Gefahrenverdacht
In der Rechtslehre ist
strittig, ob bereits aufgrund eines bloßen Gefahrenverdachts
gefahrenabwehrende Maßnahmen getroffen werden können. Besser ist es, in
solchen Fällen von einer so genannten Anscheinsgefahr auszugehen, soweit
eine solche zu begründen ist.
BVerwG 2003: Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb
nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand
bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden
können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht
oder ein »Besorgnispotenzial«. Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet
keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu
begegnen.
An anderer Stelle heißt es:
Ist die Behörde mangels
genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden
Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der
erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr,
sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht
vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen,
zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger
Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen,
Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches
Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden
dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren
verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die - im Gegensatz
zur Feststellung einer Gefahr - über einen Rechtsanwendungsvorgang weit
hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der
Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der
Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der
in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit
einschließt, mithin - in diesem Sinne - »politisch« geprägt oder
mitgeprägt ist (...). Eine derart weit reichende Bewertungs- und
Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund
der Verordnungsermächtigungen nach Art des § 25 Abs. 1 OBG nicht zu..
BVerwG, Urteil vom 20.08.2003 - 6 CN 2.02
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