizei damit beauftragt wird, die verweigerte Durchsuchungen erforderlichenfalls zu erzwingen.

3) Bestätigt sich der Verdacht einer Straftat, hat die Polizei, in Zusammenarbeit mit der Schulleitung, dem Jugendamt und dem Ausländeramt bei Schülern mit Migrationshintergrund, die weitere Vorgehensweise abzustimmen. Aus erzieherischen Gründen ist auch gegen Kinder ein "Ermittlungsverfahren" einzuleiten, ohne dass es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Ermittlungsverfahren gegen jugendliche Tatverdächtige sind auf der Grundlage des Jugendgerichtsgesetzes einzuleiten und entsprechend abzuschließen, da es aus Rechtsgründen bei Ersttätern nicht zu einer Verurteilung kommt (Diversionsverfahren).

Ablauf eines Diversionsverfahrens

Hinweis: Dass es sich bei der Vorstellung, Schulen als Waffenverbotszonen zu kennzeichnen, nicht um eine fixe Idee, sondern um eine zu bedauernde Notwendigkeit handelt, dazu heißt es in Artikel, der auf der Website von Radioessen.de am 17.04.2024 veröffentlicht wurde, wie folgt:

Radioessen.de: Waffenverbotszonen in Essen: Schulen setzen auf Verbote und Prävention. Die Stadt Essen will härter gegen bewaffnete Jugendliche vorgehen und fordert unter anderem von den Schulen, Waffenverbote in die Schulordnung zu schreiben. Eine Radio Essen-Recherche hat ergeben, dass viele Schulen solche Verbote schon längst in ihren Leitlinien und Verordnungen haben. Unter anderem das Gymnasium Nord-Ost in Altenessen geht sogar einen Schritt weiter und verbietet nicht nur Waffen, sondern auch Spielzeugnachbildungen und Attrappen jeder Art.

Auch an der Gertrud-Bäumer-Realschule gilt ein Waffenverbot. Kontrollieren könne man das aber nicht, sagt Schulleiterin und Sprecherin der Essener Realschulen, Barbara Bielefeld. Bei einem begründeten Verdacht müssten Ordnungsamt oder Polizei hinzugezogen werden. Generelle Kontrollen würden helfen. Denn niemand weiß, wer wirklich eine Waffe dabei hat. Wichtig ist aber, dass die Kontrollen auch wirklich an allen Schulen stattfinden. Sonst könnte sich das dadurch entstehende Sicherheitsgefühl auch ins Negative verkehren, wenn die Schüler das Gefühl bekämen, die Polizei sei da, weil man auf einer „Problemschule“ sei, sagt sie im Radio Essen-Interview. Auch die Diskussion rund um Videoüberwachung an Schulen findet Barbara Bielefeld richtig. Natürlich müssten die Datenschutzbedingungen geklärt werden. Aber Videoüberwachung könne potenzielle Täter abschrecken und gleichzeitig dafür sorgen, dass Schulen die offenen Orte, die sie gerade sind, auch bleiben können.

Artikel im Volltext

Jetzt zur letzten, von erdachten Neuregelung im Waffengesetz der Zukunft:

§ 10 WaffG_AR (Evaluation der Kontrollergebnisse)

1) Jeweils zum 15. Januar eines jeden Kalenderjahres haben die Polizeibehörden, in denen von der Polizei Waffenverbotszonen eingerichtet wurden, dem Bundeskriminalamt zur bundesweiten Auswertung der Kontrollergebnisse polizeilichen Einschreitens in Waffenverbotszonen Bericht zu erstatten.

Zu melden sind:

  • Anzahl der eingerichteten Waffenverbotszonen

  • Anzahl der kontrollierten Personen

  • Anzahl der Personen, die aufgrund eines Täterprofils kontrolliert wurden

  • Anzahl der Personen, die Waffen, Messer oder verbotene Gegenstände mit sich geführt haben

  • Anzahl der sichergestellten/beschlagnahmten Gegenstände

  • Anzahl der eingeleiteten Strafverfahren

  • Anzahl der eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren.

2) Auf der Grundlage der Kontrollergebnisse, die in den Polizeibehörden erhoben wurden, ist behördenintern zu entscheiden, ob dauerhaft eingerichtete Waffenverbotszonen aufrechterhalten bleiben können. Das setzt voraus, dass dafür notwendiges belastende Daten zur Verfügung stehen.

Abschließender Hinweis:

Polizeiliche Eingriffsbefugnissen zur Abwehr von Gefahren können nicht nur vom Landesgesetzgeber, sondern auch vom Bundesgesetzgeber erlassen werden, siehe zum Beispiel den § 15 des Bundesjagdgesetzes.

Dort heißt es:

§ 15 BJagdG (Allgemeines)

(1) Wer die Jagd ausübt, muß einen auf seinen Namen lautenden Jagdschein mit sich führen und diesen auf Verlangen den Polizeibeamten sowie den Jagdschutzberechtigten (§ 25) vorzeigen.

Anders ausgedrückt: Der Bundesgesetzgeber könnte, wenn er will und ihm  die dazu erforderliche Kraft und auch der dafür erforderliche Mut tatsächlich überkommen sollte, ein Waffengesetz verabschieden, das alle im Zusammenhang mit Waffenverbotszonen zu treffenden Maßnahmen für jedermann nachvollziehbar und verständlich regelt.

Hinweis: Sollte beim Lesen der von mir erstellten „Neufassung des Waffengesetzes“ der Eindruck entstanden sein, dass dieser Versuche eher einen „rechtslastigen Staat“ beschreiben, dem es sozusagen am liberalen Demokratieverständnis fehl, der unterliegt einem Irrtum, denn das, was Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Waffenverbotszonen bereits heute dürfen, das entspricht vollumfänglich den oben beschriebenen allgemeinverständlichen Regelungen.

Lediglich der Umgang mit Personen, die sich in Schulen und anderen nicht der Öffentlichkeit zugänglichen Orten aufhalten, lässt die oben beschriebenen notwendigen Verhaltens- und Kontrollrechte bisher nur im eingeschränktem Umfang zu.

Wie dem auch immer sei: Wer heute im „Dickicht des geltenden polizeilichen Eingriffsrechts“ nach den von mir oben in verständlicher Art und Weise beschriebenen Befungnissen und Kontrollrechten sucht, wird in diesem Dickicht die oben beschriebenen Ausführungen nur dann finden, wenn der oder die Suchende sich bereits intensiv mit dem polizeilichen Eingriffsrecht auseinandergesetzt hat, über viel Zeit, und über eine ausgesprochene Lust verfügt, einer Sachfrage auf den Grund zu gehen.

Zusammenfassung: Wenn Sie diesen noch überschaubaren und wie ich hoffe unmissverständlich geschriebenen Text gelesen haben, dann wissen Sie, was die Polizei heute schon darf, wenn bestehendes Polizeirecht wirklich extensiv ausgelegt wird.

Hinweis: Die Auseinandersetzung mit geltendem Polizeireicht, das sowohl die Einrichtung von als auch die in eingerichteten Waffenverbotszonen rechtlich möglichen polizeilichen Maßnahmen umfasst, dürfte eine Lesezeit von gut 2 Stunde erforderlich machen.

03 Das Ziel von Waffenverbotszonen

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Hinweis: Die Lesezeit von 2 Stunden, die aufzuwenden ist, um die zurzeit geltenden Befugnisse der Polizei im Zusammenhang mit der Einrichtung von Waffenverbotszonen zumindest nachvollziehen zu können, lässt sich dadurch reduzieren, indem die wortgewaltigen Verordnungstexte nur grob gesichtet werden.

Genug der Vorrede.

Wie oben bereits angedeutet, ist es der Polizei - in Anlehnung an geltendem Recht bereits erlaubt - in als Waffenverbotszonen ausgewiesenen Bereichen, Personen und von diesen Personen mitgeführte Sachen (Handtaschen, Rucksäcke etc.) nach mitgeführten Waffen, Messer, Reizstoffsprühgeräte, Tasern und anderen verbotenen Gegenständen durchsuchen zu können, obwohl die Rechtslage nicht so eindeutig geregelt ist, wie sie in einem Rechtsstaat eigentlich geregelt sein sollte.

Wie dem auch immer sei: Unbestreitbar dürfte sein, dass nur im Rahmen von Durchsuchungen kontrollierende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Waffen, Messer und andere verbotene Gegenstände, die von Personen mitgeführt werden, auffinden und in amtliche Verwahrung nehmen können.

Mildere Mittel stehen der Polizei nicht zur Verfügung, um Waffenverbotszonen im festen Glauben an eine präventive Wirkung, zumindest im Rahmen des polizeilich Möglichen waffenfrei zu machen, was sowieso nicht geht, weil ja nicht jede Person durchsucht werden kann, die sich in einer Waffenverbotszone aufhält. Aber das nur am Rande.

Die folgenden Beispiele sollen zuerst einmal nur verdeutlichen, mit welchen Situationen kontrollierende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Waffenverbotszonen konfrontiert werden können.

Beispiel 1:
In einer Waffenverbotszone spricht ein Polizeibeamter eine Person wie folgt an:

Polizeibeamter: Sie halten sich gerade in einer Waffenverbotszone auf. Meine Frage an Sie: Befindet sich in Ihrer Kleidung oder in ihrem Rucksack eine Waffe, ein Messer, ein Reizstoffsprühgerät oder ein anderer nach dem Waffengesetz verbotener Gegenstand? Bevor Sie darauf antworten, muss ich sie darüber belehren, dass es Ihnen natürlich freisteht, auf diese Frage zu antworten, denn niemand in diesem Staat ist dazu verpflichtet, sich selbst zu belasten.

Hinweis: Das wäre ein durchaus rechtskonformer kommunikativer Einstieg in die dadurch sicherlich noch nicht abgeschlossene Kontrolle. Nach geltendem Polizeirecht bedarf es für diesen „Gesprächseinstieg“ bereits des Nachweises einer Ermächtigung, siehe § 9 Abs. 2 und 6 PolG NRW (Allgemeine Regeln, Befragung, Auskunftspflicht).

Dort heißt es:

(2) Die Polizei kann jede Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. [...].

(6) Sinngemäß heißt es dort, dass befragte Personen „in geeigneter Weise über die Rechtsvorschriften für die Datenerhebung sowie entweder über die bestehende Auskunftspflicht oder über die Freiwilligkeit der Auskunft aufzuklären sind, es sei denn, dies ist wegen besonderer Umstände offenkundig nicht angemessen oder die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben wird hierdurch erheblich erschwert oder gefährdet.

Beispielfortschreibung:

Die befragte Person antwortet:

  • Nein! Ich bin nicht im Besitz einer Waffe oder eines Messers.

  • Das geht Sie gar nichts an!

  • Ich hab es eilig, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

All dies sind Antworten, sind aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Beispielfortschreibung:

Polizeibeamter: Da Sie, aus welchen Gründen auch immer, meine Frage nicht beantworten wollen, fordere ich Sie nunmehr auf, sich von mir durchsuchen zu lassen, damit ich mich davon überzeugen kann, dass sie tatsächlich keine Waffe, kein Messer und auch keinen anderen verbotenen Gegenstand mit sich führen.

Kontrollierte Person: Ist das Ihr Ernst?

Polizeibeamter: Sie können das vermeiden, wenn Sie mir die Gegenstände zeigen, die sich in Ihrer Kleidung befinden, um mir im Anschluss daran dann auch Einsicht in Ihren Rucksack zu gewähren. Sollten Sie nicht damit einverstanden sein, werde ich erforderlichenfalls die notwendig werdenden Durchsuchungen unter Anwendung von Zwang durchsetzen. Das wird aber nur dann notwendig sein, wenn Sie diese Maßnahme nicht dulden wollen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass geltendes polizeiliches Eingriffsrecht die von dem Beamten mündlich erklärte Weisung zulässt, siehe die nachfolgenden Zitate aus polizeilichen Befugnissen im Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, die in gleichem Wortlaut auch in allen anderen Polizeigesetzen zu finden sind.

Durchsuchung der Person:

§ 39 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW (Durchsuchung von Personen)
(1) Die Polizei kann außer in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 4 eine Person durchsuchen, wenn
4. sie sich an einem der in § 12 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte aufhält.

Durchsuchung von Sachen, die die Kontrollperson mitführt:

§ 40 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW (Durchsuchung von Sachen)
(1) Die Polizei kann außer in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 4 eine Sache durchsuchen, wenn
4. sie sich an einem der in § 12 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte befindet.

Hinweis: Bei gefährlichen Orten handelt es sich um Örtlichkeiten, die im § 12 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW (Identitätsfeststellung) wie folgt beschrieben werden:

§ 12 Abs. 1 Nr. 2a (Identitätsfeststellung)
(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen,
2. wenn sie sich an einem Ort aufhält, von dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
a) dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben.

Hier wird davon ausgegangen, dass auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 Nr. 2a PolG NRW der Ort, an dem zurzeit eine Person von einem Polizeibeamten kontrolliert wird, zu einem gefährlichen Ort erklärt werden konnte. Das wiederum setzt die Annahme voraus, dass es sich auch bei einer „Waffenverbotszone“ um einen gefährlichen Ort im Sinne polizeirechtlicher Befugnisse handelt. Dazu später mehr.

Beispielfortschreibung: Der kontrollierende Polizeibeamte will sich mit dem NEIN der zu kontrollierenden Person nicht abfinden. Deshalb versucht es der einschreitende Polizeibeamte noch einmal, den von ihm gewünschten Erfolg, kommunikativ zu ermöglichen.

Polizeibeamter: Es tut mir leid, aber ich muss Sie jetzt auffordern, sowohl Ihre Kleidung, als auch den von Ihnen mitgeführten Rucksack von mir durchsuchen zu lassen. Natürlich bleibt es Ihnen freigestellt, die Taschen Ihrer Kleidung selbst zu leeren und mich durch die Möglichkeit der Einsichtnahme in Ihren Rucksack davon zu überzeugen, dass sich auch darin keine Waffe, kein Messer und auch kein anderer verbotener Gegenstand befindet.

Kontrollierte Person: Auch wenn Sie mit Engelszungen reden, ich bleibe ich bei meinem NEIN.

Polizeibeamter: Dann werde ich die notwendig werdenden Durchsuchungen erzwingen, wenn ich die dafür erforderlichen Verstärkungskräfte nicht nur angefordert, sondern diese hier auch eingetroffen sind. So lange werde ich Sie hier an diesem Ort festhalten. Sie sollten diese Zeit nutzen, darüber nachzudenken, ob es für Sie vielleicht doch vorteilhafter ist, die von mir für erforderlich gehaltenen Durchsuchungen zu dulden.

Kontrollierte Person: Und solch einen schwerwiegenden Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte halten Sie für angemessen, nur weil ich mich gerade in einer Waffenverbotszone befinde?

Polizeibeamter: Das Polizeigesetz des Landes NRW ermächtigt seine Polizei dazu, an gefährlichen Orten - wozu auch Waffenverbotszonen zählen – verdachtsunabhängige Durchsuchungen sowohl von Personen, als auch von mitgeführten Sachen durchführen zu können.

Weiterer Gesprächsverlauf:

Beispielfortschreibung: Die kontrollierte Person nimmt für sich in Anspruch, Adressat einer rechtswidrigen polizeilichen Maßnahme zu werden.

Kontrollierte Person: Können ... ich wiederhole nur Ihre Worte ... Sie können durchsuchen, wenn ... Also, bevor Sie sich an die Arbeit machen, eine nach meinem Rechtsempfinden unrechtmäßige Durchsuchungen sozusagen in Angriff zu nehmen, fordere ich Sie auf, mir zuerst einmal Ihren Dienstausweis zu zeigen, denn nach meinem Kenntnisstand sind sie dazu verpflichtet.

Hinweis: Auch für die Polizei des Landes NRW gilt, dass Personen, die von einer polizeilichen Maßnahme betroffen sind, ihren Dienstausweis vorzuzeigen haben, soweit der Zweck der Maßnahme dadurch nicht beeinträchtigt wird. In dem Erlass „Polizeidienstausweise, Kriminaldienstmarken und Visitenkarten“ des Innenministeriums NRW heißt es wie folgt:

2.5.1
Polizeivollzugsbeamte haben den Polizeidienstausweis bei Amtshandlungen auf Verlangen vorzuzeigen; beim Einsatz in Zivilkleidung haben sie dies unaufgefordert zu tun. Werden Polizeivollzugsbeamte unter gemeinsamer Führung eingesetzt, ist nur der mit der Führung Beauftragte
vorzeigepflichtig.

2.5.2
Der Polizeidienstausweis braucht nicht vorgezeigt zu werden, wenn der Zweck der Amtshandlung dadurch beeinträchtigt oder der Polizeivollzugsbeamte gefährdet würde.

Da die Kommunikation am Kontrollort bisher sozialverträglich verläuft, kommt der kontrollierende Polizeibeamte der Bitte des Mannes nach.

Polizeibeamter: Wenn Sie sich davon überzeugen wollen, dass ich tatsächlich ein Polizeibeamter bin, dann will ich Ihrer Bitte gern nachkommen. Interessieren würde mich aber trotzdem, warum Sie meinen Dienstausweis sehen wollen.

Kontrollierte Person: Ganz einfach, ich werde mich über Sie nicht nur beschweren, wenn Sie tatsächlich die von Ihnen mir angedrohte Durchsuchung durchsetzen, sondern auch das zuständige Verwaltungsgericht anrufen, um die Rechtmäßigkeit Ihrer Durchsuchungen, die ich für willkürlich ansehe, überprüfen zu lassen.

Nur zu Ihrer Kenntnis:

Ich studiere Jura im 7. Semester hier in Düsseldorf an der Universität.

Ich bin in Syrien geboren und verfüge somit erkennbar über einen Migrationshintergrund, der, so meine Sicht der Dinge, wohl ausschlaggebend für diese Kontrolle ist, was im Übrigen als verbotenes Racial Profiling anzusehen ist

Mit anderen Worten: Sie sollten es sich wirklich überlegen, ob Ihr Vorhaben für Sie karrierefreundlich sein wird, wenn Sie das tatsächlich durchsetzen, was Sie mir gerade angedroht haben, denn dann werden Sie Probleme bekommen. Und dann wird es Ihnen auch nicht helfen, sich darauf zu berufen, dass Ihre vorgesetzten Stellen eine Gefahrenprognose erstellt hat, die erstellt werden musste, um diesen Ortsbereich hier überhaupt als eine Waffenverbotszone auszuweisen zu können.

Solch eine Allgemeinverfügung, auf deren Grundlage dieses Gebiet hier als eine Waffenverbotszone ausgewiesen wurde, ist aber etwas ganz anderes, als die von Ihnen beabsichtigte Durchsuchung, denn für diese Einzelfallmaßnahme ist es erforderlich, auch im Einzelfall nachzuweisen, dass ... über den Rahmen von Vermutungen hinausgehend die Annahme gerechtfertigt ist ... dass ich eine Waffe, ein Messer, ein Reizstoffsprühgerät, einen Taser einen Schlagring, einen Totschläger oder was auch immer waffenrechtlich verboten ist, mit mir herumschleppe.

Und übrigens: Wenn Sie mich hier, in aller Öffentlichkeit, möglicherweise sogar unter Anwendung von körperlichem Zwang und unterstützt durch angeforderte Verstärkungskräfte tatsächlich durchsuchen, dann behandeln Sie mich wie einen Schwerverbrecher. Das verletzt nicht nur mein persönliches Ehrgefühl, sondern diskriminiert mich auch in der Wahrnehmung anderer Personen, die schon jetzt auf unser Gespräch aufmerksam geworden sind. Mein Rat an Sie: Überlegen Sie es sich gut, auf was für ein Abenteuer Sie sich einlassen, wenn Sie nicht mit polizeilichem Verstand, sondern doch lieber wie eine „auf Randnummern und Verwaltungsvorschriften programmierte Lochkarte“ funktionieren wollen.

Polizeibeamter: Das, was Sie mir gerade gesagt haben, verängstigt mich nicht. Andererseits haben Sie mich durch Ihre Argumentation dennoch davon überzeugt, dass von Ihnen wirklich keine Gefahren ausgehen, die in einer Waffenverbotszone sozusagen präventiv verhindert werden müssten. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Über diese kluge Entscheidung mag man unterschiedlicher Ansicht sein, denn soviel Scheu, dem Rechtsstaat Geltung zu verschaffen, gehört in anders gelagerten Fällen wohl nicht zum Selbstverständnis einer Polizei, die dafür Sorge zu tragen hat, dass in Waffenverbotszonen im Rahmen ihrer Möglichkeiten tatsächlich keine Waffen getragen - und wenn doch, diese aus dem Verkehr gezogen werden, wenn anlässlich von Durchsuchungen in Waffenverbotszonen Gegenstände gefunden wurden, die auf der Grundlage von § 54 des Waffengesetzes der Einziehung unterliegen.

Wo polizeilicher Kontrolldruck meist widerspruchslos hingenommen wird: Die Polizei hat keine Probleme damit, in Waffenverbotszonen Personen zu kontrollieren, die aufgrund der Erfahrungen einschreitender Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten erkennbar einem Klientel angehören, dass nicht nur polizeibekannt ist, sondern erfahrungsgemäß auch über Verhaltensweisen verfügt, die zumindest die Annahme rechtfertigt, dass es sich bei diesen Personen tatsächlich um Waffen- oder Messerträger handeln könnte.

Oftmals sind das Gangs von Jugendlichen, die nicht einmal über einen Hauptschulabschluss, geschweige denn über einen Berufsabschluss verfügen, und die es der Gesellschaft dennoch zeigen wollen, dass es sie gibt. Ergänzen lässt sich dieses Klientel „potentieller Waffenträger“, auch dadurch, dass, wenn es sich bei den zu kontrollierten Personen um junge Männer handelt, deren Wurzeln nicht nur im afrikanischen Raum liegen, sondern bei denen es sich auch um Flüchtlinge, Asylanten oder gar um illegal sich in Deutschland aufhaltenden Personen handelt. Natürlich gehören auch Ultrafans, Hooligans, oder Mitglieder von Clans sowie Personen aus dem Rotlichtmilieu zu den Personen, die Polizeikontrollen eher widerspruchslos dulden.

Szenenwechsel:

Zeitgleich zur gerade beschriebenen Personenkontrolle in dem als Waffenverbotszone gekennzeichneten Ortsbereich in der Altstadt von Düsseldorf, spricht eine Polizeibeamtin eine Person an, bei der es sich dem äußeren Erscheinungsbild nach um eine auffällig gekleidete junge Frau handelt. Trotzdem ... weil Vorsicht in der Altstadt von Düsseldorf immer geboten ist, spricht die Polizeibeamtin die Person wie folgt an:

Polizeibeamtin: Wie darf ich Sie ansprechen?

Kontrollierte Person: Ich bin eine Transfrau, mein Name ist Alyx Meier, sie können ruhig Alyx zu mir sagen.

Polizeibeamtin: Alyx, Sie befinden sich hier in einer Waffenverbotszone. Das bedeutet, dass es an dieser Stelle der Polizei erlaubt ist, verdachtsunabhängig Personen und von diesen Personen mitgeführte Sachen zu durchsuchen, um festzustellen, ob Sie Waffen, Messer, Reizstoffsprühgeräte, Taser oder andere nach dem Waffengesetz verbotene Gegenstände mit sich führen.

Kontrollierte Person: Natürlich befindet sich in meiner Handtasche ein Reizstoffsprühgerät. Wie anders sollte ich mich denn vor Männern schützen, die mir unaufgefordert an die Wäsche wollen? Ganz ehrlich. Noch gestern habe ich mein Reizstoffsprühgerät einsetzen müssen, um eine sexuelle Belästigung, möglicherweise sogar eine Vergewaltigung von mir abwenden zu können.

Polizeibeamtin: Bitte geben Sie mir das Reizstoffsprühgerät, damit ich prüfen kann, ob es sich bei dem Gerät um ein mit einem PTB-Zeichen versehenes Reizstoffsprühgerät handelt, das in Deutschland von Personen ab 14 Jahren erworben und auch außerhalb des Eigentums mitgeführt werden darf .... außer in Waffenverbotszonen.

Kontrollierte Person: Wenn das unbedingt sein muss. Hier .... die Transfrau kramt kurz in ihrer Handtasche ... so sieht das Gerät aus, das ich zur Selbstverteidigung nicht nur mitführe, sondern auch bereits mehrfach benutzt habe. Ich kann ihnen solch ein Gerät nur empfehlen, denn dieses Gerät, das Pfefferspray versprüht, hat mir bisher beste Dienste bei der Abwehr männlicher Übergriffe geleistet.

Polizeibeamtin: Dann muss ich Ihnen leider eröffnen, dass es das Gesetz nicht erlaubt, solch ein Reizstoffsprühgerät an einem Ort mitzuführen, an dem ein generelles Verbot zum Mitführen von Waffen, Messern aber auch andere waffenrechtlich verbotene Gegenstände umfasst. Das ist hier der Fall. Ich werde Ihr Reizstoffsprühgerät deshalb jetzt zuerst einmal nach Polizeirecht sicherstellen. Das hat den Vorteil, dass Sie sich Ihr RSG bei der Polizeiwache im Polizeipräsidium wieder abholen können, denn außerhalb von Waffenverbotszonen ist das Mitführen Ihres RSG ja zulässig. Ob ich gegen Sie eine Ordnungswidrigkeitenanzeige vorlegen werde, wird von mir noch zu prüfen sein. Nur zu Ihrer Kenntnis: Ihr Fehlverhalten kann mit einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro geahndet werden.

Kontrollierte Person, die sich jetzt den Bauch vor lauter Lachen hält: Ich glaube, dass Sie wohl zu lange in der Sonne gelegen haben. Wen glauben Sie denn, vor sich zu haben. Ich bin eine gutvernetzte Aktivistin, die dann, wenn sie mein Reizstoffsprühgerät tatsächlich sicherstellen, alle Hebel in Bewegung setzen wird, um der Polizei Genderdiskriminierung vorzuwerfen.

Polizeibeamtin: Tun Sie das. Wenden Sie sich mit Ihrer Beschwerde bitte direkt an das Polizeipräsidium Düsseldorf. Mein Name ist Monika Schuster. Jetzt werde ich, nachdem ich Ihre Personalien notiert habe, Ihnen eine Bescheinigung über die Sicherstellung Ihres Reizstoffsprühgerätes ausstellen, denn darauf haben Sie einen Anspruch. Bitte händigen Sie mir jetzt Ihren Personalausweis aus.

Hinweis: Rechtlich werden in Deutschland Pfeffersprays in zwei Arten eingeteilt. Zum einen gibt es Geräte, die als Reizstoffsprühgeräte (RSG) gelten und gegen Menschen eingesetzt werden sollen. Diese fallen unter die Regelungen des Waffengesetzes (WaffG). Gemäß Anlage 1 Unterabschnitt 2 Punkt 1.2.2 WaffG gelten diese Geräte als tragbare Gegenstände nach § 1 Absatz 2a WaffG und unterliegen daher bestimmten Regelungen, zum Beispiel der Regelung, dass sie in Waffenverbotszonen nicht mitgeführt werden dürfen, was bei der Missachtung dieses Verbotes als eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Waffengesetzes anzusehen ist.

Aber:

Enthalten die Reizstoffsprühgeräte nicht zugelassene Wirkstoffe und besitzen diese Geräte keine Ausweisung als Tierabwehrspray oder fehlt das BKA-Prüfzeichen, dann liegt ein strafbarer Verstoß gegen das Waffengesetz vor. In diesem Fall kann die Tat mit Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahre geahndet werden.

Die Folgen der Beschlagnahme des Reizstoffsprühgerätes:

Offensichtlich ist die Transfrau so gut vernetzt, dass sich über die Polizei in Düsseldorf ein Shitstorm in den sozialen Medien ergießt, der sogar die Bundesbeauftragte für Transgender (solch eine Stelle gibt es noch nicht) sich dazu aufgerufen fühlt, den Gesetzgeber aufzufordern, eine Ausnahmeregelung zu schaffen, die sicherstellt, dass nicht nur Frauen, sondern auch alle Lesben, Gays (Schwule), Biseluelle und natürlich auch Transgender zur Abwehr sexueller Angriffe auf ihre Person, ein Reizstoffsprühgerät mit PTB-Zeichen auch an Orten mitführen dürfen, die als Waffenverbotszonen gekennzeichnet sind.

Genug der einleitenden Worte in die Rechtswirklichkeit von heute:

Über den folgenden Link lässt sich eine „zum Verkehrszeichen mutierte polizeiliche Allgemeinverfügung, erlassen von der Polizei in Düsseldorf“, aufrufen, deren Zweck zuerst einmal nur darin bestehen soll, sich einen visuellen Eindruck von einer „Sicherheitsillusion“ machen zu können, die dem äußeren Anschein nach an das Erscheinungsbild eines amtlichen Verkehrszeichens erinnert, ohne aber ein solches zu sein.

Gemeint ist die Kennzeichnung einer Waffenverbotszone in der Altstadt von Düsseldorf.

Kennzeichnung der Waffenverbotszone der Polizei in Düsseldorf

Das was verboten ist, wird in dieser „polizeilichen Allgemeinverfügung“ durch drei Logos, besser gesagt durch drei visuelle Zeichen zum Ausdruck gebracht. Das mag ja zur Kennzeichnung von Verboten durchaus ausreichen, was aber fehlt, das sind aus Rechtsgründen unverzichtbare Informationen zu den Kontrollrechten der Polizei, deren Aufgabe es ja ist, zu kontrollieren, ob sich auch alle an die Verbote halten. Außerdem wirken die Verbotszeiten befremdend, denn waffenrechtliche Verbote sind überall im öffentlichen Raum in Deutschland an 365 Tagen rund um die Uhr zu beachten. Wer sich nicht an die im Waffengesetz festgelegten Regeln hält, begeht entweder eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit.

§ 51 WaffG (Strafvorschriften)

§ 52 WaffG (Strafvorschriften)

§ 53 Abs. 1 Nr. 2a WaffG (Bußgeldvorschriften).
Dort heißt es in der Randnummer 21a wie folgt:
21a. entgegen § 42a Abs. 1 eine Anscheinswaffe, eine dort genannte Hieb- oder Stoßwaffe oder ein dort genanntes Messer führt.
Die Randnummer 21a verweist auf den § 42a Abs. 1 WaffG.
Dort heißt es:
§ 42a Abs. 1 WaffG (Verbot des Führens von Anscheinswaffen und bestimmten tragbaren Gegenständen)
(1)
Es ist verboten
1. Anscheinswaffen,
2. Hieb- und Stoßwaffen nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1 oder
3. Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12
cm
zu führen.

Hinweis: Findet die Polizei anlässlich von Kontrollen in so genannten Waffenverbotszonen die oben aufgeführten und nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstände, dann kann der Personen, die solche Gegenstände mitführen, in der Regel nur ordnungswidriges Verhalten vorgeworfen werden.

Diese Normalität ignorierend, wird mit großer juristischer Sprachgewalt versucht, den Nachweis zu erbringen, dass verstärkte polizeiliche Kontrollen in Waffenverbotszonen vorrangig dem Zweck dienen, Straftaten von erheblicher Bedeutung, die unter Zuhilfenahme von Waffen und anderen verbotenen Gegenständen, insbesondere unter Verwendung von Messern, begangen werden können, verhindern zu wollen und darüber hinausgehend auch Rechtsgüter von bedeutendem Wert präventiv durch Kontrollen zu schützen sind, weil allein durch die Annahme, dass Personen solche Gegenstände mit sich führen können, verdachtsunabhängige Polizeikontrollen dazu in der Lage sind, diesen Missstand zu beenden.

Zur Zeit der Aufklärung hätten die Aufklärer gesagt: Wer glaubt wird selig.

Im Folgenden wird dennoch der Versuch unternommen, polizeirechtliches Eingriffsrecht in einer hoffentlich noch verständlichen Sprache zu beschreiben, wohl wissend, dass die juristische Sprachgewalt von heute, ohne die das „moderne“ Polizeirecht kaum noch denkbar ist, das kaum noch zulässt.

Wie dem auch immer sei: Wenn Sie die folgenden Ausführungen lesen, die sowohl das Einrichten von Waffenverbotszonen als auch die Schwierigkeit der Begründung von polizeilichen Kontrollmaßnahmen in Waffenverbotszonen betreffen, dann dürfte Ihnen nach getaner Lesearbeit nicht nur der Kopf rauchen, auch Ihre Augen dürften Ermüdungserscheinungen zeigen. Dennoch bin ich mir sicher, dass die gemeinsame Reise in das Polizeirecht von heute, Sie sozusagen bei der Stange halten wird.

04 Vom Bundesgesetz zu den Landesregierungen

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Im § 42 Abs. 6 des Waffengesetzes heißt es:

§ 42 Abs. 6 WaffG (Verbot des Führens von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen; Verordnungsermächtigungen für Verbotszonen)

(6) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung vorzusehen, dass das Führen von Waffen im Sinne des § 1 Absatz 2 oder von Messern mit feststehender oder feststellbarer Klinge mit einer Klingenlänge über vier Zentimeter an folgenden Orten verboten oder beschränkt werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot oder die Beschränkung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist:

1. auf bestimmten öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf denen Menschenansammlungen auftreten können,

2. in oder auf bestimmten Gebäuden oder Flächen mit öffentlichem Verkehr, in oder auf denen Menschenansammlungen auftreten können, und die einem Hausrecht unterliegen, insbesondere in Einrichtungen des öffentlichen Personenverkehrs, in Einkaufszentren sowie in Veranstaltungsorten,

3. in bestimmten Jugend- und Bildungseinrichtungen sowie

4. auf bestimmten öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, die an die in den Nummern 2 und 3 genannten Orte oder Einrichtungen angrenzen.

In der Rechtsverordnung nach Satz 1 ist eine Ausnahme vom Verbot oder von der Beschränkung für Fälle vorzusehen, in denen für das Führen der Waffe oder des Messers ein berechtigtes Interesse vorliegt. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor bei

1. Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse,

2. Anwohnern, Anliegern und dem Anlieferverkehr,

3. Gewerbetreibenden und bei ihren Beschäftigten oder bei von den Gewerbetreibenden Beauftragten, die Messer im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung führen,

4. Personen, die Messer im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege oder der Ausübung des Sports führen,

5. Personen, die eine Waffe oder ein Messer nicht zugriffsbereit von einem Ort zum anderen befördern, und

6. Personen, die eine Waffe oder ein Messer mit Zustimmung eines anderen in dessen Hausrechtsbereich nach Satz 1 Nummer 2 führen, wenn das Führen dem Zweck des Aufenthalts in dem Hausrechtsbereich dient oder im Zusammenhang damit steht.

Die Landesregierungen können ihre Befugnis nach Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 durch Rechtsverordnung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen; diese kann die Befugnis durch Rechtsverordnung weiter übertragen.

Hinweis: Wenn sie dieses Textmonstrum gelesen haben, und immer noch glauben, dass so gesellschaftliche Probleme tatsächlich gelöst werden können, dann leben Sie in einer Traumwelt.

Vielleicht noch eine kurze Anmerkung zur Nr. 6: In vielen Innenstadtbereichen gibt es abgetrennte Bereiche im öffentlichen Raum, in denen Gastronomen ihren Geschäften nachgehen. Die in der Nummer 6 aufgeführte Ausnahme erlaubt es einerseits dem Gastronom, bestellte Speisen mit Messer und Gabel zu servierenes und andererseits natürlich auch den Gästen, die ihnen im öffentlichen Raum servierten Speisen mit Messer und Gabel zu essen.

Im Gegensatz dazu verletzt ein Obdachloser geltendes Waffenrecht in einer Waffenverbotszone, wenn er auf der anderen Straßenseite des oben skizzierten Freilichtrestaurants auf seinem Rucksack sitzt, und mit seinem Taschenmesser einen Apfel schält. In diesem Fall könnte nur dann eine Ausnahme im Sinne von § 42 WaffG greifen, wenn dieser Stadtstreicher kurzfristig von kontrollierenden Polizeibeamten zu einem Anwohner erklärt würde.

05 Von der Landesregierung NRW zum Landesamt für Polizeiliche Dienste NRW

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Ausgehend vom letzten Satz des § 42 Abs. 6 des Waffengesetzes, bei dem es sich um ein Bundesgesetz handelt, und in dem es heißt:

Zitat:

Die Landesregierungen können ihre Befugnis nach Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 durch Rechtsverordnung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen; diese kann die Befugnis durch Rechtsverordnung weiter übertragen.

Davon hat das Innenministerium des Landes NRW Gebrauch gemacht.

06 Die Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung des Innenministeriums NRW

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Durch diese Verordnung delegierte das Innenministerium das ihr vom Waffengesetz übertragene Verordnungsrecht in Bezug auf die Einrichtung von Waffenverbotszonen an das Landesamt für polizeiliche Dienste des Landes NRW (LZPD NRW).

In der Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung heißt es unter anderem:

§ 2

Waffenverbotszone

(1) Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste prüft die Voraussetzungen zur Einrichtung einer Waffenverbotszone auf Vorschlag der örtlich zuständigen Kreispolizeibehörden und bestimmt diese in einer Verordnung nach § 1.

(2) Der Vorschlag der örtlich zuständigen Kreispolizeibehörden basiert auf einer Gefahrenprognose, mit der nachgewiesen wird, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Einrichtung einer Waffenverbotszone zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Die Gefahrenprognose ist zu dokumentieren und dem Landesamt für Polizeiliche Dienste für die Prüfung nach Absatz 1 vorzulegen.

(3) Bei Waffenverbotszonen im Sinne des § 42 Absatz 5 des Waffengesetzes ist darzulegen, dass in dem jeweiligen Gebiet wiederholt Straftaten nach § 42 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 des Waffengesetzes begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass auch künftig mit der Begehung solcher Straftaten zu rechnen ist.

(4) Bei Waffenverbotszonen im Sinne des § 42 Absatz 6 des Waffengesetzes ist darzulegen, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot oder die Beschränkung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Da von Waffen und Messern im Sinne des § 42 Absatz 6 des Waffengesetzes eine generelle Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter Leib oder Leben ausgeht und ein möglicher Schaden tendenziell von größerem Ausmaß ist, kann für die Gefahrenprognose eine geringere Schadenswahrscheinlichkeit ausreichen. Das sachverhaltstypische Risiko muss jedoch das allgemeine Lebensrisiko erheblich übersteigen. Aus der Gefahrenprognose muss sich die voraussichtliche Häufigkeit von Schadensfällen mit Waffen und Messern und das Gewicht der Schadensfolgen ergeben. Dabei können insbesondere folgende polizeiliche Erkenntnisse in Bezug auf das maßgebliche Gebiet zugrunde gelegt werden:

1. bereits begangene Straftaten unter Verwendung von Waffen und Messern,

2. Feststellung einzelner Störer oder Störergruppen, die Waffen oder Messer mit sich führen und

3. Sicherstellung von Waffen oder Messern anlässlich einer Durchsuchung in einer Gewahrsamseinrichtung bei Störern, die sich zuvor in dem maßgeblichen Gebiet aufgehalten haben.

(5) Erforderlich ist die Einrichtung einer Waffenverbotszone, wenn andere polizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten unter Verwendung von Waffen und Messern im Sinne des § 42 Absatz 6 des Waffengesetzes erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wären. Die Waffenverbotszone ist räumlich und zeitlich auf das Notwendige zu beschränken.

(6) Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste hat in der Verordnung gemäß § 1 Ausnahmen vom Verbot des Führens von Waffen und Messern im Sinne des § 42 Absatz 5 Satz 2 oder Absatz 6 Satz 2 des Waffengesetzes zu regeln.

(7) Die örtlich zuständigen Kreispolizeibehörden haben die Gefahrenprognose regelmäßig, mindestens jährlich, zu überprüfen und fortzuschreiben. Hierzu ist dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste zu berichten.

(8) Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste unterrichtet das für Waffenrecht zuständige Ministerium über den Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 1 vor deren Verkündung.

Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung im Volltext

Auch hier handelt es sich um ein „Regelungsmonster“, von denen es im modernen Polizeirecht von heute bereits eine zu große Anzahl gibt,

07 Die Waffenverbotszonenverordnung – WVZ VO des LZPD NRW

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Auch die Waffenverbotszonenverordnung des Landesamtes für Polizeiliche Dienste  NRW (LZPD NRW) verdient es, unter dem Aspekt der gesetzlichen Regelungswut von heute, näher betrachtet zu werden.

Aus diesem Grund wird die WVZ VO im Folgenden in Gänze zitiert.

Der Extrakt dieser Verordnung wurde von mir fett hervorgehoben, denn bei dem Rest handelt es sich um Regelungen, die für vor Ort einschreitenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mehr oder weniger bedeutungslos sind, obwohl diese Verordnung mit ihrem 730 Wörter umfassenden Text, durchaus als ein „verordnungsgeberisches Monstrum“ angesehen werden kann.

Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen
(Waffenverbotszonenverordnung – WVZ VO)
Vom 16. Dezember 2021

Auf Grund des § 1 der Waffenverbotszonenübertragungsverordnung vom 7. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1338a) in Verbindung mit § 1 der Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung vom 13. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1410) in Verbindung mit § 42 Absatz 6 Satz 1, 2 und 4 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), der durch Artikel 1 Nummer 26a Buchstabe b des Gesetzes vom 17. Februar 2020 (BGBl. I S. 166) angefügt worden ist, verordnet das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen:

§ 1

Verbot des Führens von Waffen

(1) Innerhalb der in der Anlage bestimmten Gebiete und angegebenen Zeiten ist das Führen von Waffen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Artikel 228 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, und Messern mit feststehender oder feststellbarer Klinge mit einer Klingenlänge über vier Zentimeter auf Grundlage des § 42 Absatz 6 Satz 1 des Waffengesetzes verboten (Waffenverbotszone).

(2) Führen im Sinne dieser Verordnung ist die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Waffen und Messer außerhalb der eigenen Wohnung, von Geschäftsräumen, des befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte im Sinne des § 1 Absatz 4 in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 2 Nummer 4 des Waffengesetzes.

(3) Die Waffenverbotszone ist durch eine geeignete Beschilderung für die Öffentlichkeit kenntlich zu machen.

§ 2

Ausnahmen

Ausgenommen vom Verbot nach § 1 Absatz 1 sind Fälle, in denen für das Führen der Waffe oder des Messers ein berechtigtes Interesse vorliegt. Ein berechtigtes Interesse liegt vor bei

1. Personen, für die durch oder auf Grund der §§ 55 und 56 des Waffengesetzes das Waffengesetz keine Anwendung findet,

2. Vollzugsdienstkräften im Sinne des § 68 Absatz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2003 (GV. NRW. S. 156, ber. 2005 S. 818), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Juni 2021 (GV. NRW. S. 762) geändert worden ist, im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit,

3. Bediensteten von Behörden und Organisationen des Rettungsdienstes, des Brand- und Katastrophenschutzes, von Pflege- und medizinischen Versorgungsdiensten sowie Ärztinnen und Ärzten und medizinischen Hilfskräften im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit,

4. Anwohnerinnen und Anwohnern, die ihre Wohnung im Sinne des § 20 des Bundesmeldegesetzes vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1084), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 28. März 2021(BGBl. I S. 591) geändert worden ist, bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung in einem der in der Anlage bestimmten Gebiete haben,

5. Personen, die eine Waffe oder ein Messer mit Zustimmung einer oder eines anderen in deren oder dessen Hausrechtsbereich nach Nummer 4 führen, wenn das Führen dem Zweck des Aufenthalts in dem Hausrechtsbereich dient oder im Zusammenhang damit steht,

6. Gewerbetreibenden und bei ihren Beschäftigten oder bei von den Gewerbetreibenden Beauftragten, die Messer im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung führen und das Führen im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit steht,

7. Personen, die im gewerblichen Geld- und Werttransport- oder Sicherheitsdienst tätig sind, wenn das Führen im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit steht,

8. der Verwendung von Messern im Sinne des § 1 Absatz 1 beim bestimmungsgemäßen Betrieb und Besuch eines gastronomischen Betriebes in einem der in der Anlage bestimmten Gebiete,

9. Personen, die Inhaberinnen oder Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen nach § 10 Absatz 4 des Waffengesetzes sind, die die Waffe im Umfang ihrer entsprechenden Erlaubnis führen,

10. Personen, die erlaubnisfreie Messer im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege oder der Ausübung des Sports führen und

11. Personen, die Waffen und Messer in verschlossenen Behältern oder Verpackungen, die einen unmittelbaren Zugriff verhindern, bei sich führen, um diese von einem Ort zum anderen zu befördern.

§ 3

Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 53 Absatz 1 Nummer 23 des Waffengesetzes handelt, wer innerhalb der in der Anlage beschriebenen Gebiete vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 1 Absatz 1 eine Waffe oder ein Messer führt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

(3) Verbotenerweise geführte Waffen und Messer können nach § 54 Absatz 2 des Waffengesetzes eingezogen werden.

§ 4

Inkrafttreten, Berichtspflicht

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen hat über das für Waffenrecht zuständige Ministerium gegenüber der Landesregierung zum 31. Dezember 2026 und danach alle fünf Jahre Bericht über die Wirksamkeit dieser Verordnung zu erstatten.

Duisburg, den 16. Dezember 2021

Der Direktor

des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste

Nordrhein-Westfalen

Thomas Roosen

Bericht über die Wirksamkeit dieser Verordnung. Was mit diesem letzten Satz der WVZ VO tatsächlich gemeint ist, das lässt sich mit einem Satz, besser gesagt mit einem Wort beschreiben: Erwartet wird vom Verordnungsgeber eine Erfolgsmeldung.

Wie diese Wirksamkeit aber erreicht werden soll, dazu schweigt sich alle bisher vorgestellten Verordnungen aus, denn keiner der oben mitgeteilten Verordnung kann entnommen werden, wie die 47 Kreispolizeibehörden des Landes NRW für Sicherheit und Ordnung in Waffenverbotszonen sorgen können, denn Befugnisse, auf deren Grundlage Personen Polizeikontrollen durchgeführt werden dürfen, die sich in eingerichteten Waffenverbotszonen aufhalten, enthält keine der oben genannten Verordnungen.

Das wäre auch aus Rechtsgründen gar nicht möglich, denn polizeiliche Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, stehen grundsätzlich unter (parlamentarischem) Gesetzesvorbehalt, soweit es sich dabei nicht - und das ist in Deutschland die einzige Ausnahme – um allgemeine Verkehrskontrollen handelt, die der Polizei auf der Grundlage von § 36 StVO Kontrollrechte einräumt, obwohl die StVO kein Gesetz, sondern nur eine Rechtsverordnung ist.

§ 36 StVO (Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten)

Wie dem auch immer sei: Festzuhalten ist, allein zur Einrichtung von Waffenverbotszonen wurde ein Verordnungsaufwand betrieben, der wirklich seinesgleichen sucht.

Die Ursache dafür liegt im Versagen des Bundesgesetzgebers, denn der hat die Notwendigkeit, Waffenverbotszonen ja an die Landesregierungen delegiert, siehe § 42 Abs. 6 WaffG (Verbot des Führens von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen; Verordnungsermächtigungen für Verbotszonen).

Nur zur Erinnerung:

(6) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung vorzusehen, dass das Führen von Waffen im Sinne des § 1 Absatz 2 oder von Messern mit feststehender oder feststellbarer Klinge mit einer Klingenlänge über vier Zentimeter an folgenden Orten verboten oder beschränkt werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot oder die Beschränkung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist:
[Es folgen 6 Beschreibungen in Betracht kommender Orte]

Der letzte Satz des Absatz 6 hat folgenden Wortlaut:

Die Landesregierungen können ihre Befugnis nach Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 durch Rechtsverordnung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen; diese kann die Befugnis durch Rechtsverordnung weiter übertragen.

Anders ausgedrückt: Der Bundesgesetzgeber wäre durchaus selbst dazu in der Lage gewesen, alle - Waffenverbotszonen regelnde Fragen - im Waffengesetz zu regeln. Dazu aber fehlte ihm nicht nur der Mut, sondern auch die Kraft. Dem Gebot folgend, Verantwortung so weit wie möglich nach unten zu deligieren, wurde damit vollumfänglich entsprochen.

Wie dem auch immer sei: Letztendlich ist es die Polizei selbst, die für das Einrichten von Waffenverbotszonen verantwortlich ist. Die Frage, die sich nunmehr stellt, lautet: Wie sind eingerichtete Waffenverbotszonen zu kennzeichnen?

08 Kennzeichnung von Waffenverbotszonen in NRW

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In NRW gibt es zurzeit 2 Kreispolizeibehörden, in denen Waffenverbotszonen eingerichtet wurden, 3 in Köln und 1 in Düsseldorf. Mit der Einrichtung weiterer Waffenverbotszonen in anderen Kreispolizeibehörden ist in Kürze zu rechnen.

Zurück zur Kennzeichnungspflicht von Waffenverbotszonen.

Persönliche Anmerkung: Wenn sich eine unbedarfte Person, die noch über gesunden Menschenverstand verfügt, sich die Kennzeichnung der Waffenverbotszone in Düsseldorf bewusst anschaut,  wird wohl kaum aus dem Staunen herauskommen, denn dann wird diese Person zur Kenntnis nehmen müssen, dass es sich bei dieser Kennzeichnung erkennbar um eine Realsatiere handelt, denn sogar der Zeitrahmen, in dem die Düsseldorfer Altstadt als eine Waffenverbotszone anzusehen ist, wird explizit ausgewiesen.t.

Bild der Kennzeichnung einer Waffenverbotszone in Düsseldorf

Wer über diese Realsatire auch nur kurz nachdenkt, wird zu der Einsicht kommen, dass außerhalb der vorgegebenen Zeiten die Waffenverbotszone gar nicht existiert, denn dann dürfen in diesen Zonen ja wieder Waffen mitgeführt werden.

Genauer formuliert: Wenn in einer so gekennzeichneten Waffenverbotszone die Polizei verdachtsunabhängig kontrolliert, handelt sie möglicherweise rechtswidrig, wenn sie an einem Sonntagmorgen um 08.01 in der Düsseldorfer Altstadt eine Person anspricht, um diese dann, nach erfolgter Belehrung, nach Waffen zu durchsuchen, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Waffenverbotszone bereits gar nicht mehr existiert, wie das der exakt vorgegebene Zeitplan der Zusatzkennzeichnung dieser Waffenverbotszone entnommen werden kann.

Wie dem auch immer sei: Dem unbedarften Beobachter wird sicherlich auch auffallen, dass diese „Waffenverbotszonenkennzeichnungen“ überhaupt keine Hinweise darüber enthalten, welcher Ortsbereiche zur Waffenverbotszonen gehören, obwohl dieser Mangel durch ein weiteres Zusatzzeichen zumindest einigermaßen nachvollziehbar hätte problemlos aufgezeigt werden können.

Aber was solls, der gesunde Menschenverstand stört sowieso im „besten Deutschland aller Zeiten“.

Das ist nicht ironisch oder zynisch gemeint, sondern dieses Qualitätsmerkmal der bundesdeutschen Demokratie stammt aus einer Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, die er zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit in Potsdam am 3. Oktober 2020 gehalten hat:

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: Wir Glückskinder in der Mitte Europas. [...]. Ja, wir leben heute im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat [En01].

Ob das auch für fehlerbehafte Allgemeinverfügungen gilt, das wird der Bundespräsident wohl nicht gemeint haben, zumal es sich bei der Kennzeichnung von Waffenverbotszonen – aus verwaltungsrechtlicher Sicht betrachtet – um nichts anderes als um Allgemeinverfügungen handelt, die auch im „besten Deutschland aller Zeiten“ geltendem Verwaltungsrecht entsprechen sollten.

Warum?

Von einer anordnenden Behörde darf, nein muss erwartet werden, dass sie dazu in der Lage ist, Allgemeinverfügungen geltendem Recht entsprechend zu verfügen. Damit ist nicht die komplexe Verordnungsfülle gemeint, die bisher aufgezeigt werden musste, um deutlich zu machen, was bei der Einrichtung von Waffenverbotszonen alles zu beachten ist. Gemeint sind die von der Polizei zu beachtenden Regeln, die auch für Allgemeinverfügungen gelten und die sich aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes NRW ergeben.

Rechtsfehler Nr. 1:
Gemeint ist die „zeitliche Eingrenzung eines Waffenmitführverbots zu vorgegebenen Zeiten in gekennzeichneten Waffenverbotszonen“, obwohl das Waffengesetz solch eine zeitliche Begrenzungsmöglichkeit gar nicht kennt, denn die im Waffengesetz benannten Verbote gelten sozusagen rund um die Uhr.

Rechtsfehler Nr. 2
Wer eine Waffenverbotszone betritt, muss wissen können, welcher Ortsbereich damit gemeint ist, denn von Personen, die eine Waffenverbotszonen betreten, kann nicht erwartet werden, sich zuvor über die Größe der Waffenverbotszone durch mühsames Suchen im Internet Klarheit darüber zu verschaffen, welche Ortsbereiche gemeint sind.

Rechtsfehler Nr. 3
Eine Allgemeinverfügung muss erkennen lassen, wer diesen Verwaltungsakt erlassen hat.

Auf dem, einem Verkehrsschild ähnlichen „Waffenverbotskennzeichen“, das in der Altstadt von Düsseldorf steht, ist als anordnende Behörde das Polizeipräsidium Düsseldorf benannt.

Das trifft aber nicht zu, denn die Anordnung einer solchen Waffenverbotszone erfolgt - nach sorgfältiger Prüfung der Gefahrenprognose, die von Beamten des Polizeipräsidiums Düsseldorf im Vorfeld dieser Anordnung erstellt werden musste – letztendlich doch durch das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen. Dieser Mangel ist aber deshalb von untergeordneter Bedeutung, weil es nicht das LZPD NRW sondern das Polizeipräsidium Düsseldorf veranlasst, mit was für einer Beschilderung Waffenverbotszonen zu kennzeichnen sind.

Rechtsfehler Nr. 4
Auch von einer Allgemeinverfügung muss erwartet werden, dass davon betroffene Personen wissen können müssen, mit welchen polizeilichen Maßnahmen sie zu rechnen haben, wenn sie eine Waffenverbotszone betreten. Diese Notwendigkeit stellt sich immer, wenn Verwaltungsakte, zu denen bekanntermaßen ja auch Allgemeinverfügungen gehören, sich – sich an Einzelpersonen oder an die Allgemeinheit richten.

Mit anderen Worten: Allein die Überschrift des § 37 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes NRW (VwVfG NRW macht deutlich, was auch für eine Allgemeinverfügung verpflichtend ist:

§ 42 VwVfG NRW (Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes, Rechtsbehelfsbelehrung)

Fazit: Die oben skizzierten Fehler sind nach der hier vertretenen Rechtsauffassung so schwerwiegend, dass sie einer dem Rechtsstaat verpflichteten Polizei eher schaden als nutzen. Als ernstzunehmende Rechtsakte vermögen sie zumindest verwaltungsrechtlichen Anforderungen nur dann zu entsprechen, wenn bestehendes Verwaltungsrecht durch neues – sozusagen von der Exekutive erfundenes Verwaltungsrecht – ersetzt bzw. nach Gutdünken erweitert werden kann/darf.

09 Geltungsbereich von Waffenverbotszonen in NRW

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Wie schon einmal festgestellt, gibt es in NRW zurzeit Waffenverbotszonen in Köln (3) und in Düsseldorf (1).

Die zu Waffenverbotszonen erklärten Zonenbereiche können aber nicht der Kennzeichnung, sondern nur dann eingesehen werden, wenn interessierte Personen danach im Internet suchen:

10 Welche Gegenstände dürfen in Waffenverbotszonen nicht mitgeführt 
werden?

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Die Überschrift der „Waffenverbotskennzeichnung in der Düsseldorfer Altstadt“ suggeriert, in Verbindung mit drei Logos, die wie amtliche Verbotszeichen aussehen, dass in dieser Waffenverbotszone lediglich das Mitführen von Waffen, Messern und von Reizstoffsprühgeräten verboten ist, was bei der Missachtung dieser „Verbotszeichen“ durch das Mitführen von Messern und Reizstoffsprühgeräte nur dann als eine tatbestandlich begangene Straftat angesehen werden können, wenn alle aufgefundenen Messer und alle aufgefundenen Reizstoffsprühgeräte nach den Vorgaben des Waffengesetzes tatsächlich als Waffen anzusehen sind, was aber beim Mitführen von Schusswaffen immer, bei den hier zu behandeldene Messern und Reizstoffsprühgeräten nicht der Regelfall sein muss.

Was das Waffengesetz unter einer Waffe versteht, das kann der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG (Begriffsbestimmung) entnommen werden. Dort heißt es unter anderem:
1.1
Schusswaffen

Schusswaffen sind Gegenstände, die zum Angriff oder zur Verteidigung, zur
Signalgebung, zur Jagd, zur Distanzinjektion, zur Markierung, zum Sport oder zum Spiel bestimmt sind und bei denen Geschosse durch einen Lauf getrieben werden.

1.2
Gleichgestellte Gegenstände
Den Schusswaffen stehen gleich tragbare Gegenstände,
1.2.1 die zum Abschießen von Munition für die in Nummer 1.1 genannten Zwecke bestimmt sind,

Hinweis: Das Mitführen von Waffen ist eine Straftat.

2.1
Messer,

2.1.1
deren Klingen auf Knopf- oder Hebeldruck hervorschnellen und hierdurch oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden können (Springmesser),
2.1.2
deren Klingen beim Lösen einer Sperrvorrichtung durch ihre Schwerkraft oder durch eine Schleuderbewegung aus dem Griff hervorschnellen und selbsttätig oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden (Fallmesser),
2.1.3
mit einem quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge verlaufenden Griff, die bestimmungsgemäß in der geschlossenen Faust geführt oder eingesetzt werden (Faustmesser),
2.1.4
Faltmesser mit zweigeteilten, schwenkbaren Griffen (Butterflymesser).

Hinweis: Nicht jedes Messer und auch nicht jedes Reizstoffsprühgerät kann somit als eine Waffe im Sinne des Waffengesetzes angesehen werden.

11 Polizeiliche Kontrollrechte in Waffenverbotszonen

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Einen solchen Hinweis kann den in NRW aufgestellten „Waffenverbotszonenkennzeichnungen“ nicht entnommen werden.

Dieser Mangel lässt sich als ein bedeutsamer Rechtsfehler verstehen, denn jeder Verwaltungsakt muss betroffene Personen davon in Kenntnis setzen, mit welchen Maßnahmen zu rechnen ist, wenn in Waffenverbotszonen Waffen, Messer oder andere nach dem Waffenrecht verbotene Gegenstände mitgeführt werden.

Bei der Nichtbenennung möglicher Rechtsfolgen handelt es sich somit um einen bedeutsamen Mangel: Gemeint sind Durchsuchungen der Polizei von Personen und von diesen Personen mitgeführten Sachen in Waffenverbotszonen, zumal eine solche Kennzeichnung von polizeilichen Maßnahmen durchaus auch präventiven Zwecken dienen würde, denn von „Gesetzesklarheit“ kann durchaus eine abschreckende Wirkung ausgehen.

Hier noch einmal die Kennzeichnung einer Waffenverbotszone in Düsseldorf

Kennzeichnung einer Waffenverbotszone in Düsseldorf

Und hier der Entwurf einer Kennzeichnung, die rechtsstaatlichen Anforderungen vollumfänglich entsprechen würde und die Sie bereits an anderer Stelle in diesem Aufsatz kennengelernt haben:

Achtung!
Waffenverbotszone

An diesem Ort ist die Polizei dazu ermächtigt,
verdachtsunabhängig Personen nach Waffen, Messern und verbotenen
Gegenständen

zu durchsuchen und aufgefundene verbotene Gegenstände in amtliche Verwahrung zu nehmen.

Zusatzzeichen 1
Dieses Zusatzzeichen beschreibt die Größe der jeweiligen Waffenverbotszone im gebotenen Umfang.

Zusatzzeichen 2

  • Waffen, Messer aber auch andere verbotene Gegenstände, die von der Polizei bei Durchsuchungen gefunden wurden, werden in amtliche Verwahrung genommen.

  • Zur Einleitung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens haben davon betroffene Personen die Feststellung ihrer Identität zu dulden. Das gilt auch für Personen, bei denen die Polizei keine Waffen, Messer oder verbotene Gegenstände gefunden hat, denn in einem Rechtsstaat muss die Polizei nachweisen können, wann und wo sie in die Grundrechte von Personen eingegriffen hat.

  • Alle kontrollierten Personen haben einen Datenabgleich zu dulden.

Soviel zur gebotenen Bestimmtheit der Kennzeichnung von Waffenverbotszonen.

Hinweis: Die Frage, die sich nunmehr stellt, lautet: Ist die Polizei auf der Grundlage bestehenden Polizeirechts dazu befugt, die Maßnahmen anzuordnen und auch durchzusetzen, die auf den Kennzeichnungen von Waffenverbotszonen eigentlich stehen müssten?

Um diese Frage beantworten zu können, wird es unvermeidbar sein, sich auf die Suche nach dazu passenden Kontrollbefugnissen zu begeben.

12 Suche nach einer Kontrollbefugnis zur Durchsuchung von Personen und Sachen

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Festzustellen ist, dass in allen Verordnungen, die bisher im Hinblick auf die Einrichtung von Waffenverbotszonen erörtert wurden, nicht einen einzigen Verweis zu finden ist, der auch nur erahnen lässt, auf welcher gesetzlichen Grundlage die oben genannten Maßnahmen von der Polizei angeordnet und – falls das erforderlich werden sollte – auch erzwungen werden können.

Da es sich bei den in Betracht kommenden Maßnahmen zum Beginn einer Polizeikontrolle nur um Maßnahmen der Gefahrenabwehr handeln kann, sind dafür die Regelungen in den Polizeigesetzen einschlägig.

Hinweis: Um in die Grundrechte von Personen eingreifen zu können, muss die Polizei zuständig und ermächtigt sein.

Zuständigkeit: Beim Einrichten von Waffenverbotszonen geht es nicht vorrangig um Strafverfolgung, sondern um die Verhütung und natürlich auch um vorbeugende Bekämpfung von Straftaten durch die Polizei. Diese Aufgabe gehört zur Gefahrenabwehr. Was die polizeiliche Zuständigkeit zur Verhütung und zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten anbelangt heißt es im § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 PolG NRW (Aufgaben der Polizei) wie folgt:

§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 PolG NRW

(1) Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). Sie hat im Rahmen dieser Aufgabe Straftaten zu verhüten sowie vorbeugend zu bekämpfen und die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen.

Ermächtigung/Befugnis: Polizeiliche Befugnisse, die dem Zweck der Verhütung/Verhinderung und auch der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dienen, sind im Polizeigesetz des Bundes und auch in allen Länderpolizeigesetzen enthalten.

Um nachvollziehen zu können, um was für Befugnisse es sich handelt, die von der Polizei anlässlich von Kontrollen in Waffenverbotszonen angewendet werden, ist zuerst einmal festzustellen, dass es nicht darum geht, Personen lediglich bloß zu befragen, ob sie Waffen, Messer oder Reizstoffsprühgeräte mit sich führen, und es auch nicht vorrangig darum geht, die Identität von Personen festzustellen. Grund dafür ist, dass nur durch das Suchen nach verbotenen Gegenständen in der Kleidung und in mitgeführten Sachen Waffen, Messer, Reizstoffsprühgeräte und andere verbotene Gegenstände gefunden werden können, die Personen an solchen Orten nicht mitgeführt werden dürfen.

Diesbezüglich heißt es im § 39 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW (Durchsuchung von Personen), wie folgt:

§ 39 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW
(1) Die Polizei kann außer in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 4 eine Person durchsuchen,
wenn

4. sie sich an einem der in § 12 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte aufhält.

Alle anderen Durchsuchungsalternativen, die in den Nummern 1 bis 3 aufgeführt sind, lassen sich auf die hier zu erörternde Durchsuchung von Personen nach Waffen, Messern oder Reizstoffsprühgeräten in Waffenverbotszonen nicht anwenden.

§ 39 PolG NRW (Durchsuchung von Personen)

Vergleichbar wortgleiche Regelungen enthalten alle Polizeigesetze in Deutschland.

Da die Nr. 4 des § 39 PolG NRW aus sich selbst heraus nicht verständlich ist, weil sie auf eine andere Befugnis verweist, ist es erforderlich, die im § 12 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW enthaltene Textstelle zuerst einmal nur zu zitieren.

Dort heißt es:

§ 12 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW (Identitätsfeststellung)
(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen,

2. wenn sie sich an einem Ort aufhält, von dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
dass

a) dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben,
b) sich dort Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen,
c) sich dort gesuchte Straftäter verbergen.

Im hier zu erörternden Sachzusammenhang handelt es sich um einen Anwendungsfall des Buchstabens a) der fett markiert ist.

Bei den dort genannten Orten handelt es sich, wie das bei den anderen unter b) und c) genannten Orten auch der Fall ist, nur dann um so genannte „gefährliche Orte“, wenn sie von der Ortspolizei als solche eingestuft worden sind. Hinsichtlich der Anordnungsvoraussetzungen enthält die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz nur einen Satz:

12.13
In § 12 Abs. 1 Nr. 2a) ist der Kreis der Anlassstraftaten auf solche von „erheblicher Bedeutung“ i.S.d.
§ 8 Abs. 3 begrenzt, so dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jetzt unmittelbar zum Ausdruck kommt.

§ 12 PolG NRW (Identitätsfeststellung)

Verwaltungsvorschrift zum PolG NRW

Die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz verweist auf den § 8 Abs. 3 PolG NRW (Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung) in dem der unbestimmte Rechtsbegriff „Straftat von erheblicher Bedeutung“ definiert wird.

§ 8 Abs. 3 PolG NRW (Allgemeine Befugnisse, Begriffsbestimmung)

(3) Straftaten von erheblicher Bedeutung sind insbesondere Verbrechen sowie die in § 138 des Strafgesetzbuches genannten Vergehen, Vergehen nach § 129 des Strafgesetzbuches und gewerbs- oder bandenmäßig begangene Vergehen nach

1. den §§ 243, 244, 260, 261, 263 bis 264a, 265b, 266, 283, 283a, 291 oder 324 bis 330 des Strafgesetzbuches,

2. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) oder d) des Waffengesetzes,

3. §§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 oder 29a Abs. 1 Nr. 2 des Betäubungsmittelgesetzes,

4. §§ 96 und 97 des Aufenthaltsgesetzes.

Durch oben mitgeteilten Zitate sind aber noch längst nicht alle bei der Einrichtung von „gefährlichen Orten“ zu beachtende Besonderheiten geklärt. Das muss auch für „Waffenverbotszonen“ gelten, denn diese Sprachfigur kennt zumindest das PolG NRW nicht. Es ist somit zu prüfen, ob eine Waffenverbotszone als ein „gefährlicher Ort“ im Sinne des Polizeigesetzes angesehen werden kann.

Das ist eine Sprachfigur, die in allen Polizeigesetzen enthalten ist.

Hinweis: Für die Durchsuchung von Sachen, die von Personen mitgeführt werden, die sich in Waffenverbotszonen aufhalten, ist der § 40 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW (Durchsuchung von Sachen) einschlägig.
Auch dort heißt es:
(1) Die Polizei kann außer in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 4 eine Sache durchsuchen, wenn
4. sie sich an einem der in § 12 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte befindet.

13 Racial Profiling erlaubt das Gesetz nicht

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Beim Racial Profiling handelt es sich um institutionellen Rassismus. Das bedeutet, dass die Polizei, enn sie Maßnahmen nur auf der Grundlage eines rassistischen Andersseins Maßnahmen trifft, gegen Verfassungsrecht verstößt.

Artikel 3 Abs. 3 GG
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Racial Profiling der Polizei ist Gegenstand mehrerer verwaltungsgerichtlicher Urteile gewesen. Aus zwei oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu dieser Problematik wird im Folgenden zitiert. In beiden Fällen ging es um die Feststellung der Identität einer Person mit erkennbarem Migrationshintergrund an so genannten "gefährlichen Orten".

OVG Koblenz 2016: Eine andere Ausgangssituation ergibt sich, wenn den Kontrollen [auf der Grundlage polizeirechtlicher Befugnisse zur Identitätsfeststellung = AR] eine Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen zugrunde gelegt wird, weil bei diesen – immer noch unterhalb einer konkreten Verdachts- oder Gefahrenschwelle – eine zwar unspezifische, aber gesteigerte Nähe zum Normzweck (Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreise) angenommen wird. Eine solche zielgerichtete Auswahl setzt eine schlüssige, die Auswahlentscheidung tragende Begründung voraus, die ihrerseits nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen darf. Kommt es bei einer solchen zielgerichteten Auswahl zu einer Kontrolle von Personen, die ein besonders geschütztes Merkmal im Sinne des Artikels 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweisen, trägt die Beklagte [in diesem Fall die Bundespolizei = AR] ebenfalls keine generelle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Auswahlentscheidung nicht auf einer unzulässigen Anknüpfung an eines der dort genannten Differenzierungsmerkmale beruht.

Aber: Eine Ermessensüberschreitung führt zur Rechtswidrigkeit:

OVG Koblenz 2016: Allerdings gilt etwas anderes, wenn die eine zielgerichtete Auswahlentscheidung tragende Begründung [der durchgeführten Identitätsfeststellung = AR] sich als nicht belastbar bzw. nicht nachvollziehbar erweist. Bei Ermessensentscheidungen kommt es nämlich darauf an, dass die Entscheidungsfindung sich unbeeinflusst von Fehlern vollzieht, da sich allein am Entscheidungsergebnis – hier bezogen auf die konkrete Auswahlentscheidung – die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit regelmäßig nicht feststellen lässt (...). Berücksichtigt man weiter, dass die Fehlerfreiheit der Entscheidungsfindung die Fehlerfreiheit des Entscheidungsergebnisses gewährleisten soll, kann nicht der Betroffene [gemeint ist der vor Ort einschreitende Polizeibeamte = AR] die Beweislast dafür tragen, dass festgestellte Fehler in der Entscheidungsfindung auch das Entscheidungsergebnis beeinflusst haben (...). Mithin obliegt es in diesem Fall der Behörde [hier der Bundespolizei = AR], trotz eines Fehlers in der Entscheidungsfindung, die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsergebnisses zu beweisen. Dazu gehört letztendlich auch der Nachweis der beklagten Behörde, dass keine gegen Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoßende Auswahlentscheidung getroffen wurde.

OVG Koblenz. Urteil vom 21. April 2016 - 7 A 11108/14.OVG

Und in einem Urteil des OVG Hamburg aus dem Jahr 2022 heißt es bereits in den hier zitierten Leitsätzen wie folgt:

OVG Hamburg 2022: Leitsatz 2: Für einen Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 3 S 1 GG - hier die Differenzierung anhand der Hautfarbe als Teil des Merkmals „Rasse“ - bedarf es eines kausalen Zusammenhangs, da die Differenzierungsverbote dieses Grundrechts nur die Bedeutung haben, dass die aufgeführten faktischen Verschiedenheiten keine rechtlichen Wirkungen haben dürfen.

Leitsatz 3: Die Merkmale des Art 3 Abs 3 S 1 GG begründen für die präventive, gefahrenabwehrrechtliche Arbeit der Polizei in bestimmten Konstellationen kein Totalverbot. Zur Beschreibung einer Person darf z.B. die Hautfarbe angegeben werden.

Leitsatz 4: Bezugnehmend auf die Befugnis im Hamburger Polizeigesetz, in dem die Identitätsfeststellung an gefährlichen Orten geregelt ist, heißt es, dass die Polizei die Identität einer Person feststellen darf, wenn sie an einem „gefährlichen Ort“ angetroffen wird. Das ist, so heißt es in dem Leitsatz weiter, „verfassungsgemäß und bedarf keiner verfassungskonformen Einschränkung“.

OVG Hamburg, Urteil vom 19. Januar 2022 - 4 Bf 10/21

Rechtmäßige Polizeikontrollen von Personen, die ethnischen Minderheiten angehören, setzen somit voraus, dass nicht ausschließlich die im Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale für die Polizeikontrolle ausschlaggebend gewesen sind.

Da es sich bei den Identitätsfeststellungen, um die es bei den oben genannten Urteilen ging - so auch die von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts vertretene Rechtsauffassung - um sozialübliche und somit geringen und somit zumutbare Eingriffe in Grundrechte handelt, stellt sich die Frage, ob das für die Durchsuchung von Personen und von diesen Personen mitgeführten Sachen in Waffenverbotszonen das auch so bewertet werden kann.

Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung dürfen Personen, die aufgrund äußerer Merkmale angehalten und durchsucht werden, nur dann verdachtsunabhängig überprüft werden, wenn es der Ortspolizei bereits im Vorfeld anzuordnender Kontrollen – gemeint sind auch die Waffenverbotszonen – gelingt, ein dafür erforderliches Täterprofil zu erstellen, das die Notwendigkeit nachvollziehbar belegt, dass auf der Basis nachvollziehbarer Tatsachen es erforderlich ist, Angehörige ethnischer Minderheiten zu kontrollieren.

Anders ausgedrückt: Ist ein solches Täterprofil erstellt worden, dann können vor Ort einschreitende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, bei der Auswahl zu kontrollierender Personen auf der Grundlage dieses Täterprofils, die zu diesem Täterprofil passenden Personen anhalten und durchsuchen, ohne dass ihnen Racial Profiling vorgeworfen werden kann.

14 Kann eine Fußgängerzone eine Waffenverbotszone sein?

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Am 25. August 2024, zwei Tage nach dem Messeranschlag in Solingen, äußerte sich der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Sommerinterview der ARD im Hinblick auf die von ihm für zielführend gehaltenen Polizeikontrollen in Fußgängerzonen wie folgt:

Markus Söder (CSU): Es brauchte schon Konsequenzen nach dieser Tat. Also ... Betroffenheit ist das Eine, aber es braucht auch Konsequenzen. [...]. Es braucht zum Einen mal nicht über Messer zu diskutieren, sondern eher die Frage ... bekommt die Polizei mehr Unterstützung ... unter anderem auch anlasslos zu kontrollieren. Beim Auto werden Sie nämlich kontrolliert ... anlasslos geht es ... in Fußgängerzonen nicht ... bis jetzt.

Der Ministerpräsident hat wohl nicht daran gedacht, dass an verkaufsoffenen Samstagen sich allein in der Stadt Münster, mehrere tausend Menschen die Fußgängerzonen dieser Stadt zum Einkaufen nutzen. Allein die Vorstellung, dass von 10 Polizeibeamten innerhalb einer Stunde dort im Schnitt stichprobenartig 50 Personen durchsucht werden, um mitgeführte Waffen, Messer oder andere verbotene Gegenstände zu finden, braucht nicht lange darauf gewartet zu werden, dass nicht nur die Geschäftsleute in Münster, sonder sich auch die Spitzenorganisation des deutschen Einzelhandels, gemeint ist der Handelsverband Deutschland (HDE), die sofortige Einstellung solcher Polizeiaktionen - die ja im gesamten Bundesgebiet durchzuführen wären, damit von ihnen eine verhaltensändernde Wirkung überhaupt ausgehen kann - mit der Begründung einfordern werden, die da lautet: „Unsere Kunden werden entweder zu Hause bleiben, oder das, was sie benötigen, bei Amazon bestellen. Wenn unsere Kunden damit rechnen müssen, sozusagen vor den Augen der Öffentlichkeit von der Polizei beim Einkaufen durchsucht zu werden .... das geht nicht. Und wer meint, eine Fußgängerzone zur Waffenverbotszone erklären zu können, um solche Aktionen damit zu rechtfertigen, der ist dabei, aus diesem Rechtsstaat einen Polizeistaat zu machen. Eine Fußgängerzone ist nämlich kein gefährlicher Ort, sonder ein Ort für den Konsum.“

Und wenn sich dann noch herausstellt, dass bei 10.000 Durchsuchungen, die in den Fußgängerzonen in Deutschland an einem x-beliebigen verkaufsoffenen Samstag durchgeführt wurden, nur ein oder zwei, möglicherweise sogar 3 Messer gefunden werden konnten, die als eine Waffe einzustufen sind und darüber hinausgehend dann auch noch bekannt wird, dass es sich bei 70 bis 80 Prozent der durchsuchten Personen um Muslime gehandelt hat, spätestens dann dürfte sich auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. zu Wort melden und eindringlich fordern, dass diese Diskriminierung von Menschen, die an die Friedlichkeit des Korans glauben, sofort zu beenden ist.

15 Sind Waffenverbotszonen gefährliche Orte?

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Offensichtlich dürfte jedem, der bewusst liest, auffallen, dass das Wort „Ort“ einen ganz anderen Bedeutungsinhalt hat als das Wort „Zone“.

Die erste zu beantwortende Frage lauter somit wie folgt:

Frage 1:
Wie groß darf ein „gefährlicher Ort“ - eine Waffenverbotszone sein?

Antwort zur Frage 1:
In der polizeilichen Praxis war es bisher üblich, überschaubare Örtlichkeiten als gefährliche Orte einzustufen, zum Beispiel:

  • Drogentreffs

  • Deliktbrennpunkte

  • Bahnhöfe

  • Bahnhofsvorplätze

  • Andere überschaubare Örtlichkeiten.

Dennoch: Aus nachvollziehbaren Gründen wird es für vertretbar gehalten, die Räumlichkeit gefährlicher Orte zu erweitern.

16 OVG Hamburg 2015 zur Größe und zur angeordneten Dauer „gefährlicher Orte“

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In diesem Urteil wird das Wort Gefahrengebiet synonym zur Sprachfigur des „gefährlichen Ortes“ verwendet und somit wohl auch auf Waffenverbotszonen anzuwenden sein. Das Urteil enthält - auch in Bezug auf die hier zu erörternde Frage der Anwendung von Polizeirecht in solchen Ortsbereichen/Gebieten - wichtige Ausführungen zum Verständnis der Sprachfigur „gefährlicher Ort“ im Sinne der polizeirechtlichen Befugnisse.

OVG Hamburg 2015: Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist nach dem Gesetz zeitlich unbeschränkt möglich. Allerdings kann, worauf die Beklagte zutreffend verweist, die sachliche Einschränkung, dass ein Gefahrengebiet nur ausgewiesen werden darf, „soweit“ aufgrund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass erhebliche Straftaten begangen werden, auch im Sinne einer gleichzeitig zeitlichen Einschränkung („solange“) verstanden werden. Liegen derartige Lageerkenntnisse (...) allerdings vor, so ist es nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. in seiner gegenwärtigen Ausprägung möglich, dass die Verwaltung ohne jede parlamentarische Absicherung ein „bestimmtes Gebiet“ für mehrere Monate oder sogar Jahre zum Gefahrengebiet erklärt. Dies entspricht auch der polizeilichen Praxis. So wurde etwa das Gefahrengebiet „Gewaltkriminalität“ im Bereich des Polizeikommissariats 15 (Vergnügungsviertel St. Pauli) im Juli 2005 eingerichtet und besteht seither – mithin seit fast zehn Jahren – fort (...).

Persönliche Anmerkung: Daraus folgt, dass ein Gefahrengebiet ein großes Gebiet umfassen kann. Zur Dauer der Einstufung eines Ortes zum gefährlichen Ort heißt es in dem Urteil wie folgt:

OVG Hamburg 2015: Ungeachtet der Frage, ob eine derart langdauernde Gebietsausweisung in der Sache zulässig, insbesondere verhältnismäßig ist, ist der Gesetzgeber gehalten, dermaßen weitreichende und wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen bzw. die Zulässigkeit solcher Verwaltungsentscheidungen durch Gesetz ausdrücklich vorzusehen. Er darf sich demgegenüber nicht jeder Vorgaben enthalten und der Verwaltung die Entscheidung darüber überlassen, wie lange ein Gefahrengebiet eingerichtet und damit die Möglichkeit eröffnet werden soll, Eingriffsmaßnahmen durchzuführen, ohne dass eine konkrete Gefahr vorliegt und die Maßnahmeadressaten im polizeirechtlichen Sinne verantwortlich sind. Andernfalls könnte in bestimmten Gebieten dauerhaft der polizeirechtliche „Ausnahmezustand“ verhängt werden, ohne dass dies durch eine entsprechende gesetzgeberische Entscheidung gedeckt ist. Allein das Vertrauen darauf, dass die Polizei ein Gefahrengebiet nur so lange einrichten wird, wie sie dies durch das Vorliegen konkreter Lageerkenntnisse für gerechtfertigt hält, kann die notwendige Begrenzung des Handlungsspielraums der Verwaltung, die Aufgabe des Gesetzgebers ist, nicht ersetzen (...).

Hamburgisches OVG, Urteil vom 13.05.2015 - 4 Bf 226/12

2022 äußerten sich die Richter des Hamburgischen Oberverwaltungsgericht erneut sowohl zur Größe, als auch zu den Tatsachen, die nachzuweisen sind, um eine Örtlichkeit von der Polizei überhaupt zu einem gefährlichen Orte erklären zu können.

17 OVG Hamburg 2022 zu „gefährlichen Orten“

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2022 hatten die Richter des OVG Hamburg über die Klage eines farbigen Beschwerdeführers zu entscheiden, der sich auf dem Heimweg befand, im Bereich des S-Bahnhofs Reeperbahn in Hamburg - einem von der Polizei als „gefährlicher Ort“ eingestuften Bereich, dazu aufgefordert worden war, sich auszuweisen, obwohl er sich dort nicht, so die Einlassung des Klägers, aufgehalten, sondern den Bereich nur durchquert habe.

Da der Personenkontrolle keine diskriminierenden Kausalverläufe im Sinne von Art 3 GG zugrunde lagen, heißt es in dem Urteil, die Größe des Gefahrengebietes betreffend, wie folgt:

OVG Hamburg 2022: Bei dem Gebiet der Straßenzüge Bernhard-Nocht-Straße, Hafenstraße, Balduinstraße, Balduintreppe, Erichstraße, Silbersackstraße, Silbersacktwiete, Reeperbahn handelt es sich - wie dem Senat auch aus anderen Zusammenhängen bekannt ist - um einen langjährigen und über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannten - Schwerpunkort der Hamburger Drogenszene, den die Beklagte - zusammen mit weiteren, nördlich der Reeperbahn gelegenen Straßenzügen [...] bekannt sind. Die Beklagte [Polizeibehörde] hat in diesem Gebiet täglich 15 bis 25 Betäubungsmittelhändler, an Wochenenden in der Spitze bis zu 30 bis 40 Händler festgestellt, die zum Teil sehr offensiv Betäubungsmittel anbieten und sich dabei teilweise gegenüber Passanten und Anwohnern auch aggressiv verhalten. Die jeweiligen Händlerzahlen sind jahreszeitlich schwankend (...). Seit dem Jahr 2011 konnte eine Verschärfung der Lage im Bereich der öffentlich wahrnehmbaren Drogenkriminalität durch die Beklagte festgestellt werden, da die bekanntgewordenen Delikte betreffend den Handel mit Betäubungsmitteln bis 2019 um 77 % angestiegen sind. Im Zeitraum von 2016 bis 2018 wurden für den Gesamtbereich des „gefährlichen Ortes PK 15 BtM“ im computergestützten Vorgangsbearbeitungssystem der Beklagten (ComVor) 4.360 Beschuldigte von Betäubungsmitteldelikten erfasst. Im Zeitraum von November 2016 bis November 2017 wurden für den Bereich der eingangs genannten Straßen 551 Betäubungsmitteldelikte festgestellt. Davon betrafen 286 Delikte das unerlaubte Herstellen, Inverkehrbringen, Handeltreiben und Erwerben von Betäubungsmitteln. Die Beklagte überprüft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2a) PolDVG a. F. im Hinblick auf den „gefährlichen Ort PK 15 BtM“ monatlich und hat für den hier streitgegenständlichen Monat November 2017 das Vorliegen dieser Voraussetzungen bejaht.

Hamburgisches OVG, Urteil vom 31.01.2022 - 4 Bf 10/21

Dass unter solch einer Lageeinschätzung von der Polizei auch ein Gebiet größeren Umfangs als ein „gefährlicher Ort“ eingestuft werden kann, das dürfte nicht nur nachvollziehbar, sondern offenkundig sein.

Anders ausgedrückt: Aus nachvollziehbaren Gründen können auch große Areale zu gefährlichen Orten erklärt werden. So auch zum Beispiel das weitläufige Gelände der U-Bahn in Berlin, was auch aus dem Grunde Sinn macht, weil ansonsten alle einzelnen Stationen entsprechend eingestuft werden müssten. Bevor nähere Ausführungen zu der von der Polizei zu erstellenden Gefahrenprognose gemacht werden, die im Vorfeld der Einstufsung eines Ortes zum "gefährlichen Ort" zu erstellen ist, um die Einrichtung von Orten zu „gefährlichen Orten“ überhaupt rechtfertigen zu können, zuvor noch eine kurze Anmerkung zur nicht erforderlichen Kennzeichnungspflicht von Orten, die von der Polizei als „gefährliche Orte“ eingestuft werden/wurden.

18 Keine Kennzeichnungspflicht bei „gefährlichen Orten“

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Die von der Polizei als „gefährliche Orte“ eingestuften Bereiche müssen weder durch Kennzeichnung erkennbar gemacht, noch der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden.

Der Grund dafür ist schnell beschrieben: Wer möchte schon gerne in einem Bereich wohnen, der von der Polizei zu einem Ort erklärt wurde, der dadurch gekennzeichnet ist, dass dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben, bzw. sich dort Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen, oder sich dort gesuchte Straftäter verbergen?

Wie dem auch immer sei: Die Polizeigesetze sehen keine Kennzeichnung solcher „gefährlicher Orte“ vor. Deshalb wurde auch einem Journalisten in Berlin keine diesbezüglichen Informationen über die von der Polizei in Berlin eingerichteten „gefährlichen Orte“ gewährt, die der Journalist im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes bei der Polizei eingefordert hatte und, da ihm die Auskunft verweigert wurde, die Klärung seines Anspruchs folglich durch das Verwaltungsgericht Berin entschieden werden musste.

VG Berlin 2012: Im Übrigen spricht vieles dafür, dass der Antragsgegner [die Polizei Berlin = AR] die erbetene Auskunft über die Gesamtheit der Örtlichkeiten (Straßen, Parks, Plätze) in Berlin, an denen zur Zeit verdachtsunabhängige Kontrollen gemäß ASOG erlaubt sind, verweigern darf.

VG Berlin, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - Vg 27 L 180.12

19 Kennzeichnungspflicht von Waffenverbotszonen

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Dass sich solch eine Pflicht nicht aus polizeirechtlichen Befugnissen ableiten lässt, wurde oben bereits festgestellt und erläutert.

Diese Pflicht ergibt sich aber in NRW aus der „Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen – (Waffenverbotszonenverordnung – WVZ VO)“, bei der es sich, was die Rechtslage in NRW betrifft, um eine Verordnung des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen handelt (LZPD NRW).

Wie dem auch immer sei:  In Bezug auf die Kennzeichnungspflicht heißt es § 1 Abs. 3 dieser Verordnung wie folgt:

§ 1 WVZ VO (Verbot des Führens von Waffen)
(3) Die Waffenverbotszone ist durch eine geeignete Beschilderung für die Öffentlichkeit kenntlich zu machen.

20 Gefahrenprognosen für Waffenverbotszonen

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Die Notwendigkeit, auch im Vorfeld der Einstufung von Ortsbereichen zu Waffenverbotszonen so genannte Gefahrenprognosen erstellen zu müssen, hält der Verordnungsgeber für unverzichtbar.

Die Frage, die sich dennoch stellt, lautet: Muss diese Gefahrenprognose an den gleichen Maßstäben gemessen werden, wie das im Vorfeld der Einstufung eines gefährlichen Ortes der Fall ist, dessen Erforderlichkeit ebenfalls eine sorgfältige Gefahrenprognose voraussetzt.

Diese Fragestellung lässt sich nicht mit einem Satz, sondern nur durch eine sorgfältige Suche nach „Wahrheit“ beantworten, denn gleichlautende Worte - Gefahrenprognose – müssen nicht immer einen gleichen Bedeutungsinhalt haben.

Wie dem auch immer sei: Im Zusammenhang mit der Einrichtung von Waffenverbotszonen wird die Sprachfigur der „Gefahrenprognose“ und anderen, mit dieser Sprachfigur inhaltlich übereinstimmenden Bezeichnungen in folgenden, das Waffenrecht betreffenden Normen verwendet:

§ 42 Abs. 6 WaffG (Verbot des Führens von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen; Verordnungsermächtigungen für Verbotszonen)
Dort wird die zu erstellende
Gefahrenprognose, die zur Einrichtung einer Waffenverbotszone, einem Wort, dass der § 42 WaffG gar nicht kennt, durch das Wort Verbotszonev wie folgt umschrieben: „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot oder die Beschränkung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist“.
§ 42 WaffG

In der Waffenverbotszonenverordnung – WVZ VO ist die Sprachfigur der Gefahrenprognose nicht enthalten
WVZ VO im Volltext

Dafür werden in der Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung die Anforderungen, die zur Einrichtung einer Waffenverbotszone nachzuweisen sind, in einer zu erstellenden Gefahrenprognose im Einzelnen beschrieben.
§ 2 Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung

Die Frage, die sich nunmehr stellt, lautet: Entsprechen die Anforderungen an die Gefahrenprognose, die die Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung explizit beschreibt, den Anforderungen an eine Gefahrenprognose, die die Rechtssprechung im Zusammenhang mit polizeilichem Einschreiten an so genannten „gefährlichen Orten“ entwickelt hat.

Diese Prüfung macht es erforderlich, die Sprachfigur „Gefahrenprognose“ auch aus der Sicht obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtssprechung als ein substantiiertes Vorstellungsbild entstehen zu lassen.

Bundesverfassungsgericht und Gefahrenprognosen: Natürlich haben sich auch die Richter des Bundesverfassungsgerichts in einer Vielzahl von Fällen zu der Sprachfigur der „Gefahrenprognose“ im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen positioniert. Da es sich bei diesen Entscheidungen aber um Fälle handelte, die nicht mit den Maßnahmen verglichen werden können, zu denen es anlässlich von Polizeikontrollen im Bereich von Waffenverbotszonen kommt, wird hier nur auf die Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte Bezug genommen, die herausgearbeitet haben, welche Anforderungen an eine Gefahrenprognose zu stellen sind, die im Zusammenhang mit der Einstufung von Orten zu „gefährlichen Orten“ von der Polizei auf der Grundlage von Polizeirecht nachzuweisen sind.

21 Gefahrenprognose bei gefährlichen Orten nach PolG

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Gefahrenprognosen im Hinblick auf die Einrichtung so genannter gefährlicher Orte unter Anwendung von Polizeirecht, hat bisher die Gerichte nur im Zusammenhang mit dort von der Polizei durchgeführten Identitätsfeststellungen dazu bewogen, zu beschreiben, welche Anforderungen im Hinblick auf polizeiliche Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit von Personen zu stellen sind, deren Identität von der Polizei an solchen Orten festgestellt wurde.

Dabei gingen die Richter von der Geringfügigkeit von verdachtsunabhängigen Identitätsfestungen aus, bei denen es sich anerkanntermaßen um sehr geringe Eingriffe in Rechtspositionen handelt.

Auch das OVG Hamburg hatte 2022 darüber zu entscheiden, welchen Anforderungen eine polizeiliche Gefahrenprognose entsprechen muss, um an gefährlichen Orten verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen durchführen zu können, obwohl die Richter davon überzeugt waren, dass bei der Einstufung durch die Polizei keine Prognosefehler, gemeint ist die Gefahrenprognose, begangen wurden, ist die folgende Textstelle aus diesem Urteil bedeutsam.

OVG Hamburg 2022: Das Bestimmtheitsgebot [gemeint ist das der polizeilichen Eingriffsbefugnis zur Identitätsfeststellung] findet allgemein seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. [...]. Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen und ggf. sein Verhalten mit Blick auf die geltende Rechtslage ausrichten kann. Es soll ferner gewährleisten, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet [sowie] die Grenzen der Freiheit des Bürgers nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. Dem Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive damit eine begrenzende Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit der Bürger schützen soll. [...]. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen eines im Gesetz vorgesehenen Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden. Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Ermächtigungsnorm bestimmen sich maßgeblich nach der Art und Schwere des Eingriffs sowie nach dem Charakter der Maßnahme (Gefahrenabwehr- oder Vorfeldmaßnahme). Sieht der Gesetzgeber im Vorfeld einer konkreten Gefahr Grundrechtseingriffe zur Verfolgung künftiger Straftaten oder zu deren Verhütung vor, müssen die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden. Ferner sind die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist.

Gemessen an diesen Maßstäben sind Anlass, Zweck und Grenzen in [der Befugnis zur Feststellung der Identität einer Person an gefährlichen Orten] hinreichend bestimmt.

Der Anlass für die Identitätsfeststellung ist die konkrete „Gefährlichkeit“ eines bestimmten Ortes aufgrund der Tatsache, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder verübt werden.

Mit der Maßnahme wird auch ein in der Norm bestimmter, konkreter Zweck verfolgt. Die Norm dient der Vorsorge für die Verhütung von Straftaten an Orten, an denen eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, Gefahrenverursacher anzutreffen. Durch die Anordnung einer Identitätsfeststellung kann hierbei einerseits die Gefährlichkeit des Ortes weiter erforscht werden, um Klarheit über die dort verkehrenden und sich aufhaltenden Personen zu erlangen. Darüber hinaus sollen Straftäter verunsichert und in Bewegung gehalten werden, um ihnen die Begehung von Straftaten zu erschweren. Das damit verfolgte Ziel, zu verhindern, dass bestimmte Orte zum Sammelpunkt von Straftätern werden, knüpft - unabhängig vom Einzelgewicht der Rechtsverstöße - an ein strukturell erhöhtes Gefahrenpotential an und dient damit einem öffentlichen Interesse von erheblichem Gewicht.

Beschränkung der Ausdehnung gefährlicher Orte: Hinsichtlich der Beschränkungen von Orten, die von der Polizei als gefährliche Orte eingestuft wurden, heißt es in dem Urteil wie folgt:

OVG Hamburg 2022: Weiterhin sind auch die Grenzen des Eingriffs konkret in örtlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht normiert. Die Maßnahme darf nicht flächendeckend, sondern nur an einem bestimmten, konkret räumlich abgrenzbaren Ort durchgeführt werden. Darüber hinaus muss dieser Ort in sachlicher Hinsicht dadurch gekennzeichnet sein, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben. Auf diese Weise enthält die Norm ein zweistufiges Begrenzungssystem. In einer ersten Stufe wird auf eine gerichtlich voll überprüfbare Tatsachenlage [...] auf unbestimmte, einer polizeilichen Bewertung im Einzelfall unterliegende Lageerkenntnisse abgestellt. Die Tatsachen können auf Mitteilungen anderer Behörden, Strafanzeigen von Bürgern, Hinweisen von polizeilichen Informanten oder in Lageberichten und Einsatzkonzepten niedergelegten Beobachtungen der Polizei beruhen. Einzelbeobachtungen sind nicht ausreichend, die Tatsachengrundlage muss - um aussagekräftig sein zu können - über einen längeren Zeitraum hinweg gewonnen worden sein.

Gefahrenerforschung nur für bestimmte Straftaten.

OVG Hamburg 2022: In einer zweiten Stufe zielt die Norm nicht allgemein auf die Gefahrerforschung jeglicher Formen von Kriminalität, sondern lediglich auf solche Straftaten ab, die von erheblicher Bedeutung sind.

Diesbezüglich heißt es in dem Urteil sinngemäß, dass damit Anlassstraftaten gemeint sind, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind und den Rechtsfrieden empfindlich stören und dazu geeignet sein müssen, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.

OVG Hamburg 2022: Hierbei muss die Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung nicht in jedem Einzelfall durch rechtskräftige Verurteilungen nachgewiesen sein. Wie bereits ausgeführt, ist es aufgrund des präventiven, auf die Strafverfolgungsvorsorge gerichteten Normzwecks ausreichend, wenn nachprüfbare Tatsachen dafür vorliegen, dass entsprechende Straftaten in der Vergangenheit begangen worden sind und weiterhin begangen werden.

Hamburgisches OVG, Urteil vom 31.01.2022 - 4 Bf 10/21

Anders ausgedrückt: Örtlichkeiten, die von der Behördenleitung der Polizei aufgrund von nachvollziehbaren Tatsachen als „gefährliche Orte“ eingestuft wurden, ermöglicht es an solchen Orten tätig werdenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, sozusagen verdachtsunabhängig, die Identität von Personen festzustellen und weitere, in den Polizeigesetzen benannte Maßnahmen treffen zu können, um die Identität von Personen an gefährlichen Orten anordnen und durchsetzen können, wenn die Person sich weigert, ihre Identität feststellen zu lassen.

Wenn das der Fall ist, dann können sowohl die Person als auch die von ihr mitgeführten Sachen zum Zweck der Identitätsfeststellung durchsucht werden. Willkürliche Personenkontrollen erlaubt das polizeiliche Eingriffsrecht aber auch an „gefährlichen Orten“ nicht.

Anlässlich von Polizeikontrollen in Waffenverbotszonen dürfte es jedoch zuerst einmal vorrangig darum gehen, Waffen, Messer oder Reizstoffsprühgeräte aufzufinden, so dass zuerst die jeweils zu kontrollierende Person dazu aufzufordern sein wird, sowohl eine Durchsuchung der Person als auch ihrer mitgeführten Sachen zu dulden, oder aber die Taschen selbst zu leeren, um glaubhaft machen zu können, dass keine verbotenen Gegenstände mitgeführt werden.

Diese polizeiliche Vorgehensweise setzt voraus, dass die jeweilige Durchsuchungsbefugnis des jeweils anzuwendenden Polizeigesetzes solch eine Rechtsfolge erlaubt.

Diesbezüglich heißt es im PolG NRW wie folgt:

§ 39 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW (Durchsuchung von Personen)
(1) Die Polizei kann außer in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 4 eine Person durchsuchen, wenn
4. sie sich an einem der in § 12 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte aufhält,

Vorausgesetzt, dass auch Waffenverbotszonen als gefährliche Orte anzusehen sind, könnten in solchen Verbotszonen auch die von Personen mitgeführten Sachen durchsucht werden.

§ 40 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW (Durchsuchung von Sachen)
(1) Die Polizei kann außer in den Fällen des § 12 Abs. 2 Satz 4 eine Sache durchsuchen, wenn
4. sie sich an einem der in § 12 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte befindet.

Werden bei solchen Durchsuchungen Waffen, Messer, Reizstoffsprühgeräte oder andere verbotene Gegenstände gefunden, dann sind diese nicht nur sicherzustellen, sondern darüber hinausgehend ist dann auch auf der Grundlage von § 163b StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung) die Identität der Person festzustellen, um gegen diese Person ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder ein Strafverfahren einleiten zu können.

Und wie ist zu verfahren, wenn Personen und Sachen erfolglos durchsucht wurden?

Natürlich besteht auch dann die Notwendigkeit, jetzt aber wieder auf der Grundlage von § 12 PolG NRW (Identitätsfeststellung), die Identität der gerade durchsuchten Person festzustellen, denn nur so lässt sich die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Organe sicherstellen, denn die Funktionsfähigkeit der Polizei ist gefährdet, wenn sie nicht dazu in der Lage ist, die Person benennen zu können, in deren Grundrechte sie gerade eingegriffen hat.

Mit anderen Worten: Auch wenn polizeiliches Einschreiten in Waffenverbotszonen vorrangig darin besteht, Waffen, Messer oder Reizstoffsprühgeräte etc. zu finden, um sie aus dem Verkehr ziehen zu können, entbindet das die Polizei nicht davon, die Identität kontrollierter Personen im Anschluss an bereits getroffene Maßnahmen aus den oben genannten Gründen festzustellen. Und wenn Voraussetzungen für Identitätsfeststellungen anlässlich verdachtsunabhängiger Kontrollen an „gefährdeten Orten“ bereits eine im Vorfeld der Einstufung zu erstellende Gefahrenprognose einfordert, dürfte klar sein, dass es bei der „Einstiegsmaßnahme der Durchsuchung von Personen und von mitgeführten Sachen“ in Waffenverbotszonen es sich bei diesen Maßnahmen um weitaus schwerwiegendere Eingriffe handelt, und somit an die Qualität einer polizeilichen Gefahrenprognose weitaus höhere Anforderungen zu stellen sind als die Begründungen, die bloße Identitätsfeststellungen rechtfertigen, die in den weitaus meisten fällen durch Einsichtnahme in Ausweispapiere abgeschlossen werden können.

22 Identitätsfeststellung an gefährlichen Orten

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Zu diesem Zweck können Personen an gefährlichen Orten nach ihrer Identität befragt und aufgefordert werden, Einsicht in mitzuführenden Ausweispapiere zu gewähren.

Wenn so die Identität einer Person nicht festgestellt werden kann, lässt es der § 12 PolG NRW (Identitätsfeststellung) zu, dass die zu kontrollierende Person dann:

  • Festgehalten werden kann

  • Nach Ausweispapieren durchsucht werden kann

  • Zur Polizeistation verbracht werden kann, wenn die Identität der Person vor Ort nicht feststellbar ist, siehe § 12 PolG NRW (Identitätsfeststellung)

§ 12 PolG NRW (Identitätsfeststellung)

Da es in den meisten Fällen aber möglich ist, am Kontrollort die Identität im Sinne der 1. Alternative der Befugnis festzustellen, soll zuerst einmal herausgearbeitet werden, wie sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts zur polizeilichen Maßnahme der Identitätsfeststellung zur Gefahrenabwehr positioniert haben.

23 Identitätsfeststellungen zur Gefahrenabwehr aus Sicht des BVerfG

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Die folgenden Zitate stammen aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015, bei dem es um eine Verfassungsbeschwerde ging, der die Identitätsfeststellung eines Beschwerdeführers zugrunde lag, dessen Identität von der Polizei festgestellt wurde, weil der Beschwerdeführer Videoaufnahmen von einem polizeilichen Einsatz gefertigt hatte. Auch wenn dieser Beschluss keinen Bezug zu den hier vorrangig zu erörternden „Waffenverbotszonen“ und auch keinen Bezug zu „gefährlichen Orten“ hat, enthält dieser Beschluss dennoch hilfreiche Aussagen im Hinblick auf eine sachgerechte Beurteilung polizeilicher Kontrollbefungnisse anlässlich von Identitätsfeststellungen, die auch für „gefährliche Orte“ und so genannte „Waffenverbotszonen“ anzuwenden sind.

BVerfG 2015: Eine Identitätsfeststellung werde zwar im Allgemeinen nicht geeignet sein, unmittelbar eine konkrete Gefahr abzuwehren. Sie könne jedoch Klarheit darüber verschaffen, gegen welche Person gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen zu richten seien. Die Identitätsfeststellung stelle sich zudem als ein verhältnismäßig geringfügiger Eingriff dar, der mit Blick auf das Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter als angemessen erscheine.

Es handele sich um einen insgesamt nicht gravierenden Eingriff, zumal auch in typischen Situationen des täglichen Lebens die Notwendigkeit auftreten könne, die Identität zu belegen.

Zwar ist das Gewicht des Grundrechtseingriffs verhältnismäßig gering, da die Identitätsfeststellung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds.SOG weder heimlich noch anlasslos erfolgt und die Persönlichkeitsrelevanz der im Zusammenhang mit einer Identitätsfeststellung erhobenen Informationen von vornherein begrenzt ist (...). Gleichwohl bedarf der Eingriff der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung im Einzelfall, im Rahmen derer die Gerichte bei der Anwendung und Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds.SOG gehalten sind, die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinreichend zu berücksichtigen.

Aber:

BVerfG 2015: Wer [gemeint ist der Beschwerdeführer] präventivpolizeiliche Maßnahmen bereits dann gewärtigen muss, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sein Verhalten Anlass zu polizeilichem Einschreiten bietet, wird aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen auch zulässige Aufnahmen (...) und mit diesen nicht selten einhergehende Kritik an staatlichem Handeln unterlassen. [...]. Gehen die Sicherheitsbehörden demgegenüber davon aus, dass im Einzelfall die konkrete Gefahr besteht, [...], bedarf es hierfür hinreichend tragfähiger Anhaltspunkte.

BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2015 - 1 BvR 2501/13

Aus diesem Beschluss lässt sich Folgendes ableiten:

Bei Identitätsfeststellungen durch Einsichtnahme in Ausweispapiere handelt es sich um geringfügige Eingriffe. Aber auch solche geringfügigen Eingriffe bedürfen des Nachweises von Tatsachen, dass dadurch eine Gefahr abgewehrt werden kann.

Aber:

Im Hinblick auf Durchsuchungen von Personen und mitgeführten Sachen als Einstiegsmaßnahme einer Polizeikontrolle in Waffenverbotszonen lässt sich – in Kenntnis der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Identitätsfeststellung – nur schließen, dass für solch schwerwiegende Grundrechtseingriffe, gemeint sind Durchsuchungen, bei der Erstellung von Gefahrenprognosen andere Anforderungen an solch eine Prognose zu stellen sind, als das für Identitätsfeststellungen an gefährlichen Orten der Fall ist.

Wie dem auch immer sei: Dass es sich bei Durchsuchungen, die nicht dem Zweck dienen, die Identität einer Person festzustellen, das dürfte wegen der Eingriffstiefe von Durchsuchungen in die Grundrechte von Personen nachvollziehbar sein. Beseitigen lässt sich dieses Rechtsproblem nur durch Anlässe, die offenkundig sofortige Durchsuchungen an gefährlichen Orten erforderlich machen.

Beispiel: Anlässlich eines Risikofußballspiels rechnen sowohl der Veranstalter als auch die Polizei nicht nur mit gewaltsamen Ausschreitungen, sondern auch damit, dass Fans Pyrotechnik, Glasflaschen, volle Schnapsflaschen und andere Gegenstände mit ins Fußballstadion nehmen, um dort so richtig „die Sau herauslassen zu können.“ Diese Erwartungshaltung rechtfertigt sich auch daraus, dass es bei vorausgegangenen Spielen der beiden Mannschaften bereits in der Vergangenheit zu erheblichen Ausschreitungen gekommen ist. Rechtslage?

Dass dieser für einen jedermann nachvollziehbaren Gefahr nur dadurch begegnet werden kann, dass für eine festgesetzte Zeit das Umfeld und natürlich auch das Stadion von der Polizei zu einem gefährlichen Ort erklärt wird, um dort verdachtsunabhängig Personen sofort durchsuchen zu können, das dürfte leicht zu verstehen sein.

Ob das auch für die Durchsuchung von Personen so leicht nachzuvollziehen ist, die sich in Waffenverbotszonen aufhalten, das dürfte nicht mehr so leicht nachvollziehbar sein, denn eine Durchsuchung greift  jetzt, für einen jedermann erkennbar, tiefgreifend in Grundrechte ein.

So auch die Sichtweise der Richter des Bayrischen Verfassungsgerichts in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006, bei der es um Kontrollrechte der Bundespolizei im Rahmen der Schleierfahndung ging. Diese Entscheidung ist im hier zu erörternden Sachzusammenhang deshalb von großer Bedeutung, weil auch in Grenzbereichen, in dem Schleierfahndungen durchgeführt werden, sich durchaus Assoziationen zu „gefährlichen Orten“ und auch Assoziationen zu „Waffenverbotszonen“ allein deshalb aufzwingen, weil in einem wesentlich größeren Bereich, als das bei gefährlichen Orten oder Waffenverbotszonen es der Bundespolizei erlaubt ist, auf der Grundlage des Bundespolizeigesetzes in Grenzbereichen (bis zu 30 km Tiefe) verdachtsunabhängig Personen kontrollieren werden können.

Unter welchen Einschränkungen das möglich ist, dazu haben sich die Richter des Bayrischen Verfassungsgerichts umfassend positioniert.

24 Verdachtsunabhängige Schleierfahndung

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Bei der Schleierfahndung handelt es sich um verdachtsunabhängige polizeiliche Kontrollen der Bundespolizei, die es Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten der Bundespolizei erlaubt, im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern von den Grenzen, Personen verdachtsunabhängig kontrollieren zu können. Dass dieser Kontrollraum im Vergleich zu „Waffenverbotszonen oder anderen gefährlichen Orten“ weitaus größer ist, lässt sich die Rechtsauffassung der Richter des Bayerischen Verfassungsgerichts wohl auch auf viel kleinere "gefährlichen Orte" oder  Waffenverbotszonen anwenden.

Bevor aus der Entscheidung des Bayrischen Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2006 zitiert wird, vorab noch die Eingriffsbefugnisse der Bundespolizei, auf deren Grundlage, Kontrollen im Grenzbereich zulässig sind. Es werden nur die Teile der Befugnisse zitiert, die im hier zu erörternden Sachzusammenhang von Bedeutung sind:

§ 23 BPolG Abs. 1 Nr. 3 (Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen)
(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person
feststellen

3. im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4.

2) Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 7 kann die Bundespolizei ferner die Identität einer Person feststellen, wenn
sie
1. sich an einem Ort aufhält,
in bezug auf den Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort
a) Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben
oder

b) sich Straftäter verbergen.

Das Recht, Personen als auch Sachen nach Ausweispapieren durchsuchen zu können, ergibt sich aus § 23 Abs. 3 Satz 5 BPolG.

Dort heißt es:

Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 [eine Person kann zum Zweck der Identitätsfeststellung festgehalten werden] können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.

Wird zu einem anderen Zweck in der Kleidung oder in Sachen, die eine Person mit sich führt, nach Gegenständen gesucht, die nicht der Identitätsfeststellung dienen, dann ist die Durchsuchungsbefugnis des § 43 Abs. 1 Nr. 4 BPolG (Durchsuchung von Personen) anzuwenden.

Dort heißt es:

§ 43 Abs. 1 Nr. 4 BPolG (Durchsuchung von Personen)

(1) Die Bundespolizei kann außer in den Fällen des § 23 Abs. 3 Satz 5 [Durchsuchung nach Ausweispapieren] eine Person durchsuchen, wenn 4. sie sich in einem Objekt im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Durchsuchung auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

Sollen Sachen durchsucht werden, [die ebenfalls nicht dem Zweck des Auffindens von Ausweispapieren dienen], ist § 44 Abs. 1 Nr. 4 BPolG (Durchsuchung von Sachen) einschlägig.

Dort heißt es:

§ 44 Abs. 1 Nr. 4 BPolG (Durchsuchung von Sachen)

(1) Die Bundespolizei kann außer in den Fällen des § 23 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 5 Satz 2 eine Sache durchsuchen, wenn

4. sie sich in einem Objekt im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß in oder an diesen Objekten Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Durchsuchung auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Sache bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

Wie dem auch immer sei: Diese Ausführungen zu grenzpolizeilichen Befugnissen voraussetzend werden im Folgenden wichtige Ausführungen aus dem Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 7. Februar 2006 zitiert.

Bayerischer Verfassungsgerichtshof 2006: Leitsatz: Die Regelungen über die polizeiliche Durchsuchung mitgeführter Sachen im Rahmen der so genannten Schleierfahndung (...) sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Sie sind so auszulegen, dass die Polizei von der Eingriffsbefugnis nur im Fall einer erhöhten abstrakten Gefahr Gebrauch machen darf.

In der Begründung heißt es unter anderem:

Bayerischer Verfassungsgerichtshof 2006: Das bedeute aber nicht, dass das Gesetz ein vollkommen willkürliches, durch kein Ziel determiniertes Kontrollieren ermögliche. Diese Ziele [gemeint sind die der Eingriffsbefugnisse zur Gefahrenabwehr], verpflichteten die Polizei, den Kontrollen entsprechende Lageerkenntnisse und einschlägige Erfahrung zugrunde zu legen [...]

An anderer Stelle:

Legitimer Zweck von Durchsuchungen [im Grenzbereich] ist der Schutz hochwertiger Rechtsgüter. Diese Eingriffsbefugnisse dienen der Verhütung und Unterbindung des unerlaubten Überschreitens der Landesgrenze, des unerlaubten Aufenthalts sowie der grenzüberschreitenden Kriminalität. Die auf diese Weise zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung ist ein Verfassungswert von Rang (...). Dass die in Rede stehende Durchsuchung von Sachen zur Verfolgung dieser Zwecke geeignet ist, steht außer Frage. [...]. Bei der Durchsuchung von Sachen, die eine von einer Identitätskontrolle betroffene Person mit sich führt, sind unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn strengere Anforderungen zu stellen als bei der bloßen Identitätskontrolle. Bei einer Gesamtabwägung der Schwere des mit der Durchsuchung verbundenen Eingriffs und bei dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe des Gemeinwohls ist die Grenze des Zumutbaren im Hinblick auf die Grundrechtspositionen aus Art. 101 und Art. 100 in Verbindung mit Art. 101 BV nur gewahrt, wenn eine Einschreitschwelle in Gestalt einer erhöhten abstrakten Gefahr beachtet wird.

Aber:

Bei der Durchsuchung von Sachen, die eine Person mit sich führt, [und das gilt erst recht für körperliche Durchsuchungen von Personen = AR] ergibt sich im Gegensatz zur bloßen Identitätskontrolle nicht mehr das Bild einer geringfügigen Grundrechtsbeeinträchtigung mit einer sehr niedrigen Belastung im Einzelfall, [denn] eine Durchsuchung mitgeführter Sachen [ist] alles andere als eine typische Situation des täglichen Lebens. Dass eine Durchsuchung mitgeführter Sachen vielfach nur ein Folgeeingriff der Identitätsfeststellung sein wird, ändert daran nichts. Das eine Durchsuchung mitgeführter Sachen kennzeichnende Element ist das Eindringen in die private Sphäre eines Betroffenen im Weg eines ziel- und zweckgerichteten Suchens oder Ausforschens (...). Von einer Person mitgeführte Sachen, wie sie verschlossene oder von außen nur beschränkt einsehbare Behältnisse darstellen – etwa auch Teile eines Pkw-Fahrgastraums, ein Pkw-Kofferraum, Handschuhfach, Taschen, sonstiges Gepäck, nicht am Körper getragene Kleider etc. – sind jedenfalls dem nicht einsehbaren Bereich der Privat- und Intimsphäre des berechtigten Besitzers zuzuordnen. Sie werden von dem Betroffenen typischerweise so verwendet und unterliegen seinem Selbstbestimmungsrecht. Auch wenn es sich bei den mitgeführten Sachen um größere Gegenstände wie um einen Pkw handelt, kann – jedenfalls in den nicht einsehbaren Bereichen – nicht die Rede davon sein, dass zwischen dem berechtigten Besitzer und der Sache nur ein loses Band bestünde und sie aus der privaten Intimsphäre entlassen wäre. Erst das offene Zurschaustellen oder das offene Mitsichtragen von Sachen vermag das Schutzbedürfnis des Betroffenen zu verringern (...). Hinzu kommt, dass der Akt polizeilichen Durchsuchens für einen außenstehenden Beobachter sofort den Eindruck erweckt, der Betroffene habe sich in irgendeiner Weise nicht gesetzmäßig verhalten.

Insoweit kann eine Durchsuchung von Sachen durch Polizeibeamte vom Betroffenen als diskriminierend oder stigmatisierend empfunden werden (...); dies kann auch den gesellschaftlichen Status eines Betroffenen negativ beeinflussen. Damit ergibt sich bei der Durchsuchung mitgeführter Sachen anders als bei einer Identitätskontrolle das Bild eines schwerwiegenden Eingriffs in die Privat- und Intimsphäre.

Hinweis: Festzustellen ist, dass Durchsuchungen jeglicher Art von Personen und von Sachen, die sich im Grenzbereich oder in gefährlichen Orten bzw. in Waffenverbotszonen aufhalten und die nicht dem Zweck dienen, Ausweispapiere zu finden, von den Richtern als weitaus schwerwiegendere Grundrechtseingriffe anzusehen sind, als das der Fall ist, wenn es zuerst einmal nur um die Feststellung der Identität einer Person geht, die normalerweise durch Einsichtnahme in mitgeführte Ausweispapiere erfolgreich abeschlossen werden kann und nur dann den Einsatz schärferer Rechtsmittel (Durchsuchung nach Ausweispapieren in der Kleidung und in mitgeführten Sachen) erforderlich macht, wenn sich die kontrollierte Person verweigert.

Das bedeutet, dass eine zielgerichtete Suche nach Waffen, Messern, Reizstoffsprühgeräten oder andere verbotene Gegenstände, die sich in der Kleidung oder in mitgeführten Sachen befinden könnten, als schwerwiegende Grundrechtseingriffe anzusehen sind, die wohl kaum noch auf eine Gefahrenprognose gestützt werden können, die es der Polizei ermöglichen soll, an gefährlichen Orten b    lediglich die Identität einer Person festzustellen.

Anders ausgedrückt: Im Hinblick auf die Schwere der Einstiegsmaßnahme, gemeint sind Durchsuchungen, sind besondere Anforderungen an die Qualität der von der Polizei zu erstellenden Gefahrenprognose zu stellen.

Bayerischer Verfassungsgerichtshof 2006: Jeder, der sich auf einer Durchgangsstraße, also insbesondere auf den Autobahnen und zahlreichen Bundesstraßen, oder in einer öffentlichen Einrichtung des internationalen Verkehrs bewegt oder aufhält, [Eine Waffenverbotszone ist ebenfalls ein öffentlich zugänglicher Ort = AR] könnte einer Durchsuchung ausgesetzt sein, ohne dass dies mit seinem Verhalten in Beziehung gebracht werden könnte oder durch ihn veranlasst wäre. Damit wären potenziell breite Kreise der Bevölkerung von dieser weitgehenden Eingriffsmöglichkeit betroffen, ohne dass eine spürbare Einschreitschwelle existierte. [...]. Voraussetzung für die Anwendung der Eingriffsbefugnisse der Polizei ist im Allgemeinen und typischerweise das Vorliegen einer konkreten Gefahr. Unter einer konkreten Gefahr versteht man eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden, und zwar zu einer Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt (...). Würde dieser Gefahrenmaßstab auf die Eingriffsbefugnis der Durchsuchung mitgeführter Sachen im Rahmen der so genannten Schleierfahndung angewandt, würde der Schutz der Rechtsgüter, dem diese besondere Art der präventivpolizeilichen Tätigkeit dient, zu weit eingeengt. Denn dann könnte die Polizei auf diesen Feldern präventivpolizeilich nur tätig werden, wenn sie – was keinesfalls die Regel ist – schon über eine verhältnismäßig genaue Tatsachengrundlage verfügte, die ihr eine einigermaßen sichere Prognose über eine bevorstehende Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erlaubte. Das ist im Hinblick auf die Funktion des Staates als Ordnungsmacht und als Garant der Sicherheit der Bevölkerung nicht genügend, zumal es sich dabei um Verfassungswerte handelt, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind (...).

Aber:

Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, Eingriffsbefugnisse auch im Vorfeld konkreter Gefahren zu schaffen, soweit – wie hier – die Bestimmtheitsanforderungen an die Norm gewahrt sind und ein angemessener Ausgleich zwischen den Allgemein- und Individualinteressen vorliegt (...). Bei der Durchsuchung mitgeführter Sachen [im Grenzbereich oder anderer gefährlicher Orte] ist es aber notwendig, die Einschreitschwelle mit der Intensität des Grundrechtseingriffs abzustimmen.

Wie dargelegt handelt es sich bei der Durchsuchung mitgeführter Sachen [und erst recht bei der Durchsuchung von Personen = AR] um einen wesentlich intensiveren Grundrechtseingriff als bei der Identitätskontrolle.

Dies muss zu einem strengeren Regelungsstandard bei den Einschreitschwellen für diese Durchsuchungen führen.

Daraus folgt:

Nachdem die Durchsuchung mitgeführter Sachen [und Personen = AR] regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die Privat- und Intimsphäre des Betroffenen darstellt, kann nicht schon jegliche abstrakte Gefahr im Sinn des Sicherheits- und Polizeirechts ausreichen. Mit abstrakter Gefahr wird generell nur eine Sachlage umschrieben, aus der nach allgemeiner Lebenserfahrung konkrete Gefahren im Einzelfall erst entstehen können (...). Das Vorliegen einer abstrakten Gefahr eröffnet – von Sonderregelungen abgesehen – überhaupt erst den Aufgabenraum der Polizei [...], ist aber selbst keine Rechtsgrundlage für präventivpolizeiliche Maßnahmen (...).

Darüber hinaus wird die abstrakte Gefahr im Rahmen der so genannten Schleierfahndung schon daraus hergeleitet, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG aufgeführten Örtlichkeiten und Einrichtungen zu den Räumen mit größerem abstraktem Gefahrenpotenzial gezählt werden [was auch bei der Erstellung von Gefahrenprognosen der Fall ist, um öffentliche Gebiete zu gefährlichen Orte oder Waffenverbotszonen zu erklären, = AR]. Sollte jegliche abstrakte Gefahr als Einschreitschwelle ausreichen, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass beispielsweise fast jeder Benutzer einer Autobahn oder einer Eisenbahn allein schon deshalb durchsucht werden könnte, weil er diese so genannten „gefährlichen Orte“ aufsucht. Im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht der Handlungsfreiheit (...) wäre dies sowohl wegen der Schwere des Eingriffs als auch wegen der fehlenden Eingrenzung der Zahl der Betroffenen eine unangemessene Lösung.

Infolgedessen muss ein Ausgleich zwischen den Allgemein- und Individualinteressen gefunden werden, bei dem einerseits wirksame Einschreitschwellen gewährleisten, dass nicht beliebig viele Personen von den als solchen schwerwiegenden Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre betroffen werden, wie sie für die Durchsuchung mitgeführter Sachen charakteristisch sind.

Voraussetzung einer erhöhten abstrakten Gefahr:

Dieser Ausgleich ist dann gegeben, wenn als Voraussetzung dieser Durchsuchung eine erhöhte abstrakte Gefahr verlangt wird.

Eine erhöhte abstrakte Gefahr bedeutet insbesondere, dass solche Durchsuchungen nicht aufgrund einer ungesicherten oder nur diffusen Tatsachenbasis erfolgen dürfen (...). Die präventivpolizeiliche Durchsuchung mitgeführter Sachen bereits im Vorfeld konkreter Gefahren darf nicht zu einem bloßen Gefahrerforschungseingriff entarten; dies wäre auch im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs, die mit einer solchen Durchsuchung verbunden ist, unvertretbar (...). Der Aufenthalt der zu durchsuchenden Person in den Bereichen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG reicht deshalb als solcher ebenso wenig aus wie bloße Vermutungen über abstrakte Gefahren, die nicht durch ein Mindestmaß an Indizien untermauert sind. Die Tatsachenbasis braucht aber nicht so konkret zu sein, dass eine Verletzung der Schutzgüter des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG bereits als wahrscheinlich erscheint; das Vorliegen einer konkreten Gefahr wird nicht verlangt. Da die Durchsuchung mitgeführter Sachen [und natürlich auch die Durchsuchung von Personen als einem noch schwerwiegenderen Eingriff in Persönlichkeitsrechte = AR] im Verhältnis zur Identitätsfeststellung einen deutlich schwerwiegenderen Eingriff in die Grundrechtspositionen aus Art. 101 und aus Art. 100 in Verbindung mit Art. 101 BV darstellt, genügen allerdings nur allgemeine Lageerkenntnisse oder (grenz-)polizeiliche Erfahrungssätze, wie sie für die bloße Identitätskontrolle in den Tatbestand des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG hineinzulesen sind (...), nicht. Vielmehr müssen zusätzliche und als solche hinreichend greifbare Erkenntnisse hinzutreten. Diese müssen jedenfalls in tatsächlichen Anhaltspunkten bestehen, die den Schluss auf erhöhte abstrakte Gefahrenlagen bezüglich unerlaubter Überschreitung der Landesgrenze, des unerlaubten Aufenthalts und der grenzüberschreitenden Kriminalität zulassen.

Dabei kann es sich etwa um durch Indizien angereicherte, also um hinreichend gezielte polizeiliche Lageerkenntnisse oder um das Vorhandensein von Täterprofilen oder Fahndungsrastern handeln, die beispielsweise auch im Rahmen internationaler Zusammenarbeit der Polizei- und Sicherheitsbehörden gewonnen werden. Für eine solche Prognose einer erhöhten abstrakten Gefahr können naturgemäß aber auch Eindrücke verarbeitet werden, die die handelnden Polizeibeamten bei einer vorausgehenden Identitätskontrolle gewinnen, z.B. wenn sie irgendwelche Auffälligkeiten registrieren (...).

Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 7. Februar 2006 - Aktenzeichen: Vf. 69-VI-04

Entscheidung im Volltext

Wichtiger Hinweis: Indizien, die es der Polizei erlauben, nicht nur im "Grenzgebiet der Schleierfahndung", sondern auch an anderen gefährlichen Orten und somit auch in Waffenverbotszonen Durchsuchungen zu rechtfertigen, können sich, so der Wortlaut in der oben zitierten Entscheidung ergeben aus:

  • Lageerkenntnissen

  • Täterprofilen

  • Fahndungsrastern.

Insbesondere das polizeiliche Einschreiten auf der Grundlage von Täterprofilen macht deutlich, dass verdachtsunabhängige Durchsuchungen an Orten, die hier zu erörtern sind, auch auf der Grundlage von Täterprofilen möglich sind. Das bedeutet, dass, wenn es sich bei erstellten Täterprofilen um Personen mit Migrationshintergrund handelt, Racial Profiling dadurch vermieden werden kann, indem solche Täterprofile erstellt werden, so auch eine der Kernaussagen eines Urteils der Richter des Hamburger OVG, aus dem Jahr 2022.

25 Verdachtsunabhängig, aber profilorientiert

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An gefährlichen Orten und auch innerhalb von Waffenverbotszonen ist es der Polizei erlaubt, verdachtsunabhängig Personen zu überprüfen, die sich an solchen Orten aufhalten. Von einem Aufhalten kann bereits dann ausgegangen, wenn eine Person sich in dem jeweiligen Bereich bewegt. Ein Aufhalten bedeutet nicht, dass die Person dort ansässig zu sein hat, dort ihren Geschäften nachgeht oder längere Zeit an einem Ort stehenbleibt, um auf jemanden zu warten.

Aufhalten setzt lediglich Anwesenheit an einem gefährlichen Ort bzw. in einer Waffenverbotszone voraus.

Die eigentliche Frage, auf die es eine Antwort zu geben ist, lautet: Wer ist der zu kontrollierende Jedermann?

  • Alle Männer und alle Frauen

  • Auch Personen mit Rollatoren

  • Auch alte Mensen

  • Auch Frauen mit Kinderwagen

  • Auch Kinder

  • Auch Jugendliche oder nur

  • Gefährlich aussehende Personen, wie die auch immer aussehen mögen?

Wie dem auch immer sei: Es kann davon ausgegangen werden, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, auch in Waffenverbotszonen nur solche Personen zu Adressaten ihrer Maßnahmen machen, von denen ihnen ihre Berufserfahrung sagt, dass eine Kontrolle der in Augenschein genommenen Person zumindest zielführend sein könnte.

Diese Sichtweise ist sachgerecht, denn ein längeres Arbeiten im jeweilig zugewiesenen örtlichen Zuständigkeitsbereich der Polizeibehörde, in der Polizeibeamte verwendet werden, ist unvermeidbar mit einer Fülle von Erfahrungen verbunden, auch im Hinblick auf den Habitus von Personen, die sozusagen zur „polizeilichen Stammkundschaft“ gehören könnten oder ihr zumindest nahestehen könnten, weil die polizeiliche Berufserfahrung solch eine Assoziationen entstehen lässt.

Ergänzen lässt sich ein spontanes Anhalten, und das sich daran anschließende Kontrollieren einer in Augenschein genommenen Person auch durch so genannte „Profile“ von Personen, die auf Behördenebene erstellt werden, und deren Ergebnis als die Gesamtheit aller polizeilichen Erfahrungen mit Personen angesehen können, deren Kontrolle im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Polizei sachgerecht ist, wenn die sich in einem gefährlichen Ort oder in einer Waffenverbotszone aufhalten. Diese Profile können sogar so weit gehen, dass als Adressaten polizeilicher Kontrollmaßnahmen sogar äußere Merkmale, zum Beispiel das typische Aussehen eines „People of Color (PoC)“ ausreicht, solche Personen verstärkt an gefährlichen Orten bzw. in Waffenverbotszonen zu kontrollieren.

Hinweis: PoC die Abkürzung für People of Color. Gemeint ist nicht vorrangig die Hautfarbe, sondern die Erfahrungen von Personen in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft als nicht dazu gehörig bzw. als „nichtdeutsch“ beklagen. Um schwarze Menschen mit einzuschließen, wird häufig der Begriff BiPoc verwendet. Black, Indigenous, and people of color.

Wie dem auch immer sei: Wenn solch eine Personengruppe sich als waffen- bzw. als messeraffin erwiesen hat und im Rahmen eines erstellten Personenprofils Ausführungen zum Alter, zum Geschlecht und zu polizeibekannt gewordenen Verhaltensmustern von Personen vor Ort einschreitenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sozusagen als „Kontrollhilfe“ zur Verfügung gestellt werden, dann kann davon ausgegangen werden, dass, wenn diese Personen in den oben genannten Orten von der Polizei kontrolliert werden, es sich dabei nicht um verbotenes „Racial Profiling“ handeln kann.

26 Rechtsauffassung des Hamburgischen OVG 2022

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Dass es sich bei polizeilichen Maßnahmen in gefährdeten Gebieten nicht um Racial Profiling handelt, wenn aufgrund eines erstellten Profils Personen von der Polizei kontrolliert werden, kann auch den folgenden Zitaten des Urteils des Hamburgischen OVG aus dem Jahr 2022 entnommen werden. Die Ausführungen können im Analogieverfahren auch auf Kontrollmaßnahmen in Waffenverbotszonen übertragen werden.

Hamburgisches OVG 2022: Bereits in den Leitsätzen 2 und 3 heißt es wie folgt:

2. Für einen Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG - hier die Differenzierung anhand der Hautfarbe als Teil des Merkmals „Rasse“ - bedarf es eines kausalen Zusammenhangs, da die Differenzierungsverbote dieses Grundrechts nur die Bedeutung haben, dass die aufgeführten faktischen Verschiedenheiten keine rechtlichen Wirkungen haben dürfen.

3. Die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG begründen für die präventive, gefahrenabwehrrechtliche Arbeit der Polizei in bestimmten Konstellationen kein Totalverbot. Zur Beschreibung einer Person darf z.B. die Hautfarbe angegeben werden.

An anderer Stelle heißt es:

Hamburgisches OVG 2022: Gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Diese Verfassungsnorm verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und der Verwaltung engere Grenzen zieht. Die in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmale dürfen grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern - als mittelbare Diskriminierung - in erster Linie andere Ziele verfolgt.

Das Verbot des Art. 3 Abs. 3 GG gilt mithin nicht absolut; es verbietet, wie sich schon aus seinem Wortlaut ergibt („wegen“), nur die bezweckte Benachteiligung oder Bevorzugung, nicht aber einen Nachteil oder einen Vorteil, der die Folge einer ganz anders intendierten Regelung ist.

Knüpft eine Differenzierung an die Hautfarbe einer Person an, so ist das Merkmal „Rasse“ betroffen.

Es soll Gruppen schützen, die - insbesondere auf irrationaler, naturwissenschaftlich unhaltbarer Grundlage beruhenden - Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren und auch heute noch vielfach rassistischen Vorurteilen ausgesetzt sind.

Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG wendet sich vor diesem Hintergrund insbesondere gegen rassistische Diskriminierung (...). Dieses Diskriminierungsverbot zielt insbesondere auf den Schutz vor irrationalen, haltlosen Vorurteilen.

Hieran gemessen verstößt die Identitätsfeststellung des Klägers [bei der es sich um eine farbige Person gehandelt hat, die an einem gefährlichen Ort von der Polizei kontrolliert wurde = AR] nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Es fehlt bereits an dem für einen Verstoß notwendigen Kausalzusammenhang.

Warum?

Sinngemäß heißt es in dem Urteil wie folgt: Die gegenüber der farbigen Person angeordnete Identitätsfeststellung knüpfte nicht kausal an seine Hautfarbe an, sondern aufgrund der konspirativen, auf die Verdeckung einer Betäubungsmittelstraftat hindeutenden Verhaltensweisen.

An anderer Stelle:

Hamburgisches OVG 2022: Die Anknüpfung an Verhaltenstatsachen steht überdies im Einklang mit den Zielgruppenbeschreibungen der Beklagten (DPVL-Anweisung 2016-3 und Bü-Drs. 21/10822, S. 2), [gemeint ist die Polizei in Hamburg] die ebenfalls nicht die Hautfarbe als Kriterium für die Adressatenauswahl benennt. Hamburgisches OVG, Urteil vom 31.01.2022 - 4 Bf 10/21

27 Bayerischer Verfassungsgerichtshof zu Täterprofilen

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Der nachfolgenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2006 lag die Beschwerde einer Person zugrunde, die von der Bundespolizei im Grenzbereich, der einen Bereich bis zu 30 Kilometern von der Grenze aus gesehen umfasst, auf der Grundlage von § 23 BPolG Abs. 1 Nr. 3 (Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen) zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet angehalten und durchsucht wurde.

Innerhalb des Grenzbereiches ist die Bundespolizei dazu ermächtigt, dort verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Diese Kontrollen umfassen auch Durchsuchungen sowohl angehaltener Personen als auch von Sachen, die diese Personen mitführen. Die Ortsbereiche, in denen verdachtsunabhängig kontrolliert werden können sind zwar viel größer, als die Bereiche, die von den Landespolizeien als „gefährliche Orte“ eingestuft werden und auch größer, als eingerichtete und als solche gekennzeichneten Waffenverbotszonen, gemeinsam ist dennoch allen oben genannten Gebieten, dass dort, wie oben beschrieben, verdachtsunabhängig kontrolliert werden können.

Bayerischen Verfassungsgerichtshofs 2006: Nach dem Abbau der Binnengrenzkontrollen zwischen den Schengener Vertragsstaaten (...) und dem damit verbundenen Wegfall der „Filterfunktion“ der Grenzkontrollen sollte als Ausgleichsmaßnahme eine verstärkte Fahndungstätigkeit auf den Routen und in den Einrichtungen des internationalen Verkehrs im Binnenland treten (...). Dies betrifft vornehmlich den Bereich der Abwehr abstrakter Gefahren in Räumen mit größerem abstrakten Gefahrenpotential (...).

An anderer Stelle heißt es:

Der Aufenthalt der zu durchsuchenden Person in den Bereichen [in denen die Polizei verdachtsunabhängig kontrollieren kann, = AR] reicht deshalb als solcher ebenso wenig aus wie bloße Vermutungen über abstrakte Gefahren, die nicht durch ein Mindestmaß an Indizien untermauert sind. Die Tatsachenbasis braucht aber nicht so konkret zu sein, dass eine Verletzung der Schutzgüter [...] bereits als wahrscheinlich erscheint; das Vorliegen einer konkreten Gefahr wird nicht verlangt. Da die Durchsuchung mitgeführter Sachen im Verhältnis zur Identitätsfeststellung einen deutlich schwerwiegenderen Eingriff in die Grundrechtspositionen [...] darstellt, genügen allerdings nur allgemeine Lageerkenntnisse oder (grenz-)polizeiliche Erfahrungssätze, wie sie für die bloße Identitätskontrolle in den Tatbestand des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG hineinzulesen sind (...), nicht. Vielmehr müssen zusätzliche und als solche hinreichend greifbare Erkenntnisse hinzutreten. Diese müssen jedenfalls in tatsächlichen Anhaltspunkten bestehen, die den Schluss auf erhöhte abstrakte Gefahrenlagen bezüglich unerlaubter Überschreitung der Landesgrenze, des unerlaubten Aufenthalts und der grenzüberschreitenden Kriminalität zulassen.

Dabei kann es sich etwa um durch Indizien angereicherte, also um hinreichend gezielte polizeiliche Lageerkenntnisse oder um das Vorhandensein von Täterprofilen oder Fahndungsrastern handeln, die beispielsweise auch im Rahmen internationaler Zusammenarbeit der Polizei- und Sicherheitsbehörden gewonnen werden. Für eine solche Prognose einer erhöhten abstrakten Gefahr können naturgemäß aber auch Eindrücke verarbeitet werden, die die handelnden Polizeibeamten bei einer vorausgehenden Identitätskontrolle gewinnen, z.B. wenn sie irgendwelche Auffälligkeiten registrieren (...).

Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 7. Februar 2006 - Aktenzeichen: Vf. 69-VI-04

Volltext der Entscheidung

Zusammenfassung: In Anlehnung an die Rechtsauffassung der Richter des hamburgischen Oberverwaltungsgerichts und des bayerischen Verfassungsgerichtshofes kann davon ausgegangen werden, dass jede nicht willkürliche, sondern an polizeilichen Erkenntnissen und Erfahrungen, die in „Täterprofilen“ sachgerecht beschrieben wurden, eine Ungleichbehandlung im Sinne von Artikel 3 des Grundgesetzes ausschließt und somit rechtsstaatlichen Anforderungen vollumfänglich entsprechen kann. Das bedeutet, dass der Jedermann, der zur Sprachfigur von „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ gehört, auch Personen umfassen kann, die auf aufgrund ihrer ethnischen Merkmale auch in gekennzeichneten Waffenverbotszonen sozusagen "bevorzugt" von der Polizei kontrolliert werden können, was die Kontrolle anderer Personen nicht ausschließt.

Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung darf solche Nachweise in keiner, von der Polizei erstellten Gefahrenprognose im Zusammenhang mit der Anordnung von Waffenverbotszonen fehlen, weil in Waffenverbotszonen kontrollierende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Racial Profiling vorgeworfen werden kann, wenn sie allein ihrer Berufserfahrung folgen, Personen mit ethnischen Merkmalen für potentiell gefährliche Waffenträger ansehen.

28 Schwachstellen der polizeilichen Gefahrenprognose

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Ein kurzer Blick in die Vorgaben des § 2 der Verordnung zur Übertragung der Verordnungsermächtigung zum Verbot oder zur Beschränkung des Führens von Waffen (Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung) reicht aus, um diese Schwachstellen erkennen zu können, auf deren Grundlage sich Täterprofile zumindest nicht begründen lassen.

Dort heißt es:

Da von Waffen und Messern im Sinne des § 42 Absatz 6 des Waffengesetzes eine generelle Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter Leib oder Leben ausgeht und ein möglicher Schaden tendenziell von größerem Ausmaß ist, kann für die Gefahrenprognose eine geringere Schadenswahrscheinlichkeit ausreichen.

Aus der Gefahrenprognose muss sich die voraussichtliche Häufigkeit von Schadensfällen mit Waffen und Messern und das Gewicht der Schadensfolgen ergeben. Dabei können [nicht müssen] insbesondere folgende polizeiliche Erkenntnisse in Bezug auf das maßgebliche Gebiet zugrunde gelegt werden:

1. bereits begangene Straftaten unter Verwendung von Waffen und Messern,

2. Feststellung einzelner Störer oder Störergruppen, die Waffen oder Messer mit sich führen und

3. Sicherstellung von Waffen oder Messern anlässlich einer Durchsuchung in einer Gewahrsamseinrichtung bei Störern, die sich zuvor in dem maßgeblichen Gebiet aufgehalten haben.

Bei so viel Geringfügigkeit, voraussichtliche Häufigkeit und des Berücksichtwerdenkönnens - nicht das Berücksichtiwerdenmüssen – davon ausgehen zu können, Durchsuchungen rechtfertigen zu können, bedeutet nach der hier vertretenen Rechtsauffassung eine exzessiv, also das Maß des zu Rechtfertigen stark überschreitende Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. Ausschlaggebend dürfte sowohl für die Anordnung als auch für zu erstellende Täterprofile im Zusammenhang mit Waffenverbotszonen konkrete und messbare Erfahrungen in Bezug auf das Mitführen von Waffen, Messern und anderen verbotenen Gegenständen im jeweils auszuweisenden Bereich sein. Vermutungen und Glaubensgründsätze dürften dafür wohl kaum ausreichen.

Die Psychologie hat für diese Art der Wirklichkeitsbetrachtung dafür die Sprachfigur des „ self fulfilling prophecy“ erfunden.

Benötigt aber werden statistisch nachzuweisende signifikante Erkenntnisse, die nachvollziehbar belegen, das von einer „erhöhten abstrakte Gefahr“ für bedeutsame Rechtsgüter auch unter Einbeziehung der Notwendigkeit, in Waffenverbotszonen dort zu erwartende schwere Straftaten sozusagen vorbeugend bekämpfen zu konnen, zu erbringen sind, denn der bloße Nachweis von Vermutungen und Annahmen, Ahnungen und Befürchtungen reichen dafür - auch wenn ich mich wiederhole - nicht aus.

Wie dem auch immer sei. Der abschließend zitierte Satz aus der Waffenverbotszonensubdelegationsverordnung ist sogar so zu verstehen, dass nur zu vorgegebenen Zeiten, also in kleinen „Zeitfenstern“, Waffenverbotszonen Rechtsverbindlichkeit haben können. Das bedeutet, dass zu anderen Zeiten die Notwendigkeit von Kontrollen in Waffenverbotszonen deshalb nicht erforderlich ist, weil dann die für diese kurze Zeitfenster definierte Gefahr für bedeutsame Rechtsgüter ja gar nicht existiert.

Wörtlich heißt es in der Verordnung, wohl in der Absicht den Anwender zu beruhigen:

Die Waffenverbotszone ist räumlich und zeitlich auf das Notwendige zu beschränken.

Das klingt zwar nach einer besonderen Form der Verhältnismäßigkeit, verkennt aber, dass außerhalb der „Geschäftszeiten“ nicht nur in Waffenverbotszonen, sondern im gesamten Bundesgebiet das Mitführen von Gegenständen gesetzlich verboten ist, siehe § 51 (Straftaten) und 52 (Straftaten) des Waffengesetzes, ergänzt durch den § 53 (Bußgeldvorschriften) des Waffengesetzes, in dem ordnungswidriges Handeln pönalisiert wird.

Hinweis: Die zuletzt genannten Ordnungswidrigkeiten dürften anlässlich von polizeilichen Kontrollen in gekennzeichneten Waffenverbotszonen wohl am häufigsten feststellbar sein.

§ 53 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder
fahrlässig

21a. entgegen § 42a Abs. 1 eine Anscheinswaffe, eine dort genannte Hieb- oder Stoßwaffe oder ein dort genanntes Messer führt.

Nun zählen Ordnungswidrigkeiten aber wirklich nicht zu den Straftaten mittlerer Kriminalität, und durch die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten können können sich folglich auch kaum Straftaten von erheblicher Bedeutung verhindern, außer man glaubt ganz fest daren.

Mit anderen Worten: Der Polizei bleibt, trotz aller oben aufgeführten Merkwürdigkeiten, nichts anderes übrig, dem ihr erteilten ministeriellen Auftrag, der an das Landesamt für Polizeiliche Dienste des Landes NRW (LZPS NRW) unter Einbeziehung der Ortspolizeien, in denen Waffenverbotszonen eingerichtet werden sollen, weitergereicht wurde, nachzukommen.

Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass auf die Einrichtung von Waffenverbotszonen verzichtet werden sollte. Das was an der bestehenden Praxis stört und dem Rechtsstaat eher schadet als nutzt, ist die bestehende Rechtslage, die aber nicht die Polizei, sondern nur der Gesetzgeber ändern kann.

29 Sollen Waffen- und Messerträger belohnt werden?

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Deutschland ist auf dem besten Wege, den großen Sprung nach Absurdistan tatsächlich zu schaffen.

Zumindest auf mich wirkt eine vom Chef der größten Polizeigewerkschaft in Deutschland, der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gemachte Aussage, Waffen und Messerbesitzer für ihre Bereitschaft zu belohnen, wenn diese Gegenstände freiwillig bei der Polizei abgegeben als ein deutliches Signal, dass der bundesdeutsche Rechtsstaat bereits in Absurdistan angekommen ist, in dem Opfer damit rechnen müssen, von der Polizei verfolgt , als Ausgleich dafür aber Täter belohnt werden.

In einem Artikel vom 06.08.2024 wird der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei auf RadioEins.de vom 6.8.2024 wie folgt zitiert:

RadioEins.de: GdP-Chef schlägt Anreize zur Abgabe von Messern vor. Mit immer mehr Kontrollen und Verbotszonen komme man gegen die hohe Anzahl von Gewalttaten mit Messern nicht an, meint der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Er hat eine ungewöhnliche Idee. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) schlägt vor, Besitzer gefährlicher Messer mit einer Amnestieregelung und materiellen Anreizen zur Abgabe ihrer Waffen zu bewegen. «Damit diese Maßnahme effektiv ist, muss die Bundesregierung für Abgebende ernsthafte Anreize schaffen», sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke. «Konkret könnte das bedeuten: ein Jahr Netflix für die Abgabe eines verbotenen Butterfly-Messers.» Die hohe Zahl von Messerangriffen böte Anlass zur Sorge und mache ein schnelles Handeln unabdingbar, sagte der GdP-Chef.

Artikel im Volltext

Mehr Hilflosigkeit geht wirklich nicht mehr.

30 Zusammenfassung

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Ich möchte dem schweizerischen Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie zustimmen, wenn er den von ihm diagnostizierten Wirklichkeitswahn, unter dem wir wohl heute alle leiden, wie folgt beschreibt:

Alfred J. Ziegler: In der Folge [unseres Wahns] beschleicht uns [...] das Gefühl, dass mit jeder Zunahme [unseres Wissens] das Wissen auch immer bedeutungsloser wird. [...]. Wohl werden wir durch mehr Wissen nicht ignoranter; dafür aber „blöder“ im ganz und gar ursprünglichen Sinn des Wortes: Unser Wissen an sich neigt dazu, immer abgegriffener und fadenscheiniger zu werden [En02].

Um diesen Zustand des Blödwerdens, begünstigt durch kopflastige und kaum noch verständliche gesetzliche Regelung - insbesondere im Bereich des Polizeirechts – ein Ende zu bereiten, wäre es nicht nur aus pädagogischen, sondern auch aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlich, den Problembereich „Waffenverbotszone“ gesetzlich so zu regeln, das:

  • Jede Person, die der deutschen Sprache mächtig ist, weiß, was verboten ist und mit welchen polizeilichen Folgemaßnahmen beim Betreten von Waffenverbotszonen sie zu rechnen hat, und

  • Jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte auf der Grundlage eines allgemeinverständlichen Waffen- und Eingriffsrechts in Bezug auf polizeiliches Einschreiten in Waffenverbotszonenaus sich selbst heraus verständlich ist, so dass Polizisten dazu in der Lage sind, die vom Gesetzgeber gewollten Rechtsfolgen rechtsfehlerfrei nicht nur anordnen, sondern auch durchsetzen zu können.

Um das zu ändern, wäre es aber erforderlich, polizeiliches Eingriffsrecht wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, und zwar durch Gesetze, die – wie oben bereits mehrfach festgestellt – jede daran interessierte Person nicht nur finden, sondern auch verstehen und behalten kann. Daran aber fehlt es zurzeit. Deshalb werden Gesetze und Verordnungen erlassen, die kein Mensch mehr liest - nicht einmal mehr die Amtswalter der Polizei - weil zu viel an juristischer Sprachgewalt einfach eine nachvollziehbare Abwehrhaltung gegen so viel Kopflastigkeit auslöst. Das ist eine bedauerliche Folge in Deutschland der "juristischen Denker und Dichter", die sich sozusagen im Dadaismus versuchen, deren Vertreter ja bekanntermaßen auch keine Mühen scheuten, traditionelle Kunstformen (Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot von Gesetzen) entweder durch satirische, nichtssagende oder in ihrer Abstraktheit kaum noch zu überbietende Kunstwerke (Gesetze und Verordnungen zur Regelung von Waffenverbotszonen) durch die von ihnen erfundene Abstraktion sozusagen jeglicher Gestalt entkleideten.

Alfred J. Ziegler beschreibt das so:

Alfred J. Ziegler: In dieser Hinsicht sind alle Gesetze des Menschen nichts anderes als Notstandsgesetze. [...]. Was jenseits aller Gesetzesinhalte bleibt, ist die Nötigung des Menschen zum Gesetzesglauben und zum Gesetzesgehorsam. [...]. Unser Ausdenken der Welt geht mit einem hohen Maß an schädlichen Nebenwirkungen einher [En03].

Die Schädlichkeit unseres Glaubens an den hohen abstraktionsgrad von Gesetzen, die niemand mehr versteht und die somit auch nicht mehr dazu in der Lage sind, für Sicherheit im Lane zu sorgen, scheint zumindest mir eines der Grundübel zu sein, die den heutigen Rechtsstaat sozusagen aufzulösen scheint.

Diese Vorstellung  und die sich daraus ergebenden Folgen, werden in einem Artikel auf Focus.de vom 26.08.2024 wie folgt auf den Punkt gebracht:

„Polizisten-Satz nach Solingen zeigt, dass das Land kurz vor der Kapitulation steht“.

Diese Überschrift bezieht sich auf ein Satement des Wuppertaler Polizeipräsidenten Markus Röhrl vom gleichen Tag:

Markus Röhrl: „Jeder muss mit sich ausmachen, ob er zu Festivitäten geht, ob er zu Fußballspielen geht, ob er im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist.“

Dieser Satz beschreibt nicht nur die Wirklichkeit von heute, sondern auch die von gestern, die von vorgestern und auch die der vergangenen Jahre, denn das Zusammenfinden von Massen in einer offenen Gesellschaft kann gar nicht anders beschrieben werden als: Seid vorsichtig, der Staat und seine Organe können dich nicht mehr beschützen.

Möglicherweise sieht die Lebenswirklichkeit der abgehobenen Eliten ja ganz anders aus. Vielleicht leben die ja wirklich in einer Traumwelt und wollen diese Traumwelt auch gar nicht verlassen.

Oder etwa doch?

Bereits am 27. August 2024 hatte der Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorgelschlagen, gemeinsam gesetzliche Regelungen zu schaffen, die die Einreise von Personen verhindern, die in Deutschland kein Asyl gewährt werden kann. Friedrich Merz hatte sogar von einer "nationalen Notlage" gesprochen, die, falls es der EU nicht gelingen solle, die illegale Migration einzudämmen, durchaus mit der Mehrheit von CDU und SPD beschlossen werden könnte.

Bereits am Tag darauf, also am 28. August 2024, heißt es in einer Meldung auf Deutschlandfunk.de, dass es nicht die Absicht von Friedrich Merz gewesen sei, das Asylrecht zu ändern, denn in einem Schreiben an die Mitglieder des Bundesvorstands seiner Partei stellt er nach Angaben der dpa klar, man fordere keine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz. Seine Vorschläge würden aber zu einem – Zitat – „faktischen Aufnahmestopp“ führen.

Natürlich hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz auf diesen Vorschlag reagiert. In einem Interview in Jeana äußerte sich der Wahlkämpfer Olaf Scholz  im HeuteJournal des ZDF am 27.08.2024 wie folgt: Ein konsequentes Vorgehen gegen Einwanderung aus Syrien und Afghanistan wird es nicht geben.

Am Tag darauf heißt es auf FAZ.de vom 28.08.2024 dann wie folgt: [Der Bundeskanzler] Will reden. Nach dem Angebot zur Zusammenarbeit des CDU-Vorsitzenden Merz will der Bundeskanzler das Gespräch suchen. Es werde zudem ein Maßnahmenpaket verhandelt, um irreguläre Migration stärker zu begrenzen.

Was dabei herauskommen wird, das kann nur die Zukunft zeigen.

Wie dem auch immer sei: Es wird wohl unvermeidbar sein, sich bereits heute (was sowieso schon viel zu spät ist] bewusst zu machen, dass der in unserer Vorstellungswelt vorhandene unerschütterliche Glaube an eine grenzenlose Freiheit sich ausgelebt hat. Um die Freiheit nicht ganz zu verlieren, bedarf es dringend gesetzlicher Regelungen zum Schutz der Freiheit, an die wir uns alle gewöhnt haben. Und damit die Polizei im Rahmen ihrer Möglichkeiten diese Freiheit schützen kann, bedarf es Eingriffsbefungnisse, die eindeutig und unmissverständlich formuliert sind. Anders ausgedrückt: Diese Befugnisse - insbesondere im Hinblick auf Polizeikontrollen in so genannten Waffenverbotszonen - müssen nicht nur dem Bestimmtheitsgebot entsprechen, was bedeutet, dass ein jedermann nachvollziehen kann, dass das, was die Polizei tut, die Gesetze nachlesbar erlauben.

Warum?

Auch in Zukunft muss es in einer offenen Gesellschaft möglich sein, dass sich viele Menschen in friedlicher Absicht, in Feierlaune und mit welcher Motivation auch immer, zusammenfinden können. Dafür aber sind eindeutig formulierte polizeiliche Befugnisse erforderlich, die jeder versteht, ohne dafür ein langjähriges Studium absolvieren zu müssen.

Dennoch: Zu glauben, dass die Polizei alles Böse, das in jedem Menschen und somit auch in jeder Gesellschaft existiert, durch Kontrollen verhindern kann, der lebt in einer Traumwelt, denn wer meint, dass es allein im Verantwortungsbereich der Polizei liegt, in einem Staat für Sicherheit zu sorgen,  der irrt.

Warum?

Am Ende wird - wenn Sicherheit nur Sache der Polizei sein sollte - nicht der Erfolg des Rechts, sondern der Erfolg des Unrechts Wirklichkeit werden.

Das aber kann sich ein Rechtsstaat nicht erlauben.

Auch dann nicht, wenn wenn die Befürchtungen von Ahmad Mansour, einem Islamismus-Experten, tatsächlich zutreffen sollten, denn dann wird sich das Böse in Zukunft häufiger zeigen, als uns das lieb sein kann, denn Bilder und Wut machende Videos hätten inszwischen dafür gesorgt, so die Expertise von Ahmad Mansour, dass der Islamismus inzwischen zu einer Jugendkultur geworden sei:

„Das ist ein Potenzial, das uns allen enorm Angst machen muss!“

Übrigens: Personen, die abgeschieben werden sollen und damit rechnen müssen, in ihren Heimatländern starken Repressionen ausgesetzt zu sein, können ihre Abschiebung dadurch verhindern, dass sie in Deutschland schwere Verbrechen begehen.

Anders ausgedrückt: Ein lebenslänglicher Gefängnisaufenthalt in Deutschland könnte durchaus erstrebenswerter sein, als das, was ausgewiesene Personen in ihren Heimatländern erwartet.

Das sind keine guten Zukunftsaussichten für den deutschen Staat, der sich vorgenommen hat, im großen Umfang auszuweisen.

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31 Quellen

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Endnote_01
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Wir Glückskinder in der Mitte Europas“. Rede zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit in Potsdam am 3. Oktober 2020. https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Downloads/DE/
Publikationen/201003-Wir-Glueckskinder-in-der-Mitte-
Europas.pdf?__blob=publicationFile&v=4
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Endnote_02
Alfred J. Ziegler. Wirklichkeitswahn – Die Menschheit auf der Flucht vor sich selbst. Schweizer Spiegel Verlag – Raben Reihe, 1983, Seite 24
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Endnote_03
Ebd. Alfred J. Ziegler, Seite 45
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