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Demokratie und Politik - Studienhefte zum Demokratieverständnis

Ehrenhafte Ernte
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Was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet.

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Ehrenhafte Ernte



Der Nachhaltigkeitsirrtum

01 Vorwort
02 Unabhängigkeitserklärung von 1776
03 Ehrenhaftes Ernten
04 Wir sind nicht mehr normal
05 Abhängigkeitserklärung von 2076
06 Nachhaltigkeit heute
07 Abkehr vom falschen Leben

01 Vorwort

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Jede Zeit irrt, wenn auch auf ihre spezifische Art und Weise. Das war schon immer so. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Böse Zungen behaupten sogar, dass der Mensch ein Irrläufer der Natur sei. Richtig ist: Wir können nicht anders, wir müssen uns irren oder uns der Tatsache bewusst werden, dass unsere Freiheit dort endet, wenn wir erkennen, dass wir die Ordnung des Lebens bereits mehr oder weniger irreparabel beschädigt haben und uns keine andere Wahl mehr bleibt.

So sieht das auch die Politikwissenschaftlerin Birgit Mahnkopf, deren Aufsatz „Der große (Selbst-)Betrug - „Klimaneutralität“ durch „grünes Wachstum“, im Januar 2022 auf der Website der Bundesanstalt für politische Bildung veröffentlicht wurde. Die Autorin geht davon aus, dass Klimaneutralität allein durch Wachstum nicht realisiert werden kann, denn dafür seien vier weitere Faktoren von entscheidender Bedeutung:

  • Erstens muss der Energieverbrauch pro Kopf der wachsenden Weltbevölkerung drastisch reduziert werden – und dies in erster Linie in den großen Industrieländern, wo er um so vieles höher liegt als in den Ländern des globalen Südens.

  • Zweitens ist die Belastung für Schadstoffe jedweder Art (und beileibe nicht allein der Klimagase) schrittweise auf etwa das Niveau der 1970er Jahre, danach auf das der 1960er und schließlich auf das der 1950er Jahre zurückzuführen. Dazu stehen heute moderne Technologien zur Verfügung, sodass ein deutlich verringerter Energieverbrauch in den Industrieländern nicht gleichbedeutend sein müsste mit einem zivilisatorischen Rückschritt.

  • Drittens ist der globale Ressourcenverbrauch um mindestens zwei Drittel zu senken. Dies würde zugleich verlangen, dass

  • viertens der Konsum von nicht-lebenswichtigen Gütern deutlich eingeschränkt und die Wiedernutzungs- sowie Recyclingquoten aller Stoffe drastisch gesteigert werden müssten.

Birgit Mahnkopf: Der große (Selbst-)Betrug

Ob es möglich sein wird, diese Forderungen einer ausgewiesenen Politikwissenschaftlerin Wirklichkeit werden zu lassen, darf bezweifelt werden, denn nach meiner Wahrnehmung wird diese Art der Problemlösung im Kreis der politischen Eliten nicht nur für einen Irrtum, sondern schlichtweg für eine Zumutung gehalten. Anders aber lässt sich die Beschleunigung in eine Zukunft, die wirklich niemand haben will, nicht aufhalten lassen.

Warum sind wir so stur?

Dummheit – das sind wir. Und umgekehrt. Aus diesem Kreis gibt es kein Entrinnen. [...]. Historische Bedeutung erhielt diese Feststellung, als Sokrates, die Nummer 1 unter den Philosophen, auf dem Spruch des Orakels: „Erkenne dich selbst“, die richtige Antwort fand. Mit seinem „Ich weiß, dass ich nichts weiß,“ fasste er eine neue Art der Selbstreflexion in Worte, undogmatisch und ohne den Ehrgeiz, mehr zu wissen als die anderen oder eine Krankheit heilen zu können, die ihm selbst gänzlich unbekannt war. „Erkenne dich selbst“, fordert behutsam dazu auf: „Wisse, dass du nichts weißt“, und ergänzt: „Erkenne dich Dummheit in dir.“

André Glucksmann: Die Macht der Dummheit, Deutsche Verlags Anstalt 1985, S. 30

Genug der einleitenden Worte.

Wenn Sie sich auf die Texte zum Thema „Ehrenhafte Ernte“ einlassen, dann sollten Sie wissen, dass es wirklich nicht mein Ziel ist, sie zu belehren und erst recht nicht, sie zu überzeugen. Wenn die Texte in diesem Essay überhaupt ein Ziel haben, dann den, Sie im Sinne von Immanuel Kant dazu aufzufordern, ihren kritischen Verstand zu gebrauchen.

Das folgende Zitat stammt aus seinem wohl bekanntesten Essay aus dem Jahr 1784, in dem der große deutsche Philosoph eine Antwort auf folgende Frage formulierte: Was ist Aufklärung? In den Einleitungssätzen dieses Aufsatzes heißt es:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes, ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!, ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Diesen Sätzen dürfte heute erneut eine besondere Aktualität zukommen, denn heute lassen Menschen der Einfachheit halber lieber andere für sich denken, ein Irrtum, der sich rächen könnte, denn: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

02 Unabhängigkeitserklärung von 1776

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Die Geschichte, die ich jetzt erzählen möchte, beginnt im Jahr 1776. Dieses Jahr ist ein gutes Anfangsjahr für das hier zu erörternde Thema, denn bereits in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten wird ein Irrtum sichtbar, an den die westlichen Demokratien bis heute leidet.

In der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 heißt es:

Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit bestimmten unveräußerlichen Rechten ausgestattet wurden, darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.

Unbeantwortet blieb in dieser Erklärung aber nicht nur die Frage, was mit der Sprachfigur „Streben nach Glück“ gemeint ist, denn ohne individuelle Freiheiten und unveräußerliche Rechte lässt sich weder das Glück von Einzelpersonen noch das von Gesellschaften verwirklichen. Ich möchte mich kurzfassen: Das Streben nach Glück setzte voraus, Altes durch Neues zu ersetzen, denn das Gesetz der Veränderung lässt einen Stillstand nicht zu.

Kurzum: Dem seit der Aufklärung in der Alten Welt gewachsenen Vorstellung, dass Gott, genauso wie die unbelebte Natur, tot seien und sich deshalb die Menschen, dem Bibelwort „macht euch die Erde untertan“ folgend, die Erde sozusagen nach Belieben ausbeuten konnten, haben letztendlich dazu geführt, dass die damit ausgelösten Veränderungen uns heute sozusagen an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht haben.

Anders ausgedrückt: Das Alte muss stets dem Neuen weichen.
An dieser Gesetzmäßigkeit hat sich bis heute noch nichts geändert. Das damit zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung nur die Freiheit und die Zukunftsvorstellungen der Eroberer, besser gesagt die der aus Übersee stammenden Siedler gemeint sein konnten, das wird weder in der Unabhängigkeitserklärung noch in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, die am 17. September 1787 verabschiedet wurde, auch nur mit einem Wort in Zweifel gezogen, denn die Neue Welt galt es nicht nur zu besiedeln, ihr musste auch eine neue Zivilisation aufgezwungen werden, die so gar nicht zu der Zivilisation passen wollte, die in den unendlichen Weiten dieses Kontinents über Jahrhunderte von den dort lebenden Ureinwohnern gelebt wurde und die diese auch nicht zu ändern bereit waren. Dieses Alte musste deshalb weg. Mit anderen Worten: Die Wilden hatten zu weichen und dem Neuen Platz zu machen, notfalls unter Anwendung von Gewalt, wovon die - den Menschenrechten verpflichtete neue Zivilisation - nachweisbar regen und rücksichtslosen Gebrauch gemacht hat. Von Philip Henry Sheridan (1831 bis 1888) dem Generalleutnant und Oberbefehlshaber des Heeres, stammen folgende Worte: Die einzig guten Indianer, die ich jemals sah, waren tot.

Dieses Schicksal drohte auch, neben den riesigen Bisonherden, die noch in den Great Plains, also im US-amerikanischen Westen lebten, auch der Zivilisation der Ureinwohner, denn deren Weltbild passte überhaupt nicht zu der Zivilisation des weißen Mannes. Warum? Niemals wären die Ureinwohner auch nur auf den Gedanken gekommen, die in ihrer Welt lebenden Bisons auszurotten. Dafür aber benötigte die neue Zivilisation im ausgehenden 19. Jahrhundert nur wenige Jahre. Während in den Weiten der Prärien im mittleren Westen um 1870 noch zehn bis 15 Millionen Bisons lebten, waren es knapp zwei Jahrzehnte später weniger als 100 Tiere. Wie war das möglich?

2011 wies der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Michael Scott Taylor (* 1960), dessen Forschungen sich mit den Wechselwirkungen zwischen internationalem Handel und Umweltauswirkungen befassen, nach, wie das möglich war.

In seiner „Buffalo Hunt-Study: International Trade and the Virtual Extinction of the North American Bison“ wies er nach, dass die Bisons Opfer von technischem Fortschritt, Globalisierung und ungezügeltem Kapitalismus geworden waren, denn die Nachfrage nach Bisonleder in Europa, die die Jäger in der Neuen Welt reich machte, wurde den Bisons zum Verhängnis. Das hochwertige Fleisch ließen die Jäger in der Prärie einfach verrotten.

In der Studie heißt es, in der Übersetzung von mir:

Im sechzehnten Jahrhundert gab es in Nordamerika 25 bis 30 Millionen Büffel; Ende des neunzehnten Jahrhunderts waren es weniger als 100. Während die Beseitigung der Büffel östlich des Mississippi über 100 Jahre dauerte, wurden die verbleibenden 10 bis 15 Millionen Büffel in den Great Plains in einem punktuellen Gemetzel getötet, das kaum mehr als zehn Jahre dauerte.“

Als Nachweis dieser Sicht der Dinge stützte sich M. Scott Taylor auf internationale Handelsstatistiken und Erfahrungsberichte, um belegen zu können, dass das Gemetzel erst durch eine im Ausland entwickelte Innovation, gemeint ist das Repetiergewehr, ermöglicht wurde. Speziell die „Sharps Rifle Model 1874“ und die Entwicklung von Patronen, die sich für die Jagd von Großwild besonders eigneten, machten es möglich, dem Bison binnen weniger Jahre den Garaus zu machen.

Buffalo Hunt-Study: International Trade and the Virtual Extinction of the North American Bison“

Heute sind es nicht die Bisons, die vor dem Menschen geschützt werden müssen, sondern heute ist es die Erde selbst, die, nicht nur von Wissenschaftlern, sondern auch von anderen Menschen von heute als akut gefährdet darstellt und bereits Anstalten gemacht hat, sich die jahrhundertelange Ausbeutung und Missachtung der „Gesetze des Lebens“ durch die Spezies Mensch wohl nicht mehr gefallen lassen will. Gemeint sind die vielfältigen Reaktionen der Erde auf den menschlichen Raubbau dieses Planeten, ohne den es eine Vielzahl von existenziellen Problemen heute gar nicht gäbe. Das, was damit gemeint ist, hat César Rendules mit wenigen Sätzen eindrucksvoll beschrieben:

Die Zahlen, die die beschleunigte Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und die Zerstörung der für das menschliche Leben notwendigen Ökosysteme dokumentieren, sind schwindelerregend: Die Hälfte aller bisher verbrauchten fossilen Brennstoffe wurde in den letzten vierzig Jahren konsumiert, die Hälfte des produzierten Plastiks in den vergangenen fünfzehn Jahren hergestellt. Dieser Prozess stößt nun an harte materielle Grenzen. Wenn wir etwas über die Zukunft unserer Zivilisation im weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts wissen, dann, dass sie nicht von steigendem Massenkonsum gekennzeichnet sein wird.“

César Rendules. Gegen Chancengleichheit. Ein egalitaristisches Pamphlet, Suhrkamp 2022, S. 39

Eine Entschleunigung dieses Wachstums ist somit dringend geboten, denn bereits am 4. Mai 2023, dem so genannten „Erdüberlastungstag“, waren in Deutschland alle natürlichen Ressourcen für dieses Jahr verbraucht. Anders ausgedrückt: Würden alle Menschen so leben wie in Deutschland, wären drei Erden nötig.

Zurück in die Zeit, als die Vereinigten Staaten von Amerika durch den weißen Mann besiedelt wurden. Dass dabei auch eine Zivilisation zerstört wurde, die darauf beruhte, die „Ordnung des Lebens“ nicht nur zu respektieren, sondern zur Erhaltung dieser Ordnung alles Menschenmögliche zu tun, dürfte wohl der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass ein Weltbild mehr oder weniger vernichtet und in Vergessenheit geraten musste, das aus heutiger Sicht vielleicht doch wieder zukunftsfähig sein könnte. Das Weltbild des ehrenhaften Erntens.

03 Ehrenhaftes Ernten

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Ein kurzer Blick in das Naturverständnis der Onondaga-Nation lässt es zu, zumindest erahnen zu können, warum das neue „Weltbild der Aneignung und der Ausbeutung von Ressourcen durch den weißen Mann“ es erforderlich machte, das alte Weltbild der Ureinwohner, das dem Fortschritt nur im Wege stand, sozusagen mit Stiel und Stumpf auszurotten.

Warum?

Das Wort „ausbeuten“ und „in Besitz nehmen“, war dem Weltbild der Ureinwohner fremd. Diesbezüglich heißt es bei Robin Wall Kimmerer, einer Angehörigen des Stammes der Potawatomi und Professorin der State University of New York am College für Umweltwissenschaften und Forstwirtschaft in Syracuse in ihrem lesenswerten Buch „Geflochtenes Süßgras“, wie folgt.

Die Grundregeln des ehrenhaften Erntens sind nirgends niedergeschrieben, ja sie werden noch nicht einmal als Ganzes mündlich überliefert – man prägt sie sich in kleinen Alltagshandlungen ein. Wollte man sie aber doch auflisten, so könnte das ungefähr so aussehen:

  • Wissen um die Lebensweise derer, die für dich sorgen, damit du auch für sie sorgen kannst.

  • Mach dir klar, dass du derjenige bist, der um Leben bittet.

  • Bitte um Erlaubnis, bevor du nimmst. Hör auf die Antwort.

  • Nimm nie das Erste. Nimm nie das Letzte.

  • Nimm nur, was du brauchst.

  • Nimm nur, was dir geschenkt wird.

  • Nimm nie mehr als die Hälfte.

  • Lass etwas für die anderen übrig.

  • Ernte so, dass du möglichst wenig Schaden anrichtest.

  • Nutze es respektvoll.

  • Verschwende nie, was du genommen hast.

  • Teile.

  • Danke für das, was dir geschenkt wurde.

  • Hinterlasse ein Geschenk für das, was du genommen hast.

  • Erhalte die, die dich erhalten, und die Erde wird für immer bleiben.

Robin Wall Kimmerer: Geflochtenes Süßgras. Die Weisheit der Pflanzen, Aufbauverlag 2022, S. 21

Dass diese Sicht der Dinge auch aus heutiger Sicht nachhaltig ist, daran zu zweifeln, lässt der gesunde Menschenverstand (wenn es den überhaupt gibt) nicht zu. Eine Zivilisation, die so respektvoll in ihrer Umwelt lebt, kann auf jeden Fall nicht dazu in der Lage sein, durch ihr Tun das Weltklima zu verändern. Dazu ist nur eine Zivilisation in der Lage, in der Ausbeutung und Verschwendung sozusagen zur größten Bürgerpflicht erklärt worden ist, auch wenn dafür andere Worte gewählt werden, etwa: Kaufe dich glücklich.

Den von mir zitierten Text von Robin Wall Kimmerer bitte ich nicht so zu verstehen, dass die Zukunft der Menschen darin besteht, sozusagen die Lebensweise der Ureinwohner der Neuen Welt wiederzubeleben. Das geht nicht, und das würde auch nicht funktionieren. Was jedoch die Zeit der Veränderungen von 1776 bis heute anbelangt, lässt in Anlehnung an das oben zitierte Weltbild des ehrenhaften Erntens zumindest den Schluss zu, dass bereits verschollen geglaubte Weltbilder heute erneut als Vorbild, besser gesagt als eine Leitidee dienen können, um den bis heute angerichteten Schaden vielleicht doch noch zumindest begrenzen zu können. Das aber würde voraussetzen, dass Menschen sich wieder darum bemühen, sich der Ordnung des Lebens zumindest zu nähern, denn heute bleibt uns wohl keine andere Wahl mehr, als dass wir uns bewusst der objektiv nachgewiesenen Tatsache stellen, dass es der großen Mehrheit von uns – mehr oder weniger allen – an echtem Respekt für fast alle leidensfähigen Wesen fehlt, ausgenommen sind hier wohl nur die schönen Worte anlässlich von Sonntagsreden, in denen es darum geht, von Werten zu sprechen, die anderen fehlen.

Eine der vielen Fragen, die sich in diesem Sachzusammenhang stellen, und auch Thomas Metzinger in seinem Buch „Bewusstseinskultur“ gestellt hat, lautet deshalb: „Wie kann man seine Selbstachtung in einer Zeit bewahren, in der die Menschheit als ganze ihre Würde verliert?“

In Bezug auf „ehrenhaftes Ernten“ möchte ich meine Sicht der Dinge wie folgt zusammenfassen: Unser gegenwärtiges Verhalten ist zutiefst unwürdig, weil es der Gemeinschaft aller lebenden Wesen dauerhaften Schaden zufügt, denn eine würdevolle Lebensform setzt eine innere Haltung voraus, die auch die Interessen der nach uns kommenden Generationen zu berücksichtigen hat. Aber das scheint uns alle zu überfordern, denn unsere Gattung achtet weder die Menschheit als Ganzes, noch die der eigenen Spezies, obwohl wir wissen, dass das Artensterben bereits sogar die Insekten erreicht hat. Anders ausgedrückt: Das Auschwitz der Tiere ist bereits im vollen Gange.

Wir wissen, dass wir nicht nur für den Raubbau von heute, sondern auch für das enorme Leid in der Zukunft verantwortlich sein werden, wenn heute lediglich von Schadensbegrenzung gesprochen wird, obwohl sich die planetarische Krise weiter verschärft. In solch einer Wirklichkeit von ehrenhaftem Ernten sprechen zu wollen, dürfte der Wirklichkeit in den Industriestaaten und auch andernorts nicht entsprechen, und zwar auch dann nicht, wenn in fast jedem Satz das Wort „Nachhaltigkeit“ verwendet wird, soweit es um nichts anderes als um die weitere Rechtfertigung der industriellen Ausbeutung von Ressourcen handelt, woran sich auch in naher Zukunft kaum etwas ändern wird, denn sowohl Solaranlagen als auch Windräder und erst Recht Grüner Wasserstoff fordern ihren Preis, der sich mit wenigen Worten beschreiben lässt: Ressourcen in einem unvorstellbar großen Umfang.

Warum lässt sich das nicht vermeiden?

Ganz einfach. Wir haben den Übergang von einem wachstumsorientierten, durch Gier, Neid und Dominanzstreben motivierten Wirtschaftsmodell zu einer funktionierenden Ökonomie nicht geschafft, die auch nur annähernd den Anforderungen entspricht, die heute schon längst hätten Wirklichkeit sein müssen. Ein wirklich nachhaltiges und entschleunigtes Wirtschaften liegt heute immer noch in weiter Ferne, obwohl die Notwendigkeit der Entschleunigung bereits seit über 70 Jahren nicht nur diskutiert, sondern auch vehement eingefordert wurde.

Was wir geschafft haben, das lässt sich in einem Satz ausdrücken:

Uns ist es gelungen, die planetare Krise zu beschleunigen. Daran wird auch die Nachhaltigkeitsideologie von heute kaum etwas ändern, außer der Wahrscheinlichkeit, dass sich die planetare Krise durch industrielle Nachhaltigkeit wie gehabt weiter beschleunigen wird. Anders ausgedrückt: Des Kaisers neue Kleider sind bei genauem Hinsehen genauso durchsichtig und fad, wie das die alten waren und sind.

In diesem Sachzusammenhang von ehrenhaftem Ernten zu sprechen, davon können nur die Wenigen reden, die sich zumindest darum bemühen, der Ordnung des Lebens wieder Geltung zu verschaffen, und diese Ordnung sieht vor, auf Ausbeutung zu verzichten, nur zu nehmen, was benötigt wird, um im Anschluss daran dafür Sorge zu tragen, dass dafür ein angemessener Ausgleich geschaffen wird.

Das zumindest verstanden die Ureinwohner Amerikas unter ehrenhaftem Ernten, ganz im Gegenteil zu dem unwürdigen Umgang mit natürlichen Ressourcen, den wir heute immer noch für normal halten.

04 Wir sind nicht mehr normal

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Stephan Lessenich hat über diesen bedauernswerten Zustand ein wichtiges Buch geschrieben, aus dem ich einige Zeilen zitieren möchte:

Wenn das sicher Geglaubte unsicher, dass Gewohnte rechtfertigungsbedürftig, dass bislang Selbstverständliche fraglich wird – und von der Mitte der Gesellschaft plötzlich nicht mehr Stabilität und Einheit, sondern Wechselhaftigkeit und Spaltung auszugehen scheinen, [dann befinden wir uns im Deutschland von heute, also in einer Gesellschaft], deren Normalitätsproduktion ins Stocken geraten ist und der die Trägergruppen des Normalen abhandenkommen. Eine Gesellschaft, die das Alte nicht halten und das Neue nicht denken kann, die an ihren Gewissheiten zu zweifeln und an der Zukunft zu verzweifeln beginnt. Eine Gesellschaft – am Rande des Nervenzusammenbruchs.“

Stephan Lessenich: Nicht mehr normal. Gesellschaft am Rande des Nervenzusammenbruchs, Hanser Verlag 2022, vgl. S. 37

Warum ist das so?

Das Hauptproblem des modernen Menschen von heute besteht in der zunehmenden Schwierigkeit, gegen die eigene emotionale Erschöpfung anzukämpfen, denn es wird immer schwieriger, in einer „Krisenwachstumsgesellschaft“ überhaupt noch einen Überblick über die stets wachsende Anzahl von Krisen und Kipppunkten zu behalten, mit denen die Menschen von heute sozusagen täglich durch die Massenmedien „bombadiert“ werden. Und wenn solch ein Kipppunkt tatsächlich Wirklichkeit werden sollte, die Aktivisten der letzten Generation erwarten das ja schon zu ihren Lebzeiten, dann dürfte auch wohl ein psychologischer Kipppunkt überschritten worden sein, der nicht nur Panik, sondern auch große Unruhen auslösen wird. Wie dem auch immer sei. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Dinge weiter beschleunigen werden. Das aber kann auf Dauer nicht gut gehen.

05 Abhängigkeitserklärung von 2076

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300 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung haben sich die Vorstellungen von Freiheit gewandelt. Das, was dabei in Deutschland herausgekommen ist, haben die Verfasser dieser Ordnung in der Präambel der „Interdependenzerklärung vom 4. Juli 2076“, das ist ein anderes Wort für Abhängigkeitserklärung, wie folgt beschrieben.

Präambel:

Wir halten die Wahrheiten für selbstverständlich, dass alles Leben auf der Erde miteinander verbunden ist und es heute eine Überlebensnotwendigkeit, nicht nur für uns Menschen, sondern auch für viele andere Arten von Leben ist, dass durch verantwortliches menschliches Handeln dafür Sorge getragen wird, schädigende Eingriffe in die „Natürliche Ordnung des Lebens“ im Rahmen des menschlich Möglichen zu unterlassen und dort, wo das unvermeidbar ist, für einen gleichwertigen Ausgleich zu sorgen. Neben unveräußerlichen Rechten, die Menschen gewährt werden müssen, um sich vor menschlicher und staatlicher Macht zu schützen, bedarf es auszuformulierender Pflichten, ohne die ein Leben in Freiheit und auch ein Streben nach Glück nicht mehr möglich ist, denn nur durch Einsicht und Respekt vor der Kraft einer durch menschliches Handeln außer Kontrolle geratenen Natur werden wir den Lebensraum erhalten können, der uns noch zur Verfügung steht. Die nachfolgenden Grundrechte und Grundpflichten binden nicht nur Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung, sondern jede Person, die sich im Geltungsbereich dieser Abhängigkeitserklärung aufhält als unmittelbar geltendes Recht.

Ob es solch eine Abhängigkeitserklärung jemals geben wird, kann und muss bezweifelt werden, obwohl nicht nur solch eine Selbstverpflichtung, sondern auch sofortiges Handeln geboten ist, um sozusagen der menschlichen Zukunft überhaupt noch eine Chance geben zu können, um die gesellschaftlichen Umwälzungen überhaupt ertragen zu können, die zu erwarten sind, wenn ein wohl noch mögliches Gegensteuern unterlassen wird.

Aber vielleicht leben wir, die Menschen in den hochentwickelten Industriestaaten wirklich im falschen Leben, wie das Hans-Joachim Maaz in seinem Buch "Das falsche Leben" durchaus nachvollziehbar analysiert hat.

In seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Seelenleben einer Industriegesellschaft vertritt der Autor die Ansicht, dass durch drohende grundsätzliche Lebensveränderungen, die von Teilen der Gesellschaft bereits leibnah erfahren werden, Bedrohungen wahrgenommen werden, die sowohl den Wohlstand als auch die Freiheit und erst recht den Sozialstaat auf eine besorgniserregende Art und Weise brüchig werden lassen.

In solch einer Situation, so Maaz, "ruft das falsche Selbst nach Rettung, nicht nach Befreiung, denn Rettung, das wäre nur die Restaurierung bisheriger Erfolge kapitalistischer Normopathie, "Befreiung" hingegen wäre der schmerzliche Erkenntnisweg der eigenen Entfremdung mit der verunsichernden Suche nach neuen Verhältnissen des ökonomisch-sozialen Zusammenlebens weltweit," einem Bemühen, das der Autor selbst für eine Utopie hält, weil dazu die Bereitschaft aller am gesellschaftlichen Leben beteiligten Kräfte fehlt.

Hans-Joachim Maaz. Das falsche Leben. C. H. Beck 2020, S. 200

Die in dem Zitat benutzte Sprachfigur der Normopathie definiert der Autor wie folgt:

In einem Interview, das auf der Website des Wissenschaftsportals Gerda Henkel Stiftung nachgelesen werden kann heißt es zur Themenstellung: "Anpassung an kranke gesellschaftliche Verhältnisse", wie folgt:

Mit „Normopathie“ ist eine Anpassung einer Mehrheit von Menschen einer Gesellschaft an eine Fehlentwicklung, an pathogenes psychosoziales Verhalten gemeint, dessen Störung nicht mehr erkannt und akzeptiert wird, weil eine Mehrheit so denkt und handelt. Und was die Mehrheit vertritt, kann ja nicht falsch sein – so beruhigt jeder sein Gewissen durch Autosuggestion und lässt sich zur Anpassung manipulieren. Die große Fähigkeit des Menschen zur Anpassung wird praktisch pervertiert zur Anpassung an kranke gesellschaftliche Verhältnisse. Das wird unterstützt durch das psychosoziale Grundbedürfnis des Menschen, unbedingt „dazugehören“ zu wollen (zu einer Partnerschaft, Familie, Freundes-Gruppe, Verein, Partei, Religion, Nation usw.), um im zugehörigen sozialen Milieu auch entsprechend verstanden und bestätigt zu werden, auch Erfolg zu haben und auf keinen Fall abgelehnt, beschämt, ausgegrenzt und verfolgt zu werden.

Interview im Volltext

Was diese Normopathie für das falsche Leben in einer Gesellschaft bedeuten kann, dazu heißt es in dem Buch des Autors "Das falsche Leben", wie folgt:

"Wenn Menschen durch Erziehungsnormen, durch politisch-ideologische Repression oder ökonomische Verführung mehrheitlich in ein politisch gewünschtes oder ökonomisch notwendiges Verhalten gedrängt werden, kann eine kollektive Krankheit entstehen, die keiner mehr wahrhaben will und nur noch wenige erkennen können. Letztere derden dann sofort gemobbt, ausgegrenzt, beschimpft und diffamiert. Die wesentliche Kraft für kollektive Anpassung vom Political-correctness-Verhalten bis zum Mitläufertum ist der überlebensnotwendige Wunsch, dazuzugehören und auf keinen Fall ein Außenseiter zu sein, der bedroht, beschimpft und ausgegrenzt wird."

Hans-Joachim Maaz. Das falsche Leben. C. H. Beck 2020, S. 130

Ich überlasse es Ihnen, ob Sie diese Gesellschaftsanalyse über ein falsches Leben im Hier und im Jetzt für zutreffend halten. Mir scheint die Gefühlslage der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland so zu sein, dass erkannt worden ist, dass es um Sein oder "Nichtsein" geht, so zumindest der Standpunkt der Aktivisten der letzten Generation, die sich zum Ärgernis davon betroffener Verkehrsteilnehmer auf Kreuzungen und Straßen festkleben, um so der Forderung nach sofortigem Handeln Nachdruck zu verleihen. 

Wie dem auch immer sei. In der zurzeit wohl vorherrschenden "Weltuntergangsstimmung" scheint zumindest angekommen zu sein, dass ein "Weiterso" nicht mehr akzeptiert werden kann, was so gar nicht zu dem Way of Life gehört, an das wir uns alle gewöhnt haben.

Warum? Die so genannte Postmoderne, die sich jenseits von gut und böse und diesseits von wahr und falsch eingerichtet hat, setzt sich, weit über die Zukunftserwartungen der Letzten Generation hinausgehend, aus einer Vielzahl von anderen, wohlstandsgeschädigten Zeitgenossen zusammen, die sich auf der einen Seite der Überzeugung hingeben, dass sich der Mensch von heute in einem zerstörerischen System gefangen fühlt, dem nur noch ein Gott helfen kann, obwohl der schon längst für tot erklärt wurde.

In dieser Situation treffen die "Ängstlichen", und das ist die andere Seite der Medaille, auf eine Vielzahl von Technikgläubigen, die behaupten, dass alles, was technisch herbeigeführt wurde, auch technisch wieder beseitigt werden kann und somit alles wieder gut wird, wenn man sie nur machen lässt.

Und welche Lösungen bieten in diesem Sachzusammenhang die Politiker an, die in einer repräsentativen Demokratie ja letztendlich diejenigen sein sollten, deren Aufgabe es ist, Weg aus der Krise finden. Mit sofortigen Handlungen dürfte kaum zu rechnen sein, denn die Lebenslügen der deutschen Politik sind stärker. Allen Parteien handelt eine Ideologie an, zu der Worte wie "Entschleunigung", Beschränkung und Wachstumsbegrenzung nicht gehören. Das, was die Politik zurzeit leistet, ist der Versuch, durch ein richtiges Management die drängendsten Probleme zu lösen, nicht aber die Probleme an sich.

Der Grund dafür sind ein paar schwer zu erschütternde Lebenslügen der deutschen Politik, deren Hauptlüge heißt: Wachstum um jeden Preis.

Sparen und beschränken ja, aber nur bei anderen.

Warum ist das so?

Die Basis einer jeden Gesellschaft wird von den vorherrschenden Überzeugungen, Meinungen, Regel, den Traditionen, von Ritualen und in einem Rechtsstaat natürlich auch von den bestehenden Gesetzen vorgegeben, die von der wohl überwiegenden Mehrheit nicht nur toleriert, sondern auch beachtet, und darüber hinausgehend auch benötigt werden, den eigenen Gewinn möglichst maximieren zu können. Das ist, anders ausgedrückt, das in der Unabhängigkeit bereits benannte "Streben nach Glück." Die sich aus diesen Gewohnheiten/Überzeugungen ergebenden Zwänge, werden, sucht man nach ihnen, heute hinter dem Schlüsselwort "Markt" versteckt. Aus diesem Zauberwort leitet sich sozusagen das gesellschaftliche Muss ab, das sozusagen die Marschrichtung vorgibt: schneller, größer, weiter.

In solch einer Gemengelage fällt es schwer, jedmanden für Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen, wenn wir dabei die psychosozialen Voraussetzungen ausblenden, die jedem menschlichen Verhalten zugrunde liegen. Das hat zur Folge, dass der Markt sozusagen für alles verantwortlich gemacht werden kann, denn bei dieser Sprachfigur handelt es sich lediglich um eine Abstraktion, die sich einer Konkretisierung weitgehend entzieht, sich aber gerade deshalb besonders gut als Sündenbock eignet.

Schuld sind die Märkte. Punkt.

Natürlich eignet sich das Schlüsselwort Markt auch bestens dazu, sich als ein Opfer zu verstehen, das seine Opferrolle nicht selbst verursacht hat, denn das war der Markt. Dass diese Sichtweise zu kurz greift, dürfte aus den bisherigen Ausführungen deutlich geworden sein, denn verantwortlich für alle Ausformungen des Marktes sind Menschen, ohne die es Märkte gar nicht gäbe.

Müssen uns diese Realität in Furcht, Angst und Schrecken versetzen?

Besser wäre es, die Frage anders zu formulieren, etwa so:

Wovor müssen wir wirklich Angst haben?

Meine Antwort: Doch wohl nur vor uns selbst.

Warum?

Bereits seit über 70 Jahren sind wir dazu in der Lage, die Erde sozusagen unbewohnbar zu machen. Sollte es zum Beispiel zu einer atomaren Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan kommen, dann dürfte der dadurch ausgelöste atomare Winter auch in Europa zu spüren sein, weil es dann auch dort nicht nur unwirtlich kalt wird, sondern auch Missernten dafür sorgen werden, dass auch in Europa wieder gehungert werden muss.

Tröstend wäre in diesem Sachzusammenhang gesehen nur die Feststellung, dass dann das 1,5 Grad Ziel nicht nur innerhalb weniger Wochen erreicht, sondern sogar in einen "Minus-1,5-Grad-Zustand" transformiert worden wäre. Debatten im Bundestag und EU-Parlament wären denn ebenfalls obsolet geworden, weil die Wirklichkeit dann Fakten schafft, die sofortiges Handeln einfordern.

Das wäre nicht nur das Ende der Debattenkultur, sondern auch das Ende der Demokratie.

06 Nachhaltigkeit heute

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Zurück zur Nachhaltigkeitsdebatte von heute, die nicht nur Politiker mit Vehemenz führen, um dem Zauberwort der Klimaneutralität eine Heilkraft anzudichten, für die kein Anlass besteht, denn dieses Wort ist bei näherem Hinsehen so unscharf, dass damit alles aber auch nichts gemeint sein kann. Dazu später mehr.

Auf der Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung heißt es:

Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Um die globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein.

Und auf der Website des Rates für nachhaltige Entwicklung setzt Klimaneutralität Folgendes voraus:

Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen.

Wie das in einer Umwelt möglich sein soll, die bereits nachhaltig beschädigt wurde, diese Frage bleibt unbeantwortet.

Dennoch:

Sonnenkollektoren, Windräder, Wärmepumpen und vor allen Dingen der Import von grünem Wasserstoff sollen dieses "Nachhaltigkeitswunder" vollbringen, denn diese Zauberwörter garantieren nicht nur Klimaneutralität, sondern auch technischen Fortschritt, Wachstum und Wohlstandsvermehrung.

07 Abkehr vom falschen Leben

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Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Bei diesem Satz handelt es sich um ein vielzitiertes Mem des deutschen Philosophen Theodor W. Adorno (1903 bis 1969)aus dessen Minima Moralia. Das geflügelte Wort gilt heute als sein berühmtester Satz, sozusagen als eine sprichwörtlich gewordene Redewendung.

Hans-Joachim Maaz hat diesen Gedanken aufgegriffen und in seinem Buch „Das falsche Leben“ dazu eine Position eingenommen, die zumindest zum Nachdenken anregt, wenn er schreibt:

„Frühe narzisstische Verletzungen sind sozusagen die Basis massenpsychologischer Prozesse, „denn nur im Mitmachen, Dazugehören und durch äußere Anerkennung und Bestätigung bleibt die narzistische Wunde verhüllt. Mitläufertum und Mittäterschaft sind vor allem Selbstheilungsbemühungen, die im Fanatismus Suchtcharakter annehmen.“

An anderer Stelle heißt es:

„Deshalb muss man ein „gutes Leben“ notfalls herbeireden, sich selbst suggerieren und nach außen überzeugend vertreten. Deshalb ist es so wichtig, das mitzumachen, was alle machen, dazuzugehören und dabei kleine Erfolge zu feiern, wenigstens aber nicht negativ aufzufallen. Notfalls muss man ein gutes Leben herbeireden, sich selbst suggerieren und nach außen überzeugend zu vertreten.“

Hans-Joachim Maaz. Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm. Deutsche Verlagsanstalt -9. Auflage 2022, S. 51

Der Ausdruck Narzissmus, [so wie Hans-Joachim Maaz ihn verwendet], steht alltagspsychologisch und umgangssprachlich im weitesten Sinne für die Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung eines Menschen, der sich für wichtiger und wertvoller einschätzt, als urteilende Beobachter ihn charakterisieren. In der Umgangssprache wird eine stark auf sich selbst bezogene Person, welche anderen Menschen geringere Beachtung als sich selbst schenkt, als Narzisst bezeichnet. (Wikipedia.de).

Diese fehlerhafte Selbsteinschätzung bedarf der Korrektur, denn bei der Nachhaltigkeit von klimakorrigierenden weltweit erforderlich werdenden Maßnahmen geht es um die Interessen der Menschheit und nicht um die Bewahrung von Besitzständen von Einzelpersonen oder Interessensgruppen auf Kosten der Allgemeinheit. Wie diese Quadratur des Kreises gelingen soll, dazu fehlt es zumindest zurzeit noch an konkreten Vorstellungen.

Auch der Nachhaltigkeitsirrtum deutscher Politiker von heute vermag das Problem nicht zu lösen, denn die industrielle Massenproduktion von Solarzellen, Windrädern und erst recht der von Grünem Wasserstoff vermag das Klima nicht zu retten, wenn diese Techniken dazu dienen sollen, einen unterbrochen existenziell wachsenden Bedarf an Energie zu stillen, denn die klimaneutral erzeugte Energie sollen nicht nur den bestehenden Energiebedarf, der durch die Nutzung fossiler Energieträger zurzeit noch gewonnen wird ersetzen, sondern auch, weit darüber hinausgehend, den ins uferlose wachsenden Energiebedarf in der Zukunft sicherstellen.

Ohne eine "Verschlimmbesserung" des Weltklimas wird das nicht möglich sein.

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