10 Die Abgeordneten des Deutschen
Bundestages
01 Abgeordnete im Deutschen Bundestag
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Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden vom Volk in unmittelbarer, freier,
gleicher und geheimer Wahl gewählt (Artikel 38 GG).
Artikel
38 GG
Abgeordnete sind Vertreter des ganzen Volkes und an Aufträge und Weisungen nicht
gebunden. Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen unterworfen.
Durch die Regelung in Artikel 38 GG hat sich der Verfassungsgeber für das so genannte
"freie Mandat" entschieden, das im Gegensatz zum "imperativen Mandat"
steht.
Fester Bestandteil des freien Mandats ist die Statusgleichheit der Abgeordneten, der
das Prinzip des "Gleichen unter Gleichen" zu Grunde liegt.
BVerfGE 80, 188
Auszug
"Alle Abgeordneten sind berufen, an der Arbeit des Bundestages mit gleichen
Rechten und Pflichten teilzunehmen. Dies folgt vor allem daraus, daß die Repräsentation
des Volkes vom Parlament als ganzem, d.h in der Gesamtheit seiner Mitglieder als
Repräsentanten, bewirkt wird. Dies setzt die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller
Abgeordneten voraus ".
Diese Besonderheit verbietet grundsätzlich Hierarchien innerhalb der
Abgeordnetenschaft und fordert auch eine wirtschaftliche Gleichstellung (Diäten und
Versorgungsansprüche) der Abgeordneten. Aus diesem Grunde sind Funktionsstellen, die mit
Zulagen versehen sind, auf besonders herausgehobene parlamentarische Funktionsstellen zu
beschränken.
Gewählte Abgeordnete müssen, um in den Bundestag einziehen zu können, ihre Wahl
annehmen (§ 45 Bundeswahlgesetz). Gleiches gilt für über die Landesliste nachrückende
Bewerber, wenn Abgeordnete aus dem Parlament ausscheiden (§ 48 Bundeswahlgesetz).
§
45 BWahlG
§ 48 BWahlG
02 Rechtsstellung der Abgeordneten
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Die Rechtsstellung der Abgeordneten ist detailliert im Abgeordnetengesetz (AbgG)
beschrieben. Unabhängig davon enthält bereits das Grundgesetz im Artikel 48
einschlägige Aussagen.
Das AbgG greift bereits dann, wenn sich ein Wahlberechtigter für ein Amt als
Abgeordneter im Deutschen Bundestag bewirbt. Nach § 3 des AbgG ist einem Bewerber nach
diesem Gesetz zwei Monate vor dem Wahltag auf Antrag für die Dauer der Wahlvorbereitung
unbezahlter Urlaub zu gewähren.
§ 3
AbgG
Zum Schutz der freien Mandatsausübung bestimmt das Gesetz (§ 2 AbgG) auch, dass
niemand daran gehindert werden darf, sich um ein Mandat zu bewerben und dass
Benachteiligungen am Arbeitsplatz sowie Kündigung oder Entlassung wegen der Annahme oder
Ausübung eines Mandats grundsätzlich unzulässig sind. Mit der Aufstellung als Kandidat
greift ein spezieller Kündigungsschutz.
Gewählte Mandatsträger erhalten monatlich eine Abgeordnetenentschädigung.
Unabhängig davon haben Abgeordnete gemäß § 12 AbgG Anspruch auf Amtsausstattung und
Aufwandsentschädigung.
§
12 AbgG
Ausscheidende Abgeordnete erhalten ein Übergangsgeld. Dieses Übergangsgeld wird
höchstens 18 Monate gewährt. Die Höhe des monatlichen Übergangsgeldes ist identisch
mit der Abgeordnetenentschädigung.
BVerfGE 44, 296
Auszug
1. Aus der in Art. 48 Abs. 3 GG geforderten Entschädigung, die einmal eine
Entschädigung für besonderen, mit dem Mandat verbundenen Aufwand war, ist eine
Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie aus der Staatskasse geworden als Entgelt
für die Inanspruchnahme des Abgeordneten durch sein zur Hauptbeschäftigung gewordenes
Mandat.
2. Der Abgeordnete, der dadurch nicht "Beamter" geworden, sondern - vom
Vertrauen der Wähler berufen - Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger des
"freien Mandats" und "Vertreter des ganzen Volkes" geblieben ist,
erhält nicht mehr bloß eine echte Aufwandsentschädigung, er bezieht aus der Staatskasse
ein Einkommen.
2. a) Aus dem formalisierten Gleichheitssatz folgt, daß jedem Abgeordneten eine gleich
hoch bemessene Entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme durch die
parlamentarische Tätigkeit größer oder geringer ist, ob der individuelle finanzielle
Aufwand oder das Berufseinkommen verschieden hoch ist.
b) Die Alimentation ist so zu bemessen, daß sie auch für den, der, aus welchen
Gründen immer, kein Einkommen aus einem Beruf hat, aber auch für den, der infolge des
Mandats Berufseinkommen ganz oder teilweise verliert, eine Lebensführung gestattet, die
der Bedeutung des Amtes angemessen ist.
Im Leitsatz 6 des o.g. Urteils führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass
"das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip (Art. 20 GG) verlangt, daß der
Willensbildungsprozeß im Parlament, der zur Festsetzung der Höhe der Entschädigung und
zur näheren Ausgestaltung der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen finanziellen
Regelungen führt, für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der
Öffentlichkeit beschlossen wird."
Hat ein Abgeordneter das 65 Lebensjahr erreicht und hat er dem Parlament 8 Jahre lang
angehört, erhält er eine Altersentschädigung. Mit jedem weiteren Jahr seiner Amtszeit
als Parlamentarier entsteht der Anspruch auf Altersentschädigung ein Lebensjahr früher.
Die Altersentschädigung bemisst sich nach der monatlichen Abgeordnetenentschädigung.
Darüber hinaus gewährt das AbgG Sozialleistungen, die mit denen von Bundesbeamten
vergleichbar sind.
Abgeordnete sind zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 44 c AbgG) und bedürfen einer
Aussagegenehmigung, um vor Gericht aussagen zu können.
§
44c AbgG
Das Abgeordnetengesetz (§ 44 a AbgG) sieht vor, dass zur Wahrung der Unabhängigkeit
des Abgeordneten der Bundestag Verhaltensregeln zu erlassen hat, die für Abgeordnete
verbindlich sind.
03 Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages
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Die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, die gemäß § 44 a
AbgG der Bundestag zu erlassen hat, sind Bestandteil der Geschäftsordnung.
§
44a AbgG
Danach sind Mitglieder des Bundestages verpflichtet, eine Vielzahl persönlicher Daten
dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen.
Anzuzeigen sind zum Beispiel
- berufliche Tätigkeit vor der Mandatsübernahme
- Verwendung als Vorstand, Aufsichtsratsmitglied oder Berater vor der Mandatsübernahme
- Vereinbarungen über Vermögensvorteile während oder nach Beendigung des Mandats
- Funktionen in Verbänden oder ähnlichen Organisationen;
- Beraterverträge
- Gutachter-, Autoren und Vortragstätigkeiten
- Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften
- Höhe der Einkünfte durch Vortragstätigkeit während der Mandatszeit
- Höhe des Honorars für rechtsanwaltschaftliche Tätigkeiten während der Mandatszeit
- Anzeigepflicht der Übernahme entsprechender rechtsanwaltlicher Vertretungen
- Spenden, die ein Abgeordneter erhalten hat, sind offen zu legen.
- Eine Spende deren Wert im Kalenderjahr 5000 Euro übersteigt, ist unter Angabe des
Spenders und in erfolgter Höhe dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen, spendet eine Person
in einem Kalenderjahr mehr als 10 000 Euro, ist dies zu veröffentlichen
- Geldwerte Zuwendungen (Geschenke) sind wie Geldspenden zu behandeln.
Ein Mitglied des Bundestages darf für die Ausübung des Mandats keine anderen als die
gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen. Hinweise auf
die Mitgliedschaft im Bundestag in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten sind
unzulässig.
Die dem Bundestagspräsidenten angezeigten personenbezogenen Daten werden im Amtlichen
Handbuch veröffentlicht.
04 Freies Mandat
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Artikel 38 GG bestimmt, dass Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und
Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind.
Außerdem heißt es im Artikel 46 GG, dass kein Abgeordneter in irgendeiner Weise
gerichtlich, dienstlich oder sonst außerhalb des Bundestages wegen seiner Abstimmung zur
Verantwortung gezogen werden kann.
Artikel
46 GG
Vom Wortlaut der Verfassung gesehen sind Abgeordnete folglich so frei, wie sie selbst
das wünschen.
Außerdem besteht in der Rechtslehre Einigkeit darüber, dass der Rang des freien
Mandats aus Artikel 38 Abs. 1 S. 2 GG eine höhere verfassungsrechtliche Bedeutung hat als
die Regelung in Artikel 21 GG, in der es heißt, dass Parteien bei der politischen
Willensbildung des Volkes mitwirken und ihre Gründung frei ist.
Im Parteienstaat der Bundesrepublik Deutschland ist es dennoch nahe liegend, dass
Gemeinschaftsinteressen (Parteieninteressen) eine größere Bedeutung beigemessen wird,
als den Gewissensnöten eines Abgeordneten. Insoweit entspricht es der
Verfassungswirklichkeit, dass Parteien in den Fraktionen Einfluss auf ihre Abgeordneten
nehmen. Unbestritten ist auch, dass die meisten Abgeordneten gewählt werden, weil sie
für eine Partei kandidieren, in einem gemeinsamen Wahlkampf die gleichen Kernaussagen
getroffen haben und mit der gemeinsamen Vorstellung in den Bundestag eingezogen sind, dem
Parteiprogramm Geltung zu verschaffen.
Das Gegenteil, ein "Imperatives Mandat", würde eine vollkommene
Gebundenheit an den Willen der Wähler oder der Partei- bzw. Fraktionsführung bedeuten
und juristische Sanktionsmöglichkeiten einbeziehen. Über ein imperatives Mandat
verfügen zum Beispiel die Vertreter der Länder im Bundesrat, die ihre Stimmen
entsprechend der Weisung ihrer Landesregierung abzugeben haben.
05 Fraktionszwang - Fraktionsdisziplin
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Das Grundgesetz lässt es nicht zu, dass von der Fraktion einer Partei im Deutschen
Bundestag verfassungswidriger Druck auf einzelne Parlamentsabgeordnete oder
Minderheitenpositionen ausgeübt wird.
Verfassungswidrig wäre es zum Beispiel, einem Abgeordneten wegen seines
Abstimmungsverhaltens oder aber wegen der Inanspruchnahme seines Rederechtes mit dem
Ausschluss aus der Fraktion oder gar mit einem Parteiausschlussverfahren unter Druck zu
setzen.
Verfassungsmäßig zulässig hingegen ist es, wenn Abgeordnete bestehende
Zweifel zu Gunsten mehrheitsfähiger gemeinsamer Vorstellungen und Entscheidungen
zurückstellen, um dadurch dem Auftreten und dem Handeln der eigenen Fraktion mehr
politisches Gewicht (Einstimmigkeit) zu verleihen.
Deshalb gehen alle Fraktionen des Deutschen Bundestages (Abbildung der Parteien im
Parlament) von der Vorstellung aus, dass in Fraktionen geschlossen abgestimmt wird und
auch im Parlament "die Partei mit einer Stimme spricht".
Im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen für die 14. Wahlperiode
heißt es zum Beispiel im Kapitel XII Absatz 2:
Arbeit im Bundestag
Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen
einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik
sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.
Über das Verfahren und die Arbeit im Parlament wird Einvernehmen zwischen den
Koalitionsfraktionen hergestellt. Anträge, Gesetzesinitiativen und Anfragen auf
Fraktionsebene werden gemeinsam oder, im Ausnahmefall, im gegenseitigen Einvernehmen
eingebracht. Die Koalitionsfraktionen werden darüber eine Vereinbarung treffen.
Diese Erwartungshaltung ist bei knappen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag deshalb
verständlich, weil ohne geschlossenes Abstimmungsverhalten nicht nur die Verabschiedung
von Gesetzen erschwert, sondern auch die Mehrheit im Parlament unsicher ist.
Den Oppositionsparteien dient die auch dort erwartete Franktionsdisziplin dazu, ihr
Profil gegenüber der Regierung geschossen vortragen zu können.
In die Schlagzeilen gerät die Fraktionsdisziplin erst dann, wenn sie aufgehoben wird,
was bei wirklichen Gewissensfragen zweifelsohne der Fall ist. In einem solchen Fall
verzichtet die Fraktionsspitze auf eine Einflussnahme auf ihre Abgeordneten.
06 Immunität
TOP
Gemäß Artikel 46 Abs. 2 GG kann gegen Abgeordnete ein Strafverfahren während ihrer
Amtszeit nur dann betrieben werden, wenn der Bundestag zustimmt. Das gilt auch für die
Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.
Artikel
46 GG
Durch Beschluss des jeweils amtierenden Bundestages ist es jedoch üblich, zu Beginn
der Legislaturperiode die Einleitung polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher
Ermittlungen generell zu gestatten.
Der Deutsche Bundestag hat diese generelle Zustimmung in der Anlage 6 seiner
Geschäftsordnung geregelt, soweit es sich nicht um ehrverletzende Delikte (§§ 185 ff.
StGB) bzw. um Delikte politischen Charakters handelt. Diese generelle Genehmigung umfasst
jedoch nicht die Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat und auch nicht den
Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder einer Strafverfügung.
Anträge auf Aufhebung der Immunität werden im Ausschuss "Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung" geprüft. Seinen Anträgen auf Genehmigung von
Strafverfahren wird in der Regel stattgegeben.
Die Zustimmung zur Aufhebung der Immunität ist in das pflichtgemäße Ermessen des
Ausschusses gestellt. Insoweit ist es Aufgabe des Ausschusses, die Interessen des
Parlaments und die der Allgemeinheit abzuwägen.
Auf das Privileg der Immunität können sich berufen:
- Abgeordnete des Bundestages und der Länderparlamente
- Abgeordnete des Europäischen Parlaments
Dass Abgeordneten des Bundestages und der Landtage Immunitätsschutz zusteht, folgt aus
Art. 46 Abs. 2 GG.
Danach darf ein Abgeordneter wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung nur mit
Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn,
dass er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.
Einzelheiten der gegen Abgeordnete des Bundestages und der Landtage zulässigen
Maßnahmen sind im Teil A II Rundschreiben des BMI vom 10. 1. 1983 (GMBl. S. 37) geregelt.
Für die polizeiliche Praxis bedeutsame Regelungen sind:
- Die vorläufige Festnahme eines Abgeordneten bei oder unmittelbar nach Begehen der Tat
oder im Laufe des auf den Tag der Tat folgenden Tages bedarf keiner Genehmigung.
- Die Immunität hindert nicht, gegen Anstifter, Mittäter, Gehilfen oder andere an der
Tat beteiligte Personen (Hehler, Begünstiger) Ermittlungen einzuleiten oder
durchzuführen, wenn diese nicht selbst dem durch die Immunität geschützten
Personenkreis angehören.
- Die Immunität hindert nicht, den Abgeordneten in einem Verfahren gegen eine andere
Person als Zeugen zu vernehmen bzw. seine Räume nach den §§ 103, 104 StPO zu
durchsuchen.
Nach der Praxis der Immunitätsausschüsse in Bund und Ländern dürfen im
Aufgabenbereich der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ferner folgende
Maßnahmen getroffen werden:
- Notwendige Maßnahmen bei Unfällen, an denen Abgeordnete beteiligt sind, zur
Feststellung der Ursache und des Hergangs des Unfalles.
- Es dürfen die Personalien der Abgeordneten, der Zustand des Fahrzeuges und das
Kennzeichen des Fahrzeugs festgestellt sowie die Vorlage des Führerscheins und des
Kraftfahrzeugscheines verlangt werden. Zum Zwecke der Beweissicherung können Fahr-,
Brems- und andere Spuren gesichert, vermessen und fotografiert werden.
- Abgeordnete dürfen zum Zwecke der Entnahme einer Blutprobe zur Polizeiwache oder zu
einem Arzt gebracht werden.
- Abgeordnete dürfen bei geringfügigen Owi verwarnt und es darf auch ein Verwarnungsgeld
erhoben werden.
Zur Gefahrenabwehr dürfen Freiheitsbeschränkungen, die aus polizeilichen Gründen
nach Güterabwägung unabweisbar erscheinen, etwa zum Schutze des Abgeordneten selbst oder
zum Schutze anderer Personen vor dem Abgeordneten (polizeiliche Ingewahrsamnahme)
angeordnet werden.
Abgeordnete des Europäischen Parlaments
Auch den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes steht Immunität zu.
Einzelheiten der gegen Abgeordnete des Europäischen Parlamentes zulässigen Maßnahmen
sind im Teil B II Rundschreiben des BMI vom 10. 1. 1983 (GMBl. S. 37) geregelt.
Danach gilt:
- Den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes aus der Bundesrepublik Deutschland steht
die den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zustehende Immunität zu. Bei Ergreifung
auf frischer Tat kann die Immunität nicht geltend gemacht werden.
- Die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes aus anderen Mitgliedstaaten der
Europäischen Gemeinschaften dürfen im Bundesgebiet weder festgehalten noch gerichtlich
verfolgt werden. Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Immunität nicht geltend gemacht
werden (Rückverweis auf Nr. 1 Buchstabe c).
Im Ergebnis bedeutet das:
Wird ein Abgeordneter des Europäischen Parlamentes auf frischer Tat betroffen, dürfen
alle Maßnahmen gegen ihn angeordnet werden, die zur Strafverfolgung unbedingt
erforderlich und verhältnismäßig sind.
07 Abgeordnete - Überprüfung auf Stasivergangenheit
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Der Ausschuss "Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung" ist auch
zuständig für Überprüfungen gemäß
§ 44 b des Abgeordnetengesetzes.
§
44b AbgG
Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, prüft der Ausschuss, ob Mitglieder des Bundestages
hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik tätig gewesen sind. Beim Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten
für den Verdacht einer solchen Tätigkeit handelt der Ausschuss in eigener
Zuständigkeit.
Diesbezüglich hat der ehemalige Vorsitzende der PDS (Gregor Gysi) mehrfach das
Bundesverfassungsgericht angerufen und geltend gemacht, in seinen Rechten durch die
Arbeitsweise des Ausschusses "Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung"
verletzt worden zu sein.
BVerfGE 99, 19 - Gysi III - vom vom 20. Juli 1998
Auszug
"Der Antragsgegner (Deutscher Bundestag, vertreten durch .... Ausschuß des
Deutschen Bundestages für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, vertreten durch
...) hat gegen die Abgeordnetenrechte des Antragstellers aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2
des Grundgesetzes, insbesondere seine Rechte auf freie Ausübung seines Mandates, auf
Gleichbehandlung als Abgeordneter und auf ein faires Verfahren verstoßen."
"Das Überprüfungsverfahren gemäß § 44b AbgG muß von Verfassungs wegen
verschiedene Sicherungen zum Schutz des Abgeordnetenstatus enthalten. Hierzu zählen
Anforderungen an das zu den abschließenden Feststellungen führende Verfahren und an die
Überzeugungsbildung des 1. Ausschusses".
Diesbezüglich wurde auf BVerfGE 94, 351 Bezug genommen. Dort heißt es u.a.:
"Ist ausnahmsweise ...eine Kollegialenquete gestattet, so muß das Verfahren von
Verfassungswegen Sicherungen zum Schutz des Abgeordnetenstatus enthalten. Vor allem
müssen dem betroffenen Abgeordneten Beteiligungsrechte am Verfahren eingeräumt sein, die
nicht nur das rechtliche Gehör gewährleisten, sondern ihm auch gestatten, aktiv an der
Herstellung des Beweisergebnisses mitzuwirken.
Die abschließende Auskunft über den ermittelten Sachverhalt muß der Eigenart des
gewählten Verfahrens sowie der zugelassenen Beweismittel Rechnung tragen. Das Verfahren
muß Regelungen enthalten, die eine korrekte Wiedergabe des Umfangs der Ermittlungen
gewährleisten."
An anderer Stelle heißt es:
"Der Ausschuß muß von der Verstrickung des Abgeordneten eine so sichere
Überzeugung gewinnen, daß auch angesichts der beschränkten Beweismöglichkeiten
vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind; hierzu hat
er die Beweise zu würdigen und das Beweisergebnis zu begründen. Kann der Ausschuß diese
sichere Überzeugung nicht erlangen, steht es ihm offen, in den Gründen die Beweislage
darzustellen. Mutmaßungen sind ihm verwehrt."
08 Indemnität
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Gemäß Artikel 46 Abs. 1 GG darf ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen einer
Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestag oder in einem seiner
Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstrechtlich verfolgt oder sonst außerhalb des
Bundestages zur Verantwortung gezogen werden.
Ausgenommen von dieser Regelung sind verleumderische Beleidigungen.
Nach herrschender Meinung gilt dies auch für Äußerungen in den Fraktionen, da diese
als Untergliederung des Bundestages anzusehen sind und somit zur Organisation des
Bundestages gehören.
09 Antrags-, Rede- und Informationsrecht
TOP
Das Antrags-, Rede- und Informationsrecht gehört zum Rechtsstatus eines Abgeordneten.
Insoweit ist es Aufgabe des Bundestages, ein Forum zu schaffen, in dem Abgeordnete von
diesen Rechten Gebrauch machen können. Die Teilnahme an der parlamentarischen
Auseinandersetzung setzt Sachkenntnis voraus. Deshalb steht Abgeordneten ein umfassendes
Informationsrecht zu. Dieses Informationsrecht leitet sich aus dem Anspruch auf
Vollständigkeit von Fragen ab, die der Regierung gestellt werden können. In einer
Entscheidung zur Redezeit von Abgeordneten (BVerfGE 10, 4) hat das
Bundesverfassungsgericht folgende grundlegende Aussagen gemacht.
BVerfGE 10, 4
Auszug
"Das Grundgesetz geht davon aus, daß der Bundestag die Vertretung des Volkes ist,
in der die Fragen der Staatsführung, insbesondere der Gesetzgebung, in Rede und Gegenrede
der einzelnen Abgeordneten zu erörtern sind. Der Ausdruck "verhandeln", den das
Grundgesetz in Art. 42 verwendet, um die Tätigkeit des Bundestags zu bezeichnen, hat
diesen Sinn."
Das schließt jedoch Begrenzungen nicht aus. Die Möglichkeit der Begrenzung von
Redezeiten ergibt sich in diesem Zusammenhang sowohl aus dem Recht des Bundestages, den
Schluss einer Debatte festzusetzen als auch aus dem Selbstorganisationsrecht der
Volksvertretung. Ohne ein entsprechendes Regelwerk wäre es auch unrealistisch, die
Funktionsfähigkeit des Parlaments aufrecht zu erhalten. Bei zurzeit 598 Abgeordneten ist
es ausgeschlossen, dass anlässlich von Parlamentsdebatten jedem Abgeordneten die
Möglichkeit gegeben wird, sich mit einem eigenen Redebeitrag zu Wort zu melden. Folgende
Einschränkungen sieht die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bezüglich von
Redebeiträgen vor:
- Die Fraktionen schlagen ihre Redner vor
- Der Bundestagspräsident erteilt das Wort
- Er bestimmt die Reihenfolge der Redner
- Die Gesamtredezeit kann begrenzt werden
- Das gilt auch für die den Fraktionen zur Verfügung gestellte Redezeit
- Die Redezeit des einzelnen Abgeordneten kann ebenfalls zeitlich begrenzt werden
Sie ist jedoch so zu bemessen, dass eine dem Thema angemessene Äußerung möglich ist.
Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich
ist, die den Abgeordneten zustehenden Rechte durch die Geschäftsordnung des Bundestages
zu regeln. Dabei dürfen die Rechte des einzelnen Abgeordneten im Einzelfall auch
eingeschränkt, ihm jedoch grundsätzlich nicht entzogen werden (vgl. BVerfGE 80, 188).
Der Bundestag hat in seiner Geschäftsordnung die Befugnisse der Fraktionen im
parlamentarischen Geschäftsgang unter Beachtung der Rechte der Abgeordneten festgelegt
und den Fraktionen Redezeiten zugebilligt.
Da die Redezeiten durch Abgeordnete der Fraktionen wahrgenommen werden, stellt sich die
Frage, wie fraktionslose Abgeordnete zu behandeln sind.
BVerfG 80, 188
Auszug
"Bei der Bemessung der Redezeit eines fraktionslosen Abgeordneten ist auf das
Gewicht und die Schwierigkeit des Verhandlungsgegenstandes wie auf die Gesamtdauer der
Aussprache und darauf Bedacht zu nehmen, ob er gleichgerichtete politische Ziele wie
andere fraktionslose Mitglieder des Bundestages verfolgt und sich auch für diese
äußert."
"Die Rechte eines fraktionslosen Abgeordneten werden verletzt, wenn ihm keine
Möglichkeit eingeräumt wird, in einem Ausschuss als Mitglied mit Rede und Antragsrecht
mitzuwirken"
Im Übrigen hat ein fraktionsloser Abgeordneter statusrechtlich keinen Anspruch darauf,
bei der Einräumung von Redezeiten wie eine Fraktion behandelt zu werden (vgl. BVerfGE 70,
324).
Hinsichtlich der Ausgestaltung des Fragerechtes sind die Richtlinien für die
Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen zu beachten:
- Ein Mitglied des Bundestages darf nur sprechen, wenn ihm der Präsident das Wort erteilt
hat (§ 27 GeschO BT).
- Beschließt der Bundestag nichts anderes, darf der einzelne Redner in der Aussprache
nicht länger als 15 Minuten sprechen (§ 35 GeschO BT)
- Jedes Mitglied des Bundestages kann zur abschließenden Abstimmung eine mündliche
Erklärung abgeben. Sie darf nicht länger als fünf Minuten dauern (§ 31 GeschO BT).
14. April 2012
Quelle:http://www.focus.de
Wie die
„Süddeutsche Zeitung“ berichtet, liegt ihr ein entsprechender Entwurf des
Sekretariats des Geschäftsordnungsausschusses vom 11. April 2012 vor, der nun den
Fraktionen zugespielt werden solle.
Außerordentliche Redner nur nach Absprache mit den
Fraktionen
Die neuen Regeln sollen den Parlamentspräsidenten dem Bericht
zufolge nun dazu verpflichten, das Wort nur noch den von der Fraktion ausgesuchten Rednern
zu erteilen. Andere Abgeordnete dürfe er nur noch ausnahmsweise und lediglich drei
Minuten lang reden lassen – und auch das nur „im Benehmen mit den
Fraktionen“. Bislang darf jeder Parlamentarier ein Votum vor einer abschließenden
Abstimmung fünf Minuten lang begründen.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte im September 2011
großen Unmut erregt, als er bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm
außerplanmäßig die Koalitions-Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Frank Schäffler ans
Rednerpult ließ, die von ihren Fraktionen abweichende Meinungen vertraten. Lammert
wollte, dass sich so die kontroverse öffentliche Debatte auch im Parlament widerspiegele.
Die Fraktionschefs jedoch protestierten, der Ältestenrat erteilte Lammert eine Rüge.
|
16. April 2012
Die Empörung über die angekündigten Änderungen der Redezeit von Abgeordneten im
Deutschen Bundestag zeigte überraschend schnell Wirkung: Abgeordnete hatten angekündigt,
Verfassungsklage anzustreben, falls die Rechte der Abgeordneten beschnitten werden
sollten. Nun wir auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs nach einem tragfähigen
Konsens gesucht.
10 Mandatsverlust
TOP
Das Bundeswahlgesetz regelt im § 46 unter welchen Voraussetzungen ein
Bundestagsabgeordneter sein Mandat verliert.
Artikel
46 GG
Verlustgründe nach anderen gesetzlichen Vorschriften bleiben von dieser Regelung
unberührt (§ 46 Abs. 1 S. 2 Bundeswahlgesetz). Dies gilt insbesondere bei der Übernahme
inkompatibler Ämter (Artikel 137 GG).
Bestehen nach der Wahl eines Abgeordneten Zweifel an seiner Wählbarkeit, kann auf
Antrag (Einspruch) eines Wahlberechtigten, einer Gruppe von Wahlberechtigten oder in
amtlicher Eigenschaft durch den Landeswahlleiter ein Wahlprüfungsverfahren im Sinne des
Wahlprüfungsgesetzes eingeleitet werden.
11 Parteien- und Fraktionsausschluss
TOP
Werden Abgeordnete aus der Fraktion oder aus der Partei ausgeschlossen, führt dies
nicht automatisch zu einem Mandatsverlust. Dies resultiert daraus, dass der Schutz des
freien Mandats gemäß Artikel 38 GG höher wiegt, als das Recht der Parteien aus Artikel
21 GG.
Artikel
38 GG
Artikel 21 GG
Parteienausschluss
Ein Parteiausschluss ist zulässig, wenn die Voraussetzungen von § 10 Parteiengesetz
greifen.
Das setzt voraus, dass ein Abgeordneter vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich
gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstoßen und ihr damit schweren Schaden
zugefügt hat.
Parteiintern richtet sich die Zulässigkeit eines Parteienausschussverfahrens entweder
nach der jeweiligen Parteisatzung bzw. nach der Schiedsgerichtsordnung.
Diese parteiinternen Normen enthalten nicht nur Regelungen über
Sanktionierungsmaßnahmen gegenüber parteischädlichem Verhalten, sondern auch
Zuständigkeiten und Verfahrenswege zur Durchführung entsprechender Verfahren.
Bei einem Parteiausschlussverfahren handelt es sich um die schwerste Sanktion.
Ein Parteiausschlussverfahren kommt nach parteiinternen Normen dann in Betracht, wenn
das betroffene Mitglied "vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen
Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden
zufügt."
In dringenden und schwerwiegenden Fällen können so genannte Eilmaßnahmen ergriffen
werden. Bei einem Parteiausschlussverfahren kann das betroffene Mitglied in einem solchen
Fall für die Dauer des Verfahrens von der Ausübung seiner Rechte ausgeschlossen werden.
Entscheidet ein Parteiengericht über den Parteiausschluss eines Mitgliedes im Sinne
von § 10 Abs. 5 PartG, so steht diesem der Rechtsweg offen. In Betracht kommt eine Klage
gemäß § 40 VwGO vor einem Verwaltungsgericht.
§
10 PartG
Fraktionsausschluss
Hinsichtlich des Ausschlusses aus einer Bundestagsfraktion, enthalten die
entsprechenden Geschäftsordnungen der im Bundestag vertretenen Fraktionen Regelungen,
unter welchen Voraussetzungen Abgeordnete ausgeschlossen werden können.
Im Gegensatz zum Parteienausschluss ist der Ausschluss aus einer Fraktion gesetzlich
nicht geregelt. Insoweit bestehen durchaus Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen
Maßnahme, da es sich bei der Fraktion um ein Unterorgan des Deutschen Bundestages handelt
und weder im Abgeordnetengesetz noch in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
ein Hinweis auf die Zulässigkeit eines Ausschlusses aus einer Fraktion enthalten ist.
Ein Fraktionsausschluss kann deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn das
parteischädigende Verhalten eines Fraktionsmitgliedes so schwer wiegt, dass die
Zugehörigkeit des betreffenden Mitgliedes einer Fraktion nicht mehr zugemutet werden
kann.
Im Februar 2003 wurde der Bundestagsabgeordnete Jürgen Möllemann von seiner Fraktion
aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. Das dieser Aufforderung zugrundeliegende
parteienschädigende Verhalten führte dazu, dass Möllemann dem politischen Druck nicht
mehr standhalten konnte, und sein Mandat niederlegte.
Am 17. Jun 2003 kam Jürgen Möllemann bei einem Fallschirmabsprung ums Leben. Die
Staatsanwaltschaft Essen teilte der Presse mit, dass der Absturz von Jürgen Möllemann
"mit hoher Wahrscheinlichkeit" Selbstmord war.
Wird ein Abgeordneter aus einer Fraktion ausgeschlossen, kann er im Wege der Organklage
das Bundesverfassungsgericht anrufen (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 GG).
12 Inkompatibilität
TOP
BVerfGE 18, 172, 183
Auszug
"Mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist es nicht vereinbar, wenn dieselbe
Person in einem bestimmten Gemeinwesen ein Amt inne hat und gleichzeitig der
Vertretungskörperschaft desselben Gemeinwesens als Mitglied angehört".
Ein Bundesbeamter kann nicht gleichzeitig dem Bundestag, ein Landesbeamter nicht dem
Landtag und ein Gemeindebeamter nicht dem Rat der Gemeinde angehören" (BVerfGE 18,
172, 185).
Dennoch darf niemand daran gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen
und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig. Dieser
Verfassungsgrundsatz, der in Artikel 48 Abs. 2 enthalten ist, bedarf einer
verfassungsrechtlichen Regelung, wenn er eingeschränkt werden soll.
Diesbezügliche Einschränkungsmöglichkeiten enthält Artikel 137 Abs. 1 GG. Danach
kann die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes,
Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und
den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden (Artikel 137 GG).
Artikel
137 GG
Beispielsweise muss ein Beamter aus seinem Amt ausscheiden, wenn er die Wahl zum
Abgeordneten des Bundestages annimmt (§ 57 Bundesbeamtengesetz).
Vergleichbare Regelungen enthalten auch die Landesbeamtengesetze. Unabhängig davon
enthält das Gesetz über die Rechtsstellung der Mitglieder des Deutschen Bundestages
(AbgG) in den
§§ 5 und 8 die für Beamten, Richter, Soldaten und Angestellten des öffentlichen
Dienstes einschlägigen Regelungen, wie zu verfahren ist, wenn sie die Wahl zum
Abgeordneten des Deutschen Bundestages annehmen.
Danach ruhen die Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis eines in den Bundestag
gewählten Beamten mit Dienstbezügen vom Tag der Annahme der Wahl an für die Dauer der
Mitgliedschaft mit Ausnahme der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und des Verbots der
Annahme von Belohnungen und Geschenken.
In den Abgeordnetengesetzen der Länder ist dieser Rechtsbereich vergleichbar geregelt.
Außerhalb der verfassungsrechtlichen Regelungen für Beamte, Richter, Soldaten und
sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes bedarf es ausdrücklicher Vorbehalte in
der Verfassung nicht.
Dennoch spricht viel dafür, dass es mit Artikel 48 Abs. 2 GG vereinbar ist, dass auf
dem freien Markt wirtschaftende Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet sind, gewählten
Mitarbeitern (Abgeordneten) während ihrer Abgeordnetenzeit das vertraglich zugesicherte
Entgelt zu zahlen Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November
1975 ist es sogar verfassungswidrig, daß "Abgeordnete Bezüge aus einem
Angestelltenverhältnis ..., ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb
erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im
Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers ... vertreten und nach Möglichkeit
durchzusetzen versuchen" (BVerfGE 40, 296, 319).
"Die Integrität von Parlament und vollziehender Gewalt erscheint auch gefährdet,
wenn die öffentliche Hand ein Wirtschaftsunternehmen beherrscht und dessen zur
Geschäftsführung berufene Angestellte zugleich ein Parlamentsmandat innehaben (BVerfGE
98, 145)."
Das Verbot der Amterhäufung ist deshalb für eine funktionierende Gewaltenteilung
unverzichtbar.
Die Mitglieder des Bundestages dürfen deshalb auch nicht zugleich Mitglieder des
Bundesrates sein, da sich beide Gremien hemmen und kontrollieren sollen. Damit ergibt sich
auch eine Inkompatibilität zwischen der Stellung als Landesminister und
Bundestagsabgeordnetem, denn alle Mitglieder der Landesregierung sind kraft ihrer
Amtsstellung berufen, das Land im Bundesrat zu vertreten.
Zulässig ist es dagegen und entspricht geradezu dem Prinzip der parlamentarischen
Demokratie, wenn die Mitglieder der Regierung (Minister) gleichzeitig Abgeordnete sind.
13
Mitwirkungsrecht beim Euro-Rettungsschirm
TOP
Anlass:
Anlässlich der Ausgestaltung und Erweiterung des "Euro-Rettungsschirms" und
der damit verbundenen Einschränkung der Beteiligungsrechte der Abgeordneten des Deutschen
Bundestages durch Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf ein Sondergremium gemäß §
3 Abs. 3 StabMechG, hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2012 zu entscheiden, ob
Milliardengelder ohne Beteiligung des Parlaments und ohne Beteiligung der Abgeordneten mit
der Verfassung vereinbar seien.
Mit dem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im
Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz -
StabMechG) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) schuf der Bundesgesetzgeber auf
nationaler Ebene die Voraussetzungen für die Leistung finanziellen Beistands durch die
Europäische Finanzstabilisierungsfazilität.
Gegen dieses Gesetz legten zwei
Abgeordnete des Deutschen Bundestages Verfassungsbeschwerde ein.
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Das Bundesverfassungsgericht folgte dem Antrag der Abgeordneten im
Wesentlichen.
Am 28. Februar 2012 – 2 BvE 8/11 erging folgendes Urteil:
L e i t s ä t z e
- Der Deutsche Bundestag erfüllt seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner
Gesamtheit, durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder, nicht durch einzelne
Abgeordnete, eine Gruppe von Abgeordneten oder die parlamentarische Mehrheit. Budgetrecht
und haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages werden
grundsätzlich durch Verhandlung und Beschlussfassung im Plenum wahrgenommen.
- Das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Prinzip der repräsentativen Demokratie
gewährleistet für jeden Abgeordneten nicht nur die Freiheit in der Ausübung seines
Mandates, sondern auch die Gleichheit im Status als Vertreter des ganzen Volkes.
Differenzierungen in Bezug auf den Abgeordnetenstatus bedürfen zu ihrer Rechtfertigung
entsprechend den sich aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ergebenden Anforderungen
eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist,
das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann.
- Soweit Abgeordnete durch Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen
beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der haushaltspolitischen
Gesamtverantwortung ausgeschlossen werden sollen, ist dies nur zum Schutz anderer
Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit zulässig.
Persönliche Zusammenfassung
- Der Deutsche Bundestag hat in seiner Gesamtheit über die Ausgestaltung des
"Euro-Rettungsschirms" zu entscheiden.
- In Ausnahmefällen kann auch ein Sondergremium mit Entscheidungsfindungen beauftragt
werden, wenn das zum Schutz von Rechtsgütern mit Verfassungsrang erforderlich und
insbesondere verhältnismäßig ist. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind
darüber zu unterrichten, sobald das möglich ist.
In dem Urteil heißt es:
101
1. Der Deutsche Bundestag ist das unmittelbare Repräsentationsorgan des Volkes. Er
besteht aus den als Vertretern des ganzen Volkes gewählten Abgeordneten, die insgesamt
die Volksvertretung bilden. Der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG
gewährleistete repräsentative Status der Abgeordneten ist Grundlage für die
repräsentative Stellung des Bundestages, der als "besonderes Organ"
(Art. 20 Abs. 2 GG) die vom Volk ausgehende Staatsgewalt ausübt.
102
a) Seine Repräsentationsfunktion nimmt der Deutsche Bundestag grundsätzlich in seiner
Gesamtheit wahr, durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder, nicht durch einzelne
Abgeordnete, eine Gruppe von Abgeordneten oder die parlamentarische Mehrheit.
103
Die Wahrnehmung der Repräsentationsfunktion durch den Deutschen Bundestag als Ganzes
setzt gleiche Mitwirkungsbefugnisse aller Abgeordneten voraus, die daher auch
grundsätzlich über die gleichen Rechte und Pflichten verfügen. Daher ist jeder
Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und
Entscheidungen teilzunehmen.
104
b) Zu den Befugnissen der Abgeordneten gehören vor allem das Rederecht, das
Stimmrecht, das Initiativrecht, die Beteiligung an der Ausübung des Frage- und
Informationsrechts, das Recht, sich an den vom Parlament vorzunehmenden Wahlen zu
beteiligen und das Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion
zusammenzuschließen.
110
4. Bei der Ausübung des Budgetrechts und der Wahrnehmung seiner haushaltspolitischen
Gesamtverantwortung muss der Deutsche Bundestag die wesentlichen Entscheidungen selbst
treffen.
111
Die Exekutive soll nicht im Wege der Kreditaufnahme und/oder der
Gewährleistungsermächtigung das Budgetrecht des Parlaments aushöhlen oder umgehen
können.
113
5. a) Budgetrecht und haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages
werden grundsätzlich durch Verhandlung und Beschlussfassung im Plenum wahrgenommen, durch
den Beschluss über das Haushaltsgesetz, durch finanzwirksame Gesetze oder durch einen
sonstigen, konstitutiven Beschluss des Plenums. Jeder Abgeordnete hat nach Art. 38
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 1 Satz 1 und Art. 110
Abs. 2 Satz 1 GG ein Recht auf Beurteilung des Haushaltsentwurfes der
Bundesregierung und der hierzu eingebrachten Änderungsanträge. Der Abgeordnete soll
seine Vorstellungen über die Verwendungsmöglichkeiten der Haushaltsmittel darlegen und
dadurch die Entscheidung über den Haushaltsplan beeinflussen können.
Darüber hinaus sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages berechtigt und
verpflichtet, ihre Kontrollbefugnis über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen
wahrzunehmen.
Einschränkungen von Beteiligungsrechten
114
b) Freiheit und Gleichheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG)
sind jedoch nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können durch andere Rechtsgüter
von Verfassungsrang begrenzt werden. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments ist ein
solches Rechtsgut von Verfassungsrang.
119
Soweit Abgeordnete durch Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen
beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung
ausgeschlossen werden sollen, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit
Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
zulässig. Die Befugnis zur Selbstorganisation erlaubt es dagegen nicht, den Abgeordneten
Rechte vollständig zu entziehen.
125
7. Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von
Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten
Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben
zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem
Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die
Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene
Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist. Damit
unverhältnismäßige Beeinträchtigungen von Statusrechten der Abgeordneten vermieden
werden, muss der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gewahrt bleiben.
Persönliche Anmerkung:
Spiegelbildlichkeit bedeutet, dass in dem
Gremium der Porportz der Fraktionen gewährleistet werden muss, was bei einer begrenzten
Personenzahl bedeutet, dass kleine Parteien dadurch benachteiligt werden.
126
Wird die Repräsentation des Volkes in Ausschüsse oder andere Untergremien verlagert,
weil dort die Entscheidungen des Parlaments tendenziell vorbestimmt oder gar für das
Parlament als Ganzes getroffen werden, müssen diese Gremien auch in ihrer politischen
Prägung dem Plenum entsprechen. Das gilt namentlich, wenn sie wesentliche Teile der dem
Bundestag zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen.
127
aa) Die Fraktionen stellen die wesentlichen politischen Kräfte im Parlament dar. Auf
der Gleichheit der einzelnen Abgeordneten aufbauend, sind sie der maßgebliche Bezugspunkt
für die Gewichtung von Untergremien und daher auch entsprechend ihrer Stärke zu
behandeln. Jeder Ausschuss muss deshalb ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in
seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums in seiner politischen Gewichtung
widerspiegeln. Das erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum
vertretenen Fraktionen (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit).
130
dd) Abstriche vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit sind nur in besonders gelagerten
Fällen zulässig.
142
a) Die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages in Fällen besonders
eilbedürftiger Entscheidungen ist ein anerkennenswerter Belang und kann es angezeigt sein
lassen, Beratung und Beschlussfassung über einen Gegenstand nicht im Plenum
durchzuführen, wenn dieses nicht kurzfristig genug zusammentreten und aufgrund der
Zeitnot nicht sachgerecht beraten und beschließen kann.
143
(b) Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter
Güter sind zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages als
zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von
Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen.
159
a) Der Grundsatz, dass die Statusrechte der Abgeordneten nur im unbedingt
erforderlichen Ausmaß im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments zurückgesetzt
werden dürfen, gilt auch für die Informationsrechte der Abgeordneten und auch in
zeitlicher Hinsicht. Eine umgehende nachträgliche Unterrichtung der Abgeordneten ist auch
deshalb unumgänglich, weil der Bundestag andernfalls gehindert wäre, in der gebotenen
Weise seine Kontrollfunktion in Bezug auf die Durchführung der gesetzlichen
Delegationsregelung wahrzunehmen, Erfahrungen mit ihr zu sammeln und einen politischen
Willen über ihre Beibehaltung zu bilden.
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StaatsR: Abgeordnete
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