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02 Verlust eines wichtigen Körpergliedes

Was ein wichtiges Körperglied ist, sollte in Anlehnung an ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2007 geprüft werden.

BGH 2007: Die Rechtsfrage, ob ein Körperglied im Sinne dieser Vorschrift „wichtig“ ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das Reichsgericht hat die Wichtigkeit eines Körperglieds rein abstrakt und generalisierend danach bestimmt, ob dessen Verlust „für jeden normalen Menschen eine wesentliche Beeinträchtigung des gesamten Körpers in seinen regelmäßigen Verrichtungen“ bedeutet. Es hat also allein darauf abgestellt, welche Bedeutung das Körperglied für den Menschen überhaupt hat, unabhängig von den individuellen Besonderheiten des Verletzten (...). So hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. Mai 1953 (...) ausgeführt, der Zeigefinger der rechten Hand sei ein wichtiges Körperglied, da sein Verlust eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung „für jedermann“ bedeute.

Demgegenüber beurteilt ein Teil des Schrifttums die Wichtigkeit eines Körpergliedes maßgeblich nach der Individualität des Tatopfers, namentlich nach seinen beruflichen Verhältnissen (...). Hierfür wird ausgeführt, dass die Bedeutung bestimmter Körperglieder und damit das Gewicht ihres Verlustes bei einzelnen Personen (z.B. ein Finger bei einem Berufspianisten) größer als im Normalfall sein kann. Eine andere Meinung stellt unter Bezug auf den Schutzzweck der Norm auf die individuelle Wichtigkeit des Körpergliedes für die generellen körperlichen Mindestfähigkeiten ab. Danach sollen bei der Beurteilung der Wichtigkeit eines Körpergliedes zwar berufliche, soziale oder private Sonderfähigkeiten oder Interessen des Tatopfers außer Acht bleiben, hingegen dessen individuelle Körpereigenschaften bzw. körperliche Besonderheiten Berücksichtigung finden (...).

Der Senat hält mit der Literatur die Auslegung, die das Tatbestandsmerkmal der „Wichtigkeit“ eines Körperglieds durch das Reichsgericht erfahren hat, für zu eng und nicht mehr zeitgemäß. Er ist der Auffassung, dass bei Beurteilung der Frage, ob ein Körperglied im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB wichtig ist, auch individuelle Körpereigenschaften und dauerhafte körperliche (Vor-)Schädigungen des Verletzten zu berücksichtigen sind.

Einer solchen Auslegung des Tatbestandsmerkmals stehen weder der Wortlaut des Gesetzes noch tragende Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs entgegen.

BGH, Urteil vom 15. März 2007 - 4 StR 522/06

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