15 Identitätsfeststellung nicht möglich
Gesetzt den Fall, dass es trotz aller der Polizei zur Verfügung
stehenden Mittel nicht möglich sein sollte, innerhalb von 12 Stunden die
Identität eines Tatverdächtigten bzw. die eines Beschuldigten nicht
feststellen zu können, dann ist, auch wenn ein Haftgrund noch nicht
nachvollziehbar begründet werden kann, weil ja die Identität des
Tatverdächtigen/Beschuldigte nicht einmal bekannt ist, diese Person
einem Richter vorzuführen, damit dieser dann über den Verbleib der
Person entscheidet.
Bei dieser Richtervorführung handelt es sich
dann aber nicht mehr um eine richterliche Entscheidung auf der Grundlage
der StPO, sondern um eine Entscheidung auf der Grundlage einer
polizeirechtlichen Befugnis, denn nunmehr gilt es eine Gefahr für die
Funktionsfähigkeit der Polizei durch die Gewahrsamnahme einer Person
abzuwehren. Sie wissen bereits: Es kann in einem Rechtsstaat nicht
hingenommen werden, dass eine Person 12 Stunden bei der Polizei
festgehalten wird, um dann sozusagen „unerkannt“ wieder seiner Wege
gehen zu können.
§ 38 Abs. 2
Nr. 5 PolG NRW (Dauer der Freiheitsentziehung)
2) Durch [eine] richterliche Entscheidung
kann in folgenden Fällen eine abweichende Frist des polizeilichen
Gewahrsams bestimmt werden:
5. zum Zwecke der Feststellung der Identität
bis zu insgesamt zwölf Stunden, wenn nicht vorher die Fortdauer der
Freiheitsentziehung auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes durch
richterliche Entscheidung angeordnet wurde. Sofern Tatsachen die Annahme
begründen, dass die Identitätsfeststellung innerhalb der Frist [von 12
Stunden] vorsätzlich verhindert worden ist, genügt es, wenn die
richterliche Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams zum Zwecke
der Identitätsfeststellung spätestens bis zum Ende des Tages nach dem
Ergreifen herbeigeführt wird. In diesem Fall darf die [durch einen
Richter verfügte] Freiheitsentziehung die in Nummer 2 genannte Frist
[das sind maximal 7 Tage] nicht überschreiten.
Diese
Überlegungen werden jedoch niemals vor Ort anlässlich sofort
erforderlich werdender polizeilicher Maßnahmen getroffen. Die in diesem
Sachzusammenhang erforderlich werdenden Begründungen setzen vielmehr
voraus, dass die dafür erforderliche Zeit zur Verfügung steht. 12
Stunden sollten dafür ausreichen.
Hinweis: Hier
wird davon ausgegangen, dass ein Richter eine namentlich nicht bekannte
Person nur äußerst zögerlich, wenn überhaupt in Untersuchungshaft nehmen
wird. Dass es solche Fälle dennoch gegeben hat, entspricht der
Unabhängigkeit entscheidender Richter.
LTO 2019: Dass der
juristische Umgang mit unbekannten Personen die Gerichte herausfordert,
klingt auch in dem Beschluss des LG Mönchengladbach an: „Die Kammer
verkennt nicht, dass die Forderung nach der Preisgabe ihrer Identität
als Zulässigkeitsvoraussetzung dazu führt, dass die Beschwerdeführerin
das von ihr verfolgte Ziel, anonym zu bleiben, aufgeben muss, um ihr
Feststellungsinteresse durchzusetzen.“ Dennoch überwiege der allgemeine
Verfahrensgrundsatz, dass es keinen anonymen Rechtsschutz gebe,
letztlich den Wunsch der Person, anonym zu bleiben. „Die deutsche Justiz
wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass sie es vor Gericht mit
anonymen Personen zu tun bekommt“, sagt Mertens [Verteidiger von 20
anonymen Aktivisten]. „Diese Vorstellung ist scheinbar für viele Richter
unerträglich“. Nicht einmal ihm seien die Identitäten seiner Mandanten
bekannt. Mertens übernimmt nach eigenen Angaben für die Kommunikation
mit seinen Mandanten regelmäßig die eindeutige Bezeichnung der Polizei,
also etwa „UP 05“. „UP“ steht für „Unbekannte Person“
Allerdings gelang es
den Behörden während des Prozesses über einen Lichtbildabgleich durch
ein Einwohnermeldeamt, eine junge Berlinerin zu identifizieren.
LTO.de - Legal
Tribune Online - Anonyme Aktivisten vor Gericht Urteil gegen Unbekannt
https://www.lto.de/recht/justiz/j/unbekannte-personen-up-eule-identitaet-verschweigen-haft-urteil-anonym/
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