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Belehrungspflichten der Polizei

Inhaltsverzeichnis

01 Einleitung
02 Spontanäußerungen
03 Informatorische Befragung
04 Selbstbelastungsfreiheit
05 Stärke des Tatverdachts
06 Gefahrenabwehr und Belehrungspflichten
07 Belehrungspflichten nach Polizeirecht
08 Strafrechtliche Belehrungspflichten
09 OWi-Recht und Belehrungspflichten
10 Anhörung zur Sache
11 Belehrungen anlässlich strafprozessualer Maßnahmen bei OWi
12 Beweisverbote
13 Beweisverwertungsverbote und Polizei
14 Verhaltensempfehlung

01 Einleitung

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Während es in der Strafprozessordnung (StPO) eine Vielzahl von Belehrungspflichten gibt, sieht das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nur im Hinblick auf die verfahrensrechtlichen Rechte und Pflichten entsprechende Belehrungspflichten vor. Anders ausgedrückt: Im Verwaltungsverfahren erstreckt sich die Verpflichtung der Behörde, und somit auch die der für sie handelnden Amtswalter darauf, die erforderlichen Auskünfte (Belehrungen) zu erteilen, um Beteiligte in die Lage zu versetzen, ihre Rechte wahrnehmen zu können (Rechtsbehelfsbelehrung). Im Gegensatz zum VwVfG enthalten die Polizeigesetze (besonderes Verwaltungsrecht) weitaus mehr Belehrungspflichten. Dazu gleich mehr. Grund dafür ist, dass in einem demokratischen Rechtsstaat die Fairness zu den tragenden Elementen einer jeden rechtsstaatlichen Ordnung gehört. Der Beachtung von Belehrungspflichten durch einschreitende Polizeibeamte kommt deshalb allein schon aus diesem Grund ein besonderer Stellenwert zu. Unerheblich ist, ob es sich bei den polizeilichen Maßnahmen um Maßnahmen der Strafverfolgung, der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten oder um Maßnahmen der Gefahrenabwehr handelt. Immer dann, wenn staatliche Stellen eine Person auffordern, sich zu einer Sache oder zu Geschehensabläufen zu äußern, müssen diesen Aufforderungen in der Regel entsprechende Belehrungen vorausgegangen sein. Gleiches gilt auch für die Fälle, in denen Polizeibeamte Personen dazu auffordern, sich einem Alkoholvortest, einem Drogenschnelltest, einer Atemalkoholmessung oder einem Urintest zu unterziehen, denn solche Tests können nur mit dem Einverständnis davon betroffener Personen – also freiwillig – durchgeführt werden. Polizeibeamte sollten bestehenden Belehrungspflichten möglichst frühzeitig nachkommen. In den meisten Fällen lässt sich dadurch auch die Kommunikation beim Einschreiten verbessern.

Polizeiliche Belehrungspflichten: Nicht jede Frage, die ein Polizeibeamter stellt, löst zwangsläufig Belehrungspflichten aus. Im Bereich des Strafrechts gilt, dass Belehrungspflichten nicht bestehen, wenn Personen sich spontan, also ungefragt äußern oder Polizeibeamte so genannte informatorische Befragungen durchführen.

02 Spontanäußerungen

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Spontanäußerungen sind Äußerungen von Personen, die den Strafverfolgungsbehörden unaufgefordert Informationen mitteilen. Wird anlässlich solcher Spontanäußerungen offenkundig, dass sich eine Person selbst bezichtigt, hat eine Belehrung zu erfolgen, sobald sich dazu die Möglichkeit bietet. Die bis zur Belehrung gemachten Spontanäußerungen unterliegen jedoch keinem Verwertungsverbot. Das gilt auch für solche Fälle, in denen sich Personen selbst bezichtigen und sich dabei nicht unterbrechen lassen.

03 Informatorische Befragung

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Anlässlich so genannter informatorische Befragungen sind ebenfalls grundsätzlich keine Belehrungspflichten zu beachten, obwohl auch in solchen Fällen Polizeibeamte zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben tätig werden. Informatorische Befragungen sind dadurch gekennzeichnet, dass noch keine bestimmte Person verdächtigt wird. Vielmehr kommt es einschreitenden Polizeibeamten darauf an, einen allgemeinen Überblick über das Geschehen vor Ort zu bekommen, sich zum Beispiel nach dem Tatort zu erkundigen oder Passanten zu befragen, wer den Unfallhergang gesehen hat oder weiß, was am Einsatzort geschehen ist. Belehrungspflichten entstehen erst dann, wenn aufgrund eines hinreichend konkreten Anfangsverdachts gezielt gegen eine Person ermittelt wird, oder aber eine Person als Zeuge in Betracht kommt.

BGH 1992: Der Polizeibeamte, der am Tatort oder in seiner Umgebung Personen fragt, ob sie ein bestimmtes Geschehen beobachtet haben, vernimmt keine Beschuldigten, mag er auch hoffen, bei seiner Tätigkeit neben geeigneten Zeugen den Täter zu finden. Er braucht nicht den Hinweis nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO zu geben (...). Bedeutsam ist die Stärke des Tatverdachts, den der Polizeibeamte gegenüber dem Befragten hegt. Hierbei hat der Beamte einen Beurteilungsspielraum (...), den er freilich nicht mit dem Ziel missbrauchen darf, den Zeitpunkt der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglichst weit hinauszuschieben (...).

BGH Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91 – Rn. 26

Es ist davon auszugehen, dass bereits bei einem geringen Grad des Verdachts vor jeder Befragung eine Belehrung im Sinne von § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO erforderlich ist. Dasselbe gilt selbstverständlich auch, sobald eine Person vorläufig festgenommen worden ist, oder bei einer Person eine Wohnungsdurchsuchung vorgenommen werden soll.

04 Selbstbelastungsfreiheit

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Dieser im deutschen Strafrecht verankerte Grundsatz (Nemo tenetur) beinhaltet nicht nur das Recht, zu schweigen, er bietet darüber hinausgehend einem jedermann auch das Recht, die aktive Mitwirkung bei der Beweisführung gegen sich selbst zu verweigern.

BVerfG 2016: In der Literatur wird das Verbot des Selbstbezichtigungszwangs als eine (...) gebotene Wertentscheidung zugunsten des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten gewürdigt, hinter dem das Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit zurücktreten müsse; die Menschenwürde gebiete, dass der Beschuldigte frei darüber entscheiden könne, ob er als Werkzeug zur Überführung seiner selbst benutzt werde.

BVerfG, Beschluss vom 06.09.2016 - 2 BvR 890/16 - Rn. 19

Und in einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1992 heißt es zur gleichen Thematik:

BGH 1992: Das Gesetz, das in § 136 Abs. 1 Satz 2 und in § 243 Abs. 5 StPO den Vernehmenden verpflichtet, auf das Recht, nicht auszusagen, hinzuweisen, geht davon aus, dass ein solcher Hinweis zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten (...) notwendig ist, weil das Schweigerecht nicht allgemein bekannt ist (...). Deshalb sichert der Hinweis auf das Schweigerecht ein faires Verfahren (...). Durch das Unterbleiben des Hinweises wird der Zweck der Vorschrift vereitelt, die Rechtsausübung auf eine Alternative beschränkt, das Recht selbst verkürzt. Aus seiner Bedeutung folgt, dass ein Verfahrensverstoß von Gewicht vorliegt.

BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91 – Rn. 26

05 Stärke des Tatverdachts

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Hinsichtlich der Stärke des Tatverdachts heißt es in einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2004 wie folgt:

BGH 2004: Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (...). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird.

BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08 - Rn. 11

Hinsichtlich täglich vorkommender Verkehrskontrollen heißt es ergänzend dazu in einem Urteil des BayOLG aus dem Jahr 2003 wie folgt:

BayOLG 2003: Für Polizeibeamte bei einer Verkehrskontrolle entsteht eine Belehrungspflicht in dem Augenblick, in dem sie Alkoholgeruch wahrnehmen. In diesem Zeitpunkt besteht der starke Verdacht, dass der Kontrollierte sich nach § 316 StGB schuldig gemacht haben könnte. Spätestens vor Beantwortung der gezielten Frage des Beamten, ob der Angeklagte Alkohol getrunken hat und woher er kommt, muss der Beamte die Beschuldigtenbelehrung vornehmen, auch wenn erst nach Beantwortung der Frage für den Polizeibeamten jeglicher Zweifel an der Beschuldigteneigenschaft ausgeräumt ist.

BayOLG, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 2 ObOWi 219/03

Polizeibeamte, die anlässlich von allgemeinen Verkehrskontrollen Alkoholgeruch in einem Fahrzeug feststellen, diesen Geruch aber auf Anhieb keiner bestimmten Person zuordnen können, ist es erlaubt, den Fahrer zu fragen, ob er Alkohol getrunken hat. Alkoholgeruch im Pkw begründet für sich allein gesehen noch keine polizeiliche Belehrungspflicht.

BayOBLG 2003: Die erste Frage an einen im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehaltenen Kraftfahrer ist in aller Regel keine „Vernehmung“, sie dient üblicherweise lediglich der Vorinformation des Polizeibeamten. [...]. Eine »Vernehmung« liegt danach nur vor, wenn der Fragestellende der Auskunftsperson in amtlicher Eigenschaft entgegentritt, (...) und in dieser Eigenschaft Auskunft verlangt, wozu allerdings eine bloße informatorische Befragung nicht ausreicht.[...]. Die bloße Wahrnehmung von Alkoholgeruch im Auto [...] reicht für die Bejahung konkreter Anhaltspunkte im oben angesprochenen Sinne nicht aus. Alkoholgeruch im Auto kann durchaus auch andere Ursachen haben als eine die Grenzen des § 24a Abs. 1 StVG überschreitende Alkoholisierung des Fahrers.

BayObLG, Beschluss vom 21. 5. 2003 - 2 ObOWi 219/03

06 Gefahrenabwehr und Belehrungspflichten

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Belehrungspflichten, die von Polizeibeamten zu beachten sind, sind nicht nur im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Strafverfolgung und zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, sondern auch anlässlich von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bedeutsam. In den Polizeigesetzen hat der Gesetzgeber zu beachtende Belehrungspflichten weit gefasst, zugleich aber auch auf solche Fälle begrenzt, wie das zum Beispiel im § 9 Abs. 6 PolG NRW (Allgemeine Regeln, Befragung, Auskunftspflicht) zum Ausdruck gebracht wird und dort wie folgt umschrieben wird:

§ 9 Abs. 6 PolG NRW: (6) Werden durch Befragung Daten bei der betroffenen Person oder bei Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs erhoben, sind diese in geeigneter Weise über die Rechtsvorschriften für die Datenerhebung sowie entweder über die bestehende Auskunftspflicht oder über die Freiwilligkeit der Auskunft aufzuklären, es sei denn, dies ist wegen besonderer Umstände offenkundig nicht angemessen oder die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben wird hierdurch erheblich erschwert oder gefährdet.

07 Belehrungspflichten nach Polizeirecht

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Für Belehrungspflichten, die sich unmittelbar aus den Polizeigesetzen ergeben, verwendet der Gesetzgeber oftmals auch andere Bezeichnungen, wie zum Beispiel im Zusammenhang mit Befragungen „darüber aufzuklären“, oder im Zusammenhang mit einer polizeilichen Gewahrsamnahme „der Grund ist bekannt zu geben“, oder, im Zusammenhang mit Wohnungsdurchsuchungen „der Grund der Durchsuchung ist unverzüglich bekannt zu geben“.

08 Strafrechtliche Belehrungspflichten

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Die nachfolgende Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie beschränkt sich auf Belehrungspflichten, die für die Polizei im Zusammenhang mit strafprozessualen Maßnahmen bedeutsam sein können.

  • § 52 Abs. 3 StPO (Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten)

  • § 55 Abs. 2 StPO (Auskunftsverweigerungsrecht)

  • § 81f Abs. 1 StPO (Verfahren bei der molekulargenetischen Untersuchung)

  • § 81g Abs. 3 StPO (DNA-Identitätsfeststellung)

  • § 81h Abs. 4 StPO (DNA-Reihenuntersuchung)

  • § 98 Abs. 2 StPO (Verfahren bei der Beschlagnahme)

  • § 106 Abs. 2 (Hinzuziehung des Inhabers eines Durchsuchungsobjekts)

  • § 114a StPO (Aushändigung des Haftbefehls; Übersetzung)

  • § 114b Abs. 1 StPO (Belehrung des verhafteten Beschuldigten)

  • § 127b StPO (Vorläufige Festnahme und Haftbefehl bei beschleunigtem Verfahren)

  • § 136 Abs. 1 StPO (Vernehmung)

  • § 163 Abs. 6 StPO (Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren)

  • § 163a Abs. 4 StPO (Vernehmung des Beschuldigten)

  • § 163b Abs. 1 StPO (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung) durch Verweis auf § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO

  • § 163c Abs. 1 StPO (Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung) durch Verweis auf die §§ §§ 114a bis 114c gelten entsprechend.  

09 OWi-Recht und Belehrungspflichten

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Auch im Zusammenhang mit der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sind Belehrungspflichten zu beachten. Anlässe, die Belehrungspflichten auslösen, stellen sich insbesondere im Zusammenhang mit § 24a StVG (0,5 Promille-Grenze) in Bezug auf die Freiwilligkeit hinsichtlich der Durchführung von Vortests (Alkoholvortest, Drogenschnelltest). Aber auch bei der Verwarnung mit einem Verwarnungsgeld zur Ahndung geringfügiger Verkehrsordnungswidrigkeiten sind Belehrungspflichten zu beachten. Gleiches gilt auch für eine Anhörung zur Sache, im Sinne von § 55 OWiG (Anhörung des Betroffenen).

10 Anhörung zur Sache

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Bevor gegen einen Betroffenen ein Bußgeldbescheid erlassen wird, ist er zur Sache anzuhören. Dies folgt aus § 163a StPO (Vernehmung des Beschuldigten). Der Zweck der Anhörung besteht darin, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich zu dem Tatvorwurf äußern (verteidigen) zu können. Die Anhörung dient aber zugleich auch der Aufklärung des Sachverhalts. Deshalb können an den Betroffenen auch einzelne Fragen gerichtet werden, wenn er sich zur Sache insgesamt nicht äußern will. Voraussetzung für entsprechende Befragungen ist aber in jedem Fall, dass der Betroffene über das ihm zustehende Recht, nicht aussagen zu müssen, zuvor belehrt worden ist. Die Anhörung im Ordnungswidrigkeitenverfahren kann an Ort und Stelle erfolgen. Die nicht protokollierte mündliche Anhörung an Ort und Stelle reicht aus, um als Anhörung im Rechtssinne gewertet werden zu können. Will sich der Betroffene zur Sache nicht äußern, wird ihm ein Anhörbogen zugestellt, der dem Betroffenen die Gelegenheit bietet, sich schriftlich zum Tatvorwurf äußern zu können. Der Umfang der Belehrungspflicht ergibt sich unmittelbar aus § 55 OWiG (Anhörung des Betroffenen).

11 Belehrungen anlässlich strafprozessualer Maßnahmen bei OWi

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Da gemäß § 46 OWiG (Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren) im Bußgeldverfahren die Maßnahmen der StPO sinngemäß Anwendung finden, ergeben sich auch daraus unterschiedlichste Belehrungspflichten.

Folgende strafprozessuale Maßnahmen kommen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten in Betracht:

  • Körperliche Untersuchung/Blutprobe

  • Identitätsfeststellung

  • Beschlagnahme

  • Durchsuchung

  • Sicherheitsleistung.

Diese Maßnahmen lösen Belehrungspflichten aus, denen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nachkommen müssen.

12 Beweisverbote

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Beweisverbote hindern die Strafverfolgungsbehörden an der Erhebung und an der Verwertung von Beweisen. Solche Beweisverbote können auch Folge unterlassener Belehrungen sein.

OLG Bamberg 2018: Zwar zieht nicht jedes Verbot, einen Beweis zu erheben, ohne Weiteres auch ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. [...]. Ein Verwertungsverbot liegt jedoch stets dann nahe, wenn die verletzte Verfahrensvorschrift dazu bestimmt ist, die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren zu sichern. [...]. Daher führt es jedenfalls im Strafverfahren regelmäßig zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn die Grenzen des den Strafverfolgungsbehörden bei der Beurteilung der Beschuldigteneigenschaft eingeräumten Beurteilungsspielraums überschritten und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen werden. [...]. Allerdings ist unbestritten, dass ein Beweisverwertungsverbot dann nicht anzunehmen ist, wenn der Betroffene sein Schweigerecht auch ohne Belehrung gekannt hat (...).

OLG Bamberg, Beschluss vom 27.08.2018 - 2 Ss OWi 973/18 - Rn. 6a

13 Beweisverwertungsverbote und Polizei

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Beweisverwertungsverbote sind in der Regel nur dann zu erwarten, wenn eine Polizeibeamtin oder ein Polizeibeamter willkürlich handelt, sich sozusagen um geltendes Recht gar nicht kümmert. Eine solche fehlgeleitete „Berufseinstellung“ kann aber nicht einfach unterstellt werden. Wie bereits festgestellt, setzt nicht jede Frage, die Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte in ihrer dienstlichen Eigenschaft stellen, die Einhaltung von Belehrungspflichten voraus. Im Zusammenhang mit förmlich durchgeführten Beschuldigtenvernehmungen ist die Rechtslage jedoch eindeutig. Hier sieht die StPO grundsätzlich zwingend einzuhaltende Belehrungspflichten vor, siehe
§ 136 Abs. 1 StPO (Vernehmung) und § 163a Abs. 4 StPO (Vernehmung des Beschuldigten). In den Leitsätzen eines BGH-Beschlusses aus dem Jahr 1992 heißt es dazu wie folgt:

BGH 1992: „1. Ist der Vernehmung des Beschuldigten durch einen Beamten des Polizeidienstes nicht der Hinweis vorausgegangen, dass es dem Beschuldigten freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 163a Abs. 4 S. 2 StPO), so dürfen Äußerungen, die der Beschuldigte in dieser Vernehmung gemacht hat, nicht verwertet werden (...).

2. Dies gilt nicht, wenn feststeht, dass der Beschuldigte sein Recht zu schweigen ohne Belehrung gekannt hat, oder wenn der verteidigte Angeklagte in der Hauptverhandlung ausdrücklich der Verwertung zugestimmt oder ihr nicht bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt, widersprochen hat. Dem verteidigten Angeklagten steht ein Angeklagter gleich, der vom Vorsitzenden über die Möglichkeit des Widerspruchs unterrichtet worden ist.“

BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91 – Leitsätze 1 und 2

Ein Verwertungsverbot ist auch dann anzunehmen, wenn der Gegenstand der Vernehmung entgegen den Anforderungen des § 163a Abs. 4 S. 1 StPO unzureichend konkretisiert wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Beschuldigte bei vollständiger Kenntnis des Tatvorwurfs nicht geäußert hätte. Nach h. M. greift ein Verwertungsverbot nicht, wenn der Beschuldigte seine Rechte kannte.

14 Verhaltensempfehlung

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Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sollten beim Einschreiten sich stets darüber im Klaren sein, dass regelkonformes Verhalten und erklärende Transparenz für professionelles polizeiliches Einschreiten unverzichtbar sind. Auch wenn heute die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten beklagt wird, sollten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten dennoch, wann immer das möglich ist, ihren jeweiligen polizeilichen Gegenüber im Rahmen der Möglichkeiten davon in Kenntnis setzen, was ihm vorgeworfen wird, welche Rechte er hat, was sein Einverständnis voraussetzt, was er dulden muss und womit er oder sie rechnen musst, wenn sich die belehrte Person weigert, rechtmäßig ergangene Maßnahmen zu dulden. Dass solch eine Kommunikation nicht möglich ist, wenn Polizeibeamte angegriffen werden, liegt in der Natur der Sache. In solchen Fällen haben Polizeibeamte Wichtigeres zu tun, als Belehrungen auszusprechen. Wie dem auch immer sei: Auch die Androhung von Zwang ist eine Belehrung im Hinblick auf zu erwartende Folgen. Formale Belehrungen im Rechtssinne sind in solchen Fällen nachzuholen, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen geschaffen wurden.

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