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Ehrenhafte Ernte
Oder:
Was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet.

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Kapitel 2
Die Agenda 2030 und andere schöne Worte

01 Worte reichen nicht mehr aus
02 Die 5 Schlüsselwörter der Agenda 2030
03 Die Nachhaltigkeitsstrategie 2021
04 Die Kosten der Transformation
05 Die Energieeffizienzstrategie 2050
06 Sie wissen nicht, was EMAS ist?
07 Die „Big-Push-Forderung“ der Weltbank 2023
08 Zusammenfassung

01 Worte reichen nicht mehr aus
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Zu dem Zeitpunkt, als die oben genannten „Strategiepapiere“ konzipiert wurden, war eigentlich schon seit Jahrzehnten bekannt, dass sofortiges Handeln erforderlich ist, um den von Menschen gemachten Klimawandel zumindest noch begrenzen zu können.

Beginnen möchte ich mit den schönen Worten der im September 2015 von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedeten Agenda 2030. Bei dieser Agenda (To-do-Liste, Liste zu erledigender Aufgaben), handelt es sich um eine Absichtserklärung.

Anders ausgedrückt: Um eine freiwillige Selbstverpflichtung ohne Rechtsgültigkeit.

Dennoch: Die Agenda 2030 kann durchaus als ein Fahrplan in die Zukunft verstanden werden.

Sie enthält 17 Ziele, deren vorrangiges Ziel darin besteht, den Menschen weltweit nicht nur ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, sondern auch in einer ausgewogenen Art und Weise in einer nachhaltigen Entwicklung dafür Sorge tragen zu können, dass dabei die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen in einer ausgewogenen Balance zueinanderstehen. Diese Ziele, in der Agenda als „Sustainable Development Goals (SDGs)“ bezeichnet, sollen bis 2030 global und von allen UNO-Mitgliedstaaten erreicht werden.

Das heißt, dass alle Staaten gleichermaßen aufgefordert sind, die drohende Klimakatastrophe doch noch irgendwie abzuwenden, denn eine Rückkehr in den Systemzustand, den wir als Holozän bezeichnen, und in dem sich die gesamte menschliche Zivilisationsgeschichte bisher abgespielt hat, war schon vor mehr als 70 Jahren nicht mehr möglich. Dummerweise ist aber unsere gesamte Welt, nicht nur die in den Industriestaaten, an die Bedingungen des Holozäns nicht nur gewöhnt, sondern auch daran angepasst. Spätestens seit Günther Anders, einem der Vordenker der Antiatomkraft-Bewegung wissen wir, dass der Mensch mehr kann, als er zu verantworten in der Lage ist. In dem zweiten Band seines Buches „Die Antiquiertheit des Menschen – Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution“ heißt es:

Es genügt nicht, die Welt zu verändern. Das tun wir ohnehin. Und weitgehend geschieht das sogar ohne unser Zutun. Wir haben diese Veränderungen aber zu interpretieren. Und zwar, um dies zu verändern. Damit sich die Welt nicht weiter ohne uns verändere. Und nicht schließlich eine Welt ohne uns wird.

Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen, Band 2. C. H. Beck , erstmalig erschienen 1956.

Heute leben wir im „Anthropozän“, einem neuen geologischen Zeitalter, das von dem Atmosphärentechniker und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen im Jahr 2000 wissenschaftsfähig gemacht wurde und in dem die Menschheit dazu in der Lage ist, dem Holozän sozusagen den Garaus zu machen, denn der Einfluss des Menschen auf das Erdsystem hat eine Situation entstehen lassen, in der deutlich wird, dass es der Mensch selbst ist, der entweder seinen Lebensraum zerstört, wenn er so weitermacht wie bisher, oder aber seiner Verantwortung für sich selbst und für die Zukunft des Planeten Erde gerecht wird, indem er Fehlentwicklungen möglichst sofort zumindest zu begrenzen versucht.

Was heißt das für das hier zu erörternde Thema? Erfolgreiche Klimapolitik ist nicht einfach nur eine Emissionsreduktion, sondern erfordert sozusagen eine sofortige Verhaltensänderung, denn auch ein Schritt in die richtige Richtung ist als ein falscher Schritt anzusehen, wenn er zu langsam gemacht wird.

Anders ausgedrückt: Wir müssen viel, viel schneller gehen, um den ansonsten die Menschheit bedrohenden Schaden noch von uns und von vielen anderen Arten, abwenden zu können.

Mit anderen Worten: Wir alle müssen unsere Gewohnheiten ändern. Wie aber soll das möglich sein, denn mindestens drei Generationen in den westlichen Gesellschaften erlebten die vergangenen Jahrzehnte als „verlässliche Normalität“.

 Ausgerechnet diese Zeit ist aber in Wahrheit die Zeit der außergewöhnlichsten Veränderungen der menschlichen Umwelt, die, was noch zur Sprache kommen wird, auch durch eine klimaneutrale und Nachhaltigkeit produzierende Technik nicht rückgängig gemacht werden kann. Dafür, wie bereits vorgeschlagen, Mondstaub zu verwenden grenzt zumindest meiner Überzeugung nach an wissenschaftlichen Aberglauben.

Wie dem auch immer sei. Theoretiker des Anthropozäns – des von Menschen geprägten Erdzeitalters – auch als „Great Acceleration“ bezeichnet, ist eine Zeit der großen Beschleunigung, deren Anfang auf die Mitte des 20. Jahrhunderts zurückgeführt werden kann. In dieser Zeit fallen nicht nur extreme Steigerungen im Energieverbrauch, im Wasserverbrauch und im Düngereinsatz an, weit darüber hinausgehend kommt es auch in den Jahrzehnten nach 1950 zu einer das Weltklima bedrohenden Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlendioxid, Methan und Lachgas sowie einer Anreicherung von Stickstoff in den Gewässern und zu einer Versauerung der Ozeane, einschließlich der sich bereits dort angesammelten Müllberge.

Dass sich die Dürreperioden, die Waldbrände und Flutkatastrophen von bisher nicht gekanntem Ausmaß in immer kürzeren Intervallen ereignen, darauf sei an dieser Stelle nur hingewiesen. Zurzeit stehen große Teile im Norden Italiens in der Region Emilia-Romagna unter Wasser. Nach einer langen Dürrezeit fielen dort innerhalb von 36 Stunden bis zu 50 Zentimeter Regen – das ist rund die Hälfte der jährlichen Menge. Allein in Bologna und Ravenna mussten 8000 Menschen ihr Zuhause verlassen. 50.000 Einwohner der Katastrophenregion waren ohne Strom, Dutzende Städte und Gemeinden überschwemmt und in zahlreichen Orten kam es zu Erdrutschen. Der wirtschaftliche Schaden wird auf Milliarden geschätzt.

Etwa zeitgleich haben in Alberta (Kanada) die seit Anfang Mai wütenden Waldbrände bereits mehr als eine halbe Million Hektar Wald und Grasland niedergebrannt. Angesichts der sich weiter ausbreitenden Waldbrände hat Kanada am 18. Mai 2023 einen internationalen Hilferuf gestartet. Er richtet sich unter anderem an die USA und Mexiko. Tausende Feuerwehrleute kämpfen gegen Flammen in inzwischen vier Provinzen. An die verheerenden Waldbrände in Spanien, ein paar Tage zuvor, erinnern sich heute wohl nur noch die davon betroffenen Menschen. Genauso dürfte es den Menschen gehen, die im Erfttal im Juli 2021 eine so in Deutschland nicht bekannte Hochwasserkatastrophe erleben mussten.

Wie dem auch immer sei: Obwohl die Zeit drängt, werden hunderte von Seiten Strategiepapiere mit Worten und gut klingenden Sätzen gefüllt, in denen Zukunftsziele formuliert werden, die 2030, 2035 oder gar erst 2050 erreicht sein sollen. Die oben skizzierte Beschleunigung lässt sich allein durch hochgesteckte Ziele nicht aufhalten.

02 Die 5 Schlüsselwörter der Agenda 2030
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Die fünf Kernbotschaften der Agenda 2030 umfassen fünf Schlüsselwörter:

  • Peopl

  • Planet

  • Prosperity (Wohlstand)

  • Peace

  • Partnership.

Diese 5 Wörter sind sozusagen die Schlüsselwörter der Agenda 2030, deren 17 Ziele zuzuordnen sind, die auf der Website des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) wie folgt aufgelistet werden:

  • Keine Armut

  • Kein Hunger

  • Gesundheit und Wohlergehen

  • Hochwertige Bildung

  • Geschlechtergleichheit

  • Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen

  • Bezahlbare saubere Energie

  • Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

  • Industrie: Innovationen und Infrastruktur

  • Weniger Ungleichheiten

  • Nachhaltige Städte und Gemeinden

  • Nachhaltiger Konsum und Produktion

  • Maßnahmen zum Klimaschutz

  • Leben unter Wasser

  • Leben an Land

  • Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen

  • Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Was die Bundesregierung untrer den 17 Zielen versteht, möchte ich nur an zwei Beispielen aufzeigen:

Ziel 13
Maßnahmen zum Klimaschutz

  • Den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, globale Treibhausgas-Neutralität zur Jahrhundertmitte erreichen

  • Die politischen Rahmenbedingungen in Schwellen- und Entwicklungsländern für den Klimaschutz verbessern

  • Den Privatsektor für den globalen Klimaschutz mobilisieren

  • Privates Engagement für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung in unseren Partnerländern mobilisieren.

Ziel 15
Leben an Land

  • Intakte Landökosysteme und ihre Leistungen erhalten, wiederherstellen und nachhaltig nutzen

  • Verschlechterung natürlicher Lebensräume und Biodiversitätsverlust verringern
    Gute Umweltgesetzgebung effektiv durchsetzen

  • Entwaldung beenden und Wald nachhaltig bewirtschaften und wiederherstellen
    Wüstenbildung bekämpfen und geschädigte Flächen und Böden wiederherstellen

Um die Agenda 2030 der Bundesregierung in Gänze einsehen zu können, reicht es aus, folgende Wörter in die Suchzeile einer Suchmaschine einzugeben:

BMZ: Agenda 2030

Ein neues Verständnis von Wohlstand und Entwicklung gilt es zu realisieren, so zumindest ließe sich die Agenda 2030 in einem Satz zusammenfassen. Dies gilt auch für die Schwächsten und Verwundbarsten, denn niemand soll zurückzulassen werden („leave no one behind“).

03 Die Nachhaltigkeitsstrategie 2021
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Fünf Jahre später wurden die politischen Bemühungen, mit der in Deutschland die Agenda 2030 umgesetzt werden soll, in einer „Weiterentwicklung der deutschen Nahhaltigkeitsstrategie“ konkretisiert. Im Vorwort dieses 391 Seiten umfassenden Strategiepapiers, das noch von der Altbundeskanzlerin Angela Merkel unterschrieben hat, heißt es:

Alle Staaten sind aufgerufen, schneller und ehrgeiziger bei der Agenda-Umsetzung vorzugehen. Deshalb will die deutsche Bundesregierung mit der im März 2021 beschlossenen Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit auf das Tempo drücken – hierzulande wie auch in der internationalen Zusammenarbeit.

An anderer Stelle:

Um die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der Agenda 2030 zu erreichen, müssen wir den Weg einer wirklich anspruchsvollen Transformation gehen, der wichtige Bereiche wie Energie, Kreislaufwirtschaft, Wohnen, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft umfasst. In Deutschland wollen wir mit der Weiterentwicklung unserer Nachhaltigkeitsstrategie und insbesondere mit Bildung, Forschung und Innovationen den Transformationsprozess voranbringen.“

Um die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie in Gänze einsehen zu können, reicht es aus, folgende Wörter in die Suchzeile einer Suchmaschine einzugeben:

Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021

04 Die Kosten der Transformation
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Ob es sich bei dieser vorgenommenen Transformation tatsächlich um eine nachhaltige Umgestaltung des Wirtschafts- und Finanzsystems handelt, die es dem Kapitalismus von heute ermöglicht, sich so weiter zu entwickeln, wie das bisher der Fall gewesen ist, diese Frage soll hier zuerst einmal zurückgestellt werden, zumal bereits heute viele davon ausgehen, dass es sich bei dem Kapitalismus von heute um ein Auslaufmodell handelt.

An dieser Stelle soll es zuerst einmal nur um die Kosten gehen, denn das Wort Kosten gehört - wegen seiner Häufigkeit im Text der Nachhaltigkeitsstrategie - wohl zu den Schlüsselwörtern der Weiterentwicklung umweltschonender Transformationen.

Im Folgenden habe ich mich bei der Auswahl an Textstellen aus dieser Nachhaltigkeitsstrategie orientiert, die im hier zu erörternden Sachzusammenhang von Bedeutung sind:

Bezugnehmend auf das Erneuerbare-Energien-Gesetzt 2021 (EEG) heißt es:

EEG 2021: Der weitere stetige, kosteneffiziente und netzverträgliche Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein entscheidender Baustein, um die Klimaziele zu erreichen. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021 (EEG 2021) ist das Ziel verankert, dass der gesamte in Deutschland erzeugte oder verbrauchte Strom vor dem Jahr 2050 treibhausgasneutral sein soll. Zudem werden die Ausbaupfade für die einzelnen Technologien so festgelegt, dass der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 65 % steigt.

An anderer Stelle:

Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie: Im Industriesektor müssen perspektivisch auch produktionsbedingte Treibhausgasemissionen reduziert und vermieden werden. Die Bundesregierung hat hierzu eine Reihe von Programmen aufgelegt. Dazu gehören das Förderprogramm „Dekarbonisierung in der Industrie“, mit dem seit 2019 mit rund 2 Milliarden Euro z. B. der Einsatz von grünem Wasserstoff statt Kohle bei der Stahlherstellung gefördert wird, das Pilotprogramm für Klimaschutzverträge (Differenzverträge, Carbon Contracts for Difference), um höhere Betriebskosten abzufedern, oder das im April 2020 gestartete Technologie-transfer-Programm Leichtbau. Geplant ist zudem ein Förderprogramm zum Einsatz von Wasserstoff in der Industrie sowie ein weiteres Programm zur Vermeidung und Nutzung von CO2 in der energieintensiven Grundstoffindustrie mittels CCU/CCS-Technologie.

Persönliche Anmerkung: Der Verweis auf die CCU/CCS-Technologie wird für den Normalbürger, und dazu zähle ich mich natürlich auch, nicht dadurch verständlicher wird, indem ich bei Wikipedia den Versuch unternommen habe, in diese Akronyme zumindest für mich etwas Helligkeit zu bringen.

Dort steht:

Carbon Capture and Utilization (zu deutsch: CO2-Abscheidung und Verwendung, abgekürzt CCU), auch Carbon Dioxide Utilization (CDU; zu deutsch: CO2-Nutzung), bezeichnet die Abscheidung von Kohlenstoffdioxid (CO2) insbesondere aus Verbrennungs-Abgasen und dessen angeschlossene Verwendung bei weiteren chemischen Prozessen. Ein alternativer, selten verwendeter Begriff ist Carbon Capture and Recycling (CCR).

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Grüner Wasserstoff: Der Nutzung von Wasserstoff kommt eine zentrale Rolle als Alternative zu fossilen Energie- und Rohstoffquellen zu. Aus Sicht der Bundesregierung ist nur Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde („grüner“ Wasserstoff), auf Dauer nachhaltig. Die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung ist der Startschuss für die Entwicklung eines Markts für Wasserstoff und Wasserstofftechnologien. Die Bundesregierung schafft damit einen Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung und Weiterverwendung von Wasserstoff.

Hinweis: Welche Umweltschäden bei der Herstellung Grünen Wasserstoffs zu erwarten sind, dazu findet sich in dem Strategiepapier kein Wort. An dieser Stelle würde es aber auch zu weit führen, das Thema bereits an dieser Stelle zu erörtern, denn das Zauberwort „Grüner Wasserstoff“ ist so systemrelevant, weil so umweltschädlich, dass die Auseinandersetzung mit diesem Thema ein eigenes Kapitel erfordert.

Zurück zum Strategiepapier:

Die Bundesregierung wird die beschlossenen Maßnahmen konsequent umsetzen und darauf achten, dass diese sozialverträglich ausgestaltet und insbesondere finanzschwache Haushalte nicht übermäßig belastet werden. Energieeffizienz trägt auch zu Wachstum und Wohlstand in Deutschland bei, sei es durch entsprechende Energiekosteneinsparungen bei privaten und industriellen Verbrauchern, sei es durch die damit verbundenen Investitionen und die Entwicklung besonders energieeffizienter Produkte und Verfahrensweisen. Deswegen hat die Bundesregierung eine Energieeffizienzstrategie 2050 vorgelegt.

05 Die Energieeffizienzstrategie 2050
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Hinsichtlich der Energieeffizienzstrategie 2050 heißt es auf der Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz wie folgt:

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, die deutsche Wirtschaft weltweit zur energieeffizientesten Volkswirtschaft zu formen und bis 2050 den Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 zu halbieren. Denn nur durch eine kontinuierliche Steigerung der Energieeffizienz können Energiewende und Klimaschutz wirksam und kosteneffizient umgesetzt werden.

Hinweis: Wurden 2008 14.300 Petajoule an Primärenergien in Deutschland verbraucht, dürften das 2050 nach meiner Rechnung dann nur noch 7.150 Petajoule sein.

Sie wissen nicht, was ein Petajoule ist?

Peta (P): Präfix für 1 Billiarde = 1.000.000.000.000.000 = 1015 Joul

Diese Größe mal 11.769 Petajoule, das entspricht dem Primärenergieverbrauch in Deutschland im Jahr 2022.

Statistik des Bundesumweltamtes zum Primärenergieverbrauch

Die Energieeffizienzstrategie 2050 stellt die Weichen für eine gestärkte Energieeffizienzpolitik und leistet zugleich den deutschen Beitrag zur Erreichung des EU-Energieeffizienzziels (mindestens 32,5 Prozent weniger Primär- und Endenergieverbrauch bis 2030). Die Strategie legt ein neues Energieeffizienzziel 2030 fest, bündelt die dafür notwendigen Maßnahmen der Bundesregierung in einem neuen "Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE 2.0)" und enthält Festlegungen für die Ausgestaltung eines Dialogprozesses „Roadmap Energieeffizienz 2050“.

Nur zur Klarstellung: Die Energieeffizienzstrategie stammt aus dem Jahr 2019 und wurde von der damaligen großen Koalition von CDU und SPD erarbeitet.

Im Vorwort der Energieeffizientstrategie 2050 heißt es:

Mit der Energieeffizienzstrategie werden weitere Effizienzmaßnahmen vorgelegt, die der Wirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen, Investitionsentscheidungen zur Stärkung der Energieeffizienz zu treffen. Beispielhaft ist hier die Weiterentwicklung der Energieeffizienznetzwerke genannt, wo Unternehmen ihre erfolgreichen Ansätze zur Steigerung der Energieeffizienz untereinander austauschen.
Die starke Betonung der Energieeffizienz im Klimaschutzprogramm und in der Energieeffizienzstrategie ist nicht nur vernünftig, sondern schlicht notwendig. Nur wenn es uns gelingt, neben einem ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien auch die Energieeffizienz in allen Sektoren massiv voranzutreiben, sind wir in der Lage, unsere Klimaziele zu erreichen.

Peter Altmaier
Ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Energie

In der Einleitung der Energieeffizientstrategie 2050 heißt es:

Energieeffizient zu sein bedeutet, auch bei steigender Wertschöpfung weniger Energie zu verbrauchen und zu bezahlen, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger produzieren zu können, behaglich und kostengünstig zu wohnen, die Energieinfrastrukturen kosteneffizient und energiewendetauglich weiterzuentwickeln, weniger Energie importieren zu müssen, erneuerbare Energien besser integrieren zu können. In einfachen Worten: Die deutsche Volkswirtschaft ist umso wettbewerbs- und zukunftsfähiger, je energieeffizienter sie ist.

Genug der schönen Worte.

Bitte erinnern Sie sich an diese wohlgesetzten Worte, wenn ich im weiteren Verlauf dieses Essays versuche, die Realität zu beschreiben.

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Dort heißt es:


Aktivitäten der Bundesregierung im Indikatorenbereich EMAS dient dazu, über die gesetzlichen Vorgaben hinaus einen freiwilligen Beitrag zum betrieblichen Umweltschutz zu leisten, dabei gleichzeitig den Einsatz von Ressourcen zu optimieren, Kosten einzusparen, die Reputation des eigenen Unternehmens in der Öffentlichkeit und bei Auftraggebern zu verbessern. Außerdem dient es dazu, die Motivation der eigenen Mitarbeiter zu steigern und neue Marktchancen und Innovationsmöglichkeiten zu erschließen. EMAS ist heute fester Bestandteil und Markenzeichen für eine ökonomisch effiziente, nachhaltige und umweltorientierte, auf Krisenfestigkeit ausgerichtete Unternehmensführung sowie Ausdruck hoher unternehmerischer Eigenverantwortung. Es leistet damit auf Unternehmensebene einen Beitrag zu dem Ziel der Bundesregierung, Deutschland zu einer der effizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften weltweit werden zu lassen und nachhaltige Produktionsweisen in Deutschland und darüber hinaus zu fördern.

Um die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021 in Gänze einsehen zu können, reicht es aus, folgende Wörter in die Suchzeile einer Suchmaschine einzugeben:

Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021

06 Sie wissen nicht, was EMAS ist?
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Ich musste auch erst Google befragen, um mir darunter überhaupt etwas vorstellen zu können. Hier die Kurzfassung meiner Recherche. Bei dem Akronym handelt es sich um ein ressourcensparendes Umweltmanagement.

Auf der Website von EMAS (Geprüftes Umweltmanagement) heißt es:

Umwelt nachhaltig nutzen, Effizienz steigern – EMAS, das Gütesiegel der EU

Wirtschaft und Umwelt müssen Hand in Hand gehen – und das können sie auch. Mit dem europäischen Umweltmanagementsystem EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) sind Unternehmen in der Lage, Ressourcen intelligent einzusparen. Aber EMAS kann noch viel mehr: EMAS-geprüfte Organisationen leisten einen wirksamen Beitrag zum Umweltschutz, sparen Kosten ein und zeigen gesellschaftliche Verantwortung. EMAS stellt sicher, dass alle Umweltaspekte von Energieverbrauch bis zu Abfall und Emissionen rechtssicher und transparent umgesetzt werden.

Als freiwilliges Instrument der Europäischen Union

  • ist EMAS für alle Branchen und Betriebsgrößen offen,

  • deckt alle Anforderungen der DIN EN ISO 14001 ab und

  • ist weltweit anwendbar

An anderer Stelle:

Die Überwachung des EMAS-Systems ist gesetzlich geregelt und durch staatliche und nicht staatliche Stellen mehrfach abgesichert. Das macht EMAS zu einem zuverlässigen und glaubwürdigen Garanten für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. Um EMAS in Deutschland wirksam durchführen zu können, wurde 1995 das Umweltauditgesetz (UAG) erlassen und 2011 an EMAS III angepasst. Darin werden u.a. die Zulassung und Aufsicht der Umweltgutachter sowie die Registrierung der Organisationen geregelt.

Wer diese schönen Worte liest und an deren Nachhaltigkeit glaubt, der kann sich getrost zurücklehnen, um dann, wenn er auf eine Blockade der „Letzten Generation“ trifft, die Festgeklebten dahingehend zu belehren, dass die Zukunft des Klimas sich bereits heute in besten Händen befindet und wirklich niemand Angst vor der Zukunft zu haben braucht, denn die da oben wissen, was für uns, also für uns alle, wirklich gut ist.

07 Die „Big-Push-Forderung“ der Weltbank 2023
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Was die Weltbank unter einer „Großen Transformation des Wirtschaftssystems“ versteht und wie teuer diese Transformation werden wird, dazu hat die Weltbank 2023 einen von namhaften Wissenschaftlern erstellten Bericht unter der Überschrift „The Big Push for Transformation through Climate and Development: Recommendations of the High-Level Advisory Group on Sustainable and Inclusive Recovery and Growth“ veröffentlicht.

Ich würde diese Überschrift dieses Berichts wie folgt ins Deutsche übersetzen:

Ein Alarmruf, die Märkte zu transformieren.
Herausforderung und Verpflichtung für eine nachhaltige und integrative Genesung von Klima und Wachstum Sorge zu tragen

Im Vorwort dieses Berichtes heißt es:

Die Weltbankgruppe übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, Zuverlässigkeit oder Vollständigkeit der in dieser Arbeit enthaltenen Inhalte oder der hierin beschriebenen Schlussfolgerungen oder Urteile und übernimmt keine Verantwortung oder Haftung für etwaige Auslassungen oder Fehler im Inhalt jeglicher Art oder für das Vertrauen darauf. [...]. Der Inhalt dieser Arbeit dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Rechts-, Wertpapier- oder Anlageberatung, eine Meinung über die Angemessenheit einer Investition oder eine Aufforderung jeglicher Art dar.

Dieser Bericht plädiert für einen großen Investitionsschub für die nachhaltige Erholung und Entwicklung der EMDEs, bewertet das Ausmaß und die Zusammensetzung solcher Investitionen, stellt die für eine Energiewende erforderlichen Maßnahmen vor und untersucht die Rolle, die Innovationen und staatliche Kapazitäten bei der Erleichterung des GRID spielen können, und schlägt Maßnahmen vor, die Regierungen, der Privatsektor, multilaterale Entwicklungsbanken, der IWF und Geber ergreifen können, um Finanzmittel im erforderlichen Umfang zu mobilisieren.

EMDEs: Emerging markets and developing economies. Gemeint sind die Schwellen- und die Entwicklungsländer.

GRID: Green, resilient, and inclusive development (grüne, belastbare und integrative Entwicklung).

Es ist ein großer und dringender Investitionsschub erforderlich, aber die Investitionen müssen belastbar und transformativ und nicht inkrementell [also nicht Schritt für Schritt bzw. stufenweise =AR] sein.

Unter den wichtigsten Systemtransformationen ist Energie von entscheidender Bedeutung, wobei Energiezugang, Erschwinglichkeit und Sicherheit wichtige Überlegungen für die Umsetzung einer gerechten Energiewende sind, die den Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen entspricht.

Anpassungs- und Resilienzmaßnahmen müssen Investitionen in den Klimaschutz ergänzen, um auf die wachsende Anfälligkeit für den Klimawandel zu reagieren.

Der Ausgangspunkt für den erforderlichen erheblichen Investitionsschub muss eine starke Führung des Landes und koordiniertes Handeln sein.

Die Realisierung der erforderlichen Investitionen in menschliches, physisches, natürliches und soziales Kapital erfordert ein förderliches Umfeld mit einem starken Schwerpunkt auf Entwicklung und Nachhaltigkeit.

Angesichts der Dringlichkeit des Handelns bieten Koordinierungsmechanismen zur Unterstützung von Investitions- und Transformationsstrategien in prioritären Sektoren eine vielversprechende Möglichkeit, Impulse zu setzen.

Damit die oben beschriebenen Investitionen und der Strukturwandel stattfinden können, benötigen EMDEs zusätzliche Finanzierungen in Billionen- und nicht in Milliardenhöhe.

Hinweis: Der Zahlenname Billion steht im deutschsprachigen und kontinentaleuropäischen Sprachgebrauch für die Zahl 1000 Milliarden oder 1.000.000.000.000 =1015, im Dezimalsystem also für eine 1 mit 12 Nullen.

Aufgrund der unterschiedlichen Arten der erforderlichen Investitionen werden unterschiedliche Finanzierungsquellen benötigt.

Die konzessionäre Finanzierung öffentlicher Güter in MICs muss zusätzlich erfolgen und darf nicht zu Lasten des enormen Bedarfs der LICs gehen.

Konzessionäre Finanzierung: Diese Finanzierung von Projekten in Ländern mit mittleren Einkommen setzt die Einwilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Zustimmung, Absegnung sowie die erteilte Vollmacht der Geldgeber voraus, die nicht zu Lasten von Ländern mit niedrigem Einkommen verwendet werden dürfen.

Eine unmittelbare Herausforderung besteht darin, Schuldenanfälligkeiten anzugehen und die Kapitalkosten für neue Investitionen in EMDEs zu senken.

Es bestehen ein großes Potenzial, eine große Chance und ein großer Bedarf für eine deutliche Steigerung privater Investitionen und Finanzierungen.

Um das Risiko privater Investitionen zu verringern, werden auch konzessionäre Finanzierungen in großem Umfang erforderlich sein.

Konzessionäre Kredite: Die sind seit Jahrzehnten ein wichtiges Element der internationalen Hilfe an die Entwicklungsländer - wobei die ärmsten Länder oft einen Zinssatz von 1 % oder weniger und Laufzeiten von über 30 Jahren erhielten. Trotz dieser günstigen Bedingungen haben viele arme Länder immer größere Schwierigkeiten, den Schuldendienst zu leisten, hauptsächlich weil ihr Wachstum nicht so schnell war wie erhofft.

Die Frage, die sich somit stellt, lautet: Wer will den Entwicklungsländern Kapital in großem Umfang zur Verfügung stellen, da die bereits alle sozusagen bis an den Hals verschuldet sind?

Übrigens: Von einem Schuldenschnitt hält die Weltbank nichts, denn das wäre systemunvereinbar.

Um mehr Informationen über konzessionäre Kredite einsehen zu können, reicht es aus, folgende Wörter in die Suchzeile einer Suchmaschine einzugeben:

Die Logik der Schuldenerleichterung für die ärmsten Länder

Um den Bericht des WWF in Gänze einsehen zu können, reicht es aus, folgende Wörter in die Suchzeile einer Suchmaschine einzugeben:

The Big Push for Transformation through Climate and Development
The starting point for the sizable investment push required must be strong country leadership and coordinated action.

08 Zusammenfassung
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Der Klimawandel bietet, so der Tenor nicht nur der Nachhaltigkeitsstrategie 2021, sondern auch die Vorstellungen der Weltbank, eine einzigartige Gelegenheit für einen Neustart. Anerkannt wird, dass Politik- und Investitionsentscheidungen in Ländern mit hohem Einkommen, obwohl dort nur 16 Prozent der Weltbevölkerung leben, für mehr als 30 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind und dort durch Innovationen (nicht durch Einsparungen) diesen Missstand zu beseitigen ist.

Bestätigt wird auch die Tatsache, dass die reichen Länder auch eine Schlüsselrolle dabei zu spielen haben, einen finanziellen Beitrag für den Wandel in den Schwellen- und Entwicklungsländer zu erbringen, um dort ebenfalls die Voraussetzungen für eine CO2-arme Wirtschaft zu ermöglichen.

Dafür sind, so kann es in dem  Strategiepapier nachgelesen werden, mindestens Investitionen von jährlich 100 Milliarden US-Dollar erforderlich.

Diese Aussagen können aber bereits dem Jahresbericht 2022 des IWF entnommen werden, allein dessen Titel es sich lohnt, ihn zu zitieren:

Krise auf Krise.
Unsere Welt ist schockanfälliger geworden.


In diesem Bericht heißt es:

Der Klimawandel verursacht u. a. durch häufigere und heftigere Naturkatastrophen große wirtschaftliche und soziale Kosten. Damit hat er auch Auswirkungen auf die makroökonomische Stabilität und die Finanzstabilität. Der IWF wird seinem Mandat nur dann gerecht, wenn er seine Mitglieder bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützt. Nicht nur bei der Kreditvergabe, sondern auch im Zuge der Analyse, Überwachung und Kapazitätsentwicklung ist die Klimathematik unverzüglich umfassender und systematischer zu berücksichtigen.

Um den Bericht des IWF in Gänze einsehen zu können (80 Seiten), reicht es aus, folgende Wörter in die Suchzeile einer Suchmaschine einzugeben:

IWF-Jahresbericht 2022 - International Monetary Fund

Die Anzahl der Publikationen, die eindringlich sofortiges Handeln einfordern, um der drohenden Klimakatastrophe zumindest noch die zu erwartende Schärfe nehmen zu können, ist so umfangreich, dass damit große Bücherregale gefüllt werden können.

All diesen Publikationen fehlt es aber wohl offensichtlich an der Kraft, sofortiges politisches Handeln Wirklichkeit werden zu lassen, obwohl bereits im September 2019 der UN-Generalsekretär António Guterres, anlässlich der Eröffnung des Internationalen Friedenstages in New York, sozusagen einstimmend auf den zwei Tage später beginnenden UN-Klimagipfel sagte:

„Wir sind im Krieg mit der Natur, und das Problem mit der Natur ist, dass die Natur zurückschlägt“.

Was meine Wahrnehmung anbelangt, ist es, obwohl der Primärenergieverbrauch in Deutschland um etwa 5 Prozent zurückgegangen ist, bisher – zumindest hinsichtlich des Abbaus klimaschädlicher Umweltbelastungen – lediglich bei Absichtserklärungen geblieben, deren Ziele 2030, 2035 und um es wirklich „handfest“ zu machen, erst 2050 erreicht werden sollen.

Das aber ist ein Zeitrahmen, der 27 Jahre, also gut 7 Legislaturperioden umfasst, in der sich bekanntermaßen Mehrheiten und sich somit auch politische Ziele nachhaltig verändern können.

Dabei wäre doch alles so einfach:

Seit Jahren vertreten ökologische Ökonomen beider Geschlechter die These, dass sich die Debatte mit einer einfachen und eleganten Intervention ein für alle Male beenden ließe. Diese Intervention lässt sich wie folgt beschreiben:

Man lege einen Deckel auf den jährlichen Ressourcenverbrauch und auf die jährliche Abfallmenge und senke diesen „Deckel“ Jahr für Jahr, bis wir uns wieder innerhalb der planetarisch vertretbaren Grenzen befinden.

Solch eine einfache Lösung lässt sich in einer immer noch auf Wachstumskurs befindlichen Weltwirtschaft aber nicht verwirklichen.

In Deutschland gelingt es ja nicht einmal, die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 100 km/h zu senken, obwohl es sich dabei wohl nur um eine Geste handeln würde, die im Vergleich zu den Verhaltensänderungen kaum mehr als ein "verärgertes Lächeln" erzeugen können im Vergleich zu den Verhaltensänderungen, an die wir uns alle noch werden gewöhnen müssen, wenn die Natur das so von uns einfordert.

Wie dem auch immer sei.

Es ist schwer, Gewohnheiten nicht nur zu verändern, sondern zu ändern. Eine Gesellschaft, womit hier eine Sozialstruktur, ein Gesellschaftssystem, eine Bevölkerung, bzw. die Gesamtheit der zu einem Staat gehörenden Öffentlichkeit gemeint ist, lässt sich nicht so leicht „gängeln“.

Dazu bedarf es einer starken Führung. So steht es auch in dem Bericht des WWF aus dem Jahr 2023:

The starting point for the sizable investment push required must be strong country leadership and coordinated action.

Ich würde diesen Satz wie folgt übersetzen:

Der Ausgangspunkt für den erforderlich werdenden erheblichen Investitionsschub (zur Rettung des Weltklimas) setzt zuerst einmal eine starke Führung sowie die Fähigkeit zu koordiniertem Handeln in allen Ländern voraus, um klimafreundliche Veränderungen überhaupt herbeiführen zu können.

Ob demokratische Systeme, die ohne liberale Wirtschaftssysteme gar nicht denkbar sind, dazu in der Lage sein werden, bleibt abzuwarten. Damit ist wohl erst dann zu rechnen, wenn es bereits zu spät ist.

Warum?

Bei der Sprachfigur „Die Grenzen des Wachstums“ handelt es sich um ein Weltbild, das in der westlichen Welt bereits über eine Tradition von mehr als 70 Jahren verfügt.

Diese Grenzen aber kann kein westliches Wirtschaftssystem akzeptieren, denn ohne Wachstum funktionieren diese System nicht, was im Übrigen auch für autoritär gelenkte Wirtschaftssysteme gilt. Deshalb, so auch der erklärte Wille der Ampelregierung, muss die alte Wachstumsvorstellung der  Wachstumsphilosophie der Nachhaltigkeit weichen.

Anders ausgedrückt: Wir können und wollen durch Wachstum das Klima retten, weil wir dazu in der Lage sind.

Wir schaffen das.

Mit anderen Worten: Lasst uns die alte Art des Produzierens durch den Verbrauch von fossilen Energien "zerstören", um an deren Stelle die Nutzung klimaneutraler Energien zu stellen. Dann wird alles wieder gut. Mich erinnert diese Sicht der Dinge irgendwie an Joseph Schumpeters (1883 bis 1950) und an die von ihm geprägte Sprachfigur der "schöpferischen Zerstörung". 

Mit dieser Sprachfigur leistete Joseph Schumpeter, der wohl einflussreichste Volkswirtschaftler des 20. Jahrhunderts, einen wichtigen Beitrag zur Konjunkturtheorie, denn seine Vorstellungen einer "schöpferischen Zerstörung" ermöglichten weiterhin grenzenloses Wachstum und technischen Fortschritt.

Eine zentrale Rolle spielt dabei vor allen Dingen der schöpferische, einfallsreiche Unternehmer, der durch neue Ideen und den Einsatz neuer Produktionsmethoden, Techniken und Verarbeitungsmöglichkeiten den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt immer wieder vorantreibt.

1939 legte Schumpeter sein, wie er meinte, wichtigstes Werk vor: "Konjunkturzyklen". Darin erläuterte er seine Auffassung über das kapitalistischen Wirtschaftsprozesses neu, insbesondere das Zusammenspiel der Zyklen.

Bekanntermaßen haben sich die Zeiten verändert, denn 1939 lässt sich mit 2023 wirklich nicht mehr vergleichen, auch wenn dort entwickelte Ideen heute zumindest den Anschein erwecken, die Quadratur des Kreises dennoch zu ermöglichen, was aber auch in Zukunft wohl kaum der Wirklichkeit entsprechen wird.

Insoweit gilt es festzustellen, dass die Autoren und Mahner die heute auf die Gefahren hinweisen, die mit grenzenlosem Wachstum verbunden sind, eine "schöpferische Zerstörung" sich anders vorstellen, als das der "Schöpfer" dieser Sprachfigur gemeint hat.

Die Kritiker des Wirtschaftssystems in der westlichen Welt von heute, fühlen sich hinsichtlich der Aktualität ihrer Argumente wie Wellenreiter, die sich auf der Welle des Wachstums befinden, weil es keine andere Welle gibt, um fortlaufend und aktualisierend vor dem zu erwartenden Zusammenbruch der Welle zu warnen.

Die Wachstumswelle, auf der sie reiten, wird aber, ohne sich durch die Mahner beeinflussen zu lassen, ihre Wellenbewegung fortsetzen und das Ende des Wachstums wird erst wohl dann Wirklichkeit werden, wenn die Welle in sich zusammenbricht. Das dürfte dann aber auch das Ende der Demokratie sein.

Eine solche Zukunft können wir nicht wollen.

Damit ist auch nicht zu rechnen, denn stabile Demokratien werden auch in den folgenden Jahren ihre außerordentliche Fähigkeit bewahren,, das Schlimmste abzuwehren, ohne die Probleme anzugenen, die dafür nachweisbar ursächlich gewesen sind.

Lediglich die drohenden Katastrophen abzuwenden, genügt abe nicht mehr. Damit die Demokratie, so wie wir sie heute zu kennen glauben, gedeihen kann, muss sie sich ihre Fähigkeit bewahren, den von ihr versprochenen Nettonutzen (die Wohlstandsvermehrung) mit der persönlichen Anerkennung zu kombinieren, auf die Menschen in diesem System einen Anspruch haben.

Wenn die Anzahl der Ausgegrenzten, der Prekären und erst recht die Anzahl derjenigen sich vergrößert, die sozusagen "Opfer der neuen Armut" geworden sind, dann wird die Demokratie wohl kaum dauerhaft gedeihen können.


Wenn Sie diesen Aufsatz bis hier hin gelesen haben, dann mag es Ihnen beim Lesen möglicherweise genauso ergangen sein, wie mir beim Schreiben. So viele wohlgesetzte Worte, Absichtserklärungen, Zukunftsprognosen, unterstellte Managementfähigkeiten und viele andere - Nachhaltigkeit suggerierende Worte - müssen einen einfach beruhigen, besser gesagt in Tiefschlaf versetzen.

Dieser Zustand muss beendet werden.

Warum und wie soll das möglich sein?

Hannah Arendt hat dazu folgende Position eingenommen:

Wenn man in unserer Zeit über Politik reden will, so muss man mit den Vorurteilen beginnen, die wir alle, wenn wir nicht gerade Berufspolitiker sind, gegen Politik hegen. Diese Vorurteile, die uns allen gemeinsam sind, stellen selbst etwas Politisches im weitesten Sinn des Wortes dar: Sie entspringen nicht dem Hochmut der Gebildeten und sind nicht dem Zynismus derer geschuldet, die zu viel erlebt und zu wenig verstanden haben.

An anderer Stelle heißt es:

Hinter den Vorurteilen gegen Politik stehen heute, das heißt, seit der Erfindung der Atombombe, die Furcht, die Menschheit könnte sich durch Politik und die ihr zur Verfügung stehenden Gewaltmittel selbst aus der Welt schaffen und - eng mit dieser Furcht verbunden - die Hoffnung, die Menschheit werde ein Einsehen haben und, statt sich selbst, die Politik aus dem Weg räumen.

Hannah Arendt: Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlass. Piper Verlag München 1983

Die Vorurteile aber gegen Politik und insbesondere die Vorstellung, dass Politik im Innern ein Gewebe aus dem Lug und Trug von schäbigen Interessen und schäbiger Ideologie ist, die muss beendet und durch ein öffentliches politisches Interesse ersetzt werden, dass es Wählerinnen und Wählern erlaubt, notwendig werdende Entscheidungen mit einem dafür erforderlichen Wissen entweder mittragen oder ablehnen zu können.

Noch einmal Hannah Arendt:

Was ist Politik?
Politik beruht auf der Tatsache der Pluralität der Menschen.

Anders ausgedrückt: Zum Wesen der Demokratie gehört es, in dieser Pluralität unterschiedlichster Interessen dennoch Mehrheiten zu finden, die dazu in der Lage sind, zukunftfähige Entscheidungen zu treffen.

Das setzt informierte Wählerinnen und Wähler voraus.

Im Folgenden werde ich versuchen, im Rahmen meiner Möglichkeiten in einer allgemeinverständlichen Sprache den Zauberwörtern, von denen Heilung erwartet wird, ihren Mythos zu nehmen, denn in einer aufgeklärten Zeit ist - nach meinem Verständnis-  jegliche Form von Aberglaube zumindest ine Fehlentwicklung.

Diese Zauberwörter haben folgenden Wortlaut:

  • Liquified Natural Gas

  • Sonnenenergies

  • Windkraft

  • Grüner Wasserstoff

Das sind heute die meistgebrauchten Wörter, die Nachhaltigkeit suggerieren sollen.

Die Botschaft dieser Schlüsselwörter lautet:

Alles wird wieder gut.
Sogar das Weltklima.

Anders ausgedrückt:

Es ist alles halb so schlimm, denn Krisen gehören zur Normalität - auch die großen. Wir schaffen das schon.

Fortsetzung folgt.

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