Durch das o.g. Gesetz wurde § 1631d BGB neu
geschaffen.
02 Weimarer Reichsverfassung
(WRV)
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Die Grundrechte des Art. 4 GG stehen im engen Zusammenhang zu Regelungen der Weimarer
Reichsverfassung vom 11. August 1919. Über Art. 140 GG (Staat und Kirche) haben die
Regelungen der Art.136 bis 139 und Art. 141 der WRV auch heute noch Verfassungsrang.
Artikel
140 GG
Es handelt sich um Regelungen, die die Religionsfreiheit, die Stellung der Kirchen, die
Sonn- und Feiertagsruhe und die Anstaltsseelsorge betreffen.
Muslimische Glaubensgemeinschaft als Kirche anerkannt
Das Bundesland Hessen hat Religionsgeschichte geschrieben.
Zum ersten Mal (13.06.2013) wurde in Deutschland eine muslimische Glaubensgemeinschaft
als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Es handelt sich um die Gemeinde
Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) in Frankfurt am Main. Die AMJ steht in Hessen damit nunmehr
rechtlich auf gleicher Ebene mit den großen christlichen Kirchen und kann nunmehr
- Steuern erheben
und eigene
- Friedhöfe einrichten.
Die AMJ gilt als eine gemäßigte muslimische Reformbewegung. Sie ist nach eigenen
Angaben in Deutschland seit über 60 Jahren aktiv, hat etwa 225 Gemeinden und mehr als 35
000 Mitglieder.
Durch diese Anerkennung als Kirche wird in Hessen dem Gleichheitsversprechen des Art. 3
Abs. 3 GG GG an alle Religionsgemeinschaften entsprochen.
Art. 3 GG
Die Privilegien der christlichen Kirchen sind damit erstmalig auch anderen
Religionsgemeinschaften zugänglich gemacht worden. Inwieweit auch andere muslimischen
Gemeinden den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beantragen werden,
bleibt abzuwarten.
Hindu-Tempelverein als Kirche anerkannt
Am 16.06.2013 hat ein Hindu-Tempelverein im westfälischen Hamm seine Anerkennung als
Religionsgemeinschaft gerichtlich erstritten. Das hat das Verwaltungsgericht Arnsberg
in einem (noch) nicht rechtskräftigen Urteil (Aktenzeichen: 12 K 2195/12)
entschieden. Über einen Antrag auf Zulassung der Berufung hätte das OVG für das Land
NRW in Münster zu entscheiden.
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der Pressemitteilung des VG Arnsberg.
Kurzmitteilung
03 Glaubensfreiheit
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Das Grundrecht gewährt die Freiheit, einen Glauben oder eine Weltanschauung nicht nur
zu bilden, zu haben und zu äußern, sondern auch die Freiheit, Handlungen an inneren
Überzeugungen auszurichten.
Das Grundrecht gewährt absolute staatliche Neutralität in Glaubensfragen.
Diese Neutralität gewährt dem Einzelnen nicht nur einen positiven Freiraum im
Hinblick auf ungehinderte Religionszugehörigkeit, sondern gewährt mit dem gleichen
Selbstverständnis auch das Recht zum weltanschaulichen Bekenntnis einschließlich des
Schutzes nichtreligiöser Überzeugungen.
In BVerfGE 93,15 heißt es u.a.: "Art. 4 Abs. l GG schützt die Glaubensfreiheit.
Die Entscheidung für oder gegen einen Glauben ist danach Sache des Einzelnen, nicht des
Staates. Der Staat darf ihm einen Glauben oder eine Religion weder vorschreiben noch
verbieten. Zur Glaubensfreiheit gehört aber nicht nur die Freiheit, einen Glauben zu
haben, sondern auch die Freiheit, nach den eigenen Glaubensüberzeugungen zu leben und zu
handeln. Insbesondere gewährleistet die Glaubensfreiheit die Teilnahme an den kultischen
Handlungen, die ein Glaube vorschreibt oder in denen er Ausdruck findet. Dem entspricht
umgekehrt die Freiheit, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens
fernzubleiben. Diese Freiheit bezieht sich ebenfalls auf die Symbole, in denen ein Glaube
oder eine Religion sich darstellt."
04 Eid und Glaubensfreiheit
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Die Glaubensfreiheit gewährt nicht nur das Recht, für eine religiöse bzw.
weltanschauliche Überzeugung aktiv einzutreten. Als negatives Freiheitsrecht bietet
dieses Recht auch die Möglichkeit, aus demselben Grunde Handlungen zu unterlassen.
Diese negative Freiheit findet ihren Ausdruck zum Beispiel darin, dass niemand einen
Eid mit religiöser Beteuerungsformel zu leisten braucht (Art. 136 Abs. 4 WRV).
05 Glauben / Begriffsbestimmung
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Eine umfassende Definition des Begriffs "Glauben" ist nicht möglich. Da
Unbeschreibliches rechtlich nicht regelbar ist, sind Umschreibungen erforderlich.
Zum Glauben gehören u. a.:
- kirchliche, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen
- die Freiheit, einen Glauben oder keinen zu haben
- Jenseitsvorstellungen, Gottesbilder
- Glaube an die Existenz höherer Mächte, an Wiedergeburt, Seelenwanderung u. a.
Jedem Menschen ist es freigestellt, sein gesamtes Verhalten an inneren
Glaubensüberzeugungen auszurichten.
06 Kruzifix und Kopftuch
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Mit Beschluss vom 16. Mai 1995 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die
Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen
Pflichtschule mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar sei.
"Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer
staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art. 4 Abs. 1
GG" (BVerfGE 93, 1, 16 ff.).
Die Entscheidung ist in der Öffentlichkeit heftig kritisiert worden. In der
Rechtslehre wurde der Kruzifix-Beschluss durchweg als ein schlimmer Missgriff des
Bundesverfassungsgerichts bezeichnet. Im Mittelpunkt der Kruzifix-Entscheidung steht die
behauptete Verletzung der negativen Religionsfreiheit, die es jedem freistellt, zu glauben
oder nicht zu glauben, sowie sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens
auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu leben.
Die Entscheidung, dass durch das Kreuz die Glaubensfreiheit verletzt sei, hat zu einem
Ansehensverlust des Bundesverfassungsgerichts geführt.
Die Entscheidung steht zudem im Widerspruch zu der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 366, 378). Zitat: ".... dass das Bewusstsein
der Schüler im Schulalltag von der Präsenz des Wandkreuzes dominiert werde, lässt keine
Kenntnis der Schulwirklichkeit bei der Senatsmehrheit vermuten". Diese Passage macht
deutlich, dass in der Vergangenheit die Wirkung des Kreuzes anders bewertet wurde.
Im Zusammenhang mit der Präsenz religiöser Symbole im Schulbereich kam es im
September 2003 zu einer weiteren, bemerkenswerten Entscheidung. Das
Bundesverfassungsgericht hatte zu entscheiden, ob es einer Muslimin verboten werden
könne, während des Unterrichts ein Kopftuch zu tragen.
Das Gericht entschied (2 BvR 1436/02 - vom 24. September 2003 - Kopftuchurteil):
"Ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen,
findet im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte
gesetzliche Grundlage.
Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann
für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser
Bezüge in der Schule sein."
Durch das beklagte Bundesland war geltend gemacht worden,
dass durch das Tragen des Kopftuchs durch eine Lehrerin im Unterricht es zu einer
religiösen Beeinflussung der Schüler und zu Konflikten innerhalb der jeweiligen
Schulklasse kommen könne, auch wenn die Beschwerdeführerin glaubhaft jegliche Absicht
der Werbung und Missionierung verneint habe. Entscheidend sei allein die Wirkung, die
durch den Anblick des Kopftuchs bei den Schülern eintrete. Es handele sich beim islamisch
motivierten Kopftuch um ein deutlich sichtbares religiöses Symbol, dem sich der
Betrachter nicht entziehen könne. Insbesondere Grundschüler seien kaum in der Lage, die
religiöse Motivation für das Tragen eines Kopftuchs intellektuell zu verarbeiten und
sich bewusst für Toleranz oder Kritik zu entscheiden. Die darin liegende Gefahr der
religiösen Beeinflussung sei mit dem gebotenen Schutz der negativen Bekenntnisfreiheit
von Schülern und Eltern nicht mehr zu vereinbaren und stehe im Gegensatz zum staatlichen
Neutralitätsgebot.
In der Begründung des Bundesverfassungsgerichts heißt es u. a.:
"Das Tragen eines Kopftuchs macht im hier zu beurteilenden Zusammenhang die
Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zur islamischen Religionsgemeinschaft und ihre
persönliche Identifikation als Muslima deutlich. Die Qualifizierung eines solchen
Verhaltens als Eignungsmangel für das Amt einer Lehrerin an Grund- und Hauptschulen
greift in das Recht der Beschwerdeführerin auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt
aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem ihr durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG
gewährleisteten Grundrecht der Glaubensfreiheit ein, ohne dass dafür gegenwärtig die
erforderliche, hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage besteht. Damit ist der
Beschwerdeführerin der Zugang zu einem öffentlichen Amt in verfassungsrechtlich nicht
tragfähiger Weise verwehrt worden."
Auf Grund dieses Urteils haben einige Länderparlamente der Bundesrepublik Deutschland
gesetzliche Regelungen zum Tragen religiöser Kleidung von Lehrern erlassen.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat im Januar 2007 entschieden, dass die
bayerischen Gesetze und schulrechtlichen Regelungen verfassungsgemäß sind. Äußere
Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung
ausdrücken, dürfen von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden, sofern die
Symbole oder Kleidungsstücke bei den Schülerinnen und Schülern oder den Eltern auch als
Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen
Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den
christlich-abend-ländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist."
(Aktenzeichen Vf. 11-VII-05).
07 Gewissensfreiheit
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Der Begriff "Gewissen" entzieht sich einer abschließenden Definition. Motive
des Gewissens können sich sowohl im religiösen als auch im nichtreligiösen Bereich
befinden. In jedem Fall handelt es sich um ethische Überzeugungen, die menschlichem
Handeln oder Unterlassen zugrunde liegen.
"Gewissen" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs und somit auch im Sinne
des Art. 4 Abs. 3 GG ist als ein (wie immer begründbares, jedenfalls aber) real
erfahrbares seelisches Phänomen zu verstehen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen
für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind" (BVerfGE 12,
54).
Das Bundesverfassungsgericht hat als Gewissensentscheidung "jede ernste sittliche,
d. h. an den Kategorien von "Gut" und "Böse" orientierte Entscheidung
angesehen, "die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und
unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste
Gewissensnot handeln könnte".
08 Unterlassen aus Gewissensnot
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Kollidieren Unterlassungshandlungen aus Gewissensnot mit geltendem Strafrecht, kann das
in Einzelfällen Auswirkungen auf die Vorwerfbarkeit des Unterlassenden haben. In diesem
Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht die Verurteilung eines Ehemanns aufgehoben,
der seiner, dem gleichen Glauben angehörenden, schwer kranken Frau zugeredet hatte, sich
nicht ärztlich behandeln zu lassen, sondern sich allein auf das "heilende"
Gebet zu beschränken.
Jedoch steht es Eltern nicht zu, lebensrettende Maßnahmen ihrer schwer verletzten
Kinder Ärzten gegenüber mit dem Hinweis zu verbieten, dass Bluttransfusionen aus
Glaubensgründen verboten seien.
09 Gewissenskonflikte im Berufsleben
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Aus dem Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit kann sich unter Umständen ein
Recht zur Arbeitsverweigerung ergeben. Das kann der Fall sein, wenn einem Arbeitnehmer
eine Pflicht übertragen wurde, deren Befolgung den Arbeitnehmer in Gewissensnöte bzw. in
Konflikt mit seiner religiösen Überzeugung bringt.
- Verkauf empfängnisverhütender Mittel durch katholische Apothekerin.
- Weigerung, Werbeprospekte für eine Sekte zu verteilen.
- Kein Arbeitsverweigerungsrecht an hohen islamischen Feiertagen.
Die Rechtsprechung löst entsprechende Konflikte zwischen Vertragspflichten und
Gewissensnot durch eine Güterabwägung der Konfliktlage beider Parteien. So ist zum
Beispiel ein sich in Gewissenskonflikten befindlicher Arbeitnehmer von seiner
Vertragspflicht (vorübergehend) zu entbinden, wenn ein anderer Arbeitnehmer für ihn
tätig werden könnte. Im Übrigen geht jeder Arbeitnehmer durch die Berufswahl das Risiko
ein, gelegentlich in Gewissenskonflikte zu geraten. Kann ein Konflikt nicht im
beiderseitigen Interesse zufriedenstellend gelöst werden, überwiegt die Pflicht zur
Erfüllung des Arbeitsvertrages. Beamte sind durch die Gehorsamspflicht im besonderen
Maße dazu verpflichtet, zugewiesene Aufgaben im Rahmen des geltenden Rechts
durchzuführen.
Die nachfolgenden Beispiele machen deutlich, in welche Gewissenskonflikte zum Beispiel
Polizeibeamte bei der Ausübung übertragener Aufgaben geraten können.
- Durchsetzung einer Abschiebeverfügung
- Gewissensnöte im Zusammenhang mit dem finalen Todesschuss
- Kirchenasyl
10 Religionsfreiheit im Beamtenverhältnis
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Die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gelten im Beamtenverhältnis. Als
Bestandteil der verfassungsimmanenten Schranken greifen im Beamtenverhältnis aber auch
die Grundsätze des Berufsbeamtentums.
"Das Grundrecht der Glaubensfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Das bedeutet
aber nicht, daß es keinerlei Einschränkungen zugänglich wäre. Diese müssen sich
jedoch aus der Verfassung selbst ergeben. Eine Errichtung von Schranken, die nicht bereits
in der Verfassung angelegt sind, steht dem Gesetzgeber nicht zu" (BVerfGE 93, 21).
Bei diesen hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums handelt es sich um Werte
mit Verfassungsrang (Art. 33 Abs. 5 GG). Dazu gehört, dass Beamte ihre Aufgaben
unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der
Allgemeinheit Bedacht zu nehmen haben. Daraus folgt, dass Beamte ihr Amt nicht dazu
missbrauchen dürfen, um für Gruppierungen zu werben, von denen sie überzeugt sind, dass
es sich um Religionsgemeinschaften handelt.
11 Freiheit der Religionsausübung
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Art. 4 Abs. 2 GG schützt die ungestörte Religionsausübung. Geschützt sind
insbesondere gemeinschaftliche Bekenntnisse mit Öffentlichkeitswirkung.
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes ist die Religionsausübungsfreiheit
extensiv auszulegen. Ungestörte Religionsausübung bedeutet, dass diese weder gestört,
noch behindert und erst recht nicht verhindert bzw. unmöglich gemacht werden darf.
Geschützt sind u. a.:
- Gottesdienste, Veranstaltungen und religiöse Gebräuche
- Prozessionen, kultische Handlungen und religiös motivierte Versammlungen
- Feiern und sonstige Äußerungen des religiösen/weltanschaulichen Lebens
"Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG
steht nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu, sondern auch
Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des
religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben"
(BVerfGE 24, 236).
12 Jugendsekten und Religionsfreiheit
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Auch neue Religionen und Sekten können sich auf die Religionsausübungsfreiheit
berufen. Den Zeugen Jehovas wurde durch Bundesverfassungsgerichtsentscheid (BVerfGE 102,
370 - vom 19. Dezember 2000) sogar Körperschaftsstatus zuerkannt. So genannte
Jugendreligionen genügen somit grundsätzlich den Anforderungen, die an die Anerkennung
von Religionsgemeinschaften zu richten sind.
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat jedoch das Grundgesetz nicht
"irgendeine, wie auch immer geartete freie Betätigung des Glaubens schützen wollen,
sondern nur diejenige, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser
übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung
herausgefunden hat" (BVerfGE 12, 1, 4).
Dem steht jedoch entgegen, dass nach Ansicht des gleichen Gerichts die
Religionsausübungsfreiheit extensiv auszulegen ist. Staatliche Warnungen vor Jugendsekten
werden jedoch als verfassungskonform angesehen.
13 Schranken
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Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und
weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
Unverletzlichkeit ist als besondere Form der Unantastbarkeit zu verstehen, die sich
nicht nur an den Staat und seine Organe, sondern auch an Dritte wendet.
Unantastbare Grundrechte gehören zu den objektiven Grundwerten der Verfassung, die
nicht nur vom Staat und seinen Organen, sondern generell von "Jedermann" zu
beachten sind. Das Grundrecht ist folglich gegen jede Störung von außen zu schützen.
Anerkannt ist, dass schrankenlos gewährte Grundrechte nicht völlig unbegrenzt
gewährt werden können, sondern von der Verfassung Grenzen vorgegeben sind, ohne diese zu
benennen.
Zu diesen so genannten verfassungsimmanenten Schranken zählen
- Grundrechte Dritter und
- Werte mit Verfassungsrang.
Kollidieren z.B. Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete
Rechtsgüter miteinander, ist davon auszugehen, dass die kollidierenden Rechte im Sinne
der Grundrechtsordnung sich gegenseitig begrenzen.
14 Recht auf Kriegsdienstverweigerung
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Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht. Anträge auf
Kriegsdienstverweigerung können nur von der berechtigten Person gestellt werden.
Niemand darf
- gegen sein Gewissen
- zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.
Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gilt jedoch nicht nur für den Dienst mit der
Waffe im Kriegsfall, sondern greift auch bei der Verweigerung des Wehrdienstes im
Friedensfall.
Sich im Bundesgebiet befindliche Ausländer können von ausländischen Staaten im
Inland nicht zwangsrekrutiert werden.
15 Kriegsdienstverweigerung
TOP
Der Begriff des Gewissens ist identisch mit dem aus Art. 4 Abs. 1 GG. Eine Einengung
erfährt die Gewissensfreiheit jedoch dadurch, dass aus Gewissensgründen nicht der
Ersatzdienst verweigert werden kann und somit aus Gewissensgründen eine Totalverweigerung
ausscheidet. Eine Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen setzt eine ernsthafte und
unbedingt zwingende Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst voraus. Männern im
wehrfähigen Alter steht kein freies Auswahlrecht zu, ob sie Wehr- oder aber Zivildienst
ableisten wollen.
16 Anerkenntnisverfahren
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Um als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden zu können, hat sich der Antragsteller
einem Anerkenntnisverfahren zu unterziehen. Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der
Kriegsdienstverweigerung regelt das Anerkenntnisverfahren wie folgt:
Über Anträge entscheidet das Bundesamt für Zivildienst nach Aktenlage.
Können Zweifel im schriftlichen Verfahren nicht ausgeräumt werden, wird die
Entscheidung an einen Prüfungsausschuss abgegeben, der bei Bedarf den Antragsteller
anhören kann.
Anträge dürfen nur dann abgelehnt werden, wenn die vorgetragenen Gründe nicht
geeignet sind, eine Kriegsdienstverweigerung zu begründen.
Nur anerkannte Kriegsdienstverweigerer können zum Zivildienst herangezogen werden.
17 Kriegsdienstverweigerung / Schranken
TOP
Art. 4 Abs. 3 GG bestimmt, dass niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der
Waffe gezwungen werden darf. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Art. 4 Abs. 3 GG steht
folglich unter Gesetzesvorbehalt. Art. 4 Abs. 3 GG darf durch ein Bundesgesetz jedoch
nicht eingeschränkt, sondern nur im Rahmen der Vorgaben dieses Absatzes offen gelegt
werden.
Diesem Verfahrensvorbehalt entsprechen folgende Regelungen:
- Art. 12 Abs. 2 Satz 1 GG
- Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz (KDVNG)
- Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (ZDG)
18 Kriegsdienstverweigerung nach dem 30.06.2011
TOP
Seit dem 01.07.2011 werden bei der Bundeswehr nur noch Freiwillige eingestellt. Die
Wehrpflicht steht zwar noch im Grundgesetz, ist aber auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.
Die Ziffern 13 bis 17 dieses Kapitels beschreiben insofern ein Verfahren, das zurzeit
in der Bundesrepublik Deutschland nur in der Theorie besteht.