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Inhaltsverzeichnis:
01 Einleitung 02 2021 wird
ein gutes Jahr 03 Mut zur Veränderung
04 Bürokratie wird es schon richten 05
Bildung ist nur ein Teil der Lösung
01
Einleitung
TOP
Wird die Pandemie bloß ein weiteres Kapitel in der langen und
traurigen Geschichte dessen sein, was Naomi Klein den
"Katastrophen-Kapitalismus" nennt, oder wird daraus eine neue,
ausgewogenere, vielleicht sogar bescheidenere Weltordnung
entstehen?
Slavoj Žižek
COVID-19 erschüttert die Welt
Letzteres bleibt zu hoffen.
Einen Tag vor Heilig Abend hieß es in den Medien: Neuer Höchstwert:
Deutschland verzeichnet tödlichsten Tag.
Was beweist uns das?
Dass eigentlich jetzt
jeder wissen müsste, worum es geht. Um eine Pandemie, in der es
im Interesse aller liegt, möglichst schnell zu
lernen, wie mit dem Virus umzugehen ist.
Aber das fällt viele
immer noch erkennbar schwer.
Gemeint sind:
Und dass Lernen schwerfällt, das lässt sich nicht nur an der
Diskussion festmachen, die unmittelbar nach den ersten Impfungen
einsetzte. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe, als die Frage
aufzuwerfen, die da lautet: Dürfen Geimpfte mehr als Ungeimpfte?
Sogar verfassungsrechtliche Bedenken wurden geltend gemacht,
wenn es Geschäftsleuten verwehrt würde, geimpfte Personen anders
als ungeimpfte Personen zu behandeln. Sogar ein ehemaliger
Präsident des Bundesverfassungsgerichts sprach sich für eine
Ungleichbehandlung aus, denn es sei rechtlich zulässig, Geimpfte
anders als Ungeimpfte zu behandeln.
Solch eine Frage zu
einer Zeit zur Diskussion zu stellen, in der nicht einmal die
90-jährigen und andere Risikogruppen geimpft wurden,ist wirklich
bemerkenswert.
Übrigens: Wenn der
Impfpass in Zukunft zum „Freifahrtsschein für Bürgerrechten“
mutieren sollte, dann wäre es vielleicht schon jetzt sinnvoll, ihn von
vornherein als ein fälschungssicheres Dokument zu planen, um
Start-ups erst gar nicht auf die Idee zu bringen, daraus eine
illegale lukrative Geschäftsidee zu machen.
Das aber nur am Rande.
Eine Gesellschaft, die sich mitten in einer Pandemie mit solchen
Nebensächlichkeiten befasst, hat wirklich den Blick für das
Wesentliche verloren, zumal die Probleme, die durch COVID-19
ausgelöst wurden und weiterhin ausgelöst werden, ja gerade erst
einmal begonnen haben. Viele andere werden folgen. Insoweit
kann, ohne prophetische Gaben für sich in Anspruch zu nehmen,
festgestellt werden, dass diese Gesellschaft noch viel wird
lernen müssen: Nicht nur die Armen, auch die Reichen und auch andere
Privilegierte werden lernen müssen, dass eine neue Zeit
angebrochen hat. Eine Zeit des Lernens.
Lernen wird somit 2021 nicht nur eine Herausforderung, sondern
auch eine Verpflichtung sein.
Für jede und für jeden.
Das, was möglichst
schnell gelernt werden muss, das hat Carl Rogers schon in den 1960er
Jahren zutreffend in seinem Buch „Lernen in Freiheit“ als
signifikantes Lernen bezeichnet, womit er ein
verhaltensänderndes Lernen meinte, das voraussetzt, dass sich
Menschen, die sich in einer Identitätskrise befinden, diese Krise nur
dadurch überwinden können, indem sie Verhaltensweisen erlernen,
die der Krise angemessen sind.
Auch, wenn das schmerzt.
Es würde zu weit führen,
an dieser Stelle darzustellen, was Carl Rogers unter einer
individuellen Identitätskrise verstand, denn heute geht es nicht
nur um die Identitätskrisen von Einzelpersonen, sondern um
handfeste Identitätskrisen von Gesellschaften.
Was uns dennoch
fehlt, ist ein Leitfaden, wie Carl Rogers ihn für die 198er
Jahre geschrieben hat. Der Titel dieses Leitfadens lautet:
Freedom to Learn for the 80‘s.
In diesem Sinne wäre es
vielleicht hilfreich, eine vergleichbare Lernstrategie für die
2020er Jahre zur Verfügung zu haben.
Eile täte not.
Wie dem auch immer
sei.
Jede Person, die sich in
einer Identitätskrise befindet, weiß, dass es so, wie sie lebt,
einfach nicht mehr weitergehen kann. Nicht anders geht es im
Prinzip ganzen Gesellschaften, auch wenn die nicht wahrhaben
wollen, dass ihre Vorstellung vom angenommenen richtigen Leben
mehr Probleme schafft, als löst.
Das Virus ist überall,
kennt keine Grenzen, unterscheidet nicht zwischen Schwarz und
Weiß und auch nicht zwischen Arm und Reich. Dieses Virus ist
einfach da und verbreitet sich ohne Ziel, ohne Plan und auch
ohne jegliche Absicht. Dieses Virus will auch niemanden
bestrafen. Es tut einfach das, was in seiner Natur liegt: Es
verbreitet sich.
Wir aber halten es eher
mit dem Glauben an die Bibel, denn in der kann nachgelesen
werden, dass Gott seinen Kindern zwar viele Katastrophen
bescherte, sie aber nie im Stich ließ, denn irgendwie und
irgendwann halt er ihnen doch immer. Er führte sie sogar ins
gelobte Land.
In der vierten Rede des
Elihus heißt es zum Beispiel im Buch Ijob wie folgt:
Über
Gottes Größe
Sieh,
groß ist Gott in seiner Macht. Wer ist ein Lehrer wie er?
Wer will ihm weisen seinen Weg? Wer kann ihm sagen: Du tust
Unrecht? Denk daran, hoch sein Werk zu preisen, Von dem
die Menschen Lieder singen. Alle Welt schaut es, Von ferne
nur erblickt es der Mensch. Siehe Gott ist groß, wir
begreifen ihn nicht, Unerforschlich ist die Zahl seiner
Jahre.
Ijob 36,1-37,6
Mit anderen Worten:
Vertraue auf die
Weisheit Gottes. Er wird es schon richten. Und so kommt es dann
ja auch letztendlich. Gott zeigt Verständnis für die Leiden des
Ijob und gewährt ihm ein Leben in noch mehr Reichtum und noch
mehr Wohlstand als vor der Zeit seines Leidens.
Anders ausgedrückt:
Wenn Corona besiegt ist,
dann werden wir unseren Reichtum und unseren Wohlstand mehren.
Wenn wir erst einmal wieder im normalen Leben angekommen sind,
dann wird alles noch besser, als es zuvor war.
02
2021 wird ein gutes Jahr
TOP
Es kann nicht
ausgeschlossen werden, dass im Jahr 2021 tatsächlich alles noch
besser wird, als es jemals zuvor war.
Das würde aber nach der
hier vertretenen Meinung voraussetzen, dass 2021 durch die
bundesdeutsche Gesellschaft sozusagen ein Ruck gehen muss, und
tatsächlich weniger Einzel- und Gruppeninteressen, sondern,
sozusagen als Ersatz dafür, Allgemeininteressen ins Zentrum
der Zukunftsgestaltung gestellt werden müssten.
Ruckrede des
Bundespräsidenten: Auch wenn der ehemalige Bundespräsident
Roman Herzog, als er im Hotel Adlon in Berlin, am 26. April
1997, seine berühmte Ruckrede hielt und damals von Corona noch gar nichts
wissen konnte, scheint er doch seiner Zeit vorausgewesen zu
sein, wie das die folgenden Zitate aus seiner Rede belegen:
Es ist
ja nicht so, als ob wir nicht wüssten, dass wir Wirtschaft und
Gesellschaft dringend modernisieren müssen. Trotzdem geht es nur
mit quälender Langsamkeit voran. Uns fehlt der Schwung zur
Erneuerung, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene
Wege zu verlassen, Neues zu wagen. Ich behaupte: Wir haben kein
Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.
Und:
Ich
vermisse bei unseren Eliten in Politik, Wirtschaft, Medien und
gesellschaftlichen Gruppen die Fähigkeit und den Willen, das als
richtig Erkannte auch durchzustehen. Es kann ja sein, dass einem
einmal der Wind der öffentlichen Meinung ins Gesicht bläst.
Unser Land befindet sich aber in einer Lage, in der wir es uns
nicht mehr leisten können, immer nur den Weg des geringsten
Widerstands zu gehen.
Und:
Eliten
müssen sich durch Leistung, Entscheidungswillen und ihre Rolle
als Vorbild rechtfertigen. Ich erwarte auch eine klare Sprache!
Wer - wo auch immer - führt, muss den Menschen, die ihm
anvertraut sind, reinen Wein einschenken, auch wenn das
unangenehm ist.
Und:
Ich
meine, wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag zugunsten
der Zukunft.
Heute bestimmt noch dringender,
als das 1997 der Fall war.
Warum?
Die Wirtschaft schlägt
Alarm: Der Sozialstaat stößt an seine Grenzen. Soziale
Ungerechtigkeiten werden Allerortens beklagt. Die
unvermeidlichen Folgen davon werden sein, dass sich der
gesellschaftliche Verteilungskampf weiter zuspitzen wird. Es ist
also an der Zeit, über Werte wie Gerechtigkeit, Leistung und
Würde neu zu verhandeln.
Mit anderen Worten:
Das, was wir in Zukunft unter
Grundrechten verstehen werden, wird zumindest in Teilbereichen neu zu verhandeln
sein und mit neuen
Inhalten belegt werden müssen, um Zukunft überhaupt ermöglichen
zu können. Der Beschränkung von Freiheit, besser gesagt einer
anderen Form gelebter Freiheit, wird dabei sicherlich eine
bedeutsame Rolle zukommen.
Solche Fragen werden aber nicht diskutiert, obwohl das weitaus
bedeutsamer wäre, als der Frage
nachzugehen, ob es Geschäftsleuten verwehrt werden kann, mit
geimpften Personen "Geschäfte" zu machen, denn von denen kann ja
keine Gefahr mehr ausgehen, so dass zumindest für diese
Personengruppe Beschränkungen hinfällig würden.
Was zeigt uns diese Diskussion?
Es ist wieder an der Zeit, politisch zu
werden.
Was aber ist Politik?
Bereits 1950 hat Hannah
Arendt versucht, diese Frage zu beantworten. Sie schrieb damals:
Politik
beruht auf der Tatsache der Pluralität der Menschen. [...].
Politik handelt von dem Zusammen- und Miteinander-Sein der
Verschiedenen.
Hannah Arendt
'Fragment
I Was ist Politik
Und in ihrem Hauptwerk
„Vita activa“ heißt es unter anderem:
Für
Menschen heißt Leben [...] so viel wie
„unter Menschen weilen“ (...) und Sterben
so viel wie „aufhören unter Menschen zu weilen“ (...), siehe
Seite 17. Und unter Verweis auf Aristoteles (384 bis 322 v.
Chr. ) und auf den gut 1600 Jahre später
philosophierenden heiligen Thomas von Aquin (1225 bis 1274)
heißt es bei Hannah Arendt, dass das richtige Leben als ein
Leben anzusehen ist, das „öffentlichen politischen Dingen gewidmet
ist“, siehe Seite 22.
Die Frage, die sich
nunmehr stellt, lautet:
Und warum kümmern wir
uns heute kaum noch um die öffentlichen Dinge, sondern nur um
uns selbst, außer an Wahltagen?
Hannah Arend schrieb
dazu Folgendes:
Den
Griechen erwuchs Verlangen nach Unsterblichkeit aus dem
Bewusstsein, als Sterbliche von einer unvergänglichen Natur
umgeben zu sein und unter den Augen der todlosen
Götter ihr Leben zu verbringen. Eingelassen in eine Ordnung, in
der alles unsterblich war außer den Menschen, wurde Sterblichkeit als solche
als das eigentliche
Merkmal menschlicher Existenz angesehen. Menschen sind „die
Sterblichen“ schlechthin, nämlich das Einzige, was überhaupt
sterblich ist, und sie unterscheiden sich von den Tieren
dadurch, dass sie nicht nur als Glieder der Gattung existieren,
deren Unsterblichkeit durch Fortpflanzung gewährleistet ist,
siehe Seite 29.
Diese Zeilen wurden 1950
geschrieben.
Heute bedürfen diese
Sätze dringend einer Korrektur, den heute wissen wir, dass sogar
in Deutschland das Artensterben besorgniserregende Ausmaße
angenommen hat, denn von den vielen toten Insekten, die noch vor
30 Jahren im Sommer die Windschutzscheiben der Autos „zierten“
und nur mit speziellen Schwämmen beseitigt werden konnten, um
sich wieder freie Sicht verschaffen zu können, sind kaum noch
mehr als 30 Prozent übrig geblieben. Der Rest hat, um mit den
Worten von Günther Anders fortzufahren, im
„Auschwitz der Tiere“ sein Ende gefunden.
Günther
Anders Ketzereien Auschwitz der Tiere C.H.Beck –
Seite 191
Was Günther
Anders schon in den 1970er Jahren
diagnostizierte, daran zu zweifeln ist 2021 nicht mehr zulässig,
und wenn doch, dann handelt es sich dabei um die Sichtweise von
Ignoranten.
Gleiches gilt im Übrigen
auch für eine Meldung, die am 30.12.2020 in den Medien
verbreitet wurde.
Coronavirus in
Deutschland Erstmals mehr als 1000 Tote an einem Tag.
Dennoch:
Weitaus intensiver
wird zum anstehenden Jahreswechsel aber wohl die
Unzumutbarkeit des
Böllerverbotes zu Silvester diskutiert, verbunden mit der Frage,
ob alte Böller abfeuert werden dürfen, da neue nicht zu kaufen
sind.
03
Mut zur Veränderung
TOP
Veränderung ist ein
Gesetz des Lebens. Jedes Gestern bleibt ein Gestern und nicht
eine Stunde des realen Lebens kann zum zweiten Mal erlebt
werden. Natürlich können sich Menschen einen Film mehrmals
ansehen und einen Ohrwurm so lange noch einmal und noch einmal
hören, bis sie ihn nicht mehr ertragen können, aber keinem
Menschen ist es möglich, zweimal in den gleichen Fluss zu
steigen.
Die bekanntere Formel
„panta rhei“ war schon den alten Griechen geläufig. Sie wird auf
den griechischen Philosophen Heraklit (520 bis 460 v.Chr.)
zurückgeführt.
Trotzdem enthält das
Grundgesetz eine so genannte Ewigkeitsklausel, siehe Artikel 79
Abs. 3 GG.
Dort heißt es:
(3) Eine
Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des
Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei
der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20
niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.
Diese Ewigkeitsklausel,
verkennt aber, dass seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes
dieses Gesetz bis 2010 insgesamt 54 Mal verändert wurde. Sieben
Änderungen betrafen den Grundrechtsabschnitt und von insgesamt
199 Einzeländerungen betrafen 16 die Grundrechte.
Deutscher
Bundestag: Wissenschaftliche Dienste: 60 Jahre Grundgesetz -
Zahlen und Fakten
Und als dann von 1991
bis 1993 eine Kommission den Auftrag erhielt, die
Grundgesetzartikel erneut auf ihre Zeitmäßigkeit zu überprüfen,
kamen dabei acht Empfehlungen heraus, wie das Grundgesetz
geändert bzw. ergänzt werden könne. Unter anderem betraf es die
tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau, die rechtliche
Stärkung Behinderter und den Umweltschutz, der nun als
Staatsziel formuliert wurde. Eine Volksabstimmung über das
Grundgesetz sei nicht nötig, hieß es im Abschlussbericht.
Das, was erarbeitet
wurde, vermochte dennoch nicht zu überzeugen.
Genauso wenig wie
die Ergebnisse der Föderalismusreform 2005/06
(Föderalismusreform I) als auch die von 2009 (Föderalismusreform
II).
Ein grundsätzlicher
Kritikpunkt wurde nicht einmal ernsthaft geprüft. Um ihn zu benennen,
reicht ein Satz aus:
Dieser Satz lautet:
Die
bisherige gegenseitige Behinderung von Bund und Ländern konnte
auch durch das geänderte Grundgesetz nicht aufgehoben werden.
In Corona-Zeiten ist das
mehr als deutlich geworden.
Heribert Prantl hat für
die oben skizzierten Föderalismusreformen zutreffende
Worte gefunden, indem er schrieb: Die Unionsparteien hatten gar kein Interesse an
einer grundlegenden Reform des Grundgesetzes.
Deutschlandfunk
Kultur - 70 Jahre Grundgesetz - Ein Dokument der Freiheit
Dem ist zuzustimmen.
Genauso fehlerhaft ist
es, der Öffentlichkeit vorzuenthalten, was tatsächlich geändert
werden muss. Grund dafür ist, dass, wenn Politiker den Mut dazu
aufbringen würden, notwendige Veränderungen beim Namen zu benennen,
sie niemand mehr wählen würde.
04
Bürokratie wird es schon richten
TOP
Große Zweifel an dieser
Überschrift sind angebracht. Vielmehr kann Max Weber nur
zugestimmt werden, der in seinen „Schriften zur Politik“ unter
der Überschrift „Beamtenherrschaft und politisches Führertum“,
im Sommer 1917 in der »Frankfurter Zeitung« einen Text
veröffentlichte, aus dem hier nur wenige Sätze zitiert werden.
Dort heißt es unter
anderem:
Was die
Literaten euphemistisch den »Sozialismus der Zukunft« nennen,
[...] ist im Resultat
die Schaffung von Bürokratie.
Der
Bürokratisierung gehört die Zukunft.
Diese
leblose Maschine ist geronnener Geist. Nur dass sie dies
ist, gibt ihr die Macht, die Menschen in ihren Dienst zu zwingen
und den Alltag ihres Arbeitslebens so beherrschend zu bestimmen.
Denn das
leistet die Bürokratie ganz unvergleichlich viel besser als
jegliche andere Struktur der Herrschaft.
Uns
[aber] interessiert hier [vorrangig] die praktische Bedeutung
der Stellung des Parlaments.
Hinweis: Diese
Parlamente, von deren herausragender politischer Bedeutung Max Weber bereits
1917 überzeugt war, werden heute nur noch zur Zustimmung von
Gesetzen benötigt, die von Bürokraten erdacht und erarbeitet
wurden und die nicht einmal mehr Abgeordnete in Gänze verstehen.
Ein Blick in den § 28a
des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), der anlässlich der
Coronakrise modifiziert wurde, macht deutlich, dass allein diese
Neuregelung sich durch einfaches Lesen nicht mehr erschließen
lässt. Wer solche Texte verstehen will, muss sich Zeit nehmen.
Gleiches gilt auch für die Coronaschutzverordnung des Landes
NRW, die sich ebenfalls durch juristischen Sprachgebrauch
auszeichnet und den Leser bzw. die Leserin eher verwirrt, als
informiert.
Das muss sich 2021
ändern, damit das, was wir Demokratie nennen, von Dauer sein
kann. Es muss auch wieder darüber gestritten werden, was unter
Freiheitsrechten im Sinne des Grundgesetzes zu verstehen ist,
damit das Grundgesetz wieder den Ansprüchen der Zeit von heute
entsprechen kann, denn die Zeit,
in der das Grundgesetz entstand, ist Vergangenheit.
Und auch für ein Grundgesetz gilt, das einbetoniertes
Recht den Ansrüchen seiner Zeit auf Dauer nicht mehr zu genügen
vermag.
Veränderung tut somit not.
Und wer Veränderungen anstrebt, um auf Dauer zukunftsfähig
bleiben zu können, sollte darüber nachdenken, welche
Veränderungen notwendig sind.
Das aber setzt Bildung voraus.
05
Bildung ist ein Teil der Lösung
TOP
Bildung setzt zuerst
einmal
voraus, zu wissen, was mit dem Wort Bildung überhaupt gemeint
ist. Das ist leichter gesagt als getan, denn in der
bundesdeutschen Bildungsvielfalt gibt es kaum einen Begriff, der
umstrittener ist als das einfach zu lesende Wort „Bildung“.
Das richtige Ausfüllen
des Kontakttagebuchs in der wesentlich verbesserten
Corona-Warn-App, dürfte wohl kaum als Bildung bezeichnet werden
können. Das gilt im Übrigen auch für die täglich neuen
Rekordzahlen, die das Robert Koch-Institut (RKI) allabendlich in
den Nachrichten der Öffentlichkeit präsentiert.
Bildung ist
etwas ganz anderes.
In Anlehnung an John
Dewey (1859 bis 1952), ist Bildung nichts anderes, als die
beständige Erneuerung von Erfahrung. Diese Idee von Bildung ist
von der „Vorbereitung auf eine ferne Zukunft“ genauso weit
entfernt, wie die zum Scheitern verurteilten Bemühungen, die
Vergangenheit zu wiederholen.
Bildung, das ist für
John Dewey das Ergebnis eines Erziehungsvorgangs, der jedem
Erzogenen die Fähigkeit vermittelt, sich selbst weiter erziehen
zu können. Erziehung und die sich daraus ergebende Bildung ist,
so kann es bei Dewey nachgelesen werden, eine bedeutsame
Vorbereitung für die Erfüllung von Aufgaben, im Hier und im
Jetzt und auch in einer erkennbaren bzw. sich abzeichnenden
nahen Zukunft.
Und:
Wenn diese Erziehung
Früchte tragen soll, dann muss es gelingen, die Bedürfnisse und
Möglichkeiten der unmittelbaren Gegenwart so in den Griff zu
bekommen, dass auf die Wirkung des hegelschen Weltengeistes, in
dessen Hände sich letztendlich die alles bestimmende Autorität
befindet, gehörte nicht zu den Grundüberzeugungen von John
Dewey. Er glaubte, im Gegensatz zu Hegel, nicht an eine
außerhalb des Menschen sich befindliche fortschreitende Vernunft
der Geschichte, die letztendlich die Zukunft gestalten
würde,sondern daran, dass in einer Demokratie jeder Einzelne an
der ständigen Umgestaltung - auch des grundsätzlichen Aufbaus
der Gesellschaft - mitwirken, und diese so verändern könne, dass
ein Leben in Freiheit und Selbstverantwortung möglich sei.
"Eine demokratische Gesellschaft muss daher in Übereinstimmung
mit ihrem Ideal in ihren Erziehungsmaßnahmen dem Spiele
verschiedenster Gaben und Interssen im Sinne geistiger Freiheit
Raum gewähren."
John Dewey Demokratie
und Erziehung Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik
Beltz-Verlag Seite 396
Für John Dewey stand
fest, dass es sich bei einer Demokratie um eine Form des
Zusammenlebens handelte, deren Aufgabe eist, unter Anwendung von
Intelligenz soziale Probleme zu lösen.
Festgefahrene und unverrückbare Glaubensgrundsätze lehnte er ab.
Dem ist nur noch
hinzuzufügen, dass wirklich Neues nur dann entstehen kann, wenn
Bestehendes nicht nur hinterfragt, sondern auch in die Tat
umgesetzt wird.
Übrigens: Die oftmals gehörte Aufforderung,
selbst zu denken, war für John Dewey nur eine rhetorische Frage
ohne Informationsgewinn, also nichtssagend, denn wenn man selbst
nicht denkt, so Dewey, denkt man überhaupt nicht. Für ihn war
Denken ein genauso individueller Vorgang wie die Verdauung der
Nahrung.
Und dass selbständiges Denken für den Denkenden
gefährlich werden konnte, davon ging Dewey ebenfalls aus, denn
ein Denken unter Missachtung der Denkgewohnheiten der Mächtigen,
so kann es bei Dewey nachgelesen werden, das kann gefährlich werden. So ist es ja auch heute noch.
Gegen den Strom zu schwimmen, und sind die Argumente auch noch
so gut, ist wie ein Kampf gegen Windmühlen.
Dennoch, eine Werteauffassung, die nicht die ökonomischen
Abläufe und ihre Konsequenzen für die in Gesellschaften
zusammenlebenden Menschen berücksichtigt, hielt er für nichts
anderes, als für verschwommene und unspezifische intellektuelle
Freiübungen, die einer Demokratie nicht förderlich seien, denn
Dewey verstand unter einer Demokratie nicht nur eine Form des
sozialen Lebens unter anderen brauchbaren Formen.
Nein:
Demokratie, das war für John Dewey sozusagen eine notwendige
Vorbedingung für die volle Anwendung von Intelligenz.
Es wird Zeit, sich daran zu erinnern, dass das Wort
„alternativlos“ nichts anderes als eine inhaltslose Worthülse
ist. Dieses Wort ist eine Beleidigung für den menschlichen
Intellekt.
Wir haben immer eine Wahl.
Trotzdem: Die Hoffnung stirb erst am Schluss.
In den folgenden Monaten
werden auf dieser Website Ideen vorgestellt, die Wege aufzeigen,
was für eine Bildung anzustreben wäre, um nicht nur die sozialen, sondern auch die umweltbezogenen Probleme erträglicher gestalten zu können, denn es muss
davon ausgegangen werden, dass mit dem fortschreitenden
Klimawandel schon bald auch die bisher noch Unbelehrbaren
einsehen werden, dass nur durch Verhaltensänderungen sich die Gattung
Mensch auf dem Planeten Erde wird erhalten können.
Wir sind Erdlinge.
Daran geht kein Weg
vorbei.
Die Corona-Krise ist
vielleicht der letzte Akt in einer von Menschen selbst gemachten
Tragödie, das sichtbar gewordene Ausmaß der eigenen Selbstüberschätzung
noch halbwegs erträglich gestalten zu können.
Wenn Sie in diesem Text einen Fehler gefunden haben,
einen Verbesserungsvorschlag machen möchten oder mir eine Frage
stellen wollen, dann schreiben Sie bitte eine Mail an
info@rodorf.de
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