Die woke
und
bunte Republik - Die
Aufklärung von heute?
Inhaltsverzeichnis:
01 Wokeness
and
woke 02
Von der Wokeness zur Identitätsfindung
03 Abkehr von den europäischen Nationalstaaten 04
Notwendigkeit einer demokratischen Weltregierung 05
Die
Nation als Naturzustand 06 Urteil des BVerfG zum Vorrang des
EU-Rechts
07 Der neue
woke Mensch
08 Verfall der ideologiegesteuerten Wokeness 09
Die Erklärung
Dignitas infinita von Papst Franziskus 10 Was ist wirklich
woke? – Das Recht auf Empörung
11
CSD´s
in Groß- und auch in Kleinstädten 12
Die
Herrschaft der Vernunft – gibt es die überhaupt?
13 Glück –
Das
Ideal der Aufklärung 14
Das Glück auf Erden -
Fortschrittsglaube der Aufklärer 15 Was heißt Aufklärung
heute? 16 Humboldt-Universität und deren unliebsame
Doktorandin
17 Michel Foucault -
Was
ist Aufklärung? 18
Was ist Fortschritt, und was
nicht? 19 Schlusssätze 20
Quellen
01
Wokeness and woke
TOP
„Wokeness“,
dieses englische Substantiv bedeutet Wachsamkeit. Im Gegensatz
dazu ist „woke“
die Vergangenheitsform des englischen Verbes „to
wake up“
und bedeutet „aufgewacht“. Im Übrigen handelt es sich bei dem
Wort „woke“
um afroamerikanisches Englisch, das seit den 1930er Jahren
verwendet wird, um damit ein aufmerksames Bewusstsein für
mangelnde soziale Gerechtigkeit und natürlich auch für erlebten
Rassismus zum Ausdruck zu bringen.
„Stay woke!“, diesen Rat
gaben besorgte schwarze Mütter ihren Söhnen mit auf den Weg,
wenn die abends ausgingen: „Stay woke!“ – pass auf dich auf,
mach nichts falsch und tritt in keine der Fallen, die überall
lauern.
Ähnliche Ratschläge geben sicherlich auch heute besorgte Mütter
in Deutschland ihren Kindern.
Wie dem auch immer sei: Es
kann davon ausgegangen werden, dass dieser Begriff anfangs
durchaus positiv besetzt und mit dem Appell verbunden war, nicht
aufzufallen, vor allen Dingen nicht der Polizei.
Seit der Präsidentschaft von
Donald Trump änderte sich die Wortbedeutung von „woke“ jedoch, denn
Donald Trump begann damit, dieses Wort als ein Schimpfwort zu
benutzen.
Wie dem auch immer sei: Tatsache ist, dass
das Wort „woke“
im heutigen Gebrauch der Political Correctness verwendet, wer davon überzeugt ist, dass:
-
Alle Menschen mit weißer
Hautfarbe Rassisten und Sexisten sind
-
Die koloniale
Vergangenheit für die Ungleichheit verantwortlich ist und:
-
Nur der Feminismus dem
Patriarchat ein Ende bereiten kann
-
Mann und Frau als
Konstrukte anzusehen sind, was durch die Anerkennung einer
Geschlechtervielfalt ersetzt werden muss, die zwischenzeitlich
auf eine Liste von um die 60 unterschiedlichen
Geschlechtseigenschaften angewachsen ist.
-
Durch Gendern die
Sprache weitgehend geschlechtslos gemacht werden muss und:
-
Militante
Veganer
Weltverbesserer sind.
02
Von der Wokeness
zur Identitätsfindung
TOP
Um der Wokeness eine
größere Bedeutung, ihr also ein über den Rahmen „mütterlicher
Verhaltensappelle“ hinausgehendes Gewicht zu verschaffen,
wurde es erforderlich, Wokeness zu einem Identitätsmerkmal zu
machen, das es unterdrückten Minderheiten erlaubte, gemeinsam
zum Ausdruck bringen zu können, dass sie auf vielfältige Art und
Weise diskriminiert werden.
Sich dieser Diskriminierungen
bewusst zu werden und gemeinsam dagegen „aufzustehen“, diese
Bewegung begann – wo auch anders sollte das sein – bereits in
den 1970er Jahren in den USA, als dort die „schwarze
Bürgerrechtsbewegung“ an Fahrt aufnahm. In einem
Artikel, der im Januar 2017 in dem schweizerischen
Online-Magazin „Geschichte der Gegenwart“ veröffentlicht wurde,
heißt es:
Geschichtedergegenwart.ch
vom 22. Januar 2017:
Identitätspolitik bezeichnet ein politisches Engagement, das von
einer gemeinsamen Unterdrückungserfahrung ausgeht. In den USA
findet der Begriff seit den späten 1970er Jahren Verwendung,
wobei die großen sozialen Bewegungen der Nachkriegszeit (die
schwarze Bürgerrechtsbewegung, die zweite Frauenbewegung, die
amerikanische indianische Bewegung und die Lesben- und
Schwulenbewegung) ex post darunter subsumiert werden
[En01].
Die Anfänge
identitärer Bewegungen gingen vom
Combahee
River
Collective
aus, einer von schwarzen Frauen initiierten
feministisch-lesbischen Organisation, die zwischen 1974 und 1980
aktiv war. Diese
intersektionelle
Gruppe wurde gegründet, weil man das Gefühl hatte, dass sowohl
die feministische Bewegung als auch die Bürgerrechtsbewegung die
besonderen Bedürfnisse schwarzer Frauen und Lesben nicht
widerspiegelten. Das Kollektiv schloss sich zusammen, um das
„Combahee River Collective Statement“ zu entwickeln, das ein
Schlüsseldokument für die Entwicklung des zeitgenössischen
schwarzen Feminismus war und aus dem das folgende Zitat
entnommen wurde:
Combahee
River
Collective
Statement –
Was
wir glauben:
Unsere
Politik entspringt vor allem der gemeinsamen Überzeugung, dass
schwarze Frauen von Natur aus wertvoll sind, dass unsere
Befreiung eine Notwendigkeit ist und nicht ein Anhängsel
anderer, weil wir als Menschen ein Bedürfnis nach Autonomie
haben. Das mag so offensichtlich klingen, dass es zu simpel ist,
aber es ist offensichtlich, dass keine andere angeblich
fortschrittliche Bewegung jemals unsere spezifische
Unterdrückung als Priorität betrachtet oder ernsthaft für die
Beendigung dieser Unterdrückung gearbeitet hat. Allein die
Benennung
der abwertenden Stereotypen,
die Schwarzen Frauen zugeschrieben werden (z.B.
Mammy,
Matriarchin,
Sapphire,
Hure, Bulldogge), geschweige denn die Auflistung der grausamen,
oft mörderischen Behandlung, die wir erfahren, zeigt, wie wenig
Wert unserem Leben während der vier Jahrhunderte der
Knechtschaft in der westlichen Hemisphäre beigemessen wurde. Wir
erkennen, dass die einzigen Menschen, denen wir wichtig genug
sind, um sich konsequent für unsere Befreiung einzusetzen, wir
selbst sind. Unsere Politik entspringt einer gesunden Liebe zu
uns selbst, unseren Schwestern und unserer Gemeinschaft, die es
uns ermöglicht, unseren Kampf und unsere Arbeit fortzusetzen.
An
anderer Stelle heißt es:
Wir
glauben, dass die Sexualpolitik des Patriarchats das Leben
schwarzer Frauen ebenso durchdringt wie die Politik der Klasse
und der Ethnie. Wir finden es auch oft schwierig, Ethnie, Klasse
und sexuelle Unterdrückung voneinander zu trennen, weil sie in
unserem Leben meist gleichzeitig erlebt werden. Wir wissen, dass
es so etwas wie rassisch-sexuelle Unterdrückung gibt, die weder
ausschließlich rassisch noch ausschließlich sexuell ist, z. B.
die Geschichte der Vergewaltigung schwarzer Frauen durch weiße
Männer als Mittel der politischen Unterdrückung [En02].
Dass dieses
Aufbegehren gegen eine Unterdrückung von Menschenrechten
schwarze Frauen in den USA dazu bewog, gegen erlebte
Diskriminierungen schwerster Art aufzubegehren, zeigt, dass allein das Reden und auch das Niederschreiben von
Menschenrechten in Menschenrechtskonventionen oder in
Verfassungen
nicht
ausreicht, einen Zustand herzustellen, der sicherstellt, dass die Würde des
Menschen, egal welche Hautfarbe dieser Mensch hat oder welche sexuelle Neigung
diesen Menschen prägt, im
erforderlich werdenden Umfang von der Gesellschaft respektiert
werden.
Kurzum:
Die Verfassungswirklichkeit in allen demokratischen Staaten
entspricht auch heute noch nicht der verfassungsrechtlich
gewollten Wirklichkeit, denn diskriminiert wird an allen Orten:
auf der Straße, in der Schule, im Beruf und wo auch immer man
genauer hinschaut. Daran kann auch die gesetzliche Regelung in
Deutschland zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz nichts
Grundlegendes ändern, zumal es nicht einmal eine abschließende Definition von Mobbing gibt
und somit immer im Einzelfall entschieden werden muss, ob eine
arbeitsrechtlich relevante Diskriminierung vorliegt oder nicht,
deren Nachweis aber immer die davon betroffene Person zu
erbringen hat, was voraussetzt, dass ein Mobbing-Tagebuch über
erlebte Diskriminierungen geführt wird, um den Arbeitgeber davon
überzeugen zu können, dass es sich bei der anzeigenden Person
tatsächlich um ein Mobbingopfer handelt.
Wie
heißt es doch so schön im Grundgesetz:
Artikel 3 GG
(1)
Alle
Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2)
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und
Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3)
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung,
seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines
Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen
benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden.
Was in
den USA mit dem Aufbegehren gegen eine von schwarzen Frauen
gemeinsam erlebte Unterdrückungserfahrung ausging, löste eine
Bewegung in vielen westlichen Demokratien aus, zu denen auch die
Bundesrepublik Deutschland gehört, die durchaus als eine
„Politisierung von Identitäten“ bezeichnet werden kann, denn
auch andere Minderheiten nahmen die von ihnen erlebten
Diskriminierungen ebenfalls zum Anlass, dagegen aufzubegehren.
Diesem
energischen Ruf nach dem „Überwinden von Diskriminierungen einer
Vielzahl von Identitäten“ ertönte und ertönt immer noch aus einer
Vielzahl unterschiedlicher Richtungen, die es verdienen, im
Folgenden im Hinblick auf ihre ethischen und politischen
Identitäten an dieser Stelle kurz zu benennen:
Die sich daraus ergebenden Widerstände gegen die bestehenden
Verhältnisse rechtfertigt Stéphane Hessel (1917 bis 2013) in
seinem Buch "Empört Euch" wie folgt:
Neues schaffen heißt
Widerstand leisten.
Widerstand leisten heißt
Neues schaffen.
Dem woken Zeitgeist geht es aber nicht nur um Diversität und
somit um das Einfordern von Rechten für Minderheiten, dem woken
Zeitgeist kommt es auch darauf an, durch seine politische
Ideologie bestehende Herrschaftsstrukturen grundlegend nicht nur
in Frage zu stellen, sondern diese auch zu ändern.
03
Abkehr von den europäischen Nationalstaaten
TOP
Diese
Tendenz, die heute in der EU vom woken Zeitgeist für die wohl
einzig zukunftsfähige Entwicklung der offenen Gesellschaften im
Bereich der Europäischen Union angesehen wird, hat Ursachen, die
bereits während des Zweiten Weltkrieges sichtbar wurden, denn
sogar Adolf Hitler träumte von einem vereinten Europa unter
deutscher Führung.
Wie dem auch immer sei:
Das Ende des Zweiten Weltkrieges machte eine Entwicklung
möglich, die hier, der Einfachheit halber, als
Entkolonialisierung bezeichnet werden soll, einer Bewegung, die
Frantz Fanon (1925 bis 1961), ein auf Martinique geborener
farbiger französischer Politiker, Psychiater und Schriftsteller,
bereits 1956, damals Arzt in Algerien, dazu bewog, sich für die
algerische Befreiungsfront einzusetzen.
Am
gleichen Tag, als er 1961 starb, wurde sein Buch „Die Verdammten
dieser Erde“ veröffentlicht. In diesem Buch warf Frantz Fanon
der westlichen Welt vor, die Dritte Welt unerbittlich, aber
nicht in der Absicht tatsächlich zu helfen, sondern durch
Ausbeutung sozusagen entrechtete. Das machte sein Buch damals zu
einem Skandal. Die Schlusssätze dieses Buches machen deutlich,
wie Frantz Fanon über die europäischen Nationalstaaten dachte,
die ja bekanntermaßen für die Kolonialisierung verantwortlich
gewesen sind.
Frantz Fanon:
Wenn
wir (...)
wollen,
dass die Menschheit ein Stück vorwärtskommt, wenn wir sie auf
eine andere Stufe heben wollen als die, die Europa innehat, dann
müssen wir wirkliche Erfindungen und Entdeckungen machen. Wenn
wir den Erwartungen unserer Völker (gemeint sind die
kolonialisierten Völker) nachkommen wollen, dann müssen wir
woanders als in Europa auf die Suche gehen. Mehr noch, wenn wir
der Erwartung der Europäer nachkommen wollen, dann dürfen wir
ihnen kein, wenn auch noch so ideales Bild ihrer Gesellschaft
und ihres Denkens zurückwerfen, für die sie von Zeit zu Zeit
einen ungeheuren Ekel empfinden. Für Europa, für uns selbst und
für die Menschheit, Genossen, müssen wir eine neue Haut
schaffen, ein neues Denken entwickeln, einen neuen Menschen auf
die Beine stellen [En03].
Die
Kolonialherren von damals, für die Eingeborene, egal ob gelb,
schwarz oder weiß, immer über die gleichen Wesenszüge verfügten,
fasste Frantz Fanon wie folgt zusammen:
Frantz Fanon:
Er ist faul, hinterhältig und stiehlt, lebt von nichts und kennt
nur die Gewalt [En04].
Dieser
untragbare Zustand, so Frantz Fanon sinngemäß zitiert, wird zur
Dekolonisation führen. Jedoch nicht sofort. Zunächst herrscht
der Europäer. Er hat aber schon verloren, aber er merkt es noch
nicht.
Diese
durchaus vergleichbare Sichtweise des Verlustes einer nicht mehr
zeitgemäßen Welt von Nationalstaaten ist auch heute die Triebfeder des so genannten
„woken Zeitgeistes“, dem es am liebsten wäre, nationale
Identitäten gänzlich aufzulösen, um sie durch die Sprachfigur
des Europäers – besser noch durch den Weltbürger – zu ersetzen,
den es als neuen Menschen zu erschaffen gilt.
Nationale
Identitäten werden deshalb vom
woken
Zeitgeist abgelehnt, weil Nationalstaaten – dem „woken“
Zeitgeist
folgend – einfach nicht mehr in die Zeit passen.
Zumindest
entspricht das dem Werteverständnis der „Aufgeklärten“ in vielen
EU-Staaten, denn nationale Identitäten, wenn sie von
Mitgliedsländern der EU eingefordert werden, werden von den woken Auferweckten
bereits dem rechten Spektrum politischer Weltanschauungen
zugeordnet, einer Weltanschauung, die es nicht nur zu überwinden, sondern am besten
gleich zu beseitigen ist, weil Nationalstaaten, die nur für
sich selbst das Beste wollen, einfach nicht mehr in die Zeit
passen.
04
Notwendigkeit einer demokratischen Weltregierung
TOP
Diesbezüglich heißt es in einem Artikel, der am 4. Mai 2019 auf
der Website der NGO „Democracy without Borders“ erschien, wie
folgt:
Demokratie ohne Grenzen:
Die menschliche Zivilisation wird vielleicht nicht überleben
können, wenn es uns nicht gelingt, eine globale Regierung zu
etablieren. [...]. Die Menschheit teilt heute ein gemeinsames
Schicksal. Ob es ihnen gefällt oder nicht, alle Menschen sind
jetzt in einer gemeinsamen Zivilisation verbunden, die die ganze
Erde umspannt. Die Gefahren, die von Atomkrieg, globalen
Pandemien, Umweltzerstörung oder Klimawandel ausgehen, betreffen
alle. Kohlendioxid in der Atmosphäre kennt keine Grenzen. Der
menschliche Einfluss auf globale öffentliche Güter wie die
Atmosphäre muss so geregelt werden, dass die planetarischen
Grenzen nicht überschritten werden und die Stabilität des
Ökosystems Erde nicht gefährdet wird.
Was der
woke Zeitgeist diesbezüglich notwendig werdender Veränderungen
einfordert, das lässt sich wie folgt
zusammenfassen:
-
Nationale Souveränitäten sind zu überwinden
-
Eine
Weltregierung ist einzurichten, um einen Atomkrieg zu verhindern
-
Im
Zentrum der Weltrepublik muss ein gewähltes Weltparlament stehen
-
Diese Idee
ist in die Tat umsetzen, denn die Einheit der Menschheit ist
eine alte universelle Idee, die bereits zur Zeit der
Französischen Revolution existierte
[En05].
Wie sich
zum Beispiel die NGO „Demokratie ohne Grenzen“ diesbezüglich selbst versteht,
das kann ihrer Website entnommen werden. Dort heißt es:
Über Demokratie ohne Grenzen:
Wir streben
nach einer demokratischen Weltordnung. Demokratie ohne Grenzen
ist eine internationale NGO, die aus dem 2003 gegründeten
Komitee für eine demokratische UNO hervorgegangen ist. Wir
verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz der Demokratieförderung,
der sich von der lokalen bis zur globalen Ebene erstreckt.
Demokratie
ohne Grenzen arbeitet weltweit mit anderen Organisationen
zusammen und hat eine wachsende Zahl nationaler Sektionen.
Demokratie ohne Grenzen in Deutschland ist eine davon. Wir
expandieren weiter, um unsere Anliegen besser verfolgen zu
können [En06].
05
Die Nation als Naturzustand
TOP
Diese
Position, dass die Nation als ein Naturzustand anzusehen sei,
vertritt – im Gegensatz zur oben geschilderten Weltsicht des
aufgeklärten europäischen Weltgeistes im Westen von heute,
dessen Ziel es ist, die Nationen im Bereich der Europäischen
Union sozusagen europahörig zu machen – der Ministerpräsident
von Ungarn, Victor
Orban.
In seiner Rede zur 33. Jahresveranstaltung
der Sommeruniversität in
Tusnádfürdö,
Siebenbürgen (Rumänien) stellte Victor Orban am 27. Juli 2024 unter anderem
Folgendes fest:
Victor Orban:
In unserem
mitteleuropäischen Weltbild besteht die Welt aus
Nationalstaaten. Während der Westen – für uns schwer
nachvollziehbar – denkt, dass es keine Nationalstaaten mehr
gebe, und deshalb das Koordinatensystem des mitteleuropäischen
Denkens vollkommen irrelevant sei. Unserer Auffassung nach
besteht die Welt aus Nationalstaaten, die zu Hause das
Gewaltmonopol ausüben und so den gesellschaftlichen Frieden
wahren. Den anderen Staaten gegenüber ist der Nationalstaat
souverän, bestimmt eigenständig seine Innen- und Außenpolitik.
Der Nationalstaat ist keine juristische Abstraktion und
Konstruktion, er wurzelt in einer gegebenen Kultur. Er hat ein
gemeinsames Wertesystem, eine anthropologische und historische
Tiefe, daraus entstehen die auf der nationalen Übereinkunft
beruhenden gemeinsamen moralischen Grundlagen. (...). Der Westen
dagegen denkt, dass es keine Nationalstaaten mehr gebe. Er
verneint deshalb die Existenz einer gemeinsamen Kultur und der
darauf aufbauenden gemeinsamen Moral. Es gibt keine gemeinsame
Moral. (...). Deshalb denkt man im Westen auch über die
Migration anders. Man meint, sie sei keine Gefahr, sondern im
Gegenteil eine Chance, endlich die ethnische Homogenität
loszuwerden, die das Fundament der Nation bildet. Das ist die
Essenz der progressiv-liberalen Auffassung vom internationalen
Raum. (...)
Die
Europäische Union denkt nicht nur das alles, sondern deklariert
es auch. Wenn wir die europäischen Dokumente richtig verstehen,
dann ist das Ziel die Überwindung der Nation. Entscheidend ist,
dass die Kompetenzen und die Souveränität von den
Nationalstaaten auf Brüssel übergehen. Das ist die Logik hinter
allen Maßnahmen. In der EU glaubt man, dass der Nationalstaat
ein historisches, also ein vorübergehendes Gebilde sei, das im
18. und 19. Jahrhundert entstanden war. Wie er gekommen ist, so
kann er auch verschwinden. Der Westen Europas befindet sich
schon im postnationalen Zustand [En07].
Dass
diese Rede zumindest in den deutschen Medien auf eine breite
Ablehnung stieß, dazu reicht es aus, nu8r einige Überschriften zu
dieser Rede, die in den Leitmedien verwendet wurden, hier aufzulisten:
-
ZDF heute:
Viktor Orban und seine Politik:
Eine
Gefahr für Europa
-
Focus:
Polens scharfe Worte an Orbán: „Warum schafft Orbán nicht eine
Union mit Putin?“
-
TAZ:
Rechtsruck in Ungarn: „Wir sind keine gemischte Rasse“
-
DW:
Orbáns
Absage an den Westen
-
FAZ:
Warum
Viktor Orbán ein strategischer Populist ist
-
Kurier:
Nach Orbáns „Goebbels-würdiger Rede“: Beraterin zurückgetreten.
Bedauerlicherweise wird in den oben genannten Medienberichten
nur sporadisch der Versuch unternommen, aus der Rede selbst zu
zitieren. Den oben zitierten Überschriften fehlt es
somit - man mag das bedauern oder begrüßen– an der für eine
Meinungsbildung erforderlichen Transparenz und Offenheit, die
sich insbesondere dadurch auszeichnet, nicht Viktor Orban
selbst, sondern die eigene Sicht der Dinge der Öffentlichkeit mitzuteilen.
Wie dem auch immer sei:
Große Teile
der Rede von Viktor Orbán dürften zumindest bei den Wählerinnen
und Wählern der AfD auf Zustimmung stoßen. Und was die
Souveränitätsrechte europäischer Staaten anbelangt, dürften auch
Wähler der CSU und natürlich auch Wählerinnen und Wähler der CDU
und auch die der FDP Viktor Orbán zustimmen, dass nur die
Souveränitätsrechte an die EU abgetreten werden können/dürfen,
die für Deutschland von Nutzen sind.
Antrag der AfD-Fraktion vom 29.3.2023:
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am Mittwoch, 29. März
2023, erstmals einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Die
Souveränität Deutschlands innerhalb der Europäischen Union“
(20/6172) beraten. Im Anschluss an die Aussprache überwies das
Parlament die Vorlage zur weiteren Beratung in die Ausschüsse,
die Federführung übernimmt der Europaausschuss.
Antrag der AfD:
Die Bundesregierung soll nach Ansicht der AfD-Fraktion alles
unterlassen, „was auf die Umwandlung der EU als einer
Gemeinschaft souveräner und gleichberechtigter Nationalstaaten
in einen europäischen Bundesstaat zielt“. Der Bundestag sollte
zudem stets in der Lage bleiben, seine haushaltspolitische
Verantwortung wahrzunehmen, schreiben die Abgeordneten in einem
Antrag (20/6172) [En08].
In der
Begründung der AfD-Fraktion heißt es, die Europäische Union
greife seit Jahren immer stärker in die Souveränität ihrer
Mitgliedstaaten ein. „Überregulierungen und Verbote bestimmen
den Alltag aller EU-Bürger.“ Die EU sollte sich als Gemeinschaft
souveräner Staaten jedoch auf ihre „fundamentalen Werte und
Ziele rückbesinnen“. Dabei sei eine wichtige Aufgabe der
Bundesregierung, die Wirtschaftsgemeinschaft und insbesondere
den freien Handel sowie die Zollunion zu stabilisieren und zu
fördern. Die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ im Sinne
der Schaffung eines europäischen Bundesstaates unter Aufgabe der
mitgliedstaatlichen Souveränität würde eine Mehrheit der Bürger
in der EU ablehnen, schreibt die Fraktion mit Verweis auf
verschiedene Umfragen. (joh/irs/29.03.2023)[En09].
Sogar die
FDP wünscht sich ein Europa mit festen Regeln.
FDP: Europa stärken:
Wir wollen Europa wieder zu einem Kontinent der Chancen machen,
wo demokratische, marktwirtschaftliche und rechtsstaatliche
Prinzipien gelten. Wir brauchen mehr Europa und europäische
Lösungen, wo es sinnvoll ist. Dazu wollen wir insbesondere eine
echte gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit dem Ziel
einer europäischen Armee unter gemeinsamem Oberbefehl und
parlamentarischer Kontrolle. Wir setzen uns in diesem
Zusammenhang für eine Stärkung der hohen Vertreterin für Außen-
und Sicherheitspolitik ein. Darüber hinaus wollen wir eine
gemeinsame Flüchtlings- und Einwanderungspolitik,
EU-Freihandelsabkommen und einen digitalen Binnenmarkt. Europa
braucht zudem weniger Bürokratie und mehr Bürgersouveränität.
Ein stabiler Euro ist Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand
in Europa. Stabilität gründet auf soliden Haushalten,
wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften und krisenfesten
Finanzsektoren. Wir sagen: Solidarität gegen Solidität.
Finanzhilfen dürfen nur gegen marktwirtschaftliche Reformen
gewährt werden. Deshalb muss das Grundprinzip der
Eigenverantwortung von Mitgliedstaaten fest verankert bleiben.
In diesem Zusammenhang wollen wir auch eine
Staateninsolvenzordnung für die Eurozone schaffen [En10].
In
dieser Erklärung wird zwar viel von gemeinsam zu realisierenden
Vorhaben gesprochen. Die Bereitschaft zur Aufgabe von
Souveränitätsrechten wird dort aber nicht erwähnt.
So wohl
auch die Selbstdarstellung der Fraktion der
Europäischen
Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, deren vorrangiges
Ziel es nach meiner Lesart zu sein scheint, ein
wettbewerbsfähigeres und demokratischeres Europa zu schaffen, um
sicherstellen zu können, dass alle Europäerinnen und Europäer
unabhängig von ihrem Hintergrund eine faire Chance haben, ihren
Lebensunterhalt zu verdienen und dazu in der Lage sind, die europäische Lebensweise
ausleben zu können, obwohl auch der EVP der Makel des „Rechtsseins“
anhaftet, denn von der Bereitschaft zur Aufgabe der eigenen
Nationalstaatlichkeit zugunsten eines europäischen Bundesstaates
lässt sich aber auch in den Veröffentlichungen der EVP-Fraktion
kein Wort finden.
EVP-Fraktion im Europäischen Parlament:
Die europäische Integration ist Verfassungsauftrag und steht für
uns nicht zur Disposition. Anders als der Nationalstaat ist die
Europäische Union in den Augen der meisten Zeitgenossen jedoch
kein Selbstzweck. Sie wird nach Kosten und Nutzen bemessen. Die
Abwägung darüber erfolgt nicht zwangsläufig rational (siehe
Brexit), sie ist aber Realität. Deshalb muss die EU ihren
europäischen Mehrwert sichtbar werden lassen und sich immer
wieder neu bewähren, um bestehen zu können. Insofern geht es
heute nicht abstrakt um mehr oder weniger Europa und schon gar
nicht um alte Ideen einer föderalen Ordnung. Es geht auch nicht
um Europas verfassungsrechtliche Finalität, sondern um die Frage
wozu die Europäer die Europäische Union im 21. Jahrhundert vor
allem brauchen. Sie brauchen sie, um sich in einer Welt von
unilateral agierenden Supermächten, mit denen kein europäischer
Staat allein konkurrieren kann, im europäischen Verbund
behaupten zu können. Sie brauchen Sie, um auf die großen
Herausforderungen der Gegenwart wie den Klimawandel, die
Migrationskrise oder die Digitalisierung eine effektive Antwort
geben zu können. Verglichen mit der Zeit von Schuman geht es
also heute um einen Paradigmenwechsel von der Binnenorientierung
zur Weltorientierung. Anstatt uns auf die „Schaffung einer immer
engeren Union“ nach innen zu beschränken, müssen wir den
Schwerpunkt auf die Schaffung einer handlungsfähigen Union nach
außen legen. Eine Union, die in der Lage ist, auf die großen
Fragen unserer Zeit geschlossen eine Antwort zu geben
[En11].
06
Urteil des BVerfG zum Vorrang des EU-Rechts
TOP
Hinsichtlich des Vorrangs des deutschen Staates bei der
Umsetzung europäischen Rechts, haben die Richter des
Bundesverfassungsgerichts sich sozusagen für eine
Kompromisslösung entschieden.
Anders ausgedrückt: Soweit
EU-Recht nicht gegen das Grundgesetz verstößt, hat der
bundesdeutsche Gesetzgeber EU-Vorgaben in nationales Recht
umzuwandeln. Im Folgenden werden die drei ersten Leitsätze des
Beschlusses der Richter des Bundesverfassungsgerichts aus dem
Jahr 2019 zitiert, dem entnommen werden kann, dass der Vorrang
nationalen Rechts nur in besonders gelagerten Fällen anzuwenden
ist.
BVerfG 2019:
1. Soweit die Grundrechte des Grundgesetzes durch den
Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt werden,
kontrolliert das Bundesverfassungsgericht dessen Anwendung durch
deutsche Stellen am Maßstab der Unionsgrundrechte. Das Gericht
nimmt hierdurch seine Integrationsverantwortung nach Art. 23
Abs. 1 GG wahr.
2. Bei
der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter
Regelungen sind nach dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des
Unionsrechts in aller Regel nicht die Grundrechte des
Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich.
Der Anwendungsvorrang steht unter anderem unter dem Vorbehalt,
dass der Schutz des jeweiligen Grundrechts durch die stattdessen
zur Anwendung kommenden Grundrechte der Union hinreichend
wirksam ist.
3.
Soweit das Bundesverfassungsgericht die Charta der Grundrechte
der Europäischen Union als Prüfungsmaßstab anlegt, übt es seine
Kontrolle in enger Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof
aus. Nach Maßgabe des Art. 267 Abs. 3 AEUV legt es dem
Gerichtshof vor.
BVerfG,
Beschluss vom 06. November 2019 - 1 BvR 276/17
Mit anderen
Worten: In den weitaus meisten Fällen hat der bundesdeutsche
Gesetzgeber die Vorgaben der EU in nationales Recht umzuwandeln.
Das gilt auch für die Gesetzgebungsorgane in anderen
Mitgliedsländern. Dass so viel EU-Vorgaben in den
Mitgliedsländern - Deutschland inbegriffen - nicht immer auf Zustimmung stoßen, und bereits in einigen Mitgliedsländern konservative Kräfte so stark
geworden sind, sich dem
woken
Politikverständnis
sowohl des EU-Parlaments als auch der bestimmenden EU-Kommission
zu widersetzen, zeigt, dass die Bereitschaft, nationale
Souveränität an die EU abzutreten, zunehmend auf Gegenwind
trifft.
Das, was benötigt wird, um sozusagen wieder an einem
Strick ziehen zu können, ist wohl der neue
woke Mensch.
07 Der neue
woke Mensch
TOP
Wer soll
das sein, denn der Ruf nach dem neuen Menschen begegnet uns
bereits im Neuen Testament bei Paulus. In einem seiner Briefe an
die Kolosser heißt es:
Apostel Paulus:
Legt den alten Menschen des früheren Lebenswandels ab, der sich
in den Begierden des Trugs zugrunde richtet, (Kol 3,9)
[En12].
Und auch
Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900) ließ seinen Zarathustra
verkünden:
Zarathustra:
Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas,
das überwunden werden soll. [...]. Der Übermensch ist der Sinn
der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde
[En13]!
Und auch
bei Frantz Fanon heißt es im Hinblick auf die Zukunft von Europa
und für die Menschheit wie folgt:
Frantz Fanon:
Für Europa,
für uns selbst und für die Menschheit, Genossen, müssen wir eine
neue Haut schaffen, ein neues Denken entwickeln, einen neuen
Menschen auf die Beine stellen [En14].
Insoweit
ist es naheliegend, bereits heute von einem neuen woken Menschen
zumindest zu träumen, der über die nachfolgend aufgeführten
Eigenschaften verfügen muss.
Dazu
gehören:
-
Der
Schutz von Minderheiten
-
Der
Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit
-
Die
Forderung nach Gleichberechtigung
-
Ablehnung jeglicher Diskriminierung
-
Gelebter
Antirassismus
-
Ablehnung von: Ausbeutung, Unterjochung, Genozid und
Ungleichheit.
Kurzum:
Bei dem Traum, sich einem neuen woken Menschen, der sich
sozusagen auf der Höhe der Zeit befindet, zumindest
vorzustellen,
handelt es sich um den erstrebenswerten Wunsch nach einer
moralischen Verbesserung sowohl des Einzelnen als auch der
Gesellschaft.
Diesem
Wunsch nach einer besseren Welt dürfte wohl kaum jemand
ernsthaft widersprechen wollen. Insoweit dürfte wohl auch kein
Zweifel daran bestehen, dass die moralischen Ziele des „woken
Zeitgeistes
von heute zumindest in der Theorie gut und richtig sind, denn jeder sollte zustimmen
können, dass in einer modernen Gesellschaft ethnische
Zugehörigkeit, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, körperliche
Verfassung oder soziale Herkunft keinen Einfluss auf das
Schicksal einer Person haben sollten.
Deshalb
dürfte es sich um einen Fehler handeln, die oben unvollständig
aufgeführten moralischen Werte nicht ernst nehmen zu wollen und ein
noch größerer Fehler dürfte es sein, sie durch Werte aus der
Vergangenheit zu ersetzen.
Warum das nicht sinnvoll ist, darauf
hat Hanno Sauer in seinem Buch „Moral - Die Erfindung von Gut
und Böse“, eine durchaus überzeugende Antwort gefunden:
Hanno Sauer:
Diejenigen, die Wokeness und Political Correctness rundheraus
ablehnen, machen den komplementären Fehler.
Das Grundparadox der
Anti-Wokeness ist nämlich, dass sie diejenigen als Feinde der
westlichen Zivilisation betrachten, die auf der vollständigen
und lückenlosen Umsetzung genau der Werte und Normen beharren,
die jene Zivilisation ausmachen.
Es besteht ja kein Zweifel darüber, dass die moralischen Ziele
inklusiver Bewegungen gut und richtig sind. Jeder sollte
zustimmen, dass in einer modernen Gesellschaft ethnische
Zugehörigkeit, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, körperliche
Verfassung oder soziale Herkunft keinen Einfluss auf das
Schicksal von Personen haben sollten. Uneinigkeit besteht nur
über die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen.
Hier gibt es ein enormes, bis dato nicht verwirklichtes
Versöhnungspotenzial der Vernünftigen
[En15].
Deshalb:
Wenn wir ehrlich zueinander sind, dann bestehen weitgehende
Übereinstimmung darüber, dass Menschenrechte, und um nichts
anderes handelt es sich bei den oben aufgelisteten Werten, zu
schützen sind.
Uneinigkeit
besteht nur im Hinblick auf die Mittel, die eingesetzt werden,
um einen „neuen zeitgemäßen Menschen entstehen zu lassen“. Auch
hier gilt, dass die Auseinandersetzung mit der Frage, welche
Mittel eingesetzt werden sollen „mehr Menschlichkeit
einzufordern“ hinnehmbare Grenzen überschreitet.
Anders
ausgedrückt: Auch Political Correctness – also das, was den
woken Zeitgeist
mit Leben füllt, kann überzogen werden und, wenn das geschieht,
Kräfte in Gang gesetzt werden, die aller Voraussicht nach zumindest die
heute gelebte Wokeness zerstören werden.
08
Verfall der ideologiegesteuerten Wokeness
TOP
Wer glaubt
denn heute noch dem
woken Zeitgeist?
Diese Frage wird zumindest in konservativen Kreisen immer
häufiger gestellt. Oder, anders ausgedrückt: Intelligent ist es,
seine eigenen Grenzen zu kennen. Die aber werden überschritten,
wenn ideologisierte Wokeness sozusagen zur Ersatzreligion wird.
Das dürfte bereits dann der Fall sein, wenn Menschen nicht mehr
ihrem Verstand, ihren Augen oder ihren Ohren glauben dürfen.
Das
aber ist der Fall, wenn:
-
Ein
offensichtlicher Mann als eine Frau anzusehen ist
-
Als
Wahrheit bezeichnet wird, dass biologische Geschlechter keine
Rolle spielen und die Wissenschaft bewiesen hat, dass es einige
Dutzend Geschlechter gibt
-
Personen
zu Nazis erklärt werden dürfen, die behaupten, dass unsere
Städte unsicherer geworden sind.
-
Behauptet wird, dass der millionenfache Zuzug von Asylanten und
Migranten nichts mit der Wohnungsnot zu tun habe.
-
Gelddrucken nicht zur Inflation führt.
-
Es sich
bei den Sondervermögen um Guthaben und nicht um Schulden
handelt.
-
Grenzen
nicht zu sichern und Nationalstaaten böse sind, die das tun.
-
Wissenschaft nur das sein kann, was der
woken Ideologie
entspricht.
-
Meinungsfreiheit nur für bestimmte Meinungen gilt.
-
Kulturellen Unterschiede nur als soziale Konstrukte anzusehen
sind.
-
Es einer
neuen Sprache bedarf, obwohl das Gendern mehrheitlich abgelehnt
wird, zum Stottern führt und amtliche Formulare für
Menschen mit Migrationshintergrund, die der deutschen Sprache
nicht so mächtig sind, dadurch immer unverständlicher werden.
-
Es
anlässlich der gerade in Paris beendeten Olympischen Spiele
(August 2024) von Moderatoren, die den Kanusport kommentierten,
erwartet wurde, nicht mehr die politisch unkorrekten
„Eskimorolle“ zu verwenden, sondern dieses „Kunststück“ nur noch
als „Grönland-Rolle“ oder „Kenter-Rolle“ zu bezeichnen.
-
Es trotz
eines vier Jahre dauernden Rechtsstreites immer noch nicht
abschließend geklärt ist, ob die Mohrenstraße in Berlin in
Anton-Wilhelm-Amo-Straße
umbenannt werden muss, einem aus Westafrika stammenden Gelehrten
im 18. Jahrhundert in Berlin.
Auf
Tagesspiegel.de
vom 19.6.2024 heißt es dazu:
Fast vier Jahre nach dem Beschluss: Umbenennung der Mohrenstraße
in Berlin-Mitte verzögert sich weiter. Die Mohrenstraße soll
künftig
Anton-Wilhelm-Amo-Straße
heißen. Doch das Bezirksamt Mitte wartet weiterhin auf das
Oberverwaltungsgericht
[En16].
Die Reihe
solcher Realsatiren ließe sich über viele Seiten
vervollständigen. Wichtiger als solche Umbenennungen dürften
sicherlich die nachfolgend aufgeführten durchaus fragwürdigen Überzeugungen des
woken Zeitgeistes
sein:
-
Wirtschaftlicher Erfolg basiert immer auf Privilegien und nicht
auf harter Arbeit.
-
Ausbildung und Berufserfahrung
sind fürs Regieren unwichtig.
-
Kinder
müssen selbst entscheiden können, welches Geschlecht sie haben.
-
Es
gibt keine
objektiven Maßstäbe für Kunst und Schönheit mehr.
-
Die
Geschichte mus umgeschrieben werden, um sie der
woken Wahrheit
gefügig zu
machen.
-
Hass und
Hetze dürfen mit den gleichen Mitteln erwidert werden.
-
Offenheit und Toleranz
sind mundtot zu machen ist, wenn sie mit woken
Überzeugungen nicht übereinstimmt.
-
Rassismus
ist nur ein Problem der Weißen.
-
Andersdenkende
dürfen als Nazis und als Faschisten bezeichnet
werden, wenn sie dem
woken Zeitgeist
nicht entsprechen
Auch
diese
Auflistung ließe sich erweitern, zumindest um den
Regenbogen-Hype von heute. Was diesen Hype anbelangt, bei dem es sich nach der hier
vertretenen Sicht der Dinge nur um ein „current thing“, also
eine aktuelle und vorübergehende Angelegenheit handelt. Und wenn Hype
sich ausgelebt hat, wie viele andere in der zeit davor, dann wird ein anderer
Hype an seine Stelle treten, denn nur ein
kurzer Blick in die Milieus, die nicht die veröffentlichte
Meinung bestimmen, aber in Vereinen, im Dorf, im Stadtviertel
oder im Freundes- und Verwandtenkreis über das wohl „anscheinend
wichtigste zu lösende Zeitproblem“ nur noch den Kopf schütteln
können, werden sich
wohl auf Dauer gesehen durchsetzen.
Übrigens:
Nur weil an einem
Amtsgebäude oder vor einer Schule eine angeordnete
Regenbogenfahne gehisst wird, heißt das nicht, dass die
betreffenden Bürger vor Ort auch dahinterstehen.
09 Die Erklärung Dignitas
infinita
von Papst Franziskus
TOP
Im März
2024 hat sich auch Papst Franziskus zur „Gender-Problematik“ in
seiner „Erklärung Dignitas infinita – über die menschliche
Würde“ geäußert und sich wie folgt positioniert:
Papst
Franziskus: 55. Die
Kirche möchte vor allem „bekräftigen, dass jeder Mensch,
unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, in seiner Würde
geachtet und mit Respekt aufgenommen werden soll und sorgsam zu
vermeiden ist, ihn ‚in irgendeiner Weise ungerecht
zurückzusetzen‘ oder ihm gar mit Aggression und Gewalt zu
begegnen“. Aus diesem Grund muss es als Verstoß gegen die
Menschenwürde angeprangert werden, dass mancherorts nicht wenige
Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung
inhaftiert, gefoltert und sogar des Lebens beraubt werden.
56.
Gleichzeitig hebt die Kirche entscheidende Kritikpunkte in der
Gender-Theorie hervor. In diesem Zusammenhang erinnerte Papst
Franziskus daran, dass „[d]er Weg des Friedens […] die Achtung
der Menschenrechte [erfordert], wie sie in der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte, deren 75-jähriges Bestehen wir
kürzlich gefeiert haben, einfach und klar formuliert sind. Es
handelt sich dabei um rational einleuchtende und allgemein
anerkannte Grundsätze. Leider haben die Versuche der letzten
Jahrzehnte, neue Rechte einzuführen, die nicht ganz mit den
ursprünglich definierten übereinstimmen und nicht immer
akzeptabel sind, zu ideologischen Kolonisierungen geführt, unter
denen die Gender-Theorie eine zentrale Rolle spielt, die sehr
gefährlich ist, weil sie mit ihrem Anspruch, alle gleich zu
machen, die Unterschiede auslöscht“.
57. Im
Hinblick auf die Gender-Theorie, über deren wissenschaftliche
Konsistenz in der Fachwelt viel diskutiert wird, erinnert die
Kirche daran, dass das menschliche Leben in all seinen
Bestandteilen, körperlich und geistig, ein Geschenk Gottes ist,
von dem gilt, dass es mit Dankbarkeit angenommen und in den
Dienst des Guten gestellt wird. Über sich selbst verfügen zu
wollen, wie es die Gender-Theorie vorschreibt, bedeutet
ungeachtet dieser grundlegenden Wahrheit des menschlichen Lebens
als Gabe nichts anderes, als der uralten Versuchung des Menschen
nachzugeben, sich selbst zu Gott zu machen und in Konkurrenz zu
dem wahren Gott der Liebe zu treten, den uns das Evangelium
offenbart.
58. Ein
zweiter Punkt der Gender-Theorie ist, dass sie versucht, den
größtmöglichen Unterschied zwischen Lebewesen zu leugnen: den
der Geschlechter. Dieser fundamentale Unterschied ist nicht nur
der größtmöglich vorstellbare, sondern auch der schönste und
mächtigste: Er bewirkt im Paar von Mann und Frau die
bewundernswerteste Gegenseitigkeit und ist somit die Quelle
jenes Wunders, das uns immer wieder in Erstaunen versetzt,
nämlich die Ankunft neuer menschlicher Wesen in der Welt.
59. In
diesem Sinne ist der Respekt vor dem eigenen Leib und dem der
anderen angesichts der Ausbreitung und des Anspruchs auf neue
Rechte, die von der Gender-Theorie propagiert werden,
wesentlich. Diese Ideologie „stellt eine Gesellschaft ohne
Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die anthropologische
Grundlage der Familie aus.“ Es ist daher inakzeptabel, „dass
einige Ideologien dieser Art, die behaupten, gewissen und
manchmal verständlichen Wünschen zu entsprechen, versuchen, sich
als einzige Denkweise durchzusetzen und sogar die Erziehung der
Kinder zu bestimmen. Man darf nicht ignorieren, dass ,das
biologische Geschlecht (sex) und die soziokulturelle Rolle des
Geschlechts (gender) unterschieden, aber nicht getrennt werden
[können]‘.“ Deshalb sind alle Versuche abzulehnen, die den
Hinweis auf den unaufhebbaren Geschlechtsunterschied zwischen
Mann und Frau verschleiern: „[M]an [kann] das, was männlich und
weiblich ist, nicht von dem Schöpfungswerk Gottes trennen […],
das vor allen unseren Entscheidungen und Erfahrungen besteht und
wo es biologische Elemente gibt, die man unmöglich ignorieren
kann“. Nur wenn jede menschliche Person diesen Unterschied in
Wechselseitigkeit erkennen und akzeptieren kann, wird sie fähig,
sich selbst, ihre Würde und ihre Identität voll zu entdecken.
Geschlechtsumwandlung
60. Die
Würde des Leibes kann nicht als geringer angesehen werden als
die der Person als solcher. Der Katechismus der katholischen
Kirche fordert uns ausdrücklich auf, anzuerkennen, dass „[d]er
Leib des Menschen […] an der Würde des Seins ,nach dem Bilde
Gottes‘ teil[hat]“. An diese Wahrheit gilt es besonders
bezüglich der Frage der Geschlechtsumwandlung zu erinnern. Der
Mensch besteht untrennbar aus Leib und Seele, und der Leib ist
der lebendige Ort, an dem sich das Innere der Seele entfaltet
und manifestiert, auch durch das Netz menschlicher Beziehungen.
Seele und Leib, die das Wesen der Person ausmachen, haben somit
Anteil an der Würde, die jeden Menschen kennzeichnet. In diesem
Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der menschliche Leib
insofern an der Würde der Person teilhat, als er mit
persönlichen Bedeutungen ausgestattet ist, insbesondere in
seiner geschlechtlichen Beschaffenheit. Denn im Leib erkennt
sich jeder Mensch als von anderen gezeugt, und es ist durch
ihren Leib, dass Mann und Frau eine Liebesbeziehung aufbauen
können, die wiederum fähig ist, andere Personen zu zeugen. Über
Notwendigkeit der Achtung der natürlichen Ordnung der
menschlichen Person, lehrt Papst Franziskus: „Die Schöpfung geht
uns voraus und muss als Geschenk empfangen werden. Zugleich sind
wir berufen, unser Menschsein zu behüten, und das bedeutet vor
allem, es so zu akzeptieren und zu respektieren, wie es
erschaffen worden ist“. Daraus folgt, dass jeder
geschlechtsverändernde Eingriff in der Regel die Gefahr birgt,
die einzigartige Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment
der Empfängnis an besitzt. Damit soll nicht ausgeschlossen
werden, dass eine Person mit bereits bei der Geburt vorhandenen
oder sich später entwickelnden genitalen Anomalien sich für eine
medizinische Behandlung zur Behebung dieser Anomalien
entscheiden kann. In diesem Fall würde die Operation keine
Geschlechtsumwandlung in dem hier beabsichtigten Sinne
darstellen.
Erklärung Dignitas infinita – über die menschliche Würde
Es kann
davon ausgegangen werden, dass diese Sicht der Dinge aus der
Perspektive der Regenbogen-Kultur dem rechten Spektrum
zuzuordnen ist, und deshalb - aus Sicht des
woken
Zeitgeistes
- als
eine Gefahr für eine aufgeklärte Demokratie anzusehen ist.
10
Was ist wirklich woke? – Das Recht auf Empörung.
TOP
Zweifelsohne:
Es gibt ein Recht auf Empörung, Aufstand und Erregung, überall
dort, wo Rechte gewaltsam infrage gestellt oder gar bedroht
werden.
In einer
lesenswerten Kolumne, die am 7.5.2023 auf
Profil.at
publiziert wurde, heißt es dazu:
Profil.at:
Dann gilt: „Kein Pardon für die Abergläubischen, die Fanatiker,
die Unwissenden, die Toren, die Bösen und die Tyrannen“, wie es
der französische Aufklärer Denis Diderot zur Mitte des 18.
Jahrhunderts an seinen Kumpel Voltaire schrieb. Dann müssen die
Fetzen fliegen für die Freiheit, gegen die Dummheit, gegen die
Einschränkung, gegen die, denen alles wurscht ist.
Woke
heißt nicht: „Ich will nicht, dass du mir widersprichst, sonst
schreie ich hier so lange rum, bis du nachgibst.“ Woke heißt
wachsam, aufmerksam. Falsche Wokeness hingegen ist kindisch,
unduldsam, empört sich, damit die anderen zuhören, löst aber
kein Problem. Echter Streit hält was aus, auch Falsches, und
arbeitet an Problemlösungen.
Das müssen
wir lernen: uns gegenseitig aushalten, auch wenn es manchmal
wehtut. Weil das Gegenteil davon unerträglich ist: Unterwerfung
und Friedhofsruhe. Es gibt vieles, für das wir streiten müssen.
Krempelt schon mal die Ärmel hoch. Wir brauchen noch mehr
Unruhestifterinnen und Ruhestörer. Dann, vielleicht, wird das
mit dem echten Frieden und der wirklichen Demokratie auch noch
was [En17].
Zur
Empörung und zum Widerstand rief bereits 2010 Stéphane
Hessel
(1917 bis 2013), ein französischer Diplomat, Lyriker, Essayist
und politischer Aktivist auf, der in der französischen
Résistance aktiv Widerstand leistete und sogar das KZ Buchenwald
überlebt hatte, bevor er 1945 in den diplomatischen Dienst des
französischen Außenministeriums eintrat. Sein 2010 erschienenes
Essay „Empört Euch!“, in dem er scharfe Kritik an aktuellen
politischen Entwicklungen übte und zum Widerstand aufrief, wurde
allein in Frankreich innerhalb eines Jahres über zwei Millionen
Exemplare verkauft und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.
Mit
eindringlichen Worten rief Stéphane
Hessel
zum friedlichen Widerstand gegen die Ungerechtigkeit in unserer
Gesellschaft auf. Gegen die Diktatur des Finanzkapitalismus,
gegen die Unterdrückung von Minderheiten, gegen die ökologische
Zerstörung unseres Planeten.
In dem kurzen Essay "Empört Euch!",
heißt es unter der Überschrift: "Das Schlimmste ist die
Gleichgültigkeit", wie folgt:
Stéphane
Hessel:
Die Gründe, sich zu empören, sind heutzutage oft nicht so klar
auszumachen - die Welt ist zu komplex geworden.
Wer befiehlt, wer entscheidet? Es ist
nicht immer leicht, zwischen all den Einflüssen zu
unterscheiden, denen wir ausgesetzt sind. [...]. Ich sage den
Junten: Wenn ihr sucht, werdet ihr finden. „Ohne mich“ ist das
Schlimmste, was man sich und der Welt antun kann. Den
„Ohne-mich“-Typen ist eines der absolut konstitutiven Merkmale
des Menschen abhandengekommen: die Fähigkeit zur Empörung und
damit zum Engagement (Seite 13).
Den jungen Menschen sage ich: Seht
euch um, dann werdet ihr die Themen finden, für die Empörung
sich lohnt - die Behandlung der Zuwanderer, der in die
Illegalität Gestoßenen, der Sinti und Roma. Ihr werdet auf
konkrete Situationen stoßen, die euch veranlassen, euch
gemeinsam mit anderen zu engagieren. Suchet, und ihr werdet
finden (Seite 15).
Gehört
und gelesen haben
Stéphane
Hessel
viele. Geändert hat sich aber weder an der
Diktatur des Finanzkapitalismus, noch an der Unterdrückung von
Minderheiten und auch an der fortschreitenden ökologischen
Zerstörung so gut wie nichts.
In
Österreich hat, wohl dieser Einsicht folglend, bereits die „Letzte Generation“ angekündigt,
ihren Protest zu beenden, weil er wirkungslos ist, während in
Deutschland immer noch Flughäfen durch festgeklebte Aktionisten
sozusagen lahmgelegt werden und immer noch eine Vielzahl von Christopher Street Days
organisiert und durch staatliche Mittel unterstützt wird, um
eines der größten Menschheitsprobleme überhaupt beenden zu
wollen: die Diskriminierung sexueller Minderheiten, obwohl
sowohl der Staat als auch seine Organe alles unterlassen, was
diesem Recht entgegensteht, siehe Artikel 3 Abs. 3 GG.
Artikel 3 Abs. 3 GG
(3) Niemand darf wegen seines
Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,
seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen
oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt
werden.
11 CSD´s
in Groß- und auch in Kleinstädten
TOP
Die
Häufigkeit der Christopher Street Days im Sommer 2024 lassen den
Schluss zu, dass eine Bewegung, die sich selbst als
Regenbogenbewegung bezeichnet, ihren Höhepunkt möglicherweise
schon erreicht, sich vielleicht schon in einem Abwärtstrend
befindet, dem durch noch mehr Fröhlichkeit und Partystimmung
anlässlich einer Vielzahl von CSDs in Deutschland, zumindest
Einhalt geboten werden soll.
Warum?
Vieles
spricht dafür, dass sich viele das woke, globale und
sexualisierte Weltbild einer Minderheit einfach nicht mehr
"als eine erstrebenswerte gesamtgesellschaftliche Normalität" aufzwingen lassen wollen. Allein die Tatsache, das in
Deutschland innerhalb kürzester Zeit in drei verschiedenen
Großstädten, gemeint sind Berlin, Essen und Hamburg, Hunderttausende
auf die Straße gehen, um anlässlich von Christopher Street Days
für eine bunte Republik zu demonstrieren, mag zwar von den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern als gelungene Happenings
verstanden werden, was aber von der Mehrheit derjenigen, die
nicht an solchen öffentlichen Parties teilgenommen,
möglicherweise völlig andere Gefühle und auch Haltungen
erzeugen. Wie dem auch immer sei.
CSD in München 23. Juni 2024:
Eine bunte Parade für die Vielfalt
Sueddeutsche.de
vom 23. Juni 2024: Zum Christopher Street Day ziehen mehr als
200 Gruppen bei einer queeren Parade durch die Stadt. An
anderer Stelle heißt es: Im vergangenen Jahr nahmen nach
Angaben des Veranstalters mehr als 500 000 Menschen an der
Münchner Parade teil, die als größte Demonstration von Schwulen,
Lesben, Bisexuellen, Transgender, Nonbinären und allen, die sich
solidarisch zeigen wollen, im süddeutschen Raum gilt
[En18].
CSD Berlin 27. Juli 2024:
Nur gemeinsam stark – Für Demokratie und Vielfalt. Bei der
CSD-Demo in Berlin gehen Menschen für die Rechte von Schwulen,
Lesben, Transsexuellen und Transgendern, Inter- und Bisexuellen
auf die Straße
[En19].
CSD Essen 3. August 2024:
Für
Vielfalt und Toleranz: Der größte Christopher Street Day (CSD),
der
RuhrPride
in Essen, zieht am kommenden Samstag, 3. August 2024, los. Das
Motto lautet in diesem Jahr „Gemeinsam bunt. Liebe ohne
Grenzen!“ [En20]
CSD Hamburg 3.8.2024:
Zehntausende feiern beim Christopher Street Day in Hamburg: Das
diesjährige Motto für den Hamburger CSD lautet „5 vor 12! Du &
ich gegen Rechtsdruck“. Dies komme nicht von ungefähr, sagte
Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), die
mit demonstrierte: „Wir merken natürlich, dass der Wind, etwas
rauher wird, in Europa, aber auch bei uns.“ Es gebe ein
Erstarken rechtspopulistischer Bewegungen, denen es ein Dorn im
Auge sei, dass alle frei, gleich und selbstbestimmt lebten und
die Rechte für queere Menschen wieder beschneiden und
zurückdrehen wollten
[En21].
Im Hamburger Abendblatt vom 3.8.2024 heißt es: CSD: 250.000
Menschen setzen buntes Zeichen gegen Rechts. Beim 44. Hamburg
Pride
geht es laut, bunt und politisch zu. Mehr Menschen dabei als im
Jahr zuvor
[En22].
Die
Liste der CSDs ließe sich verlängern, denn auf der Website des
CSD Deutschland eV kann ein Kalender aufgerufen werden, der
Auskunft darüber gibt, wann und in welchen Orten CSDs
stattfinden werden.
Auch das
Grußwort der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, Lisa Paus (Bündnis 90/Die
Grünen) zur Eröffnung der
Pride-Saison
2024 macht deutlich, welch einen Stellenwert die
Regenbogenkultur heute bereits einnimmt.
Grußwort von Lisa Paus zum Start der
Pride-Saison
Zu
dieser Sicht der Wirklichkeit mag so gar nicht die Sichtweise
der Stadt Dresden passen, in der die Verantwortlichen planen,
Christopher Street Days nicht mehr als Versammlungen, sondern
als Veranstaltungen zu behandeln. Das aber hätte enorme Folgen
auch für CSDs in anderen Städten.
Warum?
TAZ.de
vom 6.10.2023:
Seit 30 Jahren wird der Christopher Street Day in Dresden mit
einem dreitägigen Straßenfest gefeiert, das traditionell mit
einer großen Demonstration durch die Landeshauptstadt endet. Die
Dresdner Versammlungsbehörde will dem Straßenfest nun den Status
als Versammlung aberkennen und es als Veranstaltung einstufen.
Das Fest sei mehr Party als politische Versammlung, so die
Meinung der Behörde.
Verliert
das CSD-Fest den Versammlungsstatus, müssten die Organisatoren
künftig rund 15.000 bis 20.000 Euro für die Straßensperrungen in
der Dresdner Innenstadt bezahlen. Bei Versammlungen übernimmt
die Stadt die Kosten.
An
anderer Stelle heißt es:
Für ihn
[gemeint ist Oliver
Strotzer,
Vorsitzender der SPDqueer Sachsen] sei die Dresdner
Versammlungsbehörde eine „Gefahr für unsere Demokratie“.
Strotzer
forderte die für die Behörde zuständige Ordnungsbürgermeisterin
Eva
Jähnigen
(Grüne) dazu auf, den Vorgang „gründlich“ aufzuklären und mit den
Verantwortlichen zu sprechen. Es könne nicht sein, dass „die
eigene Gesinnung“ darüber entscheide, welche Veranstaltungen als
Versammlungen eingestuft würden und welche nicht.
Auch Robert
Malorny
von der Dresdner FDP-Fraktion versteht nicht, wie man auf die
Idee kommen kann, dass es sich beim CSD-Straßenfest nicht um
eine politische Versammlung handeln könnte. „Die
Versammlungsbehörde hat sich mit ihrer Einschätzung von der
offensichtlichen Realität verabschiedet und behindert mit den
drohenden hohen Kosten wichtiges bürgerschaftliches Engagement
in Dresden“, sagte er.
Das
Vorhaben der Versammlungsbehörde sei „ein Schlag ins Gesicht“
für alle politischen und zivilgesellschaftlichen
Akteur:innen,
die sich für die Rechte der queeren Community in Dresden
einsetzten, teilte die stellvertretende Vorsitzende der Dresdner
SPD Julia
Hartl
mit. „In einer Stadt, in der regelmäßig Rechten und Nazis der
rote Teppich ausgerollt und die besten Plätze der Stadt zur
Verfügung gestellt werden, kann es nicht sein, dass nun
ausgerechnet eine grüne Bürgermeisterin versucht, dem CSD den
Charakter einer Versammlung abzuerkennen“, sagte
Hartl.
Entweder habe
Jähnigen
ihren Geschäftsbereich nicht im Griff oder sie lege dem CSD
„willentlich Steine in den Weg“
[En23].
Dabei
ist die Sicht der Versammlungsbehörde in Dresden aus rechtlicher
Sicht durchaus berechtigt, denn das Versammlungsrecht greift
nicht anlässlich von Veranstaltungen ohne demonstrative
kollektive Kundgabe, wie das zum Beispiel bei Karnevalsumzügen, Volksmärschen,
Wandergruppen, Prozessionen etc. der Fall ist.
Im Übrigen können
Karnevalsumzüge durchaus politisch sein, zumal dort oftmals auf
karnevalistische Art und Weise politische Missstände
visualisiert bzw. modelliert werden, die zumindest nach der hier
vertretenen Auffassung, mehr Protest enthalten, als eine
CSD-Party auf öffentlichen Straßen.
Sogar
das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, die
Großveranstaltungen wie die „Love Parade“ und die „Fuck Parade“ als
Versammlungen anzuerkennen, denn beide Anträge wurden nicht zur
Entscheidung angenommen.
Warum?
Juracademy.de
vom 28.6.2013:
Uneinig ist sich das Bundesverfassungsgerichts mit dem Großteil
der rechtswissenschaftlichen Literatur, was unter einer
Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG zu verstehen ist.
Dabei steht in Streit, ob die Versammlungsteilnehmer eine
gemeinsame Meinungsbildung bezwecken müssen und ob es sich bei
der angestrebten Meinungsbildung um die Diskussion von
öffentlichen Angelegenheiten handeln muss. Das letzte Kriterium
wird insbesondere von den Vertretern des sog. „engen
Versammlungsbegriffs“ gefordert.
Das Bundesverfassungsgerichts
musste sich deshalb in den Beschlüssen 1
BvQ
28/01 und 1
BvQ
30/01 vom 12.7.2001 mit der Frage auseinandersetzen, ob die
Musikveranstaltungen „Love Parade“ und „Fuck Parade“ eine
Versammlung nach Art. 8 Abs. 1 GG darstellen würden.
An
anderer Stelle:
Das
Bundesverfassungsgericht hat sich im Wesentlichen dem „engen
Versammlungsbegriff“ angeschlossen.
Es führt aus, dass es
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, den Begriff der
Versammlung auf Veranstaltungen zu begrenzen, die durch eine
gemeinschaftliche, auf Kommunikation angelegte Entfaltung
mehrerer Personen gekennzeichnet sind. Die Versammlungsfreiheit
erhielte seine besondere verfassungsrechtliche Bedeutung in der
freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes wegen
des Bezugs auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung.
Hier klingt die bereits erwähnte Komplementärfunktion mit der
Meinungsfreiheit deutlich durch.
Nach dem
Bundesverfassungsgericht sind demnach Versammlungen örtliche
Zusammenkünft mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher
Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der
öffentlichen Meinungsbildung.
Im Ergebnis
lehnt das Gericht damit den versammlungsrechtlichen Schutz
der beiden oben genannten Veranstaltungen ab
[En24].
BVerfG,
Beschluss vom 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01 BVerfG,
Beschluss vom 12.07.2001 - 1
BvQ
28/01
Wie dem auch immer sei:
In Anlehnung an die beiden oben genannten Beschlüsse der Richter
des Bundesverfassungsgerichts ist es aus rechtlicher Sicht
eigentlich geboten, nicht jede Party, die ein politisches Motto
zusammengeführt hat, zum Beispiel "Gegen Rechts" als eine
Versammlung anzusehen, wenn der Zweck des Partyfeierns
offensichtlich für jedermann erkennbar überwiegt.
Dennoch:
Auf Wokeness kann und darf nicht verzichtet werden. Dann aber
muss Wokeness als eine Sprachfigur verstanden werden, die ihrer
Wortbedeutung tatsächlich als Aufforderung verstanden haben will,
sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, nach mehr Wissen,
Verständnis und Wahrheit zu suchen, um nicht nur
Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, die eine kleine Minderheit der
Weltbevölkerung für sich reklamiert, deren Rechte zu schützen,
zumindest ist das in Deutschland so, im Grundgesetz bereits verankert sind.
Um nicht missverstanden zu werden:
Wenn hier von einer Minderheit gesprochen wird, deren Schutz das
Grundgesetz bereits garantiert, dann sind damit gut 9 Prozent
der Bevölkerung in den 30 Ländern gemeint, in denen die
IPSON-Studie
zum Thema „ Sexuelle Orientierung und Genreidentität“ erstellt
wurde, in der es heißt:
Der
kleinste Teil der Bevölkerung wurde als LGBT+-Mitglied
eingestuft und liegt heutge bei 9 %.
IPSON-Studie:
Die
Stichprobe besteht aus jeweils etwa 1.000 Personen in
Australien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Deutschland,
Großbritannien, Italien, Japan, Mexiko, Neuseeland, Singapur,
Südkorea, Spanien, Thailand und den USA sowie jeweils über 500
Personen Argentinien, Belgien, Chile, Kolumbien, Ungarn, die
Republik Irland, die Niederlande, Peru, Polen, Rumänien,
Südafrika, Schweden, die Schweiz und die Türkei
[En25].
Nicht
befragt wurden die 146.142.959 in Russland lebende Menschen und
auch nicht die 1.419.000.000 in China lebenden Menschen.
In
Deutschland aber, so kann es auf der Website des Lesben- und
Schwulenverbandes (LSVD) entnommen werden, heißt es unter
anderem:
LSVD:
Elf Prozent der Deutschen identifizieren sich als LGBT+ Mehr als
jede:r zehnte Deutsche (11%) definiert sich selbst als Teil der
LGBT+-Community. Davon fühlen sich drei Prozent zum selben
Geschlecht hingezogen, weitere vier Prozent sind laut eigener
Aussage bisexuell
[En26].
Statista.com:
Der über den folgenden Link aufzurufenden Grafik auf
Statista.com
kann jedoch entnommen werden, dass in allen in Betracht kommenden
Gruppenidentitäten die überwältigende Mehrheit der Befragten als
heterosexuell anzusehen ist.
Grafik auf
Statista.com
Weitere
Informationen darüber, wer sich in Deutschland als
LGBTQA+
identifiziert, stehen auf
Statista.com
zur Verfügung [En27].
Es liegt
aber
in der Natur der Mehrheit, es sich auf Dauer nicht gefallen zu
lassen, sich einer Lebensart von Minderheiten anpassen zu
sollen, deren Verständnis von Lebensführung von dieser
Minderheit als der einzig richtige
Weg zum richtigen Leben angesehen wird, obwohl der nicht der Lebensführung einer
überwältigenden Mehrheit entspricht. Im Deutschland von heute
muss sich aber dieser "nicht queere Teil der Bevölkerung" sagen
lassen, dass sein Denken zumindest rechtslastig, wenn nicht gar
rechts, möglicherweise sogar rechtsradikal ist, wenn eine zu viel
gezeigte sexuelle Freiheit auf öffentlichen Straßen eher
abstößt, als anzieht.
Fazit:
Auch wenn Vielfalt und Weltoffenheit die Kernmotive der
„Regenbogen-Kultur“ sind (Andreas Rödder), wird sie dann zu
einem gesellschaftlichen Problem, wenn sie sich von der Realität
löst. In einem Interview, das Andreas Rödder 2018 mit dem Roman
Herzog Institut führte, heißt es unter anderem:
Andreas Rödder:
Diversität und Antidiskriminierung, Gleichstellung und Inklusion
sind zu einer neuen Leitkultur geworden, die ich die »Kultur des
Regenbogens« nenne. Sie hat große Emanzipationsgewinne gebracht,
für die Selbstbestimmung von Frauen, für Homosexuelle oder für
Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen
können.
Auf der
anderen Seite schafft jede Inklusion, so hat der Soziologe
Talcott
Parsons schon in den 1950er Jahren festgestellt, immer auch neue
Exklusion.
Während
beispielsweise ein Homosexueller heute sehr viel freier lebt als
vor 30 Jahren, muss sich eine Vollzeitmutter heute von der
ehemaligen Bundesfamilienministerin Schwesig sagen lassen, sie
finde ihren Lebensentwurf problematisch.
Das wiederum halte ich
für problematisch.
Meine
wichtigste historische Erfahrung ist: Eine Idee wird immer dann
schädlich, wenn sie sich von den Realitäten löst. Und die
ideologische Übersteigerung der Kultur des Regenbogens ist
meiner Meinung nach mitverantwortlich für Gegenbewegungen, die
sich nicht zuletzt in den populistischen Bewegungen
niederschlagen. Die Lösung liegt in gegenseitigem Respekt,
gegenseitiger Toleranz und der Bereitschaft zur offenen Debatte
– auf allen Seiten.
Das 4
Seiten umfassende lesenswerte Interview kann über den folgenden
Link eingesehen werden.
Interview mit Andreas Rödder
Werte – und was sie uns wert sind
Wie dem auch immer sei: In jeder
Gesellschaft gibt es zu Unrecht Benachteiligte und zu Unrecht
Bevorzugte. Es bleibt insoweit eine der zentralen Anstrengungen
demokratischer Staaten, solche sozialen Ungerechtigkeiten
abzubauen bzw. aufzulösen. Aber ... sobald dieser Versuch
unternommen wird, wird es auch immer Fälle geben, in denen diese
Anstrengungen von den davon betroffenen marginalisierten Gruppen
ausgenutzt werden. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel die
Mitglieder marginalisierter Gruppen eine besondere Förderung
durch den Staat erhalten sowie eine besondere Aufmerksamkeit
nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in den Medien für
sich in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die vielen Christopher
Street Days, die es jährlich in Deutschland gibt, heißt es im
Schlusssatz des Grußwortes zur Christopher-Street-Day-Saison
2024 von Elisabeth Paus (Bündnis 90/Die Grünen) wie folgt: Ich
sage ganz klar, die Akzeptant sexueller und geschlechtlicher
Vielfalt ist für eine demokratische Gesellschaft unabdingbar.
Für diese Botschaft ist jeder CSD in diesem Land wichtig.
Und was die Landesregierung NRW betrifft? Das Land NRW fördert
das Engagement von CSD-Vereinen mit einem Beitrag von bis zu
5000€ pro Verein. Damit wird eine jahrelange Forderung queerer
Communities verwirklicht und essenzielles Engagement für
Sichtbarkeit und Akzeptanz endlich abgesichert! Auf der
Website der Landesregierung heißt es:
Land.NRW.de
vom 18.04.2023: Die Landesregierung NRW fördert
Christopher-Street-Days mit insgesamt 145.000 Euro
jährlich.Familienministerin Josefine Paul: Setzen klares Zeichen
für Demokratie und gegen Diskriminierung.
Link zur Quelle
Im Gegensatz dazu erhalten in NRW die Tafeln für
notleidende Menschen eine geringere Förderung.
Hinsichtlich der Förderung
von Tafeln in NRW heißt es am 03.05.2024 in einem Artikel der
Rheinischen Post wie folgt:
RP-online.de vom 03.08.2004:
„Ankerpunkte für ehrenamtliches Engagement“ Land NRW fördert
Tafeln mit 1,4 Millionen Euro. Die rund 170 Tafeln in NRW stehen
aufgrund steigender Kundenzahlen, gestiegener Energiekosten und
sinkender Lebensmittelspenden vor großen Herausforderungen.
Deshalb fördert das Land die Einrichtungen mit einer
Finanzspritze.
Das Land Nordrhein-Westfalen
unterstützt die Tafeln erneut und stellt ihnen 1,4 Millionen
Euro zur Verfügung. Mit der Förderung könnten sie 2024 einen
Teil ihrer Betriebsausgaben decken, erklärte das
NRW-Sozialministerium am Freitag in Düsseldorf.
Link zur Quelle
Dass solch eine
Bevorzugung marginalisierter Gruppen in einer Gesellschaft
Probleme schaffen kann, ist zwischenzeitlich deutlich und
unübersehbar an der "Gegenbewegung" erkennbar geworden, die
vom woken Zeitgeist schlicht und ergreifend als "Rechts"
bezeichnet wird, ergänzt um die Vokabeln Nazis, Faschisten und
Extremisten, wenn solch ein diskriminierender Sprachgebrauch
geboten erscheint, den eigenen Interessen zu nutzen.
12
Die Herrschaft der Vernunft – gibt es die überhaupt?
TOP
Wenn es
solch ein Zeitalter überhaupt jemals geben wird, dann kann damit
nur eine entfernte Zukunft gemeint sein, denn anzunehmen, dass
bereits heute die Vernunft das gesellschaftliche Leben
dominiert, klingt nicht nur wie eine Fake News, solch eine
Vorstellung ist nichts anderes als ein Märchen, denn nicht die Vernunft, sondern das Geld und
die Interessen der Mächtigen regieren die Welt.
Dabei ist es für
diese Elite von Vorteil, wenn sich das „Volk“ für die Interessen
von Minderheiten einsetzt, weil so die wirklich bedeutsamen
gesellschaftlichen Probleme, von denen ja alle, also auch
Minderheiten betroffen sind, sozusagen verdrängt werden, ganz
einfach, weil „Spaß, Spiel und Party“ sich bestens dazu eignen,
alles so belassen zu können, wie es ist.
Das aber
trifft nicht den Zeitgeist von heute.
Warum?
Paul Hazard hat, was die Zeit der Aufklärung anbelangt, eine
passende Antwort gefunden, die dieser bewegten Zeit innewohnte.
Paul
Hazard:
In gewissen Augenblicken fühlt sich der zivilisierte Mensch
seiner selbst überdrüssig. Er möchte die Bürde abwerfen, die
seine Schultern drückt und die er sich nicht selber aufgeladen
hat; der Kraftaufwand von Tausenden von Jahren, die
Verfeinerung, die Kompliziertheit ergeben zusammen eine Last,
die ihm unerträglich wird; er ist nur noch das Ergebnis von
etwas unendlich Künstlichem. Sein Leben ist angenehm; aber es
kommt ihm unecht vor; oder diese Annehmlichkeit ist ihm zuwider,
und er nennt sie Verweichlichung. Er strebt nach Einfachheit; es
würde ihm nicht missfallen, wenn seine verzärtelten Gewohnheiten
gewaltsam gestört würden, wenn er auf dem nackten Boden schlafen
und schwarze Suppe essen müsste. Wo sind die lebendigen Wasser,
die ihn reinigen können? Der Mensch des 18. Jahrhunderts hat
dies Gefühl kennengelernt, was wie so viele andere in
wechselnden Wellenstößen kommt und geht
[En28].
Heute
scheint die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland
sozusagen wieder am Überdruss zu ersticken. Während solch ein
„Überdruss“, in Anlehnung an Paul Hazard, in der Zeit der
Aufklärung weniger ein Zeichen für den gesellschaftlichen
Verfall, sondern eher als eine Aufforderung verstanden wurde,
die gesellschaftliche Wirklichkeit sozusagen vom Kopf auf die
Füße zu stellen, sie einfach selbständiger, wirklichkeitsnaher
und fortschrittlicher zu machen, führt der Überdruss von heute
eher zum gesellschaftlichen Verfall.
Anders ausgedrückt:
Wenn die Aufforderung von Immanuel Kant konsequent befolgt
worden wäre, die eigene Unmündigkeit aufzugeben und den Verstand
zu gebrauchen, dann hätte der Fortschritt der folgenden gut 250
Jahre bis heute einen anderen Fortschritt Wirklichkeit werden lassen als den, von dem wir heute wissen,
dass es so nicht weitergehen kann.
Nur zur
Erinnerung:
Immanuel Kant 1784:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst
verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen,
sich seines
Verstandes ohne
Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache
derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der
Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung
eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines
eigenen Verstandes zu bedienen!, ist also der Wahlspruch der
Aufklärung
[En29].
Daraus
lässt sich schließen, dass der Mensch keiner Autorität blind
gehorchen darf, diese vielmehr abzulehnen hat, wenn mit bloßer
Macht oder, wie das heute üblich ist, mit dem Anspruch der Alternativlosigkeit regiert
wird, weil man meint, im Besitz der Wahrheit zu sein.
Da sich die negativen Folgen des Wirksamwerdens der oben nur
angedeuteten Alternativlosigkeit heute zeigen, liegt es nicht
nur im Interesse der wirtschaftlichen, sondern auch der
politischen Elite, dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Glück
im Konsum, in Parties und natürlich durch ihre Zugehörigkeit zu
Identitäten zusammenführende Organisationen finden, denn je
diverser das Spektrum von Identitäten ist, um so einfacher
dürfte es sein, zu verhindern, dass sich Mehrheiten finden, die
sowohl den politischen als auch den wirtschaftlichen Eliten
gefährlich werden können.
Anders ausgedrückt: Glück scheint heute das
Vermögen zu sein, sich unter der Fahne des Regenbogens
miteinander verbunden zu fühlen. Je bunter eine Gesellschaft
ist, um so glücklicher hat sie zu sein, so zumindest die
Vorstellung einer unter dem Regenbogen vereinigten Welt.
Dieses Glück unterscheidet sich wesentlich von den
"Glücksvorstellungen" der Zeit der Aufklärung.
13 Glück –
Das
Ideal der Aufklärung
TOP
Ziel der
Aufklärung war es zuerst einmal, das Glück eines jeden Menschen
im Hier und im Jetzt, also auf Erden, und nicht im Jenseits
zu suchen. Dafür wurde es erforderlich, den
Geltungsanspruch des Christentums nicht nur in Frage zu stellen,
sondern darüber hinausgehend die Grundmauern eines Idealstaates,
der kein Gottesstaat mehr sein durfte zu beseitigen, um an
seiner Stelle den „Staat des
Menschen“ nicht nur zu beschreiben, sondern auch Wirklichkeit
werden zu lassen.
Bekanntermaßen führt aber jede Suche nach
Vollkommenheit, und das unterscheidet die Zeit der Aufklärung
nicht von heute dazu, dass sich nach einer erfolgreichen Suche
nach dem idealen Staat, irgendwann auch Verfallserscheinungen
zeigen, womit sich – übertragen auf die gesellschaftliche
Wirklichkeit in den westlichen Demokratien von heute – der Bogen
zur Wirklichkeit im Hier und im Jetzt wieder schließt.
Grund
dafür dürfte sein, dass die Menschen von heute erneut anfangen,
ihren Staat sozusagen aufs Heftigste zu kritisieren, im
Gegensatz zu den Aufklärern, die davon überzeugt waren, dass die
Religion als Übel aller Dinge anzusehen war, um im Anschluss
daran, einen idealen Menschenstaat organisieren und aufbauen zu
können.
Glaubt man den Reden von Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier, dann dürfte dieser Zustand, den die Aufklärer
anstrebten, heute bereits Wirklichkeit geworden sein.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier:
Ja, wir leben heute im besten Deutschland, das es jemals gegeben
hat. Lassen Sie uns all jenen danken, die daran mitgewirkt
haben, mitgearbeitet haben!
Im Hinblick auf die zu erwartenden negativen Folgen des
Klimawandels lautet der Appell des Bundespräsidenten:
Warum
sollten gerade wir Glückskinder in der Mitte Europas mutlos
sein?
[En30]
Diese
Sprachfigur der „Glückskinder“ hätte durchaus auch zu den
Lieblingsvokabeln der Aufklärer gehören können, denn die Suche
nach dem Glück auf Erden bestimmte ihr Denken.
14
Das
Glück auf Erden - Fortschrittsglaube der Aufklärer
TOP
Das
bedeutete bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, also gut 300
Jahre vor unserer Zeit, dass bestehende Lebensgewohnheiten und
Lebensüberzeugungen nicht nur aufs Heftigste kritisiert, sondern
sogar beseitigt werden mussten:
Paul Hazard:
Die Kritik (die bereits um 1715
begann =
AR) herrscht überall; sie betätigt sich auf allen Gebieten, in
der Literatur, der Moral, der Politik und der Philosophie; sie
ist die Seele dieses streitsüchtigen Zeitalters; ich kenne keine
Epoche, in der sie glänzende Vertreter gehabt hätte, allgemeiner
geübt worden und bei aller Heiterkeit schärfer gewesen wäre
[En31].
Bedauerlicherweise fehlt es der überschäumenden Kritik von heute
- im Gegensatz zur Kritik die die Aufklärer am bestehenden
System übten - an jeglicher Form von Heiterkeit, denn Hass und Hetze, verbunden
mit der kategorischen Haltung, nicht miteinander reden zu wollen
sowie das zur Ideologie erklärte stereotypes Denken in
vorgegebenen richtigen oder falschen Meinungen, sind eher
Erfindungen von heute, obwohl auch zur Zeit der Aufklärung
gegenteilige Meinungen nicht nur ausgetauscht, sondern sich aus
gegenteiligen Meinungen auch Feindschaften entwickeln konnten.
Wie dem auch immer sei:
Auch die Kritik der Aufklärer an Bestehendem kann als radikal
bezeichnet werden. Und auch wenn die Aufklärer das Internet
nicht kannten, sorgten sie dennoch dafür, dass sich ihre Sicht
der Dinge nach damaligen Vorstellungen rasend schnell
verbreiteten.
Paul Hazard:
Die Kritik mündet in Forderung und Anspruch. Was wünschen diese
unzufriedenen Wanderer, diese
discontented
wanderers?
Was wollen diese Aufklärer? Warum unternehmen sie eine Prüfung,
der nichts entgehen darf, weder die Gesetzgebung, die sich auf
ihre erhabene Würde beruft, noch die Religion, die ihren
göttlichen Charakter betont. Um welches Gut glaubten sie sich
gebracht? – Um das Glück
[En32].
Die
nachfolgenden Zitate lassen erkennen, wie die Dichter in der
damaligen Zeit das „Glück auf Erden“ beschrieben haben:
-
Oh Glück:
Zweck und Ziel unseres
Seins!
Gut, Lust, Wohlgefühl, Zufriedenheit, wie du auch heißen magst!
-
Die
Hölle wird zunichte, der Himmel ist auf Erden.
-
Das
Glück muss irgendwo zu finden sein.
Und auch
in den Theaterstücken der damaligen Zeit heißt es:
Die
Insel der Glückseligkeit ist
keine Chimäre; dort
herrscht die
Wollust und
Amors Mutter; eilt,
Brüder, durchfahren
wir alle
Fluten von
Cythere, dann
finden wir sie.
Cythere:
Ein anderer Name für die Aphrodite, der griechischen Göttin der
Liebe, der Schönheit und der sinnlichen Begierde und eine der
kanonischen zwölf olympischen Gottheiten. Sie wurde insbesondere
als Schutzherrin der Sexualität und Fortpflanzung verehrt, die
sowohl den Fortbestand der Natur als auch die Kontinuität der
menschlichen Gemeinschaften gewährleistete. Ihr Pendant in der
römischen Mythologie ist Venus.
Hinweis:
Diese Vorstellung bringt auch heute noch Hunderttausende von
Menschen anlässlich von Christopher Street Days bundesweit auf
die Straße. Allein im Monat Juli und in den ersten Tagen des
Monats August 2024 wurden große Parties im öffentlichen Raum,
bei denen es sich – ob das nun zutrifft oder nicht, das ist eine
ganz andere Frage – eher um Veranstaltungen als um Versammlungen handelt
- in folgenden
Großstädten gefeiert:
-
München
-
Berlin
-
Essen
-
Hamburg.
Ende
August wird es einen Christopher Street Day auch in Münster
geben. Und was den rechtlichen Status solcher Veranstaltungen
anbelangt? Die Stadt Dresden hat bereits 2023 geltend gemacht,
dass beweglichen Parties im öffentlichen Raum wohl kaum um Versammlungen
angesehen werden können, was sofort zur Folge hatte, dass der
woke Zeitgeist
sich dieser Sichtweise konsequent ablehnend entgegenstellte,
denn wenn CDS keine Versammlungen mehr sind, sondern als
Veranstaltungen zu bewerten wären, vergleichsweise mit
Karnevalsumzügen, dann fallen dafür ja Kosten an, die der
jeweilige Veranstalter zu tragen hätte.
Im Gegensatz dazu trägt
der Steuerzahler in der Regel alle Kosten, die anlässlich von
Versammlungen anfallen, also auch für Christopher Street Days.
Paul Hazard:
Um glücklich zu sein, muss man sich von Vorurteilen freigemacht
haben, tugendhaft sein, Geschmack und Passionen haben und für
Illusionen empfänglich sein; denn wir verdanken den größten Teil
unserer Freuden der Illusion, und unglücklich ist, wer sie
verliert. Zunächst einmal muss man sich recht klar machen, dass
Empfindungen und Gefühle zu verschaffen. [In
Bezug auf
die einzufordernde gesellschaftliche Ordnung heißt es]: Die
Idee, dass ein Zusammenhang mit der allgemeinen Ordnung bestehe,
und diese verlange, dass alle Geschöpfe glücklich seien: Warum
hätten sie sonst das Leben erhalten?
[En33]
Auch
diese Überzeugung dürfte dem Lebensstil von heute weitgehend
entsprechen, denn wenn wir der bestehenden Ordnung von heute
wirklich Furore gegen wollen, also Aufsehen erregen, rasenden
Beifall erzielen oder beeindruckende Erfolge sichtbar werden
lassen wollen, dann bedeutet das, anderen zu zeigen, dass meine
Art zu leben sozusagen vorbildhaft ist.
Denke zuerst an dich, denn es
ist nur dein Glück, das zählt, und wenn andere deine gezeigte
Lebenslust sehen und sozusagen zum Nachmachen animiert werden,
dann können alle glücklich werden, zumal heute Glück bedeutet,
darauf sogar einen Rechtsanspruch zu haben.
So auch die Vorstellungen der Aufklärer.
Diesbezüglich heißt es bei
Paul Hazard sinngemäß wie folgt: Aus
der Sicht der Aufklärer handelt es sich bei dem von ihnen
formulierten Anspruch auf Glück um einen
Rechtsanspruch, der den bis dahin geltenden Lebensgrundsatz
„seiner Pflicht nachzukommen“, sozusagen den Garaus machte.
Anders ausgedrückt:
Der erste Grundsatz eines Gesetzbuches im aufzubauenden idealen
Staat des Menschen hatte eine Regelung zu enthalten, der
folgenden Anspruch zum Ausdruck brachte:
Ich will
glücklich sein und nicht mehr danach gefragt werden, ob man sich Glück
verdienen muss, und an die
Stelle der Frage: Bin
ich gerecht?“,
trat
zur Zeit der Aufklärung die Frage: „Bin ich glücklich?“
Paul Hazard:
Die Bahn der Freiheit stehe jetzt offen; wir sind noch nicht am
Ziel, und wir werden niemals stillstehen, aber wir sind auf dem
rechten Wege dazu. So war die Aufklärung, wie sie in ihrer
edelsten Gestalt und als Ideal gesehen sein wollte
[En34].
Auch
daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert, obwohl
hinsichtlich extensiv ausgelebter Freiheit sich heute die Folgen
solchermaßen erlebter Freiheit als eine ernstzunehmende
Bedrohung nicht nur der Freiheit, sondern der Menschheit zeigt.
15
Was heißt Aufklärung heute?
TOP
Ehrlich
gesagt, weiß das niemand so ganz genau, denn bei den
Überzeugungen von heute handelt es sich in vielen Bereichen um
Glaubensgrundsätze, die zwischenzeitlich sogar den Status einer
Ersatzreligion angenommen haben, das sich in einem Weltverständnis
zeigt, das beenden zu müssen, was die Aufklärer der Vergangenheit sozusagen zur
Hauptaufgabe gemacht hatten, um dem von ihnen eingeforderten
„Glück auf Erden“ überhaupt eine Basis verschaffen zu können.
Die Ablehnung von Religion, in was für einem Mantel sie sich
auch immer zeigt.
Anders ausgedrückt:
Während
sich das Glück der Religionen nicht auf Erden, sondern im
Jenseits befindet, so zumindest die Glaubensvorstellungen sowohl
der Christen als auch die der Muslime, orteten die Aufklärer das
Glück im Diesseits.
Wie dem auch immer sei:
Dass wir
auch heute den Mut aufbringen müssen, uns unseres Verstandes zu
bedienen, diese bekannte Formel, für die Immanuel Kant zwei
lateinische Wörter verwendete, gilt auch heute.
Nur zur
Erinnerung: Sein Appell: „Sapere aude!“, habe Mut, dich deines
eigenen Verstandes zu bedienen!, dem Wahlspruch der Aufklärung,
dieser Ausspruch gilt auch heute uneingeschränkt, obwohl sich
dieser Mut - seine Meinung frei auszusprechen – sich heute
bereits auf dem Rückzug befindet, denn die Versuche, auch die
Meinungsfreiheit zu beschränken, die nicht gegen Strafgesetze
verstößt, entspricht den Vorstellungen des
woken
Zeitgeistes von heute.
Und gegen den Strom zu schwimmen, das erfordert Mut, denn nicht
grundlos geht die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland bereits heute davon aus, dass eine eigene Meinung nicht
mehr gefahrlos geäußert werden darf, weil es das eigene Vorankommen nicht
nur erschwert, sondern in vielen Fällen sogar verhindert.
Von dieser
Gefahr wusste bereits Immanuel Kant, denn „der Mensch“, so
Deutschlands größter Philosoph, macht von seiner Vernunft meist
nur dann Gebrauch, wenn er Teil der Maschine ist; d.h. wenn er
in der Gesellschaft eine Rolle zu spielen und Funktionen zu
erfüllen hat, und das kann auch heute gefährlich sein, sowohl als
Polizeibeamter, als Lehrer, als Politiker, als Arbeiter oder
Angestellter und natürlich auch als Wissenschaftler, wenn sie
oder er dem woken Zeitgeist widerspricht und Meinungen vertritt, die
dem
woken Zeitgeist
nicht
entsprechen, weil sie, so eine viel gebrauchte Sprachfigur von
heute, zur „Delegitimierung des Staates“ beitragen können.
Anders ausgedrückt:
Kant
fordert nicht, dass man blinden und törichten Gehorsam zu
leisten hat, sondern dass man den Gebrauch seiner Vernunft den
vorgefundenen bestimmten Umständen gemäß auszuüben hat.
Das
bedeutet im kantschen Sinne, dass die Vernunft deshalb den
jeweiligen Zielen untergeordnet werden muss, die in der jeweils
vorgefundenen Wirklichkeit dominieren, was zur Folge hat, dass
Mut erforderlich ist, um von der Vernunft Gebrauch zu machen,
denn wer das wagt, der muss mit unangenehmen Reaktionen rechnen,
eine Erfahrung, die viele Aufklärer am eigenen Leib erfahren
durften.
In
diesem Sachzusammenhang sei nur an Christian Wolff erinnert,
Philosoph von Beruf und Lehrstuhlinhaber in Halle. Im Jahre 1712
hatte er sein erstes großes Buch herausgegeben: „Vernünftige
Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes, und seinem
richtigen Gebrauch in Erkenntnis der Weisheit.“
Von 1703 bis
1753 waren es siebenundsechzig Werke, einige davon mehrere Bände
stark, die diesen Gelehrten aus dem Kreis anderer Gelehrter
hervorhob, nicht nur, weil er an der Universität in Halle
lehrte (damals eine Hochburg freien universitären Denkens im
deutschsprachigen Raum). Obwohl seine Gelehrigkeit international
anerkannt war, hinderte das die herrschende Obrigkeit, gemeint
ist der Landesfürst Friedrich Wilhelm I. (1688 bis 1740), nicht
daran, ihn 1723 schriftlich dazu aufzufordern, binnen 48 Stunden
das Land zu verlassen, um den Tod durch Erhängen von sich
abwenden zu können.
Grund
dafür war das Interesse von Christian Wolff für die chinesische
Philosophie, die ihn zu der Aussage brachten, dass wegen deren
Fortschrittlichkeit dort kein Grund für eine grundlegende
Reformbereitschaft gegeben sei, denn die chinesische Philosophie
kannte Gott nicht.
Solch eine Lehre ließ sich nicht mit der
guten alte Ordnung vereinbaren, auf die im Herzogtum Sachsen
damals noch Wert gelegt wurde und die sich in dem Vorwurf seiner
Gegner wie folgt zusammengefasst werden kann:
Ich habe
das
nit
wuhst,
das
der Wolf so gottlose ist.
In der
Ausweiseverfügung fügte der damalige Landesfürst Friedrich
Wilhelm I. eigenhändig folgenden Passus hinzu:
Steffen Martus:
Ich habe das
nit
in meinem Lande statuieren
lassee;
wann ich aber
nits
weiß, so
ist es nit meine
schuld
[En35].
Um sein
Leben zu retten reichte es für Christian Wolff damals aus, das
Herzogtum Sachsen zu verlassen und sich auf kursächsisches
Gebiet zu begeben, das unmittelbar an das Herzogtum Sachsen
angrenzte. So wie Christian Wolff erging es auch anderen Aufklärern,
die, wenn ihr Leben dort bedroht wurde, wo sie aufklärerisch
wirkten, dann oftmals Zuflucht in Hamburg suchten, um ihr Leben zu retten,
denn Hamburg, das war damals die Stadt der Aufklärung, was durch
das folgende Zitat zumindest sichtbar wird:
Stefan
Martus:
Das wichtigste hamburgische Nachrichtenorgan und zugleich ein
Vorzeigeblatt der Aufklärung war die „Staats- und Gelehrte
Zeitung des Holsteinischen“ beziehungsweise ab 1731 des
„Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“
[En36].
Auch heute
scheint es wieder „in Mode zu sein“, Universitätsprofessorinnen
und natürlich auch Universitätsprofessoren ihre Lehrstühle zu
entziehen, wenn sie Meinungen vertreten, die nicht der
woken Ideologie
von heute entsprechen, sondern Meinungen vertreten, die
unerwünscht sind, was am Beispiel von Marie-Luise
Vollbrecht
aufgezeigt werden soll.
16
Humboldt-Universität und deren unliebsame Doktorandin
TOP
Im Sommer
2022 wollte die Biologin Marie-Luise
Vollbrecht
in der Humboldt-Universität in Berlin einen umstrittenen Gender-Vortrag
halten, was ihr aber untersagt wurde. Begründet wurde das Verbot mit Sicherheitsbedenken begründet,
weil Studentinnen und Studenten vehement gegen diesen Vortrag
protestiert hatten.
14 Tage später durfte die Biologin ihren Vortrag nachholen,
nachdem sie gegen das Verbot der Universitätsleitung verwaltungsgerichtliche Hilfe in
Anspruch genommen hatte.
In einer Presseerklärung des Rechtsanwalts
Prof. Dr. Ralf Höcker, der die Biologin verteidigt hatte, heißt
es:
„Das Gericht hat ein starkes Zeichen gegen Cancel Culture an
Universitäten gesetzt. Es ist eine Schande, dass eine angebliche
Exzellenz-Uni aus purer Angst vor radikalen Aktivisten ihre
eigene wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin
herabwürdigt.“ In der Presseerklärung der Anwaltskanzlei ist
weiterhin ein Zitat aus dem Beschluss des
VG
Berlin enthalten, mit dem das Gericht die getroffene
Entscheidung begründet:
Zitat auf dem Beschluss des
VG
Berlin:
Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht Berlin aus:
„Der
mit der Stellungnahme einhergehende Grundrechtseingriff ist
rechtswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbietet es
grundsätzlich dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen
Staat, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen
Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung
abschätzig zu kommentieren. (…) Nach diesen Grundsätzen ist der
durch die angegriffene Äußerung bewirkte Eingriff in das
Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin nicht
gerechtfertigt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die
tenorierte
Äußerung der Antragsgegnerin noch von ihrer allgemeinen
Aufgabenzuweisung gedeckt ist oder einer speziellen
Ermächtigungsgrundlage bedarf, denn sie ist jedenfalls
unverhältnismäßig. (…) Die Äußerung lässt sich in der
maßgeblichen, für die Antragsgegnerin ungünstigsten Lesart (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 8. September 2010 – 1
BvR 1890/08 –
juris Rn.
23) als Behauptung verstehen, die Gesamtheit der nicht näher
bezeichneten Meinungen der Antragstellerin stünde nicht im
Einklang mit dem von der Antragsgegnerin in ihrem Leitbild
vorgesehenen „wechselseitigen Respekt vor dem/ der Anderen“ und
ihrem Selbstverständnis als einem Ort, „an dem kein Mensch
diskriminiert werden sollte, sei es wegen seiner Religion,
seiner vermeintlichen Rasse, seiner sexuellen Identität oder
wegen irgendeines anderen Merkmals, das als
Unterscheidungsmerkmal angesehen wird. (…) Diesem Werturteil
fehlt es bei objektiver Auslegung der Pressemitteilung an einer
tragfähigen tatsächlichen Grundlage. Denn es wird aus dieser
heraus nicht klar, auf welche Meinungen der Antragstellerin die
Antragsgegnerin sich konkret bezieht und welche Werte
beziehungsweise Elemente ihres Leitbilds sie hiermit für
unvereinbar hält. (…) Der mit der Äußerung verbundene Vorwurf
wiegt aufgrund der aufgezeigten Pauschalität besonders schwer,
weil ein objektiver Empfänger den Eindruck gewinnen kann, die
Antragstellerin bewege sich mit ihren Meinungen in ihrer
Gesamtheit außerhalb des Leitbildes und der Werte der
Antragsgegnerin
[En37].“
17 Michel Foucault -
Was
ist Aufklärung?
TOP
Gut 300
Jahre nach Immanuel Kant, der 1784 unter exakt der gleichen
Fragestellung seine Sicht der Dinge zu diesem Thema bereits in der
„Berlinischen Monatsschrift“ veröffentlicht hatte, versuchte
sich Michel Foucault insbesondere daran, Immanuel Kants Schwächen bei der
Beantwortung der Frage: „Was ist Aufklärung“?, herauszuarbeiten.
Michel Foucault:
Wenn heute
eine Zeitschrift eine Frage an ihre Leser stellt, dann um
Meinungen über ein Thema einzuholen, über das jeder schon eine
Meinung hat; man läuft kaum Gefahr, etwas Großartiges zu
erfahren. Im 18. Jahrhundert zog man es vor, die Öffentlichkeit
zu genau den Problemen zu befragen, auf die man noch keine
Antwort hatte.
Ich weiß nicht, ob dies effektiver war; es war
auf jeden Fall unterhaltsamer.
Mit
diesen Worten beginnt ein Aufsatz von Michel Foucaults aus dem
Jahr 1984, dem er einen gewichtigen Titel verlieh und der da
heißt: „Was ist Aufklärung?“
Hinsichtlich der „Zeit der Aufklärung“ kommt Foucault zu der
Feststellung, dass diese Epoche als das Erscheinen eines
politischen Problems anzusehen ist, denn die Frage „Was ist
Aufklärung?“, lässt sich nur dann beantworten, wenn klar ist,
was Kant mit der Sprachfigur des „freien Räsonierens“ gemeint
hat, wenn er davon ausgeht, dass die Individuen sozusagen zum
Gehorsam verpflichtet seien.
Wie dem
auch immer sei: Foucault geht davon aus, dass Meckern, Nörgeln
und was auch immer unter Räsonieren zu verstehen sei, im Sinne
von Kant Grenzen gesetzt worden seien, denn die kantsche
Vernunft ging von der Vorstellung aus, dass Gehorsamsempfänger
dazu verpflichtet seien, der herrschenden Meinung entsprechend
von ihrer Vernunft Gebrauch zu machen.
Wie dem auch immer sei:
Die Aufklärung, so die Sichtweise von Michel Foucault, markiere
das Erscheinen eines politischen Problems.
Michel Foucault:
Ich denke schließlich, wie ich mit Bezug auf Kants Text zu
zeigen versucht habe, dass sie eine gewisse Weise des
Philosophierens definiert hat. Aber das
heisst
nicht, dass man für oder gegen die Aufklärung sein muss. Es
heißt sogar, dass wir alles zurückweisen müssen, was sich in
Form einer vereinfachten und autoritären Alternative darstellt:
Entweder man akzeptiert die Aufklärung und bleibt in der
Tradition ihres Rationalismus (was von einigen als positiv
betrachtet und von anderen als Vorwurf benutzt wird); oder man
kritisiert die Aufklärung und versucht, diesen Prinzipien der
Rationalität zu entkommen (auch dies kann wiederum als gut oder
schlecht angesehen werden).
Und wir brechen aus dieser
Erpressung nicht aus, indem wir dialektischem Nuancen einführen,
während wir zu bestimmen suchen, was an der Aufklärung gut oder
schlecht gewesen sein mag.
Wir
müssen [vielmehr] versuchen, mit der Analyse unserer selbst als
solche Wesen fortzufahren, die zu einem gewissen Teil von der
Aufklärung historisch determiniert sind. Solch eine Analyse
impliziert eine Reihe historischer Untersuchungen, die so
präzise wie möglich sein sollten; und diese Untersuchungen
werden nicht retrospektiv an dem „wesentlichen Kern der
Rationalititt“ orientiert sein, der in der Aufklärung gefunden
werden kann und der auf jeden Fall bewahrt werden müsste; sie
werden [vielmehr] an den „gegenwärtigen Grenzen des Notwendigen“
orientiert sein [müssen], das heißt, an dem, was nicht oder
nicht länger zur Konstitution unserer selbst als autonome
Subjekte erforderlich ist.
An
anderer Stelle:
Ich weiß
nicht, ob wir jemals mündig werden. Vieles in unserer Erfahrung
überzeugt uns, dass das historische Ereignis der Aufklärung uns
nicht mündig gemacht hat und dass wir es noch immer nicht sind.
Dennoch scheint mir, dass der kritischen Befragung der Gegenwart
und unserer selbst, die Kant in einer Reflexion über die
Aufklärung formulierte, eine Bedeutung verliehen werden kann. Es
scheint mir, dass Kants Reflexion selbst eine Weise des
Philosophierens ist, die während der letzten zwei Jahrhunderte
nicht ohne Bedeutung oder Wirksamkeit geblieben ist.
Die
kritische Ontologie [Seinslehre
bzw. die Lehre vom Sein = AR] unserer selbst darf beileibe nicht als
eine Theorie, eine Doktrin betrachtet werden, auch nicht als
ständiger, akkumulierender Korpus von Wissen; sie muss als eine
Haltung vorgestellt werden, ein Ethos, ein philosophisches
Leben, in dem die Kritik dessen, was wir sind, zugleich die
historische Analyse der uns gegebenen Grenzen ist und ein
Experiment der Möglichkeit ihrer Überschreitung.
[...]. Ich
weiß nicht, ob man heute sagen soll, dass die kritische Aufgabe
immer noch den Glauben an die Aufklärung einschließt; ich denke
jedenfalls, dass diese Aufgabe eine Arbeit an unseren Grenzen
erfordert, das heißt, eine geduldige Arbeit, die der Ungeduld
der Freiheit Gestalt gibt
[En38].
Persönliche
Anmerkung: Es ist wirklich nicht einfach, aufgeklärtes Wissen an
allgemeinverbindlichen Maßstäben zu messen, denn der
woke Zeitgeist
von heute
geht immer noch von der Vorstellung aus, dass Wahrheit das ist, wie ich die
Wirklichkeit erlebe.
Dass diese Sicht der Dinge aber nicht
ausreichte, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen,
macht es erforderlich, Identitäten zu bilden, die für sich in
Anspruch nehmen können, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu
sein, gemeint sind Parteien, NGOs, Religionen. Das aber
führte zur Errichtung von Brandmauern, zu Feindschaften, zu
Ausgrenzungen, zu Sprechverboten und sogar zu Berufsverboten.
Wer unter diesen Gegebenheiten behauptet, zu wissen, was
„Aufklärung“ tatsächlich bedeutet, der mag sich in seiner Selbstverliebtheit
glücklich schätzen.
18
Was ist Fortschritt, und was nicht?
TOP
Es wäre ein
wirklich bedeutsamer Fortschritt im menschlichen Denken, wenn
sich die Spezies Mensch tatsächlich darüber einig werden könnte,
worin der Zweck des menschlichen Seins besteht.
Solch eine Einigkeit im Denken über den Zweck menschlichen
Lebens wäre wirklich ein Fortschritt, dürfte aber wohl in naher
Zukunft nicht zu erzielen sein, obwohl den Menschen im „modernen
Westen?“
zunehmend
bewusst wird, dass ihr Sein, womit die Art und Weise der
westlichen
Lebensführung gemeint ist, sich in Zukunft wohl an anderen
Werten zu orientieren haben wird, als an denen, die heute noch
dominieren: Schneller, weiter und größer.
Anders ausgedrückt:
Wachstum um jeden Preis führt in die Katastrophe. Was aber soll
Fortschritt sein, der ja zwangsläufig auch zur Sprachfigur der
Aufklärung gehört?
Susan
Neiman:
Das Problem, den Fortschritt als solchen zu erkennen, hängt
vermutlich mit dem Begriff des Fortschritts selbst zusammen.
Fortschritt ist seiner Definition nach das, was noch nicht
gegeben ist. Es ist nicht, was bereits erreicht worden ist,
sondern etwas, was in der Zukunft zu erreichen ist –
vorzugsweise morgen früh. Die Errungenschaften der vorigen
Generationen als Fortschritt zu erkennen, fällt deshalb so
schwer, weil diese Generation ja gerade alles darangesetzt hat,
ihre Errungenschaften zum normalen Standard werden zu lassen,
der schon immer hätte bestehen sollen. [...]. Fortschritt kann
für die nächste Generation aber nur bedeuten, weiter daran zu
arbeiten, subtile Formen der Ungerechtigkeit auszulöschen. Der
Zorn über sein Schneckentempo ist vermutlich nötig, damit wir im
Kampf nicht erlahmen. Doch um Kraft zu schöpfen, ist es gut,
gelegentlich auf die Schultern zu blicken, auf denen wir stehen,
denn wenn wir nicht zugeben, dass in der Vergangenheit reale
Fortschritte erzielt wurden, können wir nicht an der Hoffnung
auf weitere in der Zukunft festhalten. Da wir aber wissen, wie
weit wir noch von einer gerechten Gesellschaft entfernt sind,
wird der in der Vergangenheit erreichte Fortschritt nie groß
genug sein, um aus ihm allen Energie zu schöpfen. [...]. Der
Gedanke an die Frauen und Männer im Iran, an die Bewegung der
Landlosen in Brasilien, die Kämpfer für Demokratie im Kongo und
in Myanmar, die allesamt mit für die meisten von uns
unvorstellbaren Zuständen ringen, ist eine Quelle, die uns
abhält zu ermatten. „Sie geben die Hoffnung nicht auf“, sagt
Noam
Chomsky, „also dürfen wir das schon gar nicht.“
[En39]
Und was
die Hoffnung anbelangt, deren Inhalt lässt sich in wenige Worte
zusammenfassen, die bereits den Aufklärern zu Beginn des 18.
Jahrhunderts bekannt waren:
Das gemeinsame Streben nach Glück.
Nicht
dazu gehört der technische Fortschritt, der darin besteht, alles
Leben auf dem Planeten Erde binnen kurzer Zeit auslöschen zu
können. Solch ein Fortschritt wäre einfach zu radikal, um ihn
überhaupt akzeptieren zu können, obwohl der französische
Philosoph André Glucksmann (1937 bis 2015) in seinem Buch mit
dem Titel: „Philosophie der Abschreckung“ aus dem Jahr 1983
(also zu der Zeit, als in Deutschland Millionen von Menschen
erfolglos gegen den Nato-Doppelbeschluss auf die Straße gingen),
die Meinung vertrat, dass es besser sei, sich gemeinsam kurz und
bündig vom Leben zu verabschieden, als die Freiheit gegen den
Kommunismus eintauschen zu müssen.
Auf der
letzten Seite in diesem Buch heißt es:
André Glucksmann:
Haben wir das Recht, Frauen, Kinder und Kindeskinder eines
ganzen Planeten als Geiseln zu nehmen? Dürfen wir die
Zivilbevölkerung, zu denen wir selbst gehören, mit der
Apokalypse bedrohen? Verdient eine Kultur weiterhin diesen
Namen, wenn sie, um zu überleben, wissentlich ihre Auslöschung
riskiert? Das ist die höchst philosophische, ernsteste und
einfachste Frage, die uns von der banalen Aktualität gestellt
wird.
Die Antwort
lautet – was die allzu ruhigen Gewissen auch immer sagen mögen –
ja
[En40].
Diese
Sicht der Dinge scheint sich heute wieder durchsetzen zu wollen,
denn noch nie wurde so viel Geld in die atomare Ausrüstung
ausgegeben, wie das heute der Fall ist und für das Aufstellen
von Mittelstreckenraketen in Deutschland heißt es heuge, am
13.08.2024 in den Nachrichten, dass dafür nicht einmal ein
Parlamentsbeschluss erforderlich sei und es deshalb ausreiche,
wenn Bundeskanzler Olaf Scholz zur gegebenen Zeit den
Abgeordneten im Deutschen Bundestag erklären würde, warum das
alternativlos sei.
Zurück zu André Gluchsmann:
Dieser französische Philosoph verfügte nicht nur über ein
Einsehen, sondern auch über den Mut, seine Position, die Rechtfertigung
der atomaren Abschreckung betreffend, in seinem Buch, das 1985
sowohl in Frankreich als auch in Deutschland erstmalig erschien
und das den Titel trägt: „Die Macht der Dummheit!“, zu
korrigieren.
Und auch
in seinem Buch „Krieg um des Frieden“, setzt sich Glucksmann
durchaus kritisch mit dem „Ungeheuer, das lange Zeit kalt und
starr in verborgenen Tiefen ruhen kann“ auseinander, um dann
wieder – sozusagen wie Phönix aus der Asche – Furcht, Angst und
Schrecken verbreiten zu können.
André Glucksmann:
Das Verbot
der reinen Gewalt, [ist] ebenso ursprünglich wie das
Inzestverbot [und] wird in jeder Gesellschaft durch das Ritual
des Kriegsendes offenbar, in dem der Soldat aus seiner Rohheit
herausgeführt und zum alten Kämpfer wird. Genau festgelegte
Zeremonien begleiten den Übergang von der einen Welt [gemeint
ist die Welt des Krieges] in die andere [gemeint ist die Welt
des Friedens]; sie ermöglichen ein sanftes Hinübergleiten vom
Übernatürlichen und Außergewöhnlichen [Krieg] zum Gewöhnlichen
und Alltäglichen [Frieden]. Geschieht das nicht, vollzieht sich
ein Drama
[En41].
Diese
Zeilen beschreiben die Wirklichkeit von heute, denn wenn es
nicht gelingen wird, sowohl den Krieg in der Ukraine als auch
den im Nahen Osten einzufrieden, dann wird es zu einem Drama
kommen, dessen Ende niemand hat haben wollen, wenn der Vorhang
wieder fällt, und das gelebte Drama dann nur sprachlose Menschen zurücklassen
wird. Wie das zu vermeiden ist, das setzt nach der Sichtweise
von André Glucksmann voraus, dass es Europa tatsächlich gelingt,
sich künftig als die Schule des Friedens zu verstehen:
André Glucksmann:
Es sei denn, Europa ringt sich dazu durch, ohne in Tränen zu
zerfließen und ohne die Augen zu verschließen, sondern aus
Notwendigkeit und klarer Einsicht die Schule des Friedens auf
diesem Planeten zu sein
[En42].
So viel
Einsicht aber würde das Europa von heute überfordern, zumal an
der Eskalationsschraube kräftig gedreht wird, strikt dem Motto
der Postmoderne folgend, das da lautet: Schneller, größer,
weiter, besser ... überwältigender.
19
Schlusssätze
TOP
Der
Kognitionspsychologe Rainer
Mausfeld
spricht, diesen
woken Zeitgeist
meinend, von „Tiefenindoktrination“ und „reinem Wahnsinn“, von
dem sich nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur namhafte Politiker, sondern auch Teile der
Bevölkerung haben anstecken lassen, ohne die Politik und die
Medien zu hinterfragen, die nicht müde werden, diesen
todbringenden Zeitgeist
in die Gehirne der Menschen zu bringen.
Auch der
vor zwei Jahren verstorbene Schriftsteller Hans Magnus
Enzensberger hatte keine gute Meinung darüber, was den
Zeitgeist
betraf.
Magnus Enzensberger:
Etwas Bornierteres als den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die
Gegenwart kennt, muss verblöden
[En43].
Dem ist
zuzustimmen, denn einen oder auch zwei Siege um jeden Preis,
gemeint sind die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, kann
wirklich niemand ernsthaft in seiner gesamten Totalität wollen,
außer der Macht der Dummheit.
20 Quellen
TOP
Endnote_01 It’s
#identity politics, stupid!
https://geschichtedergegenwart.ch/its-identity-politics-stupid/
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Endnote_02
The Combahee River Collective Statement. 2. What We Believe:
Above all else, Our politics initially sprang from the shared
belief that Black women are inherently valuable, that our
liberation is a necessity not as an adjunct to somebody else’s
may because of our need as human persons for autonomy. This may
seem so obvious as to sound simplistic, but it is apparent that
no other ostensibly progressive movement has ever consIdered our
specific oppression as a priority or worked seriously for the
ending of that oppression. Merely naming the pejorative
stereotypes attributed to Black women (e.g. mammy, matriarch,
Sapphire, whore, bulldagger), let alone cataloguing the cruel,
often murderous, treatment we receive, Indicates how little
value has been placed upon our lives during four centuries of
bondage in the Western hemisphere. We realize that the only
people who care enough about us to work consistently for our
liberation are us. Our politics evolve from a healthy love for
ourselves, our sisters and our community which allows us to
continue our struggle and work. [...]. We believe that sexual
politics under patriarchy is as pervasive in Black women’s lives
as are the politics of class and race. We also often find it
difficult to separate race from class from sex oppression
because in our lives they are most often experienced
simultaneously. We know that there is such a thing as
racial-sexual oppression which is neither solely racial nor
solely sexual, e.g., the history of rape of Black women by white
men as a weapon of political repression. The Combahee River
Collective Statement.
http://circuitous.org/scraps/combahee.html
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Endnote_03 Franz
Fanon. Die Verdammten dieser Erde. Suhrkamp-Verlag 14. Auflage
2014, Seite 266 Zurück
Endnote_04 Ebd. Franz Fanon, Seite 15
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Endnote_05
Demokratie ohne Grenzen:
https://www.democracywithoutborders.org/de/7130/
ueber-die-notwendigkeit-einer-demokratischen-weltregierung/
Zurück
Endnote_06
Über Demokratie ohne Grenzen:
https://www.democracywithoutborders.org/de/ueberuns/
Zurück
Endnote_07
Auszug aus Viktor Orbáns Rede auf der 33. Jahresveranstaltung
der Sommeruniversität in Tusnádfürdö, Siebenbürgen (Rumänien)
27. Juli 2024.
https://www.achgut.com/artikel/die_augen_fuer_die_realitaet_geoeffnet
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Endnote_08
Antrag der AfD - Drucksache 20/6172.
https://dserver.bundestag.de/btd/20/061/2006172.pdf
Zurück
Endnote_09
Deutscher Bundestag: Europäische Union: 1. Lesung:
Oppositionsantrag zur Souveränität Deutschlands innerhalb der EU
beraten.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw13-de-souveraenitaet-deutschland-940486
Zurück
Endnote_10
FDP. Europa stärken. Mit klaren Regeln.
https://www.fdp.de/seite/europa-staerken-mit-klaren-regeln
Zurück
Endnote_11
Zur Zukunft Europas: Positionen der CDU/CSU-Gruppe zum Beginn
der Konferenz zur Zukunft Europas.
https://www.cducsu.eu/zukunft-europas
Zurück
Endnote_12 Bibel:
Einheitsübersetzung 2017:
https://www.bibleserver.com/de/verse/Epheser4,22
Zurück
Endnote_13
Friedrich Wilhelm Nietzsche: Also sprach Zarathustra – Ein Buch
für Alle und Keinen. Gutenberg Edition 16.
https://www.projekt-gutenberg.org/nietzsch/zara/als2003.html
Zurück
Endnote_14
Franz Fanon. Die Verdammten dieser Erde. Suhrkamp 14. Auflage
2024, Seite 267 Zurück
Endnote_15 Hanno Sauer: Moral - Die Erfindung
von Gut und Böse. Piper-Verlag. 5. Auflage 2023, Seite 285
Zurück
Endnote_16
Tagesspiegel.de vom 19.6.2024:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/fast-vier-jahre-nach-dem-
beschluss-umbenennung-der-mohrenstrasse-in-berlin-mitte-
verzogert-sich-weiter-11863142.html Zurück
Endnote_17
Profil.at vom 7.5.2023:Wirklich woke.
https://www.profil.at/meinung/wolf-lotter-wirklich-woke/402438768
Zurück
Endnote_18
CDS in München 2024:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/csd-muenchen-
2024-bilder-parade-lux.RCECTWr9RqZuLuv4jVxUfv
Zurück
Endnote_19
Berlin.de: Das offizielle Hauptstadtportal.
https://www.berlin.de/events/2096878-
2229501-csd-christopher-street-day.html
Zurück
Endnote_20
Halloherne.de: CSD RuhrPride demonstriert in Essen.
https://www.halloherne.de/artikel/csd-ruhrpride-
demonstriert-in-essen-69543 Zurück
Endnote_21 NDR.de
vom 3.8.2024: Zehntausende feiern beim Christopher Street Day in
Hamburg.
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Zehntausende-
feiern-beim-Christopher-Street-Day-in-Hamburg,csd1374.html
Zurück
Endnote_22
Hamburger Abendblatt vom 04.08.2024: CSD: 250.000 Menschen
setzen buntes Zeichen gegen Rechts.
https://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article406935686/csd-hamburg-2024-live-blog-news-8.html
Zurück
Endnote_23 TAZ.de
vom 6.10.2023; Party statt politische Versammlung: Zoff um CSD
in Dresden.
https://taz.de/Party-statt-politische-Versammlung/!5964804/
Zurück
Endnote_24
Juracademy.de vom 28.6.2013. Ist die „Love Parade“ eine
grundrechtlich geschützte Versammlung?
https://www.juracademy.de/rechtsprechung/article/ist-die-
love-parade-eine-grundrechtlich-geschuetzte-versammlung
Zurück
Endnote_25
IPSON-Studie in 30 Ländern:
https://www.ipsos.com/de-ch/der-kleinste-
teil-der-lgbt-bevolkerung-der-welt-liegt-bei-9
Zurück
Endnote_26 LSVD:
Was denkt Deutschland über Lesben, Schwule, bisexuelle, trans-
und intergeschlechtliche und weitere queere Menschen?
Einstellungen zu LSBTI, Homosexualität, Transgeschlechtlichkeit
und Regenbogenfamilien in Deutschland.
https://www.lsvd.de/de/ct/3168-Was-denkt-Deutschland-ueber-
Lesben-Schwule-bisexuelle-trans-und-intergeschlechtliche-
und-weitere-queere-Menschen Zurück
Endnote_27 Wer sich
in Deutschland als LGBTQA+ identifiziert.
https://de.statista.com/infografik/27440/anteil-der-befragten-
die-ihre-sexuelle-orientierung-wie-folgt-angeben-nach-geburtsjahr/
Zurück
Endnote_28
Paul Hazard: Die Herrschaft der Vernunft. Das europäische Denken
im 18. Jahrhundert. Hoffmann und Campe 1949, aus dem
Französischen übertragen von Harriet Wegener und Karl Linnebach,
Seite 496. Zurück
Endnote_29 Immanuel Kant: Was heißt Aufklärung.
https://www.projekt-gutenberg.org/kant/aufklae/aufkl001.html
Zurück
Endnote_30
Frank-Walter Steinmeier: „Wir Glückskinder in der Mitte
Europas“. Rede zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit in
Potsdam am 3. Oktober 2020.
https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/
201003-Wir-Glueckskinder-in-der-Mitte-Europas.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Zurück
Endnote_31
Paul Hazard. Die Herrschaft der Vernunft. Hoffmann und campe
Verlag 1949, Seite 39 Zurück
Endnote_32 Ebd. Paul Hazard, Seite 43
Zurück
Endnote_33
Ebd. Paul Hazard, Seite 55 Zurück
Endnote_34 Ebd.
Paul Hazard, Seite 70 Zurück
Endnote_35 Steffen Martus: Aufklärung –
Das deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild. Rowohlt Berlin
2015, Seite 204 Zurück
Endnote_36 Steffen Martus: Aufklärung – Das
deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild. Rowohlt Berlin 2015,
Seite 204 Zurück
Endnote_37 Erfolg gegen Cancel Culture an
Universitäten: Verwaltungsgericht Berlin verbietet Humboldt Uni
abschätzige Pressemitteilung über Biologin über Marie-Luise
Vollbrecht.
https://www.hoecker.eu/news/erfolg-gegen-cancel-culture-an-
universit%C3%A4ten-verwaltungsgericht-berlin-verbietet-
humboldt-uni-absch%C3%A4tzige-pressemitteilung-%C3%BCber-
biologin-marie-luise-vollbrecht Zurück
Endnote_38 Michel
Foucault: Was ist Aufklärung? Ethos der Moderne, Campus-Verlag,
Seiten 35 - 54.
https://www.wkv-stuttgart.de/uploads/media/foucault_aufkla__rung.pdf
Zurück
Endnote_39
Susan Neiman. Links # woke. Hanser-Verlag Berlin 2023, Seite
146/147 Zurück
Endnote_40
André Glucksmann. Philosophie der Abschreckung. DVA 1984, Seite
388 Zurück
Endnote_41
André Glucksmann. Krieg um den Frieden. DVA 1996, Seite 168
Zurück
Endnote_42
Ebd. André Glucksmann. Schlusssatz des Vorwortes der deutschen
Ausgabe, den André Glucksmann im Januar 1996 geschrieben hat.
Zurück
Endnote_43
Hermann Haarmann, Dem Zeitgeist auf der Spur. Ein Wegweiser
durch das Dickicht gegenwärtiger Theorien und Diskurse. B&S
Siebenhaarverlag 2024 Zurück
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