§ 239 StGB (Freiheitsberaubung)
Freiheitsberaubung durch Unterlassen
Freiheitsberaubung kann auch durch Unterlassen begangen werden, wenn der
Unterlassende rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht
eintritt und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen
Tatbestandes durch ein Tun entspricht (§ 13 StGB).
Ein solcher
Fall ist z.B. gegeben, wenn Polizeibeamte eine Person rechtmäßig in
Gewahrsam genommen haben, die Person nach Wegfall der
Gewahrsamsvoraussetzungen jedoch nicht freilassen. Die Rechtspflicht zur
Freilassung folgt unmittelbar aus den Polizeigesetzen.
BGH 2014: Hat es der hierfür
verantwortliche Polizeibeamte unterlassen, nach einer ohne richterliche
Entscheidung erfolgten Ingewahrsamnahme oder Festnahme, an der er selbst
nicht beteiligt war, die für die Fortdauer der Freiheitsentziehung
erforderliche unverzügliche Vorführung beim Richter vorzunehmen bzw. die
für sie gebotene richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen,
ist dies geeignet, den Vorwurf der Freiheitsberaubung durch Unterlassen
zu begründen.
Jedoch entfällt die Kausalität eines solchen
Unterlassens jedenfalls dann, wenn mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der zuständige Richter bei
unverzüglicher Vorführung und rechtmäßiger Entscheidung – unter
Ausschöpfung ihm zustehender Beurteilungsspielräume zugunsten des
Angeklagten – die Fortdauer der Freiheitsentziehung angeordnet hätte.
Pflichtwidrig
handelt, wer objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die gerade
dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts dient. Dabei bestimmen sich
Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt nach den Anforderungen, die bei
objektiver Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und
gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des
Handelnden zu stellen sind. Nicht entscheidend ist dagegen, ob die
Pflichtwidrigkeit durch ein aktives Tun begangen wurde oder in einem
Unterlassen begründet ist. Zu den Pflichten eines für den
Gewahrsamsvollzug verantwortlichen Polizeibeamten.
BGH, Urteil vom 4.9.2014–4 StR 473/13
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