Meinungsfreiheit
Unter den Schutz der Meinungsfreiheit im Sinne von
Art 5 GG fallen nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn
und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen.
BVerfG 1991: Die Mitteilung einer Tatsache ist [...] im strengen Sinne keine
Äußerung einer Meinung, weil ihr die für eine Meinungsäußerung
charakteristischen Merkmale fehlen. Tatsachenbehauptungen fallen
deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs.
1 Satz 1 GG heraus. Sie sind vielmehr durch das Grundrecht der
Meinungsfreiheit geschützt, weil und soweit sie Voraussetzung der
Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet (...).
Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen
erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten
Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist
unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das
Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, daß die erwiesen oder
bewußt unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG umfaßt wird (...). Allerdings dürfen die Anforderungen an die
Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, daß darunter die Funktion der
Meinungsfreiheit leidet (...).
Die Abgrenzung zwischen
Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im Einzelfall schwierig
sein, vor allem deswegen, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten
miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung
ausmachen. In solchen Fällen ist der Begriff der Meinung im Interesse
eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern eine
Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die
Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind,
wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Das gilt insbesondere
dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den
Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall
das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der
grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden
(...).
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist allerdings nicht
unbegrenzt gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine
Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen
Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre.
Jedoch sind grundrechtsbeschränkende Vorschriften des einfachen Rechts
wiederum im Lichte des eingeschränkten Grundrechts auszulegen, damit
dessen wertsetzende Bedeutung für das einfache Recht auch auf der
Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt (....). Das führt im Rahmen der
auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der einfachrechtlichen
Vorschriften regelmäßig zu einer fallbezogenen Abwägung zwischen der
Bedeutung der Meinungsfreiheit und dem Rang des durch die
Meinungsäußerung beeinträchtigten Rechtsguts, das das einfache Recht
schützen will.
BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88
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