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Im Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes sowie in
Angelegenheiten der Europäischen Union mit (Artikel 23, 50 GG).
Artikel
23 GG
Artikel 50 GG
Bei dem Bundesrat handelt es sich um ein Bundesorgan, nicht um ein Organ der Länder.
Der Bundesrat wird deshalb ausschließlich im Zuständigkeitsbereich des Bundes und nicht
im Zuständigkeitsbereich der Länder tätig.
Über den Bundesrat erhalten die Länder lediglich ein Beteiligungsrecht an der
Gesetzgebung. Beim Bundesrat handelt es sich auch nicht um ein selbständiges zweites
Gesetzgebungsorgan.
In einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts () heißt es:
BVerfGE 37, 363 (aus dem Jahre 1974)
Auszug
"Nach der Regelung des Grundgesetzes ist der Bundesrat nicht eine zweite Kammer
eines einheitlichen Gesetzgebungsorgans, die gleichwertig mit der "ersten
Kammer" entscheidend am Gesetzgebungsverfahren beteiligt wäre. Dies zeigt schon die
Verkündungsformel für Gesetze, die selbst beim Zustimmungsgesetz nicht lautet:
"Bundestag und Bundesrat haben das folgende Gesetz beschlossen", sondern:
"Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz
beschlossen".
Nach Art. 77 Abs. 1 GG werden die Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen. Der
Bundesrat wirkt bei der Gesetzgebung lediglich mit (Art. 50 GG).
Artikel
77 GG
Artikel 50 GG
Dabei ist wesentlich, dass das Erfordernis der Zustimmung zu einem Gesetz nach dem
Grundgesetz die Ausnahme ist.
Die Zustimmung ist nur in bestimmten, im Grundgesetz einzeln ausdrücklich
aufgeführten Fällen erforderlich, in denen der Interessenbereich der Länder besonders
stark berührt wird (BVerfGE 1, 76, 79).
Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Landesregierung. Diese werden von den
Landesregierungen bestellt und abberufen (Artikel 51 GG).
Artikel
51 GG
Die Mitglieder des Bundesrates werden im Gegensatz zu den Abgeordneten im Deutschen
Bundestag nicht unmittelbar durch Wahlen legitimiert.
Ihre Legitimation erhalten die Mitglieder vielmehr durch die Länderparlamente und
durch die von den jeweiligen Länderparlamenten getragenen Landesregierungen, die
bestimmen, welche Personen die Interessen des Landes im Bundesrat vertreten.
Der Bundesrat hat keine Legislaturperiode.
Es handelt es sich vielmehr um ein Bundesorgan, das kontinuierlich besteht und keiner
unmittelbaren Legitimation durch das Wahlvolk bedarf.
02 Bundesrat - Zusammensetzung
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Der Bundesrat setzt sich aus 69 stimmberechtigten Mitgliedern zusammen. Je nach Größe
der Länder verfügen diese über 3 bis 6 Stimmen (Artikel 51 GG). Jedes Land kann so
viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat. Da Bundesländer ihre Stimme jedoch nur
einheitlich abgeben können, reicht es aus, wenn die Anzahl der Länderstimmen durch eine
beauftragte Person abgeben wird. Eine uneinheitliche Stimmabgabe führt zur Ungültigkeit
der Stimmabgabe des jeweiligen Bundeslandes.
- Bayern - 6 Stimmen
- Baden-Württemberg - 6 Stimmen
- Niedersachsen - 6 Stimmen
- Nordrhein-Westfalen - 6 Stimmen
- Hessen - 5 Stimmen
- Berlin - 4 Stimmen
- Brandenburg - 4 Stimmen
- Rheinland-Pfalz - 4 Stimmen
- Sachsen - 4 Stimmen
- Sachsen-Anhalt - 4 Stimmen
- Schleswig-Holstein - 4 Stimmen
- Thüringen - 4 Stimmen
- Bremen - 3 Stimmen
- Hamburg - 3 Stimmen
- Mecklenburg-Vorpommern - 3 Stimmen
- Saarland - 3 Stimmen
Gegenüber dem Bundestag hat der Bundesrat eine Kontroll- und Hemmfunktion. Mitglieder
des Bundesrates dürfen deshalb nicht zugleich auch Mitglieder des Bundestages sein
(Inkompatibilität).
Dies gilt mit umgekehrten Vorzeichen auch für Abgeordnete des Bundestages.
03 Bundesrat - Zuständigkeiten
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Die Zuständigkeit des Bundesrates ist im Grundgesetz durch spezielle Zuweisungen
geregelt:
- Mitwirkung im förmlichen Gesetzgebungsverfahren (Artikel 76, 77 GG)
- Beteiligung in Angelegenheiten der Europäischen Union (Artikel 23, 52 GG)
- Zustimmung zu Rechtsverordnungen (Artikel 80 GG)
- Zustimmung im Rahmen der Bundesaufsicht (Artikel 84 GG)
- Zustimmung beim Bundeszwang (Artikel 37 GG)
- Zustimmung im Bereich der bundeseigenen Verwaltung (Artikel 87 GG)
Diese Aufgaben werden im Zusammenhang mit der Beschreibung des Gesetzgebungsverfahrens
weiter vertieft.
04 Bundesrat in der Rechtsprechung des BVerfG
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Das Bundesverfassungsgericht hat zu grundlegenden Fragen, die den Bundesrat betreffen,
mit Urteil vom 30 Juli 1958 - 2 BvF 3, 6/58 - Stellung bezogen.
In diesem Urteil wird insbesondere zu nachfolgend aufgeführten Problembereichen
Stellung genommen:
- Bundesrat als Verfassungsorgan
- Bundesratsprinzip
- Funktion des Bundesrates
- Mitgliederinstruktion für die Stimmabgabe
- Weisungsrecht der Landesregierung
Das Urteil geht auf Volksbefragungsgesetze zurück, die in den Bundesländern Hamburg
und Bremen erlassen wurden, um die Einstellung ihrer Bevölkerung zur Ausrüstung der
Bundeswehr mit Atomwaffen und zur Errichtung von Abschussbasen für Atomwaffen auf dem
Gebiet der Bundesrepublik erheben zu können. Gegen diese Ländergesetze wurde seitens der
Bundesregierung das abstrakte Normenkontrollverfahren eingeleitet.
Von der Bundesregierung wurde geltend gemacht, dass die Volksbefragungsgesetze deshalb
mit dem Grundgesetz unvereinbar seien, weil die Einführung des Wählerwillens in den
Willensbildungsprozess des Bundesrates die Grundlage des Bundesratssystems angreife.
BVerfG 2 BvF 3, 6/58 vom 30 Juli 1958
Auszug
"Instruktion" der Mitglieder der Landesregierung im Bundesrat durch das
Landesvolk, auch eine bloß rechtlich unverbindliche in der Weise, daß sich die Vertreter
im Bundesrat daran orientieren und sie zur Richtschnur ihres Handelns im Bundesrat machen,
ist nach der Struktur des Bundesrats ausgeschlossen."
"Der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan des Bundes. Dieses kollegiale Organ
"besteht" aus Mitgliedern der Landesregierungen (Art. 51 Abs. 1 GG); es wird
nicht "aus den Ländern gebildet"; Art. 50 GG umschreibt nur zutreffend die
Funktion dieses Bundesverfassungsorgans, wenn es dort heißt: "Durch den Bundesrat
wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit". Diese
Mitwirkung wird aber kraft der Entscheidung der Bundesverfassung nur durch die Mitglieder
der Landesregierungen vermittelt."
Daraus folgt, dass eine "Instruktion" der Mitglieder der Landesregierung im
Bundesrat durch das Landesvolk nach der Struktur des Bundesrats ausgeschlossen ist.
05 Abstimmung im Bundesrat
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Die den Ländern im Bundesrat zur Verfügung stehenden Stimmen sind einheitlich
abzugeben.
Diesbezüglich kam es am 22. März 2002, anlässlich der Verabschiedung des
Zuwanderungsgesetzes zu einer in der Sitzungsgeschichte des Bundesrates einmaligen
Abstimmung. In dieser Abstimmung wurde das Zuwanderungsgesetz vom amtierenden
Bundesratspräsidenten als mehrheitlich zustande gekommen gewertet, obwohl die Stimmen des
Landes Brandenburg von den im Bundesrat anwesenden Vertretern dieses Landes nicht
einheitlich abgegeben worden waren. Im Anschluss an das strittige Abstimmungsergebnis
wurde das Zuwanderungsgesetz vom Bundespräsidenten unterschrieben und im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Im Rahmen eines eingeleiteten Normenkontrollverfahrens
stellte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2002 - 2 BvF 1/02 -
jedoch fest, dass das "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur
Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 20.
Juni 2002 - Zuwanderungsgesetz - (BGBl I S. 1946) mit Artikel 78 GG unvereinbar und daher
nichtig sei.
BVerfG 2 BvF 1 / 02 vom 18.12.02
Auszug
Leitsätze
1. Der Bundesrat ist ein kollegiales
Verfassungsorgan des Bundes, das aus Mitgliedern der Landesregierungen besteht.
2. Die Länder wirken durch den Bundesrat nicht unmittelbar an der Gesetzgebung und der
Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit, sondern
vermittelt durch die aus dem Kreis der Landesregierungen stammenden Mitglieder des
Bundesrates. Die Länder werden jeweils durch ihre anwesenden Bundesratsmitglieder
vertreten.
3. Die Stimmen eines Landes im Bundesrat werden durch seine Bundesratsmitglieder
abgegeben. Das Grundgesetz erwartet die einheitliche Stimmenabgabe und respektiert die
Praxis der landesautonom bestimmten Stimmführer, ohne seinerseits mit Geboten und
Festlegungen in den Verfassungsraum des Landes überzugreifen.
4. Aus der Konzeption des Grundgesetzes für den Bundesrat folgt, dass der Abgabe der
Stimmen durch einen Stimmführer jederzeit durch ein anderes Bundesratsmitglied desselben
Landes widersprochen werden kann und damit die Voraussetzungen der Stimmführerschaft
insgesamt entfallen.
5. Der die Abstimmung leitende Bundesratspräsident ist grundsätzlich berechtigt, bei
Unklarheiten im Abstimmungsverlauf mit geeigneten Maßnahmen eine Klärung herbeizuführen
und auf eine wirksame Abstimmung des Landes hinzuwirken. Das insoweit bestehende Recht zur
Nachfrage entfällt allerdings, wenn ein einheitlicher Landeswille erkennbar nicht besteht
und nach den gesamten Umständen nicht zu erwarten ist, dass ein solcher noch während der
6. Abstimmung zustande kommen werde
Aus der Begründung
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Der Normenkontrollantrag ist begründet. Das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der
Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und
Ausländern vom 20. Juni 2002 - Zuwanderungsgesetz - (BGBl I S. 1946) ist mit Art. 78 GG
unvereinbar und daher nichtig. Das Zuwanderungsgesetz bedarf wegen der in ihm enthaltenen
Bestimmungen über das von den Behörden der Länder durchzuführende Verwaltungsverfahren
gemäß Art. 84 Abs. 1 GG als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates. Hierfür fehlt es an
der gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG erforderlichen Mehrheit der Stimmen des Bundesrates.
Der Bundesratspräsident durfte die Stimmenabgabe für das Land Brandenburg nicht als
Zustimmung werten (I). Da es an einer Zustimmung des Landes Brandenburg fehlte, vermochte
auch die Feststellung des Bundesratspräsidenten nach Aufruf der weiteren Länder, der
Bundesrat habe dem Gesetz zugestimmt, keine Rechtswirkung zu entfalten (II).
06 Bundesratspräsident bei Unklarheiten
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Der die Abstimmung leitende Bundesratspräsident ist grundsätzlich berechtigt, bei
Unklarheiten im Abstimmungsverlauf mit geeigneten Maßnahmen eine Klärung herbeizuführen
und auf eine wirksame Abstimmung des Landes hinzuwirken. Dies entspricht seiner Pflicht
als unparteiischer Sitzungsleiter, dem die Aufgabe obliegt, den Willen des Bundesrates im
Gesetzgebungsverfahren klar festzustellen.