01 Allgemeines
Unter den Voraussetzungen von § 112a StPO (Haftgrund der
Wiederholungsgefahr) lässt es das Gesetz zu, eine Person vorbeugend in
„Sicherrungshaft“ zu nehmen.
Die Vorschrift ist
präventivpolizeilicher Natur.
Der Haftgrund der
Wiederholungsgefahr ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
BVerfG 1973: Die Freiheit
der Person nimmt, als Basis der allgemeinen Rechtsstellung und
Entfaltungsmöglichkeit des Bürgers (...), einen hohen Rang unter den
Grundrechten ein. (...). Die Entziehung der persönlichen Freiheit muss
daher stets durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein (...). Der
Gesetzgeber darf die Einschließung eines Beschuldigten in einer
Haftanstalt nur anordnen, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies
zwingend gebieten. Dabei hat er diese Belange mit dem
verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Einzelnen an der
Bewahrung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Obwohl
der Haftgrund ursprünglich nur für Sexualdelikte bestimmt war, stellen
die Richter fest:
Das schließt
indessen nicht aus, die Wiederholungsgefahr auch bei anderen Delikten
als Haftgrund gelten zu lassen.
Die Bestimmung
stellt überdies sicher, dass die Annahme der Wiederholungsgefahr nicht
schon auf bloße Vermutungen, sondern nur auf bestimmte Tatsachen
gestützt werden kann, wobei in der Regel verlangt wird, dass der
Beschuldigte innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer gleichartigen
Straftat rechtskräftig zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.
BVerfG, Beschluss
vom 30.05.1973 - 2 BvL 4/73
Anlasstaten heute:
Zwischenzeitlich sind die Anlasstaten, die es zulassen, eine Person
wegen bestehender Wiederholungsgefahr in Sicherungsverwahrung zu nehmen,
umfänglich erweitert worden.
Im Zusammenhang mit sexuellen
Gewaltdelikten geht die herrschende Meinung davon aus, dass eine
Tatbegehung ausreicht und die Gefahr der Wiederholung besteht.
112a Abs. 1 Nr. 2 eröffnet den Haftgrund der Wiederholungsgefahr auch
bei den nachfolgend aufgeführten Delikten:
-
§ 89a
StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat)
-
§ 125a
StGB (Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs)
-
§ 224
StGB (Gefährliche Körperverletzung)
-
§ 225
StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen)
-
§ 226
StGB (Schwere Körperverletzung)
-
§ 226a
StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien)
-
§ 227
StGB (Körperverletzung mit Todesfolge)
-
§ 243
StGB (Besonders schwerer Fall des Diebstahls)
-
§ 244
StGB (Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl;
Wohnungseinbruchdiebstahl)
-
§ 249
StGB (Raub)
-
§ 255
StGB (Räuberische Erpressung)
-
§ 260
StGB (Gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei)
-
§ 263
StGB (Betrug)
-
§ 306
StGB (Brandstiftung)
-
§ 306c
StGB (Brandstiftung mit Todesfolge)
-
§ 316a
StGB (Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer)
-
§ 30a
Abs. 1 BtMG: Danach wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren
bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt
anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt
(§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande
handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden
hat.
Hinweis: Wiederholungsgefahr iSv § 112a Abs. 1 Nr. 2
setzt zwei Taten voraus.
Die Erweiterung der im § 112a Abs. 1 Nr.
2 StPO (Haftgrund der Wiederholungsgefahr) genannten Straftaten hat dazu
geführt, dass dieser Haftgrund heute wohl vorrangig dem Schutz der
Gesellschaft dient, also mit dazu beitragen soll, empfindliche Störungen
des Rechtsfriedens abwehren zu können.
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