Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit)
Durch eine Vielzahl polizeilicher Maßnahmen wird die allgemeine
Handlungsfreiheit tangiert. Dafür immer den Rechtsbegriff
„Grundrechtseingriff“ zu verwenden, fällt in vielen Fällen wegen der
Geringfügigkeit der jeweils zu treffenden Maßnahmen schwer, zumal auch
die Richter des BVerfG davon ausgehen, „dass der Einzelne
Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende
Allgemeininteressen dies rechtfertigen“, siehe Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94.
Davon kann z.B. ausgegangen werden, wenn Fahrzeugführer anlässlich von
Verkehrskontrollen aufgefordert werden, Führerschein und Fahrzeugschein
zu Kontrollzwecken auszuhändigen, oder auf Fragen eine Antwort geben
sollen, durch die sich eine befragte Personen selbst nicht belastet.
Aber auch bei formellen Befragungen, zu denen insbesondere
Vernehmungen gehören, handelt es sich um Eingriffe in die allgemeine
Handlungsfreiheit. Die Folge davon ist, dass einer Vernehmung immer eine
Belehrung vorausgegangen sein muss, denn niemand ist dazu verpflichtet,
sich selbst zu belasten.
Schutzbereich: Art.
2 Abs. 1 GG schützt die allgemeine Handlungsfreiheit, soweit nicht die
Rechte anderer verletzt werden und nicht gegen die verfassungsmäßige
Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird.
Umstritten ist, ob
nur der Kernbereich der Persönlichkeit erfasst wird, damit sich der
Einzelne als geistig sittliche Persönlichkeit entfalten kann
(Kernbereichstheorie) oder ob der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG
weiter reicht. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass Art. 2
Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit umfassend schützt (allgemeine
Handlungsfreiheit).
BVerfG
1957: Das Grundgesetz kann mit der „freien Entfaltung der
Persönlichkeit“ nicht nur die Entfaltung innerhalb jenes Kernbereichs
der Persönlichkeit gemeint haben, der das Wesen des Menschen als
geistig-sittliche Person ausmacht; denn es wäre nicht verständlich, wie
die Entfaltung innerhalb dieses Kernbereichs gegen das Sittengesetz, die
Rechte anderer oder sogar gegen die verfassungsmäßige Ordnung einer
freiheitlichen Demokratie sollte verstoßen können. Gerade diese, dem
Individuum als Mitglied der Gemeinschaft auferlegten Beschränkungen
zeigen vielmehr, dass das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 GG die
Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne meint.
BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 - 1 BVR 253/56
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