Additiver Grundrechtseingriff
Der Begriff „additiver Grundrechtseingriff“ wird vom
Bundesverfassungsgericht wiederholt verwendet. Diese Sprachfigur steht
nicht für eine besondere Form des Eingriffs, sondern betrifft vielmehr
die Frage der Eingriffsrechtfertigung einer Vielzahl möglicherweise nur
geringfügiger Eingriffe, die sich in ihrer Addition aber zu einem
bedeutsamen Eingriff ausweiten können.
Das BVerfG geht davon aus,
dass verschiedene, für sich betrachtet, geringfügige Eingriffe in
grundrechtlich geschützte Bereiche deshalb von den
Strafverfolgungsbehörden in ihrer Gesamtwirkung als „schwerwiegende
Eingriffe“ anzusehen sind, sobald polizeiliche Maßnahmen das Maß der
rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschreiten.
Dies „Überschreite des Hinnehmbaren“ wird aber nur sichtbar, wenn alle
Grundrechtseingriffe zusammengeführt und als "ein Paket von
Grundrechtseingriffen" unterschiedlicher Intensität verstanden werden.
Diese Besonderheit gilt es zum Beispiel bei der Planung und
Durchführung langfristiger Observationsmaßnahmen zu bedenken, denn zum
Kernbereich des Persönlichkeitsrechts gehört auch der Schutz vor
unzulässiger Totalüberwachung.
Diesbezüglich heißt es in
einem Urteil des BVerfG aus dem Jahr 2005 wie folgt:
BVerfG 2005: Beim Einsatz
moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener, Ermittlungsmethoden
müssen die Strafverfolgungsbehörden mit Rücksicht auf das dem
„additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotential
besondere Anforderungen an das Verfahren beachten.
Wegen des schnellen
und für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels
muss der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten
und notfalls durch ergänzende Rechtssetzung korrigierend eingreifen.
Dies betrifft auch die Frage, ob die bestehenden verfahrensrechtlichen
Vorkehrungen angesichts zukünftiger Entwicklungen geeignet sind, den
Grundrechtsschutz effektiv zu sichern und unkoordinierte
Ermittlungsmaßnahmen verschiedener Behörden verlässlich zu verhindern.
BVerfG, Urteil vom
12. April 2005 - 2 BvR 581/01
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